Archiv für Juli 2008

Kocherlball-Training

Freitag, 11. Juli 2008

Treffen
freimaurerisch interessierte Frauen
heute im Bräustüberl

stand auf Zetteln, die über das Treppenhaus des Hofbräuhauses verteilt waren. Verursacht hatte die Verlegung der Volkstanzkurs im Erkerzimmer als Vorbereitung auf den Kocherlball*. Im Erker stand die Musik: Harfe, Klarinette, Quetschn, Bass, Trompete. Die großen Fenster des alten, holzverkleideten Tanzzimmers gingen aufs Platzl und ließen die Luft eines wundervollen Sommerabends herein. Es wurde sehr schnell sehr voll, glücklicherweise taugten auch Nebenzimmer und der Korridor als Tanzfläche. Und so spielte die Musi auf, und Vortänzer Magnus Kaindl zeigte, wie sie gehen, der Dreher, der Landler, die Polka, der Ruach (richtig gehört?), die Schee Marie, der Boarische, der Höllnteifi. Viele der Musikstücke haben einen Text, der beim Merken der (einfachen) Figurenfolgen helfen.

Das tanzende Volk hätte kaum bunter gemischt sein können:
– das verwitterte alte Paar, das sich durchgehend anlachte
– der talibanös aussehende junge Mann in Camouflage-Bermudas
– die beiden Italienerinnen, die kichern miteinander tanzten
– die winzige solariumgegerbte Minirockträgerin mit Gold-Stilettos
– einige Tänzer und Tänzerinnen durchaus schon in Oktoberfest-Verkleidung (bezeichnenderweise aber weder die Musikanten noch die Vortänzer)

Und wer meint, na, zumindest an Walzer und a Polka kann doch a jeda …: Nein. Keineswegs. Während die meisten Tänzer und Tänzerinnen ihre vagen Ahnungen vom alpenländischen Volkstanz konkretisierten, brauchten einige durchaus noch Hilfe bei der Verteilung der drei Viertel eines Walzertaktes auf zwei Füße. Manche trauten sich gleich gar nicht selbst auf die Tanzfläche, sondern standen paarweise auf den Stühlen am Rand und musterten konzentriert die Füße der Mutigeren.

Selbst die werden geschwitzt haben, es war ganz schön heiß. Und ein großes Vergnügen. Nächsten Donnerstag gibt es noch eine Chance zum Lernen, selbe Zeit, selber Ort.

Hier eine Bildstrecke vom Tanzabend letzte Woche.

(Zur Sicherheit für unsere norddeutschen Mitbürger: Nein, Schuhplattler gehört nicht zu den üblichen Tänzen einer bayerischen Volkstanzveranstaltung.)

* Ich hätte lieber die Kocherlball-Seite der Stadt München verlinkt, aber darauf ist immer noch der im Mai verstorbene Willi Poneder als Tanzmeister angegeben.

Papas Brille

Donnerstag, 10. Juli 2008

Bitteschön: die neue alte Brille an Kaltmamsell.

Zum Vergleich nochmal: hier in ihrem ursprünglichen Habitat.
Jetzt sieht sie aus wie neu, Herr Optiker kriegte sich kaum ein über die Qualität der Menrad-Fassung (“Sowas wird heute gar nicht mehr gemacht!” – oder war das am End abschätzig gemeint?). Heute trage ich sie im Büro ein.

Vergleichsweise: Schiene – Straße

Mittwoch, 9. Juli 2008

Weitere Datenaufnahme auf der Suche nach der Ursache für das reflexhafte Bahnbashing der Deutschen.

Sonntagnachmittag war der Blitz in die Oberleitung der Bahnstrecke zwischen München und Augsburg eingeschlagen und löste große Komplikationen und Verzögerungen aus – kurz bevor ich von Augsburg nach München fahren wollte. Reaktion vieler Bahnreisender auf die Durchsage: „Tyyyypisch Bahn! Können die vielleicht eeeeeinmal pünktlich sein?“ Ich halte es ja für eine massive Überschätzung der Macht von Herrn Mehdorn, er könne es sogar blitzen lassen. (Mag jemand Verschwörungstheorien klöppeln?) Für die etwa 60 Kilometer lange Strecke brauchte ich in der Folge gut zwei Stunden: Zug nach Mering, dort alle aussteigen zu „Schienenersatzverkehr“ (bahnisch für „Busse“), hier keine klaren Angaben, wie es weitergehen sollte. Schließlich Bus zum Geltendorfer Bahnhof, S-Bahn oder Regionalzug nach München. Mir pressierte es glücklicherweise nicht, ich hatte genug zu lesen dabei und machte auch noch Bekanntschaft mit der zauberhaften Landschaft zwischen Landsberg und Ammersee. So schaffte ich es, das Dauergenöhle einiger Mitreisender fast komplett wegzuschalten.

