Archiv für Juli 2022

Lieblingstweets Juli 2022

Sonntag, 31. Juli 2022

Journal Samstag, 30. Juli 2022 – Verkatert am Tegernsee, Pimm’s Trifle

Sonntag, 31. Juli 2022

Ja, das war ein astreiner Kater gestern Morgen, ich büßte ordentlich für den zu vielen Alkohol am Freitagabend. Aspirin und Milchkaffee zum Bloggen, es war zu kühl zum Draußensitzen.

Fürs Abendessen machte ich Kartoffelsalat, auf das Pimm’s Trifle kam die nächste Schicht (custard, wir hatten sogar Bird’s im Haus).

Herr Kaltmamsell und ich hatten eine Wanderung geplant, in Anbetracht unseres körperlichen Zustands (er war auch nicht besser beinander als ich) entschieden wir uns für eine kurze Strecke: den Tegernseer Höhenweg, den wir schon mal im Januar gegangen waren. Bis ich nach Duschen und Packen bereit zum Aufbruch war, ging es mir zum Glück deutlich besser.

Auf dem Weg zum Bahnhof kaufte ich uns Brotzeit. Im Zug zum Tegernsee hatte ich 9-Euro-Ticket-Menschenmengen befürchtet, doch die Wagen war nur licht besetzt. Auch in Tegernsee selbst keine Touristenscharen, die ich in der Hochsaison erwartet hatte.

Beim Bahnhof setzten wir uns zu einem zweiten Morgenkaffee (um eins), dann begannen wir noch im Ort den Aufstieg.

Weil ich wusste, dass wir hier den schönsten Ausblick hatten, setzten wir uns bereits kurz darauf zur Brotzeit. Ich aß Aprikosen und eine Nussschnecke. Und dachte umsummt von Wespen daran, die Schicht Insektenspray aufzulegen, die ich daheim vergessen hatte.

Gemütliches Wandern über und um Rottach-Egern herum, wir begegneten auch nicht mehr Wandervolk als im Januar. Herr Kaltmamsell schnaufte etwas mehr als sonst, meine Wanderfreude wurde ein wenig durch Rückenschmerzen gemindert – ganz fit waren wir halt nicht.

Auch wenn sich immer wieder bedrohliche schwarze Wolkenberge türmten, blieb das Wetter stabil und angenehm. Erst in Rottach-Egern wurden wir ganz kurz leicht angeregnet.

Nach guten drei Stunden gelangten wir wieder an den Bahnhof Tegernsee. Auf der Rückfahrt (auch hier nicht viel los) holte mich der Kater nochmal ein, ich schlief eine halbe Stunde tief. Bei Ankunft in München seltenes Gelüst auf Steckerleis, ich holte mir am Kiosk eines mit Salzkaramell innen und Schoko-Nuss-Ummantelung.

Fürs Abendessen war ja ich zuständig. Ich bereitete den Teig für Fleischpflanzerl vor, schrieb diesmal mein Standard-Rezept im Blog auf. Vor dem eigentlichen Braten hatte ich noch Zeit für eine kurze Runde Yoga, die erwartungsgemäß gut tat.

Dazu allerdings nