Archiv für Dezember 2015

Journal Freitag, 11. Dezember 2015 – Voller freier Tag

Samstag, 12. Dezember 2015

Erster freier Tag seit Antritt der neuen Arbeitsstelle Anfang Juli. Richtig ausschlafen wollte ich nicht, denn ich hatte Vorhaben vor. Also ließ ich mich um sieben wecken (eine Stunde später als an Arbeitstagen).

Milchkaffee und gemütliches Bloggen. Ich wollte Laufen gehen, aber erst, wenn die Sonne ein wenig für Wärme sorgte. Das war gegen 10 Uhr.

Ich begann an der Reichenbachbrücke: Das Gras war noch bedeckt von Frost, die Wintersonne schaffte es aber schon über die Bäume der Isarauen.

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Kurz danach sah ich die Weihnachtsdampflok dampfend über die Braunauer Eisenbahnbrücke fahren – ein großartiges Schauspiel gegen den Winterhimmel (für ein Foto war ich zu langsam).

Knapp zwei Stunden lief ich bis zur Großhesseloher Brücke und zurück über den Alten Südfriedhof bis nach Hause.

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Mittags war ich mit Herrn Kaltmamsell bei Marietta verabredet. Ich wurde dort herzlich begrüßt und verköstigt.

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Während Herr Kaltmamsell sperrige Bestellungen im Buchladen abholte, radelte ich zum Schwabinger Christkindlmarkt, um mich umzusehen und vielleicht ein Geschenklein zu finden. Ich sah tatsächlich wunderschöne handgearbeitete Dinge, aber nichts, was ich kaufen wollte.

Nächster Halt: Kammerspiele. Meine nächste Abovorstellung liegt in meinem Weihnachtsurlaub, ich tauschte gegen eine Vorstellung im Januar.

Für die weiteren Besorgungen parkte ich mein Fahrrad beim Alten Peter. Im Kaufhof sah ich in Spielwaren- und Haushaltswarenabteilung nach einem Nichtenwunsch und war erstaunt, wie voll es dort auch an einem Freitagnachmittag war. Den Wunsch konnte ich nicht erfüllen, aber gleich mal Geschenkpapier, Schleifen und Kärtchen kaufen.

Beim Sport Schuster kaufte ich neue Laufschuhe. Ein Angestellter beriet und betreute mich umfassend – komplett ohne Marketingsprech. Dass ich vorfußlaufe, sagte ich gleich am Anfang, meine alten runtergelaufenen Schuhe hatte ich als Information dabei. Nachdem mir beim vorherigen Laufschuhkauf einfach das Nachfolgemodell der erprobten Schuhe empfohlen worden war, riet Herr Turnschuhverkäufer diesmal davon ab: Die meisten kämen damit nicht zurecht, einige grundlegenden Eigenschaften seien verändert worden. Er machte Videoaufnahmen von mir beim Laufen in Socken, beriet sich eingehend mit mir, wunderte sich über meine Einlagen (passen anscheinend überhaupt nicht zu meinem Laufstil), riet von ihnen ab, fragte mehrfach, seit wann ich vorfußlaufe, lobte mich dafür, wie ich dazu gekommen sei, die Umstellung dauere ja meist ein halbes bis ein Jahr. Etwas hilflos konnte ich nur beteuern, dass ich schon immer so laufe, einfach von Natur aus. Zweimal fragte er auch, welche Socken ich beim Laufen trüge. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte: “Die, die gerade sauber sind?”

Nach dem einen oder anderen Probelauf landeten wir bei einem reduzierten (\o/) Auslaufmodell (hihi, “Auslauf”) – und einem Paar Hightech-Socken, denen ich noch ein wenig misstrauisch gegenüber stehe, die ich mir aber über die Ersparnis der preisreduzierten Schuhe leistete.

151212_03_Laufschuhe

Beachten Sie bitte die oberste Schnürung: Herr Turnschuhverkäufer fädelte dort eine besondere Schlaufe, die das Ganze fester… oder flexibler… auf jeden Fall magisch macht.

Nachtrag: wichtiges Laufschuhdetail

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Einmerker für den nächsten Laufschuhkauf: Sport-BH tragen. (Nach dem letzten Durchgang Lauf mit Videoanalyse fand ich sogar den Mut, den Herrn hinzuweisen: “Ohne Sport-BH laufe ich etwas unentspannt.”)