Und dann erzählte mein Chef von einer ähnlichen Fahrt am Sonntagnachmittag, allerdings mit dem Auto: Er hatte von Tutzing nach München Schwabing (ca. 40 Kilometer) zweieinhalb Stunden Stop-and-go gebraucht, allein eine davon für die Durchquerung Starnbergs. Ursache: dichter Verkehr. Lesen konnte er natürlich nicht zum Zeitvertreib. Nun bekommt ein Autofahrer ja das Genöhle der anderen Stauinsassen nicht mit – aber ich bin mir recht sicher, dass keiner davon Herrn Tiefensee verflucht hat. Auto-Staus scheinen leichter als höhere Gewalt wahrgenommen zu werden als Blitzschäden, Bäume auf Gleisen oder Böschungsbrände.

(Deppen rechne ich ja schon gar nicht ein. Also auch nicht den auffallenden Passagier im Regionalexpress nach Augsburg: Die Nachricht, die Weiterfahrt verzögere sich erst mal, weil ein Güterzug vor uns ein technisches Problem habe, beheulte er mit: „Ey, Alde, isch hab doch gesagt, nehmen wir IC!“)

Diätterror – die Serie (15):
Perfect Girls, Starving Daughters: The Frightening New Normality of Hating Your Body

Montag, 7. Juli 2008

Letzte Woche versuchte mir das Selbsthassmonster mal wieder einzureden, ich hätte zugenommen. Mein Kleiderschrank ist sehr voll, und so merke ich mir nicht im Detail, welche Hose, welcher Rock eher locker oder eher eng sitzen – und kann mir flugs einbilden, die blaue Hose mit Nadelstreifen kneife plötzlich an den Oberschenkeln. Ich war mal wieder ganz knapp davor, mich zu wiegen (merke: sich ständig wiegen müssen nur Kranke und Schwangere). Dabei bewies mir mein schöner Blumenrock gestern, dass von Zunehmen nicht die Rede sein kann: Er saß mit genau so viel Spiel wie immer auf den Hüften.

An der Ecke bin ich immer noch hochempfindlich. Mein Körperumfang ist seit fast zwei Jahren genau so, wie ich ihn haben will. Nein, ich wünsche mir nicht, dünner zu sein – was sich doch angeblich jede Frau erträumt. Zum einen schaue ich mir heute die Fotos meines dünneren Selbst an und stelle fest: Das war zu dünn. An meinem kräftigen Knochenbau wirkt zu wenig Umhüllung verhärmt. Und ich erinnere mich zu gut, dass ich Größe 36/38 nur mit eiserner Selbstkasteiung halten konnte – ein deutlicher Hinweis, dass sie mir nicht entsprach. Zum anderen weiß ich aus Erfahrung, dass viele Kleidungsstücke mir nie stehen werden, egal, wie dünn ich bin. Gewichtsverlust würde also lediglich bedeuten, dass mir all meine schönen Sachen nicht mehr passen. Nein, danke.
Aber, und hier die Empfindlichkeit: Mehr zu werden, bleibt einer meiner schlimmsten Alpträume. Auch wenn nichts darauf hinweist, dass das ein reales Risiko ist.

Kein Wunder also, dass mich Perfect Girls, Starving Daughters: The Frightening New Normality of Hating Your Body interessierte. Es war der Untertitel, der mich auf das Buch aufmerksam machte. Er fasst zusammen, was die Autorin Courtney E. Martin zum Schreiben gebracht hat: Wir sehen es inzwischen als völlig normal an, dass Frauen ein kaputtes Verhältnis zu ihrem Äußeren und zur Nahrungsaufnahme haben.

Martin nimmt sich heterosexuelle Mädchen und Frauen im Alter von 12 bis 29 vor. Auch wenn ihre Untersuchung nicht statistisch relevant wissenschaftlich ist, sondern lediglich eine große Menge Fälle aufzählt, sind ihre Definitionen und Abgrenzungen gewissenhaft und transparent. Dazu gehören auch saubere Quellenangaben und eine ausgiebige Literaturliste.

Das Buch basiert auf einer Vielzahl Interviews mit Mädchen, Frauen und Männern, per E-Mail oder persönlich. Zu den Aspekten, die Martin beleuchtet, gehören „Feminism’s unintended legacy“, „The male mirror“, „Pop, Hip-hop, Race and the Media“, „All-or-nothing nation“, “Athletic obsession“. Vieles daran ist sehr US-amerikanisch: Die High-School-Mechanismen, die beschriebene Desillusion nach Studium oder 11-Jährige, die von ihrer Mutter einmal die Woche zum Nutritionist geschickt werden, sind mir als Europäerin fremd. Überrascht war ich aber, wie viel von dem, was sie über 12- bis 29-Jährige schreibt, auch auf mich 40-Jährige zutrifft.

