Archiv für Juli 2009

Auch Sommer in München

Donnerstag, 30. Juli 2009

Mittagspause mit Freundin im Café der Glyptothek.

Glyptothek

Ein Blick auf den barberinischen Faun beim Hereinkommen (der mir immer ein wenig unheimlich war), ein kleiner Obulus fürs Durchqueren des Museums zum Café. Dort in brachialer Idylle köstliche Antipasti, und am Nebentisch wurde Geburtstag gefeiert.

Hochsommermorgen in der Großstadt

Mittwoch, 29. Juli 2009

Wieder transportiert mich die Geruchsmischung des sonnigen Hochsommermorgens in der Großstadt aus letzter Nachtfrische, erster Hitze, Abgasen und Parkbegrünung zurück in meine Kindheitsurlaube in Madrid.

Ein bocadillo de queso zum Frühstück, bereitet aus den Einkäufen, die mein frühaufstehender Vater zu Fuß beim panadero und im mercado erledigt hatte. Die großen grünen Glastassen, aus denen die Erwachsenen auf dem Wachstuch des Esstischs ihren café con leche tranken – dass man den eigentlich anders macht als durch das Einrühren von löslichem Nescafé in heiße Milch, lernte ich erst später.

Die Fenster der ebenerdigen Hinterhofwohnung meiner Yaya in der Calle de Leganés beim Bahnhof Atocha gingen in den patio, der frisch mit Wasser besprenkelt und kühlt war.

In meinem Bauch das aufgeregte Kitzeln über die Aussicht, einen Tag im Stadtzentrum von Madrid zu verbringen, im kühlschrankkalten Corte Inglés Schottenröcke und Pullunder aus den preisgünstigen einheimischen Schuluniformen gekauft zu bekommen, an der 15 Meter langen Käsetheke der Feinkostabteilung zu staunen. Im obersten Stockwerke des Corte Inglés machte ich erste Bekanntschaft mit einem All-you-Can-Eat-Buffet – für eine verfressene und gleichzeitig diätgeplagte Elfjährige fielen damit Weihnachten und Geburtstag im Paradies zusammen, denn in diesem Fall verhinderte der Drang, so viel wie möglich aus dem Pauschalbetrag herauszuholen die Standardmahnung meiner kalorienversessenen Mutter, ich solle mich doch bitte mäßigen.

Der Nachmittag war vielleicht für den Parque del Retiro eingeplant, mit pappsüßer, knalloranger Fanta de naranja auf einer der Terassen, womöglich sogar einer frischen horchata. Ob ich in diesem Alter wohl noch versessen war auf die blechernen Spielplätze des Parks? Wohl nicht.

Kokettes Rumgezicke

Dienstag, 28. Juli 2009

Bursch: „Und wie alt bist du?“
Mädel: „Schätz doch mal…“

Ich war höchstens 15, als mich solche gekünstelten Dialoge bereits zum Augenrollen brachten. Die Anziehungskraft des Geschlechtergeplänkels, das andere als reizvoll empfanden, war für mich schon damals lediglich idiotisch und machte mich aggressiv. Ich verstand beim besten Willen nicht (na ja, sehr angestrengt habe ich mich nicht), was anziehend oder gar erotisch daran sein soll, einander absichtlich misszuverstehen oder in die Irre zu führen, schon gleich gar nicht auf plumpe und vordergründige Art. Und dann war der gesellschaftlich übliche Begriff für diesen lächerlichen Tanz auch noch „Flirten“?

Das hat sich in den vergangenen 27 Jahren nicht geändert. „Wollen wir nicht mal auf einen Kaffee gehen? Morgen Abend vielleicht?“ „Ich weiß noch nicht, ob ich Zeit habe.“ „Melde dich einfach, wenn du’s weißt.“ „Da müsstest du mich schon nochmal fragen…“ Kennenlernspielereien dieser Art machen mich auch heute aggressiv: Will er sich jetzt mit mir treffen oder nicht? Sehr wahrscheinlich werde ich ihn das genau so direkt fragen. Und wenn ich dann wieder nur auf Koketterie treffe, kann er mir gestohlen bleiben. Für Operetten gehe ich in die Staatsoper, vielen Dank.

Auf scherzhafter Basis kann ich solch ein Geplänkel sehr wohl, mit Arbeitskollegen, mit der Metzgerin. Wenn es mir jemand als ernsthaften Kommunikationsmodus anbietet, verliere ich umgehend jegliches Interesse.1

Damit sollte hinreichend nachvollziehbar sein, warum ich die Lektüre von Daniel Glattauers Gut gegen Nordwind auf Seite 120 abbrach: Das kokette Rumgezicke zwischen Leo und Emmi reizte mich nicht etwa, sondern machte mich gereizt. Ich verlor immer weiter das Interesse an den beiden und schnell auch die Neugier auf die Handlung. Es ist mir ungeheuer egal, ob die beiden einander persönlich sprechen oder nicht oder ob alles ganz anders ist. Das Hörbuch hätte sehr wahrscheinlich die selbe Wirkung gehabt. Hiermit habe ich einen Roman kennengelernt, der den Briefroman auf das Medium E-Mail übertragen hat, das genügt. Wer aber lesen will, wie sich Männlein und Weiblein schriftlich aufs Ausgesuchteste und Reizvollste amourös umkreisen, dem empfehle ich Gefährliche Liebschaften von Choderlos de Laclos.

  1. Und schlagartig wird klar, warum mein Lebensweg nicht mit Liebschaften gepflastert ist. Was andere Frauen Affären haben, lese ich Bücher. []

Gemalert

Sonntag, 26. Juli 2009

Seit gut zehn Jahren leben wir in dieser Wohnung, die wir beim Einzug einmal durchgeweißelt hatten, seit zwei Jahren ist mir klar, dass sie dringend gestrichen gehört. Einschließlich der schönen alten Türen, die schon unsere Vormieter vor 20 Jahren so übernommen hatten.

Es dauerte allerdings bis vergangene Woche, dass ich den von einer Freundin empfohlenen Maler (gibt es eine andere Methode, an verlässliche Handwerker zu kommen? Suchen die Leute ernsthaft bei Kwüpe?) anrief. Der schon am Tag darauf zum Gucken vorbeischaute („Wollen Sie gleich in der Früh kommen? – „Früh heißt bei mir ummara sechse.“ Wir einigten uns auf halb sieben.) und schon am gestrigen Samstag für den ersten Teil, also Esszimmer und Küche, zum Malern kam.

Für mich war das eine Premiere: Ich habe bisher immer selbst gestrichen, und es hat mir sogar Freude bereitet. Doch ein Großteil dieser Freude rührte daher, dass es sich bisher immer um unbewohnte Räume gehandelt hatte. Zudem kommt das Lackieren alter Kassettentüren und -rahmen schon sehr nahe ans Basteln, für das ich überhaupt kein Geschick habe. Warum also mich abplagen und Pfusch riskieren, wenn es Profis gibt, die das gegen Geld und sauber machen?

Ab sieben hatten wir also den Maler im Haus, einen sehr freundlichen, nicht mehr ganz jungen Urmünchner (aufgewachsen in Altschwabing), dessen Äußeres mich sofort eine Vergangenheit als Surfer vermuten ließ: Lange, teils sonnengebleichte Haare, unzählige Lachgrübchen, drahtige Figur mit vielen modischen Tätowierungen, zugewandter Blick. Er ließ sich Kaffee und Wasser anbieten, unterhielt sich gerne über die verschiedenen Gegenden Münchens, erzählte von Familie und Maltechnik.

Ein Handwerker im Haus verunsichert mich immer: Soll ich Brotzeit anbieten? Konversation machen? Nur hin und wieder vorbeischauen? Unser Maler ging selbsttätig in der Nähe Mittagessen, nachmittags ein wenig Luft schnappen im nahen Park. Das angebotene Leitungswasser (wir haben nur bei Besuch Flaschenwasser im Haus) akzeptierte er zwar, trank aber kaum aus seinem Glas, also besorgte ich auf meiner Einkaufstour lieber eine Flasche Sprudel. Die er dann schnell leerte. Hin und wieder vorbeischauen war richtig, bei diesen Gelegenheiten konnte er Vorschläge unterbreiten, nach Werkzeug fragen.

Was ich einfach nicht fertig bringe, ist das Handwerker-Du (genauso wenig wie das angeblich selbstverständliche Du im Web). Der Herr war mir nur als „da Päda“ (hdt. der Peter) empfohlen worden, nannte mir aber beim ersten Händeschütteln glücklicherweise seinen Nachnamen. Den gestrigen Tag über siezte ich ihn – das ist für mich halt der naheliegende Umgang zwischen erwachsenen Leuten, zumal in einer geschäftlichen Beziehung. Er schien ein wenig irritiert und umging die direkte Anrede weitgehend.

Um vier war Herr Maler mit dem vereinbarten Pensum inklusive Fenster innen und Zwischentüre fertig. Alles zu meiner Zufriedenheit. Nebeneffekt: Wir hatten die Küche ausgeräumt und bei dieser Gelegenheit Oberflächen von Fett und teilweise dem Staub von zehn Jahren befreit – meine Mutter weist bei Besuchen zurecht auf die mangelnde Sorgfalt unserer Putzmänner hin.

Dass ich um legale Bezahlung und Rechnung ausdrücklich würde bitten müssen, hatte ich mir schon gedacht: „Des is aba dann mit Steuer!“ machte mich der Maler pflichtbewusst aufmerksam. In zehn Tagen geht es weiter.

Neulich in der homöopathischen Notaufnahme

Freitag, 24. Juli 2009

via Sixtus’ Gezwitscher
(Und der Mitbewohner bittet, die Jüngeren unter meinen Lesern darauf hinzuweisen, dass die von Sixtus übernommene Überschrift eine Anpielung auf eine Rubrik des Magazins MAD ist.)

Die neue Scham

Donnerstag, 23. Juli 2009

Curserette wundert sich, dass sich in Münchner Freibäder niemand mehr oben ohne sonnt – und schlagartig wird mir klar, dass es einen neuen Trend zu Schamhaftigkeit gibt. Das mag dem Eindruck widersprechen, den die Medien erwecken: Im Fernsehen und auf Theaterbühnen, ebenso im WWW scheint es sehr viel mehr öffentliche Nacktheit zu geben also noch vor 30 Jahren. Also vor der Zeit, in der es unter anderem für Frauen akzeptabel wurde, beim Sonnen am See oder im Freibad das Bikinioberteil abzunehmen.

Tatsächlich weisen meine Beobachtungen aber darauf hin, dass sich an Orten, an denen Nacktheit eigentlich selbstverständlich ist, eine neue Schamhaftigkeit ausbreitet.

In zwei reinen Frauenstudios der Fitnesskette, deren Mitglied ich bin, wurden in den vergangenen Jahren die Duschräume erneuert. Bei dieser Gelegenheit zog man Trennwände für Einzelduschen ein, in einem Studio sogar inklusive Türen. Es läuft auch fast keine mehr nackt herum: Bewegt wird sich zwischen Dusche und Spind fast ausschließlich verborgen unter einem umgewickelten Handtuch. Ich habe sogar schon mitbekommen, dass sich die Damen in der geschlossenen Duschkabine abtrockenen und eincremen sowie vor dem Verlassen der Kabine ins große Handtuch wickeln. Zu Anfang meiner Aerobictätigkeit, also vor etwa 15 Jahren, war es noch üblich, sich in der Umkleide die Haare in Unterwäsche zu fönen – sehr sinnig, da man nach ausgiebigem Hüpfen gerne noch eine halbe Stunde nachschwitzt. Heute wäre das provokant: Die Damens sind vollständig angezogen, wenn sie den Fön in die Hand nehmen.

Ein weiteres Beispiel aus Curserettes Kommentaren:

In großen FKK-Bereichen, wie etwa der Therme Erding oder der Thaunus-Therme habe ich mich in letzter Zeit schon ein paar Mal gefragt, ob FKK bedeutet “mit Handtuch oder Bademantel”. Wenn man da lässig mit Handtuch über die Schulter entlangläuft, hat man fast den Eindruck, man würde etwas falsch machen.

Nun glaube ich nicht, dass das dieselbe Scham ist, die zum Bau viktorianischer Badehäuschen führte; es wird keineswegs ein Intimbereich verborgen. Mein Verdacht: Die Frauen schämen sich, weil ihre Körper nicht dem medialen Ideal enspricht. Es geht nicht darum, Höchstpersönliches zu verbergen, sondern Ungenügendes. Das wäre entsetzlich. Hoffentlich irre ich.

Reality Check

Dienstag, 21. Juli 2009

Mich trotzig aus dem Hauen und Stechen um den aktuellen Vodafone-Werbespot rauszuhalten, das habe ich also genau bis jetzt geschafft.

Nein, für wichtig halte ich den Spot nicht. Hätte ich ihn durch das Online-Huha nicht vorher schon gekannt, hätte es mich wahrscheinlich beim ersten Sehen im Fernsehen ganz schön gerissen: Das ist doch der Lobo! Das ist doch die Schnutinger! (Die ihrem Sohn vorsingt „You will be queen“? Lustig!) Dann hätte ich gedacht: Kapier’ ich nicht.

Imagewerbung, also Werbung, die weder Produkt noch Dienstleistung anpreist, trifft ja ungefähr so präzise Aussagen wie moderner Ausdruckstanz: Ich liebe es. Make the most of now. Es ist deine Zeit. Same difference. Ich sehe im aktuellen Spot vor allem eine Menge Menschen, meist junge, die bei Musik und vor allem unter vielen anderen Menschen einen Heidenspaß haben. Also so ähnlich wie die Werbungsmenschen beim Colatrinken oder Chipsessen. Weswegen, das bleibt offen.

Seither tobt in meinem Wahrnehmungsausschnitt des Internets ein Schlagabtausch von beispielloser Gehässigkeit und Niedertracht. (Na gut, mindestens ein Beispiel fällt mir ein. Ich will mich nicht genauer daran erinnern.). Dabei ist – neben Umgangsformen – eines untergegangen: Die Vodafone-Kampagne wird künftig als Erfolgsgeschichte gehandelt werden. Sie wird als Case Study in kommunikationswissenschaftlichen Aufsätzen analysiert, in Management-Seminaren als Best Practise präsentiert werden. Dieser unser Wahrnehmungsausschnitt des Internets ist da draußen völlig irrelevant.

Ich wage diese Prognose, weil ich regelmäßig da draußen auf Seminare geschickt werde. Soll ich Ihnen die Erfolgsgeschichten nennen, die so sicher wie das Amen in der Kirche seit ein paar Jahren jedesmal auftauchen, wenn es um die bestmögliche gewerbliche Nutzung des WWW geht?
– Jamba und die Gebrüder Samwer
– StudiVZ / SchülerVZ
– Horst Schlämmer für VW
Merken Sie was? Das sind genau die Projekte, die in meiner Wahrnehmungsblase als verachtenswert und die totalen Katastrophen gehandelt wurden. Die Entscheidungen treffende Welt da draußen sieht das offensichtlich anders.