Zu meiner Bestürzung war es um 16 Uhr bereits auf der dunkleren Seite der Dämmerung – und das an einem sonnigen Tag.

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Zwei Maschinen Wäsche gewaschen und verarbeitet. Der Bügelberg will einfach nicht von selbst verschwinden.

Abends ein weiterer Versuch Cacio e Pepe, diesmal mit Öl als Hilfe. Wieder weigerte sich der Käse, eine Verbindung mit Nudeln, Öl, Kochwasser einzugehen und klumpte blöd rum. Dieses Gericht überlasse ich also künftig den Profis.

Dafür verarbeitete ich erfolgreich den Grühnkohl aus dem Ernteanteil zu Kale Chips, nach dem Rezept, mit dem Herr Kaltmamsell immer arbeitet.

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Ein Blech knabberte ich sofort leer. Nebenher knackte ich Haselnüsse aus dem elterlichen Garten für den samstäglichen Apfelkuchen.

Nicht geschafft: Bügeln, Zeitung lesen, Buch lesen.

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https://youtu.be/FH1NPgUk9NU

via @croco_dylus

Beifang aus dem Internet – 30

Freitag, 11. Dezember 2015

Margarete Stokowski schaut sich an, wie derzeit über Frauen berichtet wird, die allen Hinweisen nach schlechte Menschen sind. Nein, keineswegs nur über ihr SchlechtMENSCHsein.
“Frauen als Extremistinnen: Böses, böses Mädchen”.

Finden Feministinnen das toll, dass Frauen jetzt auch immer öfter Terroristinnen und mächtige Faschos werden können, wegen Quote und so? Nein. Die Konzentration auf die Tatsache, dass es Frauen sind, die hier gewalttätig oder extremistisch auftreten, und die Faszination, mit der ihnen dabei zugeguckt wird, lässt die Erwartungen durchscheinen, die offenbar auch sonst, im Alltag, noch an Frauen (und eben auch Männer) gestellt werden.

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“15 things I learnt about Islam and British values being a gay boy living opposite a mosque.”

Meine Favoriten:

You can do that look British people do to each other, when someone near by is making a scene, in a full face veil.

The media stories about islam meant that I was genuinely a little nervous about moving in across the road to a mosque. What I have learnt in the four years since I moved is that the ridiculousness of British culture is universal. We all love tea, are really polite and tut rather than saying something, no matter our religion.

Hierzulande (ich bin nicht sicher, ob ich damit Deutschland meine – sagen wir der Sicherheit halber mal: in München) werden nicht Muslime als Bevölkerungsgruppe gesehen (noch?), sondern türkische Einwanderer und ihre Nachkommen. Die schon so lange Teil der deutschen Kultur sind, dass das selbstverständlich erkennbar ist. Ich dachte sofort an den etablierten türkischen Süpermarket Verdi – und sein ungemein deutsches System aus Schildern und professionell ausgedruckten riesigen Aufklebern, mit dem die Kundschaft dazu gebracht werden soll, die eine der beiden Türen zur Straße als Eingang, die andere als Ausgang zu benutzen.

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Hört mir endlich auf mit dem Ideal der Leidenschaft im Job. So großartig es ist, wenn jemand mit dem, was ihr am meisten Spaß macht, den Lebensunterhalt verdient: Das ist die absolute Ausnahme. Und in vielen Arbeitsbereichen nicht mal erstrebenswert.
“Warum man für seinen Job nicht brennen muss”.

Denn die Masse der Gesellschaft besteht nicht aus berühmten Herzchirurgen, sondern aus Lkw-Fahrern – wörtlich und im übertragenen Sinn. Der Lkw-Fahrer steht in diesem Beispiel für alle, die nicht einfach nur herausfinden müssen, was sie erfüllt, und daraus ab morgen einen Beruf machen. Bankangestellte, Krankenschwestern, Controller – die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung kann ihren Job nicht wechseln wie ein Profilfoto auf Facebook.

(…)

Solche inspirierenden Geschichten richten Schaden an. Sie suggerieren, dass niemand sich im Arbeitsleben mit weniger als dem makellosen Glück zufrieden geben dürfte. Dass jeder etwas ändern muss, der seinen Job nicht mit bis an Besinnungslosigkeit grenzender Leidenschaft ausübt. Über Generationen hat dieser Leidenschaftszwang einen Schleier des Unglücklichseins gelegt. Millionen Menschen sitzen jeden Tag im Büro, stehen am Fließband oder kriechen für ihren Job auf dem Boden herum und fragen sich: “Was läuft falsch bei mir, wenn ich dabei keine Leidenschaft verspüre?” Sie suchen, grübeln und trauern, weil in ihrem Leben offenbar “etwas nicht stimmt”.

Die Unternehmen tragen ihren Teil dazu bei: kein Leitbild ohne Leidenschaft. Autos bauen, Überweisungen ausführen, Hoteltoiletten schrubben – all das wird heute mit, wenn nicht gar aus Leidenschaft gemacht. Als Kundenversprechen war das schon immer zweifelhaft, denn Leidenschaft hat nichts mit einem guten Arbeitsergebnis zu tun.

Rechtsanwälte beherzigen zum Beispiel die Regel, sich in wichtigen Angelegenheiten nicht selbst zu vertreten. Der Grund: zu viel Leidenschaft, weil man selbst betroffen ist, weil die Distanz fehlt. Auch für andere Tätigkeiten gilt: Rationale Entscheidungen, besonnenes Handeln und sorgfältige Arbeit gedeihen selten auf dem Nährboden der Leidenschaft. Ein nüchterner Kopf liefert bessere Ergebnisse als ein leidenschaftstrunkener. Und wer zu sehr in seine Arbeit vernarrt ist, wird kaum nach Möglichkeiten suchen, dasselbe Ergebnis mit weniger Arbeitsschritten hinzubekommen, also: effizienter zu sein.

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48 Things Women Hear In A Lifetime (That Men Just Don't)

Watch 80 years of subtle sexism in under two minutes.

Posted by HuffPost Women on Tuesday, 8 December 2015

Journal Sonntag, 6. Dezember 2015 – Elternessen

Montag, 7. Dezember 2015

Wegen neurotischerguter Planung und frühen Aufstehens war gestern Vormittag nach dem Zubereiten des Desserts für den Elternbesuch sogar noch Zeit für Sport: Eine Runde Shred und ein bisschen Strampeln auf dem Crosstrainer.

Die Vorspeise war ein vor Längerem erwähnter Wunsch des Herrn Schwieger: Nizzanersalat (nein, ausnahmsweise kein angestrengt launiges Wortspiel, sondern Akzentefaulheit).

151206_02_Nizzanersalat

Den Hauptgang vergaß ich leider zu fotografieren. Herr Kaltmamsell überzeugte meine Mutter davon, dass es Thunfisch auch in nicht trocken gibt, er servierte saftige, zarte Thunfischsteaks mit einer lang gekochten Tomatensoße, Brokkoli und Ofenkartöffelchen. (Meine Mutter hatte häufig geschimpft, Thunfisch sei außer aus der Dose immer strohig und trocken – auch bei Menschen, die besonders stolz auf ihre Zubereitungskünste seien.)

Der Wein dazu:

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Walter & Benjamin hatte ihn mir empfohlen und erzählt, dass er nach dem Pressen eine Weile auf den Stengeln gelegen hatte – ein kleines bisschen Richtung Orange Wine. Er war tatsächlich so “rau” wie angekündigt, überforderte meine Gäste möglicherweise ein wenig. Ich mochte ihn.

Zum Nachtisch hatte ich ein Dessert ausprobiert, das ein befreundeter Koch während seiner Lehre gelernt hatte: Äpfel kleingeschnitten und in Apfelsaft gekocht, Vanillepudding hergestellt mit halb Apfelsaft, halb Sahne darüber. Und als Soße Rotwein und Himbeersirup zu gleichen Teilen eingekocht. Schmeckte sehr gut, aber der Pudding war zu fest, hätte mehr Flüssigkeit gebraucht.

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Daneben ein Stückchen Pekanhappen, die ich jetzt auch als Rezept notiert habe.

