Journal Samstag, 10. Oktober 2015 – Bizarre Laufbegegnung

Sonntag, 11. Oktober 2015 um 9:04

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Ich hatte gerades diese Foto aufgenommen und setze an zum Weiterlaufen. Da schimpfte neben mir eine eben überholende Läuferin völlig aufgebracht: “Ja klar, genau wenn ich neben dir bin, läufst du wieder los!”, drehte um und lief zurück. In Laufkleidung und mit Baseballmütze über den langen Haaren wirkte sie wie eine ganz normale Isarläuferin. Verdutzt schaute ich mich um: Es war sonst niemand zu sehen, sie musste mich gemeint haben. Oder telefonierte sie gerade? Unwahrscheinlich.

Ich lief weiter, wunderte mich, welche Läuferetikette ich möglicherweise verletzt hatte, beruhigte mich aber und genoss weiter die bunten Herbstauen der Isar südlich des Tierparks.

Etwa 15 Minuten später überholte die Frau wieder, diesmal beschimpfte sie mich direkt laut: “Blöde Kuh! MANN, ist das ein Gerumpel. Blöde Kuh!” Jetzt lief ich dann aber doch vor zu ihr: “Womit habe ich Sie denn verärgert?”

Sie blieb stehen:
“Wegen dir habe ich schon zweimal anhalten müssen!”

“Aber was habe ich Ihnen denn getan?”

Jetzt machte sie einen aggressiven kleinen Schritt auf mich zu:
“Geh weg! Lass mich in Ruh!”
Sie trat wieder etwas zurück, sah an mir herunter. “Nimm mal ab! Mit deiner Wampe!”

Das brachte mich dann doch zum herzhaften Lachen. Sie lief weiter.

Das Dumme: Obwohl klar war, dass die Dame ein gesundheitliches Problem hatte (war gestern nicht sogar World Mental Health Day?), hatte sie mich sehr wütend gemacht (ich hätte mich gerne mit ihr geschlagen). Woran könnte ich nur schrauben, um auf solche Angriffe kranker Menschen nicht mit Wut, sondern mit Erbarmen zu reagieren?

Sonst war der Herbstlauf in leichtem Nebel wunderschön und unbeschwert (ich zahlte erst nach dem Duschen mit heftigen Hüftschmerzen dafür – vielleicht ist das ja gar nicht mein krummes Kreuz, sondern ich habe wie Stephen Fry Piriformis Syndrom?)

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Die Brudermühlbrücke wird gerade wieder frisch angemalt, manche Flächen sind erst grau grundiert, manche schon fertig.

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§

Morgens hatte ich Maisbrot gebacken, wieder in Kooperation mit Herrn Kaltmamsell (ich erledigte alles inklusive Start der Stückgare, Herr Kaltmamsell Vorheizen, Einschießen und Backen).

Das Ergebnis war ok (ich war nur an dem Rezept hängen geblieben, weil wir noch Maismehl im Haus hatten), unterm Strich aber zu wenig besonders für einen Nachbackwunsch.

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§

Zum Abendessen machte ich David Lebovitz’ Meatball Sandwichs – weil uns daran vor allem die Fleischklößchen und der geschmolzene Käse geschmeckt hatten, gab es sie im Schüsselchen mit Provolone überbacken und ohne Brot.

Nach der Tagesschau stolperten wir in die West Side Story-Verfilmung von 1961. Ich kannte die Musik von Kindesbeinen an, die Schallplatte mit dem Sound Track gehörte zu den wenigen Platten meiner Eltern. Das reduzierte Design des Covers hat sich mir tief eingeprägt, die Musik kenne ich bis ins Detail – schon als Kind merkte ich, wie anders sie war als alles andere, was ich sonst mitbekam; an den komplexen Rhythmen konnte ich mich nicht satt hören. Gestern fiel mir wieder ein, dass meine Mutter mir die Handlung der West Side Story detailliert erzählte, inklusive der Erklärung, dass sie eine moderne Version der Geschichte von Romeo und Julia sei und wo die Parallelen lagen. Das Musical war also meine erste Begegnung mit Shakespeare.
Den Film selbst sah ich erst sehr viel später als Erwachsene. Und als ich dann an der Uni endlich auch das Vorbild Romeo and Juliet las, war ich enttäuscht: Zwei doofe Teenager in pubertären Gefühlsstürmen.

