Archiv für Oktober 2008

Störender Distanzmangel

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Hatte ich gestern so ähnlich schon gepostet, ist aber auf irgendwelchen Wegen verschwunden.

Ein Ministerpräsident, mit dessen JU-G‘spusis ich in die Schule gegangen bin1 , ein Koalitionspartner-Sonderparteitag auf dem Parkett meines Tanzschulabschlussballs und auf der Bühne meines ersten Blockflötenauftritts, ein Oppositionsfraktionsführer, dem ich regelmäßig beim Gewichteheben begegne – wie soll ich bei so wenig Distanz meine neue Regierung angemessen respektieren?

Oder fällt das wieder unter „Ich will keinem Club angehören, der Leute wie mich aufnimmt“?

  1. Herr Mayr, Frau Auer, das Gelächter, das Sie mit der Formulierung „im Ingolstädter Nobelvorort Gerolfing“ in Münchens Mitte ausgelöst haben, könnte bis hinaus in Ihre neue SZ-Redaktionspampa geschallt sein. Experten weisen darauf hin, dass es Ingolstadt zu überhaupt keinem Nobelvorort geschafft hat – die Noblesse lebt deutlich im Stadtgebiet -, und wenn, wäre Gerolfing, wegen seinerzeit billiger Bauplätze als Lehrerdorf bekannt, kein Kandidat. []

Weblog Awards 2008 der Deutschen Welle –
die Publikumsabstimmung hat begonnen

Montag, 27. Oktober 2008

Heute beginnt die Publikumsabstimmung für die BOBs der Deutschen Welle. Noch bis zum 26. November können User in aller Welt ihre Favoriten wählen.

176 Finalisten stehen in 16 Kategorien zur Wahl für den Publikumspreis. Am interessantesten dürften für Sie da draußen die deutschen Nominierten sein.

– Da sind natürlich die elf Kandidaten für den Preis des besten deutschsprachigen Blogs.

– Die deutsche Nominierung für das beste Videoblog ist Bottleplot (Punk meets Sommeliere).

– Auf die Shortlist der Kategorie „Reporter ohne Grenzen“ sind die Damens von der Mädchenmannschaft gekommen.

– Um den Originalitätspreis „Blogwurst“ kämpft das Wurstblog.

– Und für den Preis des überhaupt besten Weblogs sind die Scienceblogs nominiert (interessanterweise hat auch die chinesische Jury für diesen Preis ein Wissenschaftsblog nominiert: „Eichhörnchen, die gerne wissenschaftliche Nüsse knacken“).

Auf die Shortlist für den besten Podcast hat es leider kein deutscher Vorschlag geschafft – und das, wo letztes Jahr der deutsche Kandidat Gefühlskonserve sogar den Jury-Award bekam.

Also, wenn ich bitten darf: Wählen gehen.

Der Preis der Jury ist etwas Anderes und geht extra. Die internationale Jury trifft sich am 26. November bei der Deutschen Welle in Berlin und bestimmt die Jury-Gewinner in jeder Kategorie. Bekanntgegeben werden die Preise gleich danach, am 27. November, auf einer Feier im Berliner Museum für Kommunikation – weil dann die teilweise weit gereisten Jurymitglieder noch da sind. Die Veranstaltung ist öffentlich und beginnt um 20 Uhr, der Eintritt ist frei. Kommen Sie doch einfach vorbei und geben sich zu erkennen. Ich bin die Frau im Krokodil-nach-Ölpest-grünen Abendanzug.

(Wenn Sie Fragen haben, empfehle ich die Fragen-und-Antworten-Seite der Deutschen Welle. Für speziellere Fragen gibt es dort ein Kontaktformular.)

Launereparaturprogramm

Samstag, 25. Oktober 2008

Der gestrige Abend verärgerte mich durch unangenehmen Wein, mein Nachtschlaf wurde vom Schnappschnarchen des Bettgefährten zerhackt (ich war gleichzeitig zu träge, ihn rauszuwerfen). Ich setzte große Hoffnung auf den vormittäglichen Dauerlauf durch Herbstlaub an Sonne, war tatsächlich ein wenig aufgehellt. Alberne Fotos mit Gesichtsmaske zu machen, war ebenfalls lustig.

(Diese Mineralienmaske habe ich nur für Fotos gekauft und aufgetragen. Denn die Packungsaufschrift verspricht ein „verfeinertes Hautbild“, unter dem ich mir rein gar nichts vorstellen kann. Erinnert mich an die Kosmetikwerbung, die mit einer Creme für „mehr, kleinere Poren“ sorgen will – Zellteilung kenne ich zwar, aber wo will die Creme bitte zusätzliche Hautporen herkriegen?)