Wir bekamen Wein, Quittengelee, selbst gemachten Limoncello und selbst gemachten Pacharán sowie Weihnachtsplätzchen mitgebracht, ich wurde los: ein Biertragl (davon in den nächsten Tagen mehr), zwei Tüten ausgemusterter Kleidung, anderthalb Christstollen.

Und jetzt weht auch durch unsere Wohnung ein Hauch Adventsdeko.

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§

Kleiner Schmunzler für hispanohablantes: Schon vergangene Woche hatte mir mein Vater diese PPS-Datei geschickt:
“Para entender a un madrileño”.
(Nein, ich glaube nicht, dass er jemals meiner Bitte folgen wird, Links statt Dateien zu schicken. Macht nichts, ich freue mich immer, wenn ich von ihm E-Mails bekomme.)

Mein Vater ist ja in Madrid geboren und groß geworden, deshalb, so folgert er typisch spanisch, sei auch ich eine Madrilenin. Ich amüsierte mich tatsächlich über die Auflistung. Sie ist charmant: Da den Bewohner von Madrid vom Rest Spaniens ohnehin Größenwahn vorgeworfen wird – warum ihn nicht humorvoll betonen?

Besonders schmunzelte ich über:

… la expresión “ir al pueblo” no es una frase despreciativa tintada de centralismo. El significado es “irse de vacaciones o pasar un fin de semana en el lugar de procedencia de la familia”, -aunque tú sigas siendo de Madriz, tus padres y hermanos pueden ser de cualquier otro sitio.

Übersetzt:
“Ins Dorf fahren” ist keineswegs ein abschätziger Ausdruck und Zeichen von Zentralismus. Er bedeutet “ein Wochenende oder die Ferien dort verbringen, wo die Familie herkommt” – auch wenn du definitiv aus Madrid bis, können deine Eltern oder Geschwister sonst woher kommen.

Aus der Schreibung oben (Madriz statt Madrid) lernte ich, dass die Aussprache von Madrid, wie ich sie von meiner madrilenischen Familie kenne, typisch madrilenisch ist.

oder

Si quieres probar “pejcao frejco, frejco” vente a Madriz. En la capital se vende el pescado más fresco de toda España. Y os jodéis, porque es así. (Y el más caro, pero no nos importa porque no somos catalanes.)

Übersetzt:
Wenn du wirklich, wirklich frischen Fisch essen möchtest, komm nach Madrid. In der Hauptstadt gibt es den frischesten Fisch von ganz Spanien. Und es kotzt euch an, weil das so ist. (Und den teuersten, aber das ist uns egal, schließlich sind wir keine Katalanen.)

Dazu muss man wissen, dass tatsächlich an der spanischen Küste die Fischgroßhändler aus Madrid sich frühmorgens die besten Stücke aus dem Fang holen – sie zahlen auch am besten. Deshalb bekommen Sie in Galizien keinen besseren Fisch als in Madrid serviert. Die Bemerkung in der Klammer wird verständlich, wenn man weiß, dass die Katalanen in Spanien als sehr geizig gelten, wenn nicht sogar ruachad.

Journal Samstag, 5. Dezember 2015 – Elternessenvorbereitungen

Sonntag, 6. Dezember 2015

Ausgeschlafen, das war schön. Mich an viele Träume erinnert, ich erlebe derzeit mords was im Schlaf: Ich treffe alte Freunde (im Fall von Gunda in einem ausnehmend schönen Sommerkleid), lasse mir von Internetbekanntschaften auf der Gitarre vorspielen, erfahre von Umbauten vertrauter Häuser, muss ansehen, wie meine Arbeitsanstrengungen durch Schusselei anderer vergebens waren.

Da am Sonntag Eltern und Schwiegereltern zum Mittagessen kommen, war der Tag mit Vorbereitungen durchgetaktet. Sauer- und Vorteig fürs Kartoffelbrot hatte ich am Vorabend angesetzt. Während ich vormittags bloggte, ging Herr Kaltmamsell schon mal die erste Runde einkaufen. Ich nahm die U-Bahn zum Odensplatz, um über den Englischen Garten an die Isar und dann an ihr entlang zu laufen – in wunderbarer Sonne. Die Handschuhe steckte ich bald weg, die Mütze hätte ich ebenso wenig gebraucht.

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Nach dem Duschen startete ich eine Maschine dunkle Wäsche und ging Einkaufen, unter anderem ließ ich mir bei Walter & Benjamin einen Wein als Begleitung des Sonntagsessens empfehlen.

