Barthelmarkt in Oberstimm

Sonntag, 29. August 2010 um 19:35

Seit über 20 Jahren verpasse ich den Barthelmarkt in Oberstimm: Jahr für Jahr wurde ich erst daran erinnert, wenn meine Eltern erzählten, dass sie am Wochenende davor auf selbigem gewesen waren. Das Besondere an diesem Markt mit Volksfest: die Pferde. An sich handelt es sich nämlich um einen Pferde- und Viehmarkt. In meiner Kindheit war ich ein paar Mal dort, immer eindringlich gewarnt, den netten Pferdehändlern bloß nicht die Hand zu geben, denn mit einem Handschlag werde ein Kauf besiegelt. Selbstverständlich übertrieben die Warner schon damals; die Ingol-urban legends um arglose Marktbesucher, möglichst von weit her, die auf diese Weise unvermutet in den Besitz eines Esels oder Maultiers gekommen seien, sind unzählig.

Dieses Jahr erinnerte mich meine Mutter rechtzeitig daran, dass am letzten Wochenende im August Barthelmarkt ist. Schon der orientierende Blick auf die Website machte mir klar, dass Pferde und Vieh mittlerweile eine verschwindende Rolle spielen, dass es sich heute in erster Linie um eine ganz normale Dult mit bierseligem Volksfest handelt, inklusive Trachtenverkleidung der Besucher. Ist ja auch nachvollziehbar: Auf dem Barthelmarkt wurden Arbeitstiere für die Landwirtschaft gehandelt, die Arbeit machen schon lange Maschinen. Und anderes Nutzvieh wird längst in großem Stil auf den großen Viehbörsen gehandelt. Um überhaupt noch einen Viehmarkt zu haben, so hieß es, locken die Veranstalter Händler mittlerweile mit Prämien.

Vierbeiner sahen wir also am Samstag nur wenige. Zumal, das hatte ich vergessen, der eigentliche Rossmarkt nur am Montagmorgen stattfindet. Ich musste mich mit Spuren zufrieden geben. Zum Beispiel mit Pferden in Wurstform.

Rosswürscht gehörten in meiner Kindheit fest zum Christkindlmarkt und zum Barthelmarkt. Nach einem sehr unglücklichen Ausflug in den Reitsport, zu dem ich achtjährig meine Eltern überredet hatte, aß ich sie noch viel lieber als ohnehin schon. Die gestrigen Würste waren allerdings recht fad. Für einen Test des zweiten Anbieters auf dem Markt reichte leider mein Hunger nicht. Denn, und das hatte ich bereits völlig vergessen: Eine traditionelle Speise auf den Volksfesten der Region ist Emmentalter Käse („Kas“, gesprochen mit einem breiten A wie in „na“ für nein). Man ordert ihn an den traditionellen Wurst- und Fischsemmelständen nach Gewicht (z.B. „a hoib Pfund“) und bekommt ihn dann frisch von einem riesigen Laib gesäbelt. Vor dem Einpacken in Wachspapier wird man gefragt: „Soitz un Pfeffa?“ Was man besser bejaht, denn der Käse selbst ist ausgesprochen mild, fast geschmacksneutral.

So einen Kas holten uns meine Eltern, damit und mit der zugehörigen Riesenbrezel setzten wir uns in eines der noch recht leeren Bierzelte und bestellten zwei Mass dazu.

Die erwähnten Fischsemmeln gibt es immer noch, und immer noch traditionell mit Hering oder Lachsersatz (wenn Sie sich gefragt haben, wo diese Speise Ihrer Kindheit abgeblieben ist: hier) und viel milder Zwiebel.

Weitere Viehspuren entdeckten wir an den beiden letzten verbliebenen Ständen, die auf dem Barthelmarkt Stallbedarf verkauften. Zum Beispiel Ausstattung für Viehtränken.

Dass wir den Aufmarsch zum samstäglichen Pferderennen verpasst hatten, sahen wir auf dem Rückweg an den Straßen Oberstimms.

Wo die Viehhaltung selbst wohl auch nur Vergangenheit ist.

Hier eine nette Reportage über den letztjährigen Viehmarkt aus der Lokalzeitung. (Mit dem Autor, damals „Fahnderl“ genannt, habe ich Abitur gemacht. Dessen Eltern mit meiner Mutter in der Katholischen Arbeiterjugend gewesen waren. Ja mei.)

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Barthelmarkt in Oberstimm“

  1. Sebastian Dickhaut meint:

    „Nach einem sehr unglücklichen Ausflug in den Reitsport, zu dem ich achtjährig meine Eltern überredet hatte…”

    Das kenne ich. Zu gut. Wir müssen reden!

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