Viele von Martins Beobachtungen fand ich erhellend. So hält sie ein unbeabsichtiges Erbe der Feministinnen zweiter Generation fest: Wir, die wir von unseren Müttern ermutigt wurden „You can be anything you want” haben das ganz offensichtlich aufgefasst als „You must be everything”. Wie es zu diesem Missverständnis gekommen ist, bleibt offen. Allerdings waren es dieselben Mütter, die Wein predigten, aber Wasser servierten (es sind immer die Mütter schuld). Die ihre Töchter anwiesen, sich gegen die Kult von Äußerlichkeiten zu wehren, selbst aber vor dem Spiegel verächtlich zu sich waren. Oder die mich, in meinem Fall, auf Höchstleistungen in der Schule und eine Karriere dressierten, sich selbst aber komplett vom Geld und Beruf ihres Ehemanns abhängig machte.

Auch interessant: Die Ergebnisse von Martins Erhebung, was Männer (angenommen, es handle sich um eine erfassbare Gruppe) wirklich an Frauen (eine ebenso hypothetische Gruppe) attraktiv finden. Zum einen stellt sie fest, dass ein Unterschied zwischen der Jagd nach hot girls und der Suche nach einer möglichen Partnerin besteht. Die hot girls entsprechen den Stars in Film, Musik und Fernsehen, von ihnen träumen Männer, um diese treten sie in Wettstreit, sie gelten als Trophäe. Doch dann ist da die E-Mail-Aktion, die Martin startete. Sie mailte allen Männern in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis und bat sie, die Mail an so viele Männer wie möglich weiterzuschicken, wies ausdrücklich darauf hin, dass auch anonyme Antworten willkommen seien:

“What do you honestly find attractive? Don’t give me your politically correct answer. Lay it on me.”

And almost every one of them answers in some form or another:
confidence and a sense of humor.

In truth, if you are worrying about snagging a man, you would be better off spending your time taking an improv comedy class than running on the treadmill. (…) Guys don’t want disappearing women. In direct contrast, they actually want women who are present, strong, and ambitious. Guys don’t want women who maintain a tiny size if it isn’t their natural weight. They want women who carry their size with grace.

Es folgen seitenweise Zitate aus den Anwort-Mails, die das belegen.

Andererseits: Wenn Frauen das wirklich einsehen würden, könnten die meisten Frauenzeitschriften dicht machen. Die Folgen: Medienkrise, arbeitslose Journalisten, Einbruch in der Werbeindustrie, Armageddon. Das wollen wir doch nicht. Es ist einfach zu lukrativ, wenn Frauen sich scheiße finden.

Eine Ursachenanalyse bietet Martin nur in Ansätzen an – aber das hat sie sich auch nicht als Aufgabe gestellt. Völlig hilflos ist auch sie, wenn sie in Gesprächen mit jungen Mädchen feststellt, dass diese sich sich des mörderischen Einflusses von Medienbildern sogar bewusst sind, aber keine Möglichkeit sehen, sich ihm zu entziehen. Die Lösung, die sie am Schluss des Buches als Möglichkeit aufzeigt (kein amerikanisches Buch ohne Lösung), ist entsprechend fragwürdig: „Spirituality.“

Befremdlich war für mich das Einweben persönlicher Erlebnisse der Autorin. Ihre Begründung: So viele Frauen haben sich ihr geöffnet und viel von sich preisgegeben, dass sie das der Gerechtigkeit halber ebenfalls tun muss. Ich schwanke zwischen Kopfschütteln über das Aufgeben der wissenschaftlichen oder auch nur journalistischen Distanz und dem Respekt davor, wie verletzbar sich Martin damit macht. (Außerdem hätte ich Martins hochkomische Geschichten, wie ihr Vater sich bemühte, Teil ihres Frauwerdens zu sein, nicht missen wollen.)

Wieder zurück zu mir persönlich: Mein Selbstbild ist viel besser geworden in den vergangenen Jahren (mag am Alter liegen: Martin berichtet am Rande von den älteren Frauen, die endlich Frieden mit ihrem Körper geschlossen haben. Nur dass sie nicht so lange warten will), auf einer Waage stand ich seit eineinhalb Jahren nicht mehr, das innere Monitoring meiner Nahrungsaufnahme ist deutlich nachlässiger geworden. Misstrauisch bleibe ich meiner Sportlust gegenüber.

