Diätterror – die Serie (14): Zurück zu den 60ern?

Montag, 7. Mai 2007 um 9:17

Einige Tage habe ich vergeblich darauf gewartet, dass irgend jemand diese aktuelle, Geschrei auslösende „Studie“ der International Association for the Study of Obesity zerschießt, Deutschland habe in Europa die meisten „Dicken“. Denn in der ersten Veröffentlichung, die zumindest mir vor Augen kam, hieß es in der SZ, als übergewichtig sei dabei bereits jeder und jede eingestuft worden, die Körpergröße in Zentimetern minus 100 Kilos wiegen. Wie bitte? Selbst die skrupelloseste Diätgewinnlerin der deutschen Nachkriegsgeschichte, das Frauenmagazin Brigitte, nannte diese Korrelation „Normalgewicht“.

Möglicherweise besteht Hoffnung: Frau Food Vagabond wies mich auf einen Artikel in der gestrigen Sonntags-FAZ hin, in dem Diätgegner und Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer Stellung nimmt:

Das war keine internationale Studie, das waren zwei Blätter einer Organisation, die nach Angaben des British Medical Journal von der Pharmaindustrie, den Herstellern von Appetitzüglern, gesponsert wird. Die Zahlen sind wertlos, sie stammen aus den unterschiedlichsten Quellen, sie sind nicht altersstandardisiert und wurden mit unterschiedlichen Methoden erhoben. Die „Studie“ hat nicht einmal Autoren. Aber die Schlagzeilen waren aufsehenerregend.

Auf der Website der Association gibt es die beiden Blätter zum Download.

Darauf auch die Anmerkung: “Age range and year of data in surveys may differ. With the limited data available, prevalences are not age standardised. Self reported surveys may underestimate true prevalence. Sources and references are available from the International Obesity TaskForce database.”

Anscheinend sind ein paar Basisfakten immer noch viel zu wenig bekannt. Also hier nochmal von vorne, aus dem Interview „Diäten machen dick. Und krank.“, das die Schweizer Weltwoche vor einiger Zeit mit Herrn Pollmer führte:

Eine Diät bedeutet für den Körper eine Hungersnot. Er fährt den Energieverbrauch runter und nutzt jedes bisschen Nahrung bis aufs Letzte aus. Deshalb nimmt man zwar zu Beginn einer Diät ab, aber nach einer Woche hat der Körper den Trick raus und steuert dagegen. Sobald der enttäuschte Kunde wieder normal isst, kehrt er dank der optimierten Futterverwertung rasch zum Ausgangsgewicht zurück. Ab der zweiten oder dritten Diät kommt es dann zum berühmten Jo-Jo-Effekt: Für den Körper handelt es sich um ein Zeitalter mit massiven Hungersnöten – darum legt er sich nach jeder Diät ein zusätzliches Reservepolster zu, der Gewichtsverlust wird überkompensiert.
(…)
Moment – wir hatten gemeint, gerade Fettleibige hätten ein erhöhtes Herzrisiko?
Das stimmt. Aber es steigt noch mehr, wenn sie abnehmen. Ein abgehungerter Dicker ist eben etwas anderes als ein von Natur aus Schlanker – ein abgemagerter Mops rennt ja auch nicht plötzlich wie ein Windhund. Wer Diäten macht, hat ein erhöhtes Herzinfarktrisiko und eine geringere Lebenserwartung. Und zwar unabhängig davon, ob er das tiefere Gewicht hält oder nicht.
(…)
Immerhin basieren die Ernährungsempfehlungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Falsch. Wenn ein Experte behaupten würde, er habe herausgefunden, dass die Schuhgrösse 27 die gesündeste sei, und darum müssten jetzt alle Schuhgrösse 27 tragen, würde man ihn für verrückt halten. Aber wenn ein Experte irgendeine Ernährungsweise für gesund erklärt, dann glauben alle, sie müssten das jetzt nachmachen. Dabei sind die Unterschiede in der Verdauungsphysiologie noch viel grösser als bei der Fusslänge. Jeder verträgt gewisse Nahrungsmittel besser oder schlechter, das ist sehr individuell. Wenn also eine allgemein gültige Ernährung propagiert wird, handelt es sich a priori um Scharlatanerie – egal, wie viele Professoren Mittäter sind.