§

“Flüchtlinge zeigen, was sie mit Deutschland verbinden”.

via… Ach, wissen Sie was? Ich mach’s mir einfach: Schaun Sie einfach zu Herrn Buddenbohm, der hat diesen und viele andere, durchwegs verfolgenswerte Links zu Flucht und Fremdenfeindlichkeit gesammelt.

§

Die Coen Brothers! Clooney in einer weiteren Deppenrolle! SWINTON! Busby-Berkeley-Wasserchoreografien! Scarlett Johansson! Frances MacDormand! Tanzeinlagen! Was kann da schon schief gehen?!

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https://youtu.be/kMqeoW3XRa0

die Kaltmamsell

14 Kommentare zu „Journal Samstag, 10. Oktober 2015 – Bizarre Laufbegegnung“

  1. maz meint:

    Im Schwimmbad passiert es bei uns so was öfter. Vor allem Ältere, die in den Bereich der Sportschwimmer geraten un dies nicht raffen aber dann uns beschimpfen…
    Aber beim Laufen ist es schon sehr, sehr ungewöhnlich. Bisher eher nette Gespräche gehabt als so was wirklich Bizarres. Unheimlich.

  2. Veronika meint:

    Unfassbar. Respekt fürs nicht zuhauen und trotzdem weiterlaufen!

  3. Frau Klugscheisser meint:

    How people treat other people is a direct reflection of how they feel about themselves Paulo Coelho

    Seit mir das klar geworden ist, habe ich mit Menschen, die so reagieren Mitgefühl (kein Mitleid!)

  4. Sabine meint:

    Hail, Caesar! sieht ja sowas von toll aus. Und wenn man dann aufgeregt, den Zwölfjährigen holen kann, der über alle seine Lieblingsschauspieler juchzt und gleich vermutet, dass die Regisseure von O Brother, Where Art Thou? dahinter stecken, dann haben sich zwölf Jahre Mühe und Plage schon gelohnt.

    Ich hatte auch letztens so eine Begegnung mit einem angeblichen Stadtwerke-Mitarbeiter, der mich wutentbrannt von einem völlig legalen Parkplatz vertreiben wollte, weil er hier “Messungen” mache. Da der Mann ungefähr so aussah wie Rasputin und keinerlei Zeichen von Amtstätigkeit an sich hatte, wirkte das natürlich erst einmal fragwürdig. Er war aber wohl wirklich ein geheimer Blitzer in einer selbst von städtischen Bussen viel zu schnell befahrenen Straße, was aber erst nach langem Getobe herauskam. Vermutlich wird er öfter von Leuten angemotzt und hatte deswegen gleich den Watzlawickschen Hammer in der Hand. Das Verhalten von Mitmenschen ist manchmal rätselhaft. Und wenn man von so viel Aggression überrumpelt wird, ist es nicht leicht, gelassen zu reagieren.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Na ja, Frau Klugscheisser, der Spruch funktioniert aber nur, wenn man handelsübliche Tyrannen (z.B. Saddam Hussein), Massenmörder (z.B. Andreas Breivik) und bigotte Mitbürgerinnen und Mitbürger (z.B. Pegida) ausnimmt. Also eigentlich gar nicht.

    Solche scheinbaren Non-sequitur-Attacken, Sabine, kenne ich gut. Manchmal schaffe ich es daran zu denken, dass die Situation für den Menschen aus einer langen Vorgeschichte kommt und nur für mich neu ist, bevor ich beleidigt bin.

  6. ganga meint:

    Eas für eine unheimliche Begegnung. Beim ersten Mal lesen habe ich spontan auf eine Form des Tourette Syndroms getippt, aber beim Zweiten Mal lesen sind mir die Handlungen der Frau an sich irrational vorgekommen.

    Den Satz von Coelho finde ich toll. Schlimm, was manche Menschen alles in sich tragen.

    Ich wünsche einen schönen Sonntag und einen guten Wochenbeginn
    ganga

  7. kalua meint:

    Ich war mir fast sicher, dass Sie am Ende der Herbstlaufgeschichte noch “dann bin ich aufgewacht” schreiben…

  8. Modeste meint:

    Huh, unheimlich. Bei solchen Leuten weiß man nie – ich hätte mich nicht getraut, sie anzusprechen.