Ein ausführliches Vollbad hätte meine Stimmung vielleicht tatsächlich wieder gerade gerückt, doch es sollte nicht sein. Ich machte Bekanntschaft mit dem Gegenstück zum Paketboten, der erst gar nicht klingelt, sondern gleich das Abholkärtchen einwirft: mit dem unabwimmelbaren Paketboten. Ich hatte mich gerade in die volle Wanne gelegt und justierte die Wassertemperatur, als es an der Wohnungstüre Sturm klingelte. Zwar war der Paketbote durchaus mein Hauptverdächtiger als Verursacher, aber bevor ich ein Vollbad abbreche, hole ich mir lieber mein Paket zu einem späteren Zeitpunkt selbst ab. Keine Minute später klingelte es wieder Sturm. Ein hartnäckiger Geselle, dachte ich und angelte mir das gestrige SZ-Magazin, um es auszulesen. Als es aber fünf Minuten später ein weiteres Mal stürmisch an der Tür klingelte, wurde ich besorgt: Anscheinend war der Klingler doch nicht von der Post, es musste etwas Ernstes passiert sein (klingelputzende Kinder gibt es hier nicht). Raus aus der Wanne, Bademantel übergeworfen, unter Hinterlassung lustiger Pfützen auf dem Parkett zur Wohnungstür geschlurft – vor der niemand war. Ich rief herzhafte Hallos durchs Treppenhaus und „Was ist denn los?“, bis tatsächlich ein DHL-Herr vor mir stand: „Aber da ist doch ein Paket für Sie!“ Er hatte es noch nicht mal bei sich, sondern noch im Wagen, also ranzte ich ihn an: „Werfen‘S mir einfach die Karte ein, ich hol es mir selbst ab.“ Auf gemütliches Vollbad war mir die Lust vergangen.

Tatsächlich geholfen hat dann etwas ganz Anderes: Mittagsschlaf. Gut zwei Stunden tiefer, ungestörter Schlaf, sonniger Herbstnachmittag hin oder her – und man kann mich wieder unter Leute lassen. Ich bin sogar zu mir selbst wieder freundlich.

Right now – Wiederholung 2

Freitag, 24. Oktober 2008

Ich lese … Louis Begley, A Matter of Honour Matters of Honour.

Ich trage … diese weiße Matrosenhose, die im Katalog witzig und elegant aussah, an mir aber auch nach wiederholten Versuchen, als trüge ich Windeln.

Ich habe … mir diesen Garmendia Tempranillo 2006 bei weitem nicht so lambrusco-artig vorgestellt.

Ich höre … das Surren der Laptop-Festplatte und den Fernseher der bösen Alten über mir.

Ich trinke … den Garmendia trotzdem, wo ich die Flasche doch schon eigens zur Feier des Wochenendbeginns geöffnet habe.

Ich esse … nach dem Teller Kürbissuppe ein wenig von dem eklig aussehenden Treberkäse, den mir die Kaufhofverkäuferin empfahl und mich probieren ließ.

Ich stehe … nicht auf lambrusco-artige Weine.

Ich gehe … immer noch mit schmerzenden Fersen.

Ich lache … über die Kollegin, die mich heute auf mein Lob mit der Reaktion “Danke! Was trinkst du?” überraschte.

Ich sehe … mit Brille perfekt.

Ich mag … ein Ende absehen.

Ich schreibe … weniger.

Ich weiß … seit heute, dass langer Bindestrich auf Englisch “em dash” und kurzer Bindestrich “en dash” heißt.

Ich möchte … wieder mal was so richtig möchten.

Wiederaufnahme von vor zwei Jahren, damals via Anke, Inspiration, wenn auch ganz anders gemeint, von hier, und vor einem Jahr.

Schreibzyklus

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Landläufige Meinung (ich stelle mir gerade eine Meinung vor, die über Weizenstoppel und nicht geerntete Maisfelder flitzt – früher hätte ich Lisa Neun um eine Zeichnung desselben gebeten): Wer viel bloggt, hat kein echtes Leben. Was die Meinung damit eigentlich meint – aber um das zu erkennen, müsste sie kurz innehalten und nachdenken: Wer Sachen bloggt, die mich langweilen, hat offensichtlich andere Interessen als ich. Diese meine Interessen resultieren aus meiner absoluten und übertragbaren Erkenntnis, was im Leben generell wichtig ist und was nicht – wer andere Interessen hat, weiß also nichts übers Leben.

Das ist natürlich Blödsinn (wenn jemand die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat, dann ich): Bloggen ist Teil des Lebens, man kann durchaus lebendig ausschließlich übers Bloggen bloggen.

Warum aber schreibe ich hier seltener als früher Geschichten? Sind mir die Erlebnisse abhanden gekommen oder die Lust an der Geschichtifizierung? Langweilen mich inzwischen die eigenen Regungen, wo sie mich früher zum Schreiben gebracht haben?