Letzteres hätte ich schon gerne etwas genauer. Außerdem tut sich Udo Pollmer keinen Gefallen, wenn er suggeriert, der Körper hole sich schon, was er brauche (sorry, selbst der Wauzi der Nachbarin ist dafür bereits zu überzivilisiert), und zwischen Ernährung und Gesundheit bestehe kein beeinflussbarer Zusammenhang. Ich berichte, wenn ich das eine oder andere Buch von Herrn Pollmer gelesen habe.

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die Kaltmamsell

21 Kommentare zu „Diätterror – die Serie (14): Zurück zu den 60ern?“

  1. walküre meint:

    Herrn Pollmers Stellungnahme ist eine späte Genugtuung für mich, die ich – ebenfalls bereits im Kindesalter, d.h. in den frühen 70er-Jahren, als übergewichtig (in der Provinz hätte “pyknisch” wahrscheinlich niemand verstanden) verdammt, wobei meine Figur Ihrer nicht unähnlich war – ein menschgewordener Jo-Jo-Effekt bin. Bezüglich des Satzes “Aber wenn ein Experte irgendeine Ernährungsweise für gesund erklärt, dann glauben alle, sie müssten das jetzt nachmachen.” denke ich, damit ist eher gemeint, dass auch die extremsten Spezialdiäten noch auf Akzeptanz stoßen. Wie weit zwischen Ernährung und Gesundheit ein beeinflussbarer Zusammenhang besteht, ist für meine Begriffe ohnehin in Langzeitstudien noch nicht ausreichend erforscht; ich kenne sowohl Menschen, die sich nach den heutigen Maßstäben absolut ungesund ernähren, jedoch schwere körperliche Arbeit leisten und sich – medizinisch erwiesen – bester Gesundheit erfreuen als auch solche, die relativ streng auf ihre Ernährung achten und dabei aber von einer körperlichen Beschwerde zur nächsten holpern. Meines Erachtens spielt in diesen Belangen die Psyche eine noch viel größere Rolle als ihr zugestanden wird, denn der entscheidende Punkt scheint mir hier die Lebensfreude zu sein, und zwar nicht in oberflächlicher Hinsicht, sondern aus einem in die Tiefe gelebten Leben heraus.
    Tatsache ist jedenfalls, dass die Medien ein utopisches Frauen- und zusehends auch Männerbild entwerfen und Pharmaindustrie sowie Schönheitschirurgie lebhaft davon profitieren, nicht zu vergessen Psychotherapeuten, die sich mit den angeknacksten Seelen der Opfer des Schlankheitswahns herumschlagen.

  2. Helga meint:

    Pollmer, der Mann der sagt, Kummerspeck kommt von Cortisol und nicht von der Schokolade, die die meisten von uns bei Kummer in übermäßigen Maße in sich hineinfuttern. Der Mann, der sagt: Ein Kopfsalat entspricht ernährungsphysiologisch etwa einem Papiertaschentuch und einem Glas Wasser. Und, der sagt, dass durch Obst- und Gemüsekampganen in Kindergärten Vierjährige essgestört werden!! (für letzteres Quelle: Weltwoche 45/04). Dieser Mensch ist definitiv indiskutabel.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Methodik ist ein echtes Problem in der Ernährungswissenschaft, da gebe ich Ihnen Recht, walküre. Eine saubere Aufstellung würde bedingen, dass einer Versuchsgruppe gezielt und unkontrollierbar geschadet wird – das ist ethisch nicht vertretbar. Deshalb sind alle Langzeitstudien auf Selbstaussagen über die eigene Ernährung angewiesen, und wie wenig verlässlich die sind, sehen wir an uns selbst und unserer Umgebung.