Daheim Brotteig geknetet, gefrühstückt, Pecan Wedges of Decadence gebacken, Brot gebacken, Pizzateig fürs Abendbrot geknetet. Ich hatte mir nämlich Pizza Quatro Quesoni vorgenommen (ich habe mein Italienisch von meinem spanischen Vater gelernt, da heißt das so): Mozzarella, Scamorza, Gorgonzola, Parmesan.

Vorher:

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Nachher:

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Zum ersten Mal die Heizkapazität des Ofens genutzt und bei 280 Grad auf Pizzastein gebacken: Die Pizza wurde ganz wunderbar und brauchte nur 12 Minuten. Dazu servierte Herr Kaltmamsell den Cocktail-Klassiker Bronx perfect (ich hatte mir etwas mit frisch gepresstem Orangensaft gewünscht).

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Taschentücher raus!

I conducted an independent project, which evidently turned into a social experiment halfway through, regarding beauty at my performing arts high school in Chicago. I want to clarify that my intentions were not to get a reaction out of people. I was simply filming beauty and this is the result. Here it is.

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https://youtu.be/aW8BDgLpZkI

via @formschub

Journal Mittwoch, 2. Dezember 2015 – Erinnerung an Skigymnastik

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Morgens stellte ich mich also zu derselben Folge Shred im Wohnzimmer vor den Fernseher, hüpfte und hob. Mit den 2-Kilo-Hanteln war die knappe halbe Stunde deutlich anstrengender, ich schwitzte so richtig.

Gleichzeitig hatte ich Erinnerungsflashs an die Skigymnastik vorm Fernseher mit meiner Familie in später Kindheit und früher Jugend: Das Bayerische Fernsehen bot Skigymnastik an (hier bereits mit Rosi Mittermaier – wir waren aber auch schon vorher dabei), und die Familie Kaltmamsell bereitete sich damit im Winter auf die anstehende Skisaison vor. Treibende Kraft war meine Mutter, die zurecht darauf hinwies, dass man damit Verletzungen vorbeugte, zu Unrecht der Überzeugung war, durch “gezielte Gymnastik” könne man jedes als unästhetisch empfundene Körperfett genau dort verschwinden lassen (weswegen sie umfangreiche Schenkel oder einen dicken Bauch als persönliche Schwäche ansah). Und so versammelten sich Samstagvormittag (?) meine Mutter, mein kleiner Bruder und ich vor dem Fernseher (meinem Vater war das meist zu doof) und taten, was die Menschen im Fernseher uns hießen. Am anstrengendsten war immer die Abfahrtshocke zum Schluss, die endlos schien und die Oberschenkel ordentlich brennen ließ.

Von meinen Kommentatorinnen erfuhr ich dann, dass Shred tatsächlich nur aus drei verschiedenen Abläufen besteht, die jeweils zehn Tage wiederholt werden – ich hatte erwartet, jeden Tag mit einem neuen Programm unterhalten zu werden. Das mindert zum einen die Spannung auf Shred erheblich, zum anderen ist mir das keine DVD wert.

Nach Feierabend hatte ich Lust auf Spaßsport und radelte zum Stepaerobic nach Giesing. Es war den ganzen Tag grau gewesen, aber trocken und mild – eine leichte Mütze trug ich nur vorsorglich.

Zum Nachtmahl gab es Salat (Postelein und Feldsalat) aus frischem Ernteanteil, dazu die lila Kartöffelchen aus dem Ofen vom letztwöchigen Ernteanteil.

Dazu lief nebenher der Fernseher: Arte zeigte Fitz Langs M – eine Stadt sucht einen Mörder in der restaurierten Fassung. Wenigstens aus dem Augenwinkel diese Bildungslücke verkleinert. Nachtrag: Sofort ins Auge stach mir ein Wimpel auf dem Stammtisch biertrinkender Herrn: Augustinerbräu München – sieht heute noch exakt so aus.

Journal Montag/Dienstag, 30.November/1. Dezember 2015 – Jane Gardam, Old Filth

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Am Montag stürmte es. Ich ging zu Fuß in die Arbeit, beim Kreuzen der Theresienwiese in einem 30-Grad-Winkel. Die Möwen aber hatten sichtlich Spaß.