  9. Frau Klugscheisser meint:

    Lustig, kaltmamsell, dass gerade Du in diese Argumentationsfalle tappst und hier die Extreme anführst, wo doch gerade die Ausnahmen die Regel bestätigen, gell? (Und selbst die kann ich daruber herleiten… das aber ein andermal)

  10. die Kaltmamsell meint:

    Pegida und andere bigotten Mitbürger sind keine Ausnahmen, Frau Klugscheisser. Sehr viele Menschen haben doppelte Standards und eine doppelte Moral, sie sehen und behandeln andere völlig anders als sich selbst. (Sollte Paulo Coelho – sei es der Romanautor oder ein mir unbekannter Psychologe – empirische Daten für seine Aussage haben, nehme ich alles zurück und sähe diese Daten gerne.)

  11. Nicole meint:

    Mir tut es ein bisschen Leid, dass eine Frau sich benimmt wie eine offene Hose – über das Warum kann man ja immer noch nachdenken, haben Sie ja auch – und Sie über sich selbst grübeln.

  12. Frau Klugscheisser meint:

    Entschuldige bitte, da habe ich Dich anscheinend missverstanden. Ich dachte, Du suchst etwas, das Dir in bestimmten Situationen hilft, in Distanz zu gehen und nicht einfach zu reagieren.
    (Das ist natürlich nicht wissenschaftlich. Was aber wissenschaftlich ist, ist die Ansicht, dass jeder Mensch sich seine Wirklichkeit selbst schafft – nennt sich Konstruktivismus. Und da kommt das obige Zitat her. Abgesehen davon find’ ich’s lustig, empirische Beweise in Geisteswissenschaften zu suchen, wo’s doch da nur um “Ansichtsweisen” geht. Ich als zertifizierte Geisteswissenschaftlerin habe selbst Statistiken erstellt und weiß, wie man genau das empirisch nachweisen kann, was man gerne nachweisen möchte. Da glaube ich nicht mehr dran. Mir geht’s aber hier wirklich nicht um’s Rechthaben, sondern um Dein Wohl, weil ich zwischen den Zeilen herauslese (interpretiere), wie Du immer wieder unter bestimmten Umständen leidest.)

    (Die Bigotterie kommt daher, weil sich diese Menschen ihre schlechten/gesellschaftlich nicht anerkannten Seiten bzw. Fehler nicht erlauben und sie darum nach aussen projizieren. Dann müssen sie andere dort angreifen, wo sie selbst das größte Manko haben aber einfach nicht aus ihrer Haut können. Bestes Beispiel sind amerikanische Politiker, die Homosexualität und Prostitution im Namen des Christentums verteufeln und dann aber selbst bei diesen Aktivitäten erwischt werden. Mich macht das traurig für die Leute, weil’s was über ihren inneren Zustand aussagt aber ich fühle mich nicht mehr angegriffen)

  13. maz meint:

    Da kann ich mich nicht zurückhalten, verzeiht: Aber genau diese “Ansichtsweisen” gibt es gar nicht. Es gibt Standards und Evidenz. Alles andere ist Humbug. Wäre es nicht so, gebe es keine Blogs, keine Computer, Smartphones usw. (jau nicht einmal stinkende VW-Diesel, das ist aber eine andere Geschichte).
    Was es aber leider gibt: viel zu viele drittklassige Akademiker. Nicht alle sind gerignet. Es fehlt einem Guttenberg offenbar die Geisteskraft, Geduld und Integrität, aber nicht die Potenz, um eine Dissertation hinzulegen, die den Standards nicht entspricht und dennoch durchgewunken wird. Nur ein Beispiel.
    Nein, man kann Geisteswissenschaften, die ich, außer der Mathe, auch für grenzwertig halte, nicht die fehlenden hohen Standards vorwerfen; nur jenen die Chuzpe, die in ihrer Selbstzentrierung auch im akademischen Betrug eine Kontingenz propagieren.

  14. Maria Hofbauer meint:

    Respekt für Ihre Courage! Ich hätte bei einer solchen Begegnung auf einem eher einschichtig wirkenden Waldweg nicht nachgefragt, sondern augenblicklich Fersengeld gegeben. Und dass Sie den Impuls hatten, auf die Frau loszugehen, sagt eher etwas über Ihren offensichtlich funktionierenden Selbsterhaltungstrieb aus als über alles andere. Immerhin war die Frau – ihrem Verhalten nach zu urteilen – nicht unbedingt zurechnungsfähig.

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