    Mir wäre es ja auch lieber, Helga, wenn der Pollmer weniger rüpelhaft polemisch daher käme und ich mir aus seinem Gepolter nicht immer die nützlichen Gedanken und Argument heraussuchen müsste. Seiner Aussage zum Kopfsalat würden die meisten seiner Kollegen sogar zustimmen, und Ernährungskampagnen in Kindergärten können tatsächlich faschistische Züge annehmen. Doch solange kein anderer Fachmann sich medienwirksam und vielleicht sachlicher gegen den Diätwahn wehrt, müssen wir wohl den nehmen.

  4. walküre meint:

    Ohne jetzt in Gefechtsposition gehen zu wollen: Mit dem Kopfsalat dürfte er recht haben, denn dieser besteht tatsächlich zum größten Teil aus Wasser. Was übrigens Vitamine und Rohkost anbelangt, bin ich spätestens seit näherem Kontakt mit der chinesischen Ernährungslehre in Zweifel über deren tatsächliche Bedeutung geraten, denn die ursprüngliche chinesische Küche sieht Obst und Gemüse nur in gegarter Form vor, Milch und Milchprodukte gibt es nicht, und auch das uns bekannte Brot ist Chinesen nicht geläufig. So gesehen, müssten ernährungsbedingte Mangelerscheinungen in China an der Tagesordnung sein, doch das Gegenteil ist der Fall: Bis westliche Ernährungsgewohnheiten Einzug in China hielten, kannte die Chinesen viele “unserer” Krankheiten überhaupt nicht.

  5. hufi meint:

    Aber Helga. Er hat ja recht damit. Und, was stimmt, ist natürlich indiskutabel. Wo ist das Problem. Ich ernähre mich trotzdem gerne von einem Papiertaschentuch und einem Glas Wasser. (Kopfsalat schmeckt allerdings doch etwas besser, mit gescheit was Sauce dran sowieso. Und das ist der Grund, warum ich Kopfsalat gegenüber Wasser und Papiertaschentuch einfach vorziehe.)

    Dieses ganze Ernährungsgequatsche in den hochentwickelten Ländern, das macht mich kotz und würg. Ist ein bisschen der Struktur nach so, wie, was Foucault über die Behandlung der Sexualität in “Sexualität und Wahrheit” (Ffm 1983) ausgeführt hat.

    “Die modernen Gesellschaften zeichnen sich nicht dadurch aus, daß sie den Sex ins Dunkel verbannen, sondern daß sie unablässig von ihm sprechen und ihn als das Geheimnis geltend machen.” (Foucault, S. 49)

    Hier also eine neue puritanische Gesundheits-, Körper- und Ernährungsindustrie. Trimmdichfit, Frissdichfit, ****dichfit etc. pp.

    Nachtrag: Zwischenzeitlich ist ja einiges kommentiert worden. Da kommt man sich ja näher.

  6. Helga meint:

    Die faschistischen Züge der Ernährungskampagnen im Kindergarten (und mancher Eltern), da stimme ich Ihnen zu, Frau Kaltmamsell. Andererseits sehe ich nach wie vor, wie Eltern es zulassen, dass sich ihre Kinder von Zucker ernähren: Schokolade, Kuchen, Limo. Kein Obst, kein Gemüse. Etc. (Und ich spreche von scheinbar intelligenten Eltern). Nach Pollmers Theorien isst das Kind halt, was es braucht. Aha. Und warum sind die Kinder dann dauerkrank?

    Ja, ich denke auch, dass mein Körper mir bis zu einem gewissen Grad signalisiert, was gut für mich ist. Aber was Pollmer dabei übersieht ist, dass die wenigsten Menschen soweit auf ihren Körper hören. Und auch die Grenzen, die er ihnen signalisiert und sei es nur durch Satt-sein respektieren.