Bunter Himmel, klare Luft, im Büro sogar im 3. Stock Alpenblick.

Auf dem Heimweg freute ich mich an den bunten Lichtern vom Tollwood.

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Dienstagmittag sah ich beim Zeitunglesen, dass ein Fotograf der Süddeutschen Zeitung ähnliche Freude hatte.

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Montagabend Spaziergang nach Untergiesing zum Treffen meiner Lesenrunde: Old Filth von Jane Gardam hatte uns allen sehr gut gefallen. Der Roman um einen alten britischen Juristen vor dem Hintergrund des verschwindenden Commonwealth, des britischen Klassensystems und des heutigen Großbritanniens erzählt scheinbar leichtfüßig – doch beim Sprechen über das Buch wurde klar, wie viele Geschichten, Perspektiven, Einblicke in dem gar nicht so dicken Roman stecken. Gardam ist eine Meisterin des significant detail: Auch ohne ausführliche Beschreibungen von Räumen und Umgebungen ist die visuelle Seite der Geschichte jederzeit detailliert und lebhaft.

Der deutschen Version (von Isabel Bogdan übersetzt, die es mit der sehr britisch verwurzelten Sprache sicher nicht leicht hatte) fehlt leider das Vorwort der Autorin, in dem sie von der Begegnung erzählt, die zu der Roman-Trilogie beginnend mit Old Filth führte. Die anderen beiden Bände will ich unbedingt lesen, schon um mehr über die Zeit in Hongkong zu erfahren und über die Ehefrau der Hauptfigur, Betty, die aus seiner Perspektive als wenig bemerkenswerte “Frau an seiner Seite” geschildert wird, doch zu seiner großen Überraschung nach ihrem Tod einen ausführlichen Nachruf in den Zeitungen bekommt – sie scheint außerhalb seiner Wahrnehmung eine bedeutende gesellschaftliche Rolle gespielt zu haben.
Eine aufschlussreiche Besprechung gibt es beim Guardian:
“Pearls beyond price”.

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Dazu wurde Winteressen serviert: Ungeschält halbiert aus dem Ofen kann man die lila Kartoffeln ganz gut haben. Das linke ist Karottenbutter (Liptauer mit geraspelten Karotten).

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Schon am Montagabend ahnte ich, dass ich Dienstagmorgen keine Lust haben würde, gleich nach dem Aufstehen zum Morgensport zu radeln. Gleichzeitig fühlte ich mich unterbewegt. Mir fiel das letztjährige Shred-Projekt von Frau Brüllen ein: Wenn ich über den dominanten Abnehmappell hinwegsehe (ohne Abnehmversprechen kann man heutzutage wahrscheinlich kein Sportprodukt verkaufen), könnte ich mir damit meine Kräftigungs- und Bewegungsgrundversorgung sichern, dazu Hüpfen/Joggen/Schwimmen zum Spaß als Sahnehäubchen.

Ich erinnerte mich vage, dass dieses Sportprogramm Hanteln erfordert, aber zum Besorgen war keine Zeit. Dienstagmorgen startete ich nach dem Morgenkaffee die erste Runde bei YouTube mit meinen Sportwasserflaschen als Gewichten – die mich allerdings mit je unter einem Kilo arg unterforderten.

Ja, ich kam ins Schwitzen. Ja, die Liegestütze können noch deutlich tiefer (das wusste ich aber vorher). Nein, bis zum Muskelbrennen brachte mich keine Übung. Ich schau mal, wie lange der Spaß ausreicht.

Abends erstmals im Leben Hanteln gekauft; nach ein bisschen Recherche zu Shred-Erfahrungen schienen mir 2-Kilo-Exemplare die richtigen. Dummerweise wird die DVD noch mindestens 10 Tage hierher brauchen (auf der deutschen Version steht “Schlank in 30 Tagen” – die kommt mir nicht über die Türschwelle). Ich könnte mit den drei Folgen überbrücken, die auf YouTube zur Verfügung stehen.

Wetter: Morgens heftiger Wind und Regen, Regenschirm wäre also nutzlos gewesen. Ich wurde mittelnass auf dem Fußweg in die Arbeit. Heimweg dann sogar trocken.