Home Shopping

Mittwoch, 3. August 2005 um 8:46

Habe ich ja schon ein Problem mit dem Konzept des privaten Erbens: Wieso sollte ich als erwachsener, autarker Mensch irgend ein Anrecht auf Eigentümer haben, die jemand anderer sich durch harte Arbeit oder meinetwegen durch Glück erwirtschaftetet hat – bloß weil er aus demselben Genpool schöpft?

Die New York Times beschreibt ein Phänomen, dessen Beobachtung ich bislang nicht wahrhaben wollte, weil das dann doch nicht sein kann: Dass Menschen auch zu Lebzeiten ihrer Eltern glauben, dass sie sich beliebig bedienen können:

It was not the first time Ms. Wilkner had swiped something from her mother. She often appropriated socks, spices, oatmeal, once even a chest of drawers she found in her mother’s bedroom that had yet to be assembled. “That was a pretty good steal,” Ms. Wilkner said. “Oh, I took a bookshelf, too. Clocks. I took artwork, a bunch of Monet prints. But my parents have plenty of artwork.”
(…)
Stephen Kunken, 34, an actor in New York who is an admitted “pillager” of his parents’ possessions, said he rationalized that his parents had too much stuff and that he was both “trimming the fat” and “liberating” things. “I thought: ‘These poor things. These are never going to get used. I’m going to liberate them and bring them into the city,’ ” he said.
Through the years Mr. Kunken has taken briefcases, a slide projector, an electric toothbrush, razors, blank tapes, paper towels, soap and bottles of wine.

It’s the kids. Lock up the China!

bei sofa

die Kaltmamsell

12 Kommentare zu „Home Shopping“

  1. Jörg meint:

    Da ist mir als erstes sowas wie “Überflussgesellschaft” eingefallen.

    Wenn ich etwas ausholen darf: Wir haben vor einiger Zeit ein neues Heim bezogen, das Haus der Schwiegermutter wg. Pflegefall ausgeräumt, ein Kind, ein Au-Pair. Also eine ganz normale Wohlstands-Familie. Ich bin immer wieder erschüttert angesichts der Unmenge von Sachen, die man mit der Zeit so ansammelt, obwohl man wegen ökologischer und konsumkritischer Einstellung von Bekannten mitleidige Blicke erntet. Vor 12 Jahren nach dem Studium hatten wir gerade mal eine 1-Zimmerwohnung und ein IKEA-Starter-Set. Nun 2 komplett eingerichtete Küchen und KPM auf dem Dachboden, weil “Schränke voll”.

    Dieser eigentlich nicht gebrauchte Überfluss zusammen mit dem Wissen “Erbe ich eh bald” – ganz natürlich, dass es zu solch irriger Definition des Eigentumbegriffs kommt.

    Im übrigen: ich habe festgestellt, dass das Konzept des Erbens nur denen suspekt ist, die keine Aussicht auf ein Erbe haben. Geht mir auch so.

  2. die Kaltmamsell meint:

    Beruhigenderweise ist mein Bruder (noch) ähnlich veranlagt wie ich. So stacheln wir zusammen meine Eltern an, ihren mühsam erarbeiteten Wohlstand doch bitte zu Lebzeiten durchzubringen, mit Reisen und sonstigem schönen Leben. Meine Mutter machte ja bereits Anstalten, uns bei der Auswahl von neuem Porzellan um unsere Meinung zu fragen, weil wir “das später ja mal erben”. Nix da!

  3. nelly_pappkarton meint:

    Letztens haben meine Elter, meine zwei Halbbrüder und ich einen Erbvertrag geschlossen. Ich habe mich nicht weiter darum gekümmert, der Notar macht das schon und wenn meine Eltern so was haben wollen, dann sollen sie. Bis eine Freundin meinte, ich sei verrückt, ich müßte doch genau übelegen, ob ich so was unterschreibe wegen des Erbes. Aber mir ist eigentlich egal, was meine Eltern mit ihrem Geld machen. Gehört ja ihnen. Ich will nur nicht weniger kriegen als meine Brüder.

  4. Jörg meint:

    Da entsprechen wir mit unserer Meinung sicher nicht der Mehrheit.

    Ich habe aufs Erbe verzichtet, weil Vaters Unternehmen dranhing. Mein Bruder hat es übernommen. Auszahlen hätte bedeuet, dass es über den Jordan geht.

    Ich habe da eine Theorie, die ich bisher nicht verifizieren konnte: Als einen Grund für den Trend, dass erwachsene Kinder lange zu Hause wohnen bleiben und Studenten möglichst heimatnah studieren wollen, halte ich auch, dass man sich schon mental auf das Erben eingerichtet hat.

  5. Madel meint:

    Nicht alle gehen so lässig mit dem Thema um.
    Leider!
    Meine Schwägerin will mit ihren boy-friend ein Haus kaufen.
    Dafür möchte sie jetzt mal so eben an ihr bevorstehendes Erbe ran.
    Wohlgemerkt ist meine Schwiegermutter erst 59.
    Dafür soll ihr Bruder (mein Mann) und ich ein Teil des Hauses meiner Schwiegereltern kaufen, damit sie das Geld bekommt!
    Ich bekomm da echt einen Schreikrampf!
    Sauer bin ich auch auf die Schwiegereltern.
    Wieso sagen die ihrer Tochter nicht, dass ihr, solange sie noch leben, nichts von dem Haus gehört?
    Ich für meinen Teil lass es jetzt auf einen saftigen Familienstreit ankommen.
    Ich schätze, dass ich in der Zukunft nicht mehr viel mit meiner Schwägerin zu tun haben werde…

  6. Sanníe meint:

    Schon richtig, das alles.
    Trotzdem würde ich meine Eltern nicht als Leute bezeichnen, die zufällig aus demselben Genpool schöpfen. Und mein Elternhaus, das ja rechtlich immer nur meinen Eltern gehört hat, habe ich immer als “unser Haus” gesehen.

    Das Haus gibt es nicht mehr, aber es ist mangels eigener angemessener Altersvorsorge beruhigend zu wissen, daß ich mal etwas erben werde.

  7. die Kaltmamsell meint:

    Hm, das Haus und den Besitz meiner Eltern sehe ich als deren Altersvorsorge. Ich finde nicht, dass sie auch noch für meine zuständig sind.

  8. Jörg meint:

    Richtig. Denn im Alter kann so ein Haus schnell “aufgebraucht sein”.

    Aber das sehen viele nicht. Dementsprechend leidet die familiäre Beziehung, wenn die Kinder sehen, dass das Erbe im Pflegeheim verschwindet und die Alten perdu nicht den Löffel abgeben wollen.

  9. kathleen meint:

    Du lieber Himmel! Vor langer Zeit habe ich ein kleines Erbe angetreten – und hatte nichtmal da das Gefühl, daß dieses Erbe mir wirklich gehört. Ganz davon abgesehen, daß ich gern meinen nicht überlebenswichtigen Besitz obendrauf gelegt hätte, wenn dieser geliebte Mensch dann noch mindestens 15 Jahre länger hätte leben dürfen.
    Was meine Eltern besitzen oder nicht besitzen, weiß ich gar nicht. Geht mich auch nichts an. Vielleicht ist das der Grund, daß mein Vater mir vor ein paar Jahren die wichtigsten Aktenordner zeigte, und mich zur Testamentsvollstreckerin eingesetzt hat. Nee, die sollen bitte alle ganz lange leben und zu erben interessiert mich nicht die Bohne.
    Meine materielle Orientierung erstreckt sich auf den Wunsch nach gutem Geld für meiner eigenen Hände Arbeit und bitte keine Finanzierungslücken haben, die bedrohlich sind oder werden. Dann ist aber auch schon gut.

  10. Thuner meint:

    Deshalb bin ich ja schon lange für Erbschaftssteuer 100%. Das wäre echte Chancengleichheit!

  11. Georg meint:

    Thuner: Und vorher verschenken/überschreiben, was ja schon heute aus Steuergründen vorkommen mag, wird dann auch gleich verboten?

  12. Martina meint:

    Erben kann auch eine interessante Erfahrung sein.
    Das zeigt sich nämlich das wahre Ich.
    Wer erfolgreich mit seinen Geschwistern geerbt hat, ohne dass es zum Zerwürfnis kam, kann behaupten, dass die Familie wirklich funktioniert, finde ich.
    Gott sei Dank mögen wir uns immer noch genauso gern wie vorher, das ist wunderbar.

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