  7. hufi meint:

    Helga, ich verstehe das nicht. Meine Eltern haben mir das weder erlaubt noch verboten. Und trotzdem ernähre ich mich nicht von Zucker hauptsächlich, oder Limo, Schoki oder Kuchen. Wenn ich beispielsweise einige Tage recht schwer gegessen habe, Schweinebraten mit Knödel und anderen Quatsch, dann kommt ganz automatisch der Wunsch nach Obst und Gemüse, jedenfalls bei mir. Ich kann dann kein Fleisch mehr sehen, geschweige essen.

    Und ich bin weiß Gott nicht gerade so ein Körperhörer. Vielleicht hätte ich das alles erst einmal Lernenmüssen, damit ich weiß, was ich richtig mache (oder falsch). Ernährungsdiktate bringen doch nichts. Die ersetzen einen Zwang durch einen andren. Beim Essen ist es wie mit der Musik. Die kann man auch nicht anerziehen, oder nur minimal. Andererseits ist die Übermacht der überhaupt zu hörenden Musik so, dass man bestimmten Befehlen kaum entgehen kann. Das aber ist Sozialisation as its best. Und noch einiges mehr.

  8. Helga meint:

    Wenn man jetzt Körperhörer weniger esoterisch besetzt, dann ist das doch genau die Verhaltensweise, von der ich spreche. Die aber viele verlernt oder nie gelernt haben. Und es hat etwas mit Sozialisation zu tun.

  9. Sanníe meint:

    Mag die “Studie” falsch sein, hat doch niemand den Schluß gezogen, die Menschen müssen sich nun alle einer Diät unterwerfen. Vielmehr hat sich unsere Ernährung durch das schnelle Essen auf der Straße und zu Hause mit Fertiggerichten auf unnatürliche Weise verändert, was von vielen einfach nicht reflektiert wird. (“Ach, wir essen heute abend nur was Kleines: Ein paar Nudeln in Sahnesauce.”)

    Auch die Einteilung in von Natur dicke und dünne Menschen kann ich nicht nachvollziehen. Klar, gibt es das. Aber wenn wir mal ehrlich sind, dann haben wir uns unsere Pfunde doch einfach angefressen – vielleicht schon als Kind, weil Mutti es “gut gemeint” hat. Tja, und je fetter der Arsch, desto weniger Energie den mal in Bewegung zu setzen. Ich nehm mich da nicht aus.

    Der Pollmer! Der hat einfach verstanden, daß man viel Aufmerksamkeit durch das Besetzen von Gegenpositionen bekommt. Wäre sicher ein erfolgreicher Blogger :-)

  10. midori meint:

    Interessant, wie viele Ernährungsthesen als Antwort auf Herrn Pollmers Polemik gleich wieder wie Schutzschilde dagegengehalten werden.
    Ich finde den Gedanken im Prinzip auch gut und erleichternd, zu sagen, die Menschen sollen das Essen, was Ihnen gut bekommt und wonach ihnen ist.
    Aber was macht jemand wie meine Wenigkeit, dem der “normale” Appetit abhanden gekommen ist, der ständig Lust auf Dinge verspürt, die in der begehrten Menge sicherlich nicht zur Gesundheit beitragen? Da wackelt das Thesengebäude gewaltig, wenn ich auch die Ansätze gutheiße, daß es nämlich die Dünnen und die Dicken gibt, daß man nicht faschistischen Ernährungsideologien erliegen darf.
    Die Welt könnte schön sein.
    Aber sie ist es nicht.

  11. stefanolix meint:

    Nachdem ich wahrscheinlich der einzige Anwesende bin, der hier ein Kind im Kindergarten hat, darf ich vielleicht kurz berichten, was es mit den “faschistischen Ernährungsideologien” auf sich hat:

    Im Kindergarten meines Sohnes gibt es eine Frischküche und eine Kinderküche. Frischküche bedeutet ja zunächst nur, dass dort kein Essen aus Kübeln oder anderen Behältern ausgegeben wird, sondern dass man für das ganze Kinderhaus und einige externe Esser jeden Tag ca. 150 Portionen frisch kocht. Damit ist natürlich noch nichts über die Qualität des Essens gesagt.

    Es gibt dort sehr viel frisches Essen aus der Region und es wird viel beim Biobauern direkt eingekauft. Wo man aber sparen kann, kauft man auch mal beim Großhandelsdiscounter. Der Koch hat ein eigenes Kräuterbeet und kocht sehr kreativ. Der Kindergarten beschäftigt als Helfer des Kochs vorzugsweise Zivis — und zwar Ex-Azubis aus guten Dresdner Restaurants, die natürlich dem Essen jeweils eine unverwechselbare Note geben. Dieser Tage wurde ein solcher Zivi durch die Kinder mit (freiwillig) selbst gemalten Bildern und durch die Angestellten mit einem Geschenk verabschiedet.

    In der Kinderküche lernen schon anderthalbjährige Buben, wie man einen Teig zusammenknetet und formt. Die Kinder haben Zugriff auf alle Geräte und Zutaten, an die man sie schon ranlassen kann. Essen zubereiten kann Teil von Kinderprojekten sein.

    Jetzt zur faschistischen Seite: Es gibt dort sehr selten Pommes und Süßigkeiten …

  12. die Kaltmamsell meint:

    Das ist ganz, ganz toll, lieber stefanolix. Allerdings ging es darum: “Ernährungskampagnen in Kindergärten können tatsächlich faschistische Züge annehmen”. Das ist durch Ihre Schilderung alltäglicher Kindergartenküche nicht widerlegt.

  13. stefanolix meint:

    Vielleicht missverstehen wir uns ganz entschieden: wie läuft denn in bayrischen Kindergärten eine faschistische Ernährungskampagne ab? (Vielleicht sollte man etwas auf die Sprache achten und an dieser Stelle statt “faschistisch” eher “faschistoid” sagen?)

    Es gibt im Kindergarten unseres Sohnes genau zwei Ernährungskampagnen:

    (1) gutes, gesundes und abwechslungsreiches Essen
    (2) die Möglichkeit, dass sich Kinder selbst Essen zubereiten.

    Weitere Ernährungskampagnen gibt es dort nicht und ich kann das einschätzen, weil unser Sohn mit anderthalb Jahren dort hinkam und in diesem Jahr mit sechs Jahren in die Schule kommt.

    Wenn man kleine Kinder von gesundem Essen überzeugen will, geht das nur durch richtig gutes Essen, durch Vorbildwirkung und durch Mitmachenlassen. Das sage ich aus Erfahrung. Alle anderen Maßnahmen richten nur Schaden an …

  14. Sebastian meint:

    Pollmer lesen fällt mir schwer, auch weil ich den Eindruck habe, dass sein Studiendreschen ein Studie für sich ist. Aber es beeindruckt mich schon, wie er immer wieder aus der Hüfte heraus irgendwelche Umfragen & Untersuchungen zerpflückt und dabei sehr gut gesichert im Sattel sitzt – denn sein Belege stimmen und die Getroffenen schweigen mit schmalen Lippen.

    Ich habe ihn einmal bei einer, ja schon, Performance erlebt, als er vor Vertreterinnen aller wichtigen Frauenzeitschriften sowie diverser Studienauftraugsgeber so richtig Gas gab, dass er uns den Hitler und die dicken Kinder von Brandenburg nur so um die Ohren haute. Und hatte den Eindruck, dass sich da ein gesunder Populismus in eine verzweifelte Polemik verwandelt, weil er seit Jahren so alleine recht hat, während weiter mit Studien von Unternehmen Meinung gemacht wird, die auch von seriösen Medien dankbar genommen wird.