Zum Beispiel diese gefrustete Regung:

Eine berufliche Veranstaltung hat mir aufs Neue bewiesen, dass öffentliche Wahrnehmung und faktischer Hintergrund fast nichts miteinander zu tun haben. Streichen Sie „öffentliche“, erst letzte Woche beschwerte sich eine Kollegin bitterlich übers bayrische Gymnasialsystem, das ihre Tochter in den 90ern dazu gezwungen habe, in der 5. Klasse Latein, in der 7. Französisch und in der 9. Englisch zu lernen. Kein Hinweis, dass es diese Pflichtsprachenabfolge in keinem staatlichen Gymnasium Bayern gibt, änderte ihre Haltung. Zumindest gab sie zu, dass ihre Tochter nicht auf dieses konkrete Gymnasium gezwungen wurde, sondern es schlicht das nächstgelegene war, das zudem ihre Grundschulfreundinnen besuchen wollten.

Die öffentliche Wahrnehmung ist ähnlich unempfindlich für sachliche Zusammenhänge, hält sich mal in Massen lebensbedroht von einem Vogelgrippe-Virus, stirbt bald darauf fast am Feinstaub (der arme Kerl hat den plötzlichen Aufmerksamkeitsentzug immer noch nicht ganz überwunden und säuft sich Abend für Abend in einem bahnhofsnahen Stehausschank die Birne zu), trifft Kaufentscheidungen ausschließlich nach CO2-Bilanz (wie lange wird es noch dauern, bis Al Gore endgültig mit Gore Vidal zusammengeworfen wird?1 ). Und irgendjemand wird immer skrupellos genug sein, diese schiefe Wahrnehmung für seine eigenen Interessen zu nutzen.

  1. oder ist das seinerzeit nur mir passiert? []

Re-blogging: Wie misst man Niveau?

Dienstag, 21. Oktober 2008

Vor vier Jahren war es das Wehklagen eines Spiegelredakteurs über die sinkende Qualität des deutschen Fernsehens, jetzt ist es die Diskussion anlässlich Marcel Reich-Ranickis Protests dagegen, die meine Neugier weckt, wie man wohl Qualität oder Niveau eines Fernseheprogramms misst. Feuilletonisten dürfen ihre Äußerungen ja qua Genre auf persönlichem Eindruck basieren; solange dieser Eindruck ergibt, dass irgendwas immer schlechter wird, stimmt ihnen die Mehrheit zu. Da ich die eigentliche Diskussion im Fernsehen nicht verfolgt habe, weiß ich nicht: Hat jemand das sinkende Niveau im deutschen Fernsehen bewiesen? Mögliche Methoden:

1. Wir könnten den Anteil von Niveau am gesamten Programm messen. Dann hätten wir also eine Gesamtmenge an Fernsehen und würden alle Sendungen in niveauvoll, neutral oder niveaulos unterteilen. Das machen wir jahrweise und sehen uns dann die Entwicklung an.

2. Oder wir nehmen eine Auswahl an Sendungen, die es bereits seit einigen Jahren gibt, und überprüfen, ob deren Niveau in den vergangenen zehn Jahren gesunken oder gestiegen ist. Das zählen wir dann zusammen.

3. Eine andere Methode wäre die Untersuchung von Minima und Maxima (danke an den Mitbewohner für den Hinweis auf die Meteorologie). Wir sehen uns jedes Jahr an, was das Niveauloseste im deutschen Fernsehen war und was das Höchste an Niveau. Und dann vergleichen wir, ob eine Bewegung zu erkennen ist.

All diese schönen Methoden haben allerdings einen massiven Haken: Wir müssten erst mal festlegen, was eigentlich Niveau ist. Oder, noch wackliger, was zu Kultur zählt und was nicht. Nöhlende Feuilletonisten scheinen davon auszugehen, dass man das kann – vor einer Definition drücken sie sich dann allerdings.

Mir fallen durchaus Ansätze ein (macht viel Arbeit – hohe Qualität; macht keine Arbeit – niedrige Qualität?), allerdings würde ich die Begriffe „Niveau“ und „Kultur“ meiden. Wir könnten die Neurologie bemühen und betrachten, ob und welche kognitiven Gehirnbereiche beim Betrachten welcher Sendungen aktiv sind. Wir könnten betrachten, wie weit in einer Sendung allgemein anerkannte Perspektiven (Volksmeinung) lediglich wiedergegeben werden oder reflektiert und hinterfragt. Oder wir messen den Informationsgehalt einer Sendung (nächster Treibsand: was ist schon keine Information?).

Kann mir jemand berichten, auf welchen Qualitäts- oder Niveaukriterien die aktuelle Diskussion basierte?

Fürsorgepflicht der Bloggerin

Montag, 20. Oktober 2008

Da fragt jemand über die Suchfunktion meines Blogs: “darf sich mein ehemann scheiden lassen wenn ich nicht will”?
In Deutschland ganz sicher, liebe Leserin, zum Glück. Das ist sowas wie “Schluss machen”. Was mich sorgt: Warum sollten Sie die Partnerin eines Mannes bleiben wollen, der die Scheidung eingereicht hat?