Isarlauf in Sommersonne

Sonntag, 6. Juli 2008

Die zweite Tageshälfte hat den Münchner Sommer erst mal weggepustet. Aber der Morgen war ein Traum.

Oberföhringer Wehr

Isarkanal

Zufluss des Eisbachs

Nicht vergessen: Am 20. Juli ist der diesjährige Kocherlball!

Samstagsreport

Samstag, 5. Juli 2008

Start in den Tag mit heftigem Gelächter über Ingeborch Schubiaks Kulturvergleich. (Ich hab ja eine Arbeitskollegin mit ruhrgebietischem Migrationshintergrund, deren Stimme ich beim Lesen der Texte immer im Ohr habe.)

Endlich die erste Brille meines Vaters, die er mir schon vor Jahren überlassen hatte, zum Optiker gebracht, auf dass er mir Gläser für meine Sehschwäche einmontiere. Der junge Mann dort war angemessen begeistert von diesem Modell (zumal mindestens ein Werbeplakat im Laden eine zeitgenössische Kopie davon anpries). Jetzt weiß ich, dass Kunststoff über die Jahre seinen Weichmachergehalt verliert – was im Fall einer Brille ein Erwärmen zum Einpassen neuer Gläser nicht ratsam macht, da der Kunststoff ohne Weichmacher bröselt. Ein Test ergab glücklicherweise, dass sich die Brille meines Vaters ausgezeichnet gehalten hat (mein Vater trug sie selten genug; ich glaube, sie war ihm selbst damals zu ausgefallen). Ob sie mir denn überhaupt stehe, wollte Junker Optiker wissen. „Und wie!“ versicherte ich ihm und bewies es durch Aufsetzen. Auch hier war die Begeisterung in seiner Reaktion angemessen. Nächste Woche kann ich sie abholen. Verzichten können hätte ich allerdings auf den Abschiedskommentar des Herrn: „Mensch, dann ist die Brille ja älter als ich!“

Unbezwingbarer Drang, Käsekuchen zu backen. Na gut, aber dann vom Blech und mit Streuseln auf sowie frischen Aprikosen unter der Quarkschicht. Sehr gut geworden.

Hancock

Freitag, 4. Juli 2008

praktisch spoilerfrei

Oh ja, der hat Spaß gemacht. Auf Hancock hatte ich mich gefreut, seit ich im Mai den ersten Trailer gesehen hatte. Superhelden sind gut, Will Smith ist gut, Spielen mit Superhelden-Topoi ist gut – eine Mischung von all diesem musste großartig sein. Und da ich befürchtet hatte, der Trailer könnte wie so oft das Pulver des gesamten Filmes verschossen haben, war ich gestern auch noch angenehm überrascht.

Da haben wir also Will Smith als Hancock, einen ungehobelten Superhelden, der seinen Job alles andere als sorgfältig macht. Dank eines feinen Drehbuchs wird im Lauf des Filmes nachvollziehbar, warum ihm das Spiderman’sche „With great power comes great responsibility“ lauwarm am stählernen Arsch vorbei geht. Der Film hat einen schönen Erzählrhythmus. Dass eine Charlize Theron nicht einfach in der Rolle eines Hausfrauchens verheizt wird, verspricht uns die Kamera gleich bei ihrem ersten Auftauchen. Das Einlösen dieses Versprechens ist angenehm eingeteilt.

Dass ein Superheldenfilm nicht mehr mit mit Materialschlacht punkten kann, wussten die Macher ganz offensichtlich – es werden zwar durchaus große Dinge geworfen und viele Dinge kaputt gemacht, aber das ist eindeutig nur der Pflichtteil. Der Showdown hingegen findet auf ziemlich kleinformatiger und menschlicher Ebene statt – eine erfreuliche Abwechslung.

Erfreulich sind auch zahlreiche Details. Ob das Will Smith ist, wenn er sich nur mit Minimallauten artikuliert, der Umstand, dass eine Superheldenlandung gerne mal den Landeplatz zerbröselt, oder dass man es manchen Leuten einfach nie recht machen kann und sie selbst bei Lebensrettungen noch B-Noten vergeben.

Wundervolles Popcornkino.
(Weiß jemand, warum die Süddeutsche den Film ignoriert? Ist dem Superhelden-Zuständigen Fritz Göttler was passiert? Seit ich weiß, dass auch er mit der jüngst verstorbenen Cyd Charisse in erster Linie ihren Auftritt in It’s always Fair Weather verbindet, verzeihe ich ihm seine sonstige Verquastheit.)

Achtung: Spoiler in den Kommentaren.


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