    Z. B. die in allen Schulen durchgehechelte Untersuchung, dass Kinder im Unterricht mehr Wasser trinken müssen, also nicht nur in der Pause – von den Mineralwasserbrunnen beauftragt. Er konnte auch sagen, wo eigentlich die ganzen dicken Kinder sind, wenn sie noch nicht mal an unserer wirklich sehr durchschnittlichen Kleinstadtschule mit einem wirklich nicht reichen Einzugsgebiet mehr auffallen als damals bei uns in der Schule – es liegt an den Änderungen der Richtwerte. Sehr schön dazu die – populistische – Beschreibung eines Fluges von Istanbul nach New York, bei dem ein und das selbe Kind je nach überflogenem Land übergewichtig, zuckerkrank, idealgewichtig usw. war. Schade nur, dass er selbst dabei so gar kein Beispiel für ein relaxtes, alle Einflüsterer ignorierendes Dasein gab, sondern wild ins Streiten geriet mit den Damen.

  15. maike meint:

    ich habe gerade selbst das gefühl, am anfang eines jo-jos zu sein, beobachte ich doch derzeit einmal die woche mein gewicht, welches nach 5 wochen die kürzlich angefressenen 5 kilo auch brav abgeworfen hat, nun aber nicht mehr so mag…

    mit viel freude habe ich in der letzten woche sabinsen gesehen, wo sich der herr mälzer nur schlecht gegenüber der dame vom zucker-verband beherrschen konnte, die auch mit studien, ergebnissen, statistiken u.s.w.u.s.f. um sich warf. er hatte als eigenanekdote anzubringen, wie er in seiner eigenen schule das essen für die neuen ganztagsschüler verbessern wollte, und – siehe da- fast an den Lehrern scheiterte, denen das zu viel aufwand war. sollen sich doch die kids beim hausmeister mit milchschnitte und kakao eindecken, das nehmen tennisprofis doch auch zu sich.

    ich glaube, ein beispiel einer frisch- und kinderküche in einem kindergarten ist ein vorzeigebeispiel, aber bei weitem nicht die land- und flächendeckende realität. selbst an grundschulen gibt es in der ersten klasse ‘frühstücksworkshops’ für eltern, in denen erklärt werden muss, dass eine lehrerin mit 28 kindern ein sugar-high bitte vermeiden möchte, und lieber hätte, dass die pökse bis 10 durchhalten ohne vom stuhl zu fallen.
    bis zur dritten klasse haben die eltern das vergessen und die lehrerin mit anderen dingen zu tun. da reagieren vielleicht die kinder noch verschämt auf den blick der lehrerin und sagen zu der gatorade flasche, die wieder im 80 euro schulranzen verschwindet, dass mama heute keine zeit hatte, und dass sie morgen wieder tee mitkriegen. dann fällt noch mit schöner regelmäßigkeit der schulsport aus (vielleicht weil die lehrerin, wie in bayern geschehen, aufgrund ihres zu hohen BMIs (die frau ist kugelstoßerin) nicht verbeamtet werden konnte, und sich nun in einem fitnessstudio verdingt?), und zack! schon haben wir dicke kinder.
    da fehlt doch der eine oder andere schritt? oder vielleicht geht er auch in die falsche richtung?
    ernährungskampagnen können, in der tat, und nicht nur in kindergärten, faschistoide züge haben. aber wenn es wirklich so viele von ihnen gibt, wer kann mir dann die hausfrauen erklären, die ebenfalls ihr gewicht beobachten und nicht verstehen, dass mehl in massen schlecht sein kann, weil es sich in zucker verwandelt. wo leben die?

  16. beh meint:

    Der Herr Pollmer macht es sich m.E. manchmal etwas einfach, indem er die Unsinnigkeit der (hypothetischen) Empfehlung, nicht jeden Tag Schnitzel zu essen, dadurch belegt, dass er jemanden kennt, der jeden Tag Schnitzel isst und kerngesund ist. Also ein Beispiel fuer das genaue Gegenteil findet.

