Andalusisches Deutsch
Montag, 17. Oktober 2005Ausländische Akzente in der eigenen Muttersprache haben meist etwas Putziges. Warum welcher Akzent sympathischer klingt als andere (mit schwedischem und französischem Akzent vermutlich ganz oben in der Sympathieskala, rumänischem und österreichischem eher unten), warum sich die meisten Muttersprachler in ihren Gefühlen dazu einig sind, fände ich eine sehr interessante Untersuchung.
Daneben gibt es innerhalb nationaler Akzente regionale Unterschiede: Deutsch mit englischem Akzent ist nicht gleich, ob die Sprecherin aus Texas, USA, kommt oder aus Reading, GB.
Gar nicht einschätzen kann ich, wie spanischer Akzent auf deutsche Ohren wirkt: Als Tochter eines spanischen Einwanderers bin ich damit aufgewachsen. Und doch höre ich die regionalen Unterschiede heraus. Am deutlichsten ist die regionalspanische Einfärbung im Deutschen bei meiner Freundin Isa, die als junges Mädchen in den 70ern aus dem finstersten Andalusien nach Kassel zog, genauer nach Bebra. Da es dort eine große spanische comunidad gibt und Isa sich gerne vor allem Schulähnlichen drückte, ließ sie sich mit dem Deutschlernen Zeit. So richtig mit System lernte sie es nie.
Das Ergebnis ist Deutsch mit heftigem andalusischen Akzent. Und das ist so lustig, dass ich die kleine, dicke, quirlige Isa mit ihren hellen Haaren, fröhlichen Augen und tausend Sommersprossen immer knutschen könnte, wenn wir uns auf Deutsch unterhalten.
Es hilft zu wissen, dass der Andalusier in der Aussprache des Spanischen gerne Abkürzungen nimmt. Ein S am Ende eines Wortes zum Beispiel braucht es seiner Meinung nach nicht; so wird aus seis (span. für sechs) „sei’“ und aus hermanos (Brüder) „hermano’“ – wobei man bei ganz genauem Zuhören den zusätzlichen Atem erlauschen kann, wo eigentlich das S hingehört. Bei mehrsilbigen Wörtern lässt der Andalusier gerne mal die letzte Silbe einfach weg. Es kostete mich seinerzeit echte Mühe, Isa davon zu überzeugen, dass die Stadt Granada heißt und nicht, wie sie es aussprach, „Grana’“ (ich musste tatsächlich eine spanische Landkarte als Beweis bemühen). Als sie triumphierend darauf hinwies, dass dann aber das spanische Wort für Granatapfel (granada) „grana’“ sei, schluckte ich mein deutsches Besserwissen hinunter und beließ es dabei.
Im Deutschen macht Isa das eben ganz genauso. „Grangehau“ ist Krankenhaus, „Bettu’“ ein Bettuch, „wia komme“ eigentlich kommen. Gar nicht aussprechbar sind für sie die bösen deutschen Konsonantenhäufungen, wobei Häufungen alles größer 1 Konsonant sind (außer es ist ein R dabei). Hast du wäre bei Isa „Ha’ tu“ – was so notiert nicht ganz stimmt, denn ein geübter Hörer nimmt auch hier wahr, dass es sich um eine Auslassung handelt: die Andeutung eines kehligen Ch weist darauf hin, dass da mal ein S war. „Hach tu“ wäre aber schon wieder zu deutlich. In willst du verschwindet das S tatsächlich: “Will tu.“
Am Wochenende war sie mal wieder zu Besuch, und ich merkte nicht nur wegen ihrer Aussprache, wie sehr sie mir gefehlt hatte.