    Daraus zu schliessen, dass jeder jeden Tag um seiner Gesundheit willen ein grosses Schnitzel essen sollte, ist natuerlich verkehrt. Wird aber (implizit) immer gerne versucht, rund um Pollmer-Interviews. Zu schliessen, dass die Empfehlung nicht als Faustregel fuer viele Leute taugt, ist genauso verkehrt.

    Was im Falle Pollmer sehr schade ist. Es koennte ruhig mehr Leute geben, die sich oeffentlich etwa fragen, ob Kohlehydrate in der beruehmten Ernaehrungspyramide nach unten gehoeren, weil sie gesund sind, oder weil die US-Landwirtschaft ueberwiegend Kohlehydrate erntet. Oder kuckt, wer welche dilettantische Studie jetzt wieder bezahlt hat. Schade deshalb, weil er die Reaktion von Fr. Helga oben provoziert und dann auch nicht mehr ernstgenommen wird.

  17. kid37 meint:

    Eins ist doch wirklich auffällig: diese Diättheorien, die jede Saison wie die berühmte Sau durchs Dorf getrieben werden. Alle basieren sie auf neuesten Erkenntnissen und häufig beziehen sie zur Vorsaison die krasse Gegenposition. “Low Carb”, “Ananas”, “auf keinen Fall Milchprodukte”, “nur rechtsdrehend”, “fünf Mahlzeiten am Tag”, “besser nur drei”, “ja nicht essen, wenn der Körper Hunger meldet” usw…. und am schlimmsten dann die Leute, die just gerade wieder von der auf “neuesten Erkenntnissen” basierenden Theorie gehört haben.

    Dabei lehrt der Blick in die Einkaufswagen, was die meisten Leute im Supermarkt so kaufen – und wie das ebenso häufig mit ihrer äußeren Erscheinung korrespondiert. Wenn man sich mal mit Leuten unterhält, ist man ja erstaunt bis erschrocken, daß viele wirklich nicht wissen, wie Fett, Eiweiß, Kohlehydrate zusammenspielen und wo was so drin ist. Insofern: ja zu Aufklärungskampagnen. Und ja zu ein bißchen mehr an Entspannung, Abwechslung, Vielfalt – und Maß.

  18. Sebastian meint:

    Wenn ich mir anschaue, wie die Studie da oben nun selbst vom veröffentlichenden Robert-Koch-Institut als „schwierig” eingestuft wird (Zahlen aus verschiedenen Jahren und von unterschiedlichen Altersgruppen wurden verglichen) und dazu lese, dass nun auch der ganz große Ernährungswissenschaftsknaller der 90er (Flavinoide in Rotwein, Schokolade, Kaffee retten uns vor freien Radikalen) offenbar nur ein Pups war – auch ein Art Jojo-Effekt, oder?

    Und so wie der in Sachen Diät die Frauenzeitschrift ernährt, so ernähren sich von diesem Studien-Jojo nun die ganzen neuen Wissensseiten, -zeitschriften, -sendungen. Wenn es da dann oft noch ums Essen geht (aktuell in SZ-Wissen: Die Vitaminlüge), bewirkt das dann wohl den Jojojojo-Effekt. Schau ich dann noch, was Trend geworden ist beim Essen & Trinken: Deutsche trinken mehr Rot- als Weißwein, Coffeeshop-Boom in der Gastronomie, Schokoboom im Handel – weißte Bescheid? Vielleicht einfach nur essen statt lesen?

  19. robson meint:

    O.k. ich nehme mir mal kurz Zeit etwas beizutragen. Ob’s wie Beifall rüber kommt oder solchen nach sich zieht, mal sehen.
    Diäten sind, da gehe ich mit Herrn Pollmer gern konform, einfach Unfug, sofern sie nicht medizinisch indiziert sind.
    Niemand sollte sich irgendeiner Form von Diätterror gegenüber offen zeigen.
    Die Deutschen werden im Durchschnitt immer dicker, berichten zunehmend gehäuft die Medien und die Gesundheitsministerin stimmt jetzt aktuell auch mit ein. Wenn die Deutschen in den sechziger Jahren nicht so dick waren, müssen wir also zurück in die Sechziger ;-).
    Der Herr Pollmer hat aber auch recht mit seinem Hinweis darauf , dass die Menschen nicht alle gleich sind, weder im Hinblick auf die Schuhgröße noch auf sonstige physische Merkmale. In welchem Ernährungszustand sich jemand befindet, hat in etwa zu gleichen Teilen mit Veranlagung und Umwelteinflüssen zu tun. An ersterem ist nicht zu rütteln und für letzteres ist die Gesamtsituation der Gesellschaft in Deutschland, wie auch in anderen hochentwickelten Wohlstandsgesellschaften, verantwortlich. Überernährung bei gleichzeitigem Mangel an körperlicher Aktivität hat einfach die Gewichtszunahme zur Folge. Klingt banal, verdient aber wirklich eingehend bedacht zu werden. Die meisten Menschen erliegen mehr oder weniger den Bequemlichkeitsangeboten des hiesigen Alltags. Ich selbst lege meinen Weg (2×6 km) zur und von der Arbeitstelle per Fahrrad zurück, gehe viel zu Fuß, schleppe Einkäufe und meine Kinder rum und habe noch keinen Fuß in ein sogenanntes Fitnessstudio gesetzt. Gelegentlich – soweit ich Zeit dazu finde – laufe, radle oder schwimme ich in freizeitsportlicher Manier. Ich esse alles, was mir schmeckt, will sagen nicht nur Sushi sondern auch Mett, Eisbein und dergleichen.. Ich habe keine Gewichtsprobleme und denke, dass das nicht nur auf eine diesbezüglich günstige genetische Disposition zurückzuführen ist, sondern eben auch auf die Art wie ich lebe.
    Es müsste meines Erachtens (und da bin nicht so allein) in den Industriegesellschaften zu einem Wandel der Lebensstile auf breiter Front kommen, der damit einhergeht, dass die Menschen sich weniger Konsum, Komfort und Bequemlichkeit erlauben und salopp gesagt den Hintern mehr bewegen. Das würde ganz nebenbei die Situation im Hinblick auf Kohlendioxidemissionen und Klimawandel deutlich verbessern bzw. entspannen. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema…

    Diejenigen die vernünftig leben und dabei ein bisschen rundlicher (oder von mir aus pyknisch) sind, sollten sich nicht verrückt machen lassen durch medial propagierte Schlankheitsideale. Frauen können nicht alle aussehen wie Kate Moss – und sie müssen das auch nicht!

  20. stefan meint:

    Es müsste meines Erachtens nicht unbedingt zu einem Wandel der Lebensstile, sondern zu einem höheren Stellenwert der Eigenverantwortung kommen. Alles andere leitet sich daraus ab.

  21. marione meint:

    kann meinem vorredner (robson) nur zustimmem!
    ….und damit natürlich auch u. pollmer.
    habe 3 bücher von ihm gelesen und eigentlich will er nichts weiter sagen als
    esst ganz normal (ohne sinnlose diäten) und bewegt euch endlich ein bißchen mehr !!!
    bin ehemaliger leistungssportler und konnte immer essen was ich wollte und war immer
    durchtrainiert.
    durch meine schichten auf arbeit geht das leider nicht mehr so mit dem sport und dementsprechend stieg auch mein gewicht an bei gleicher essweise.
    logisch….wenn man stänig mehr isst als man verbrennen kann, wird man dick !!!!
    also, bewegung leute……dann könnt ihr auch essen was ihr wollt ;-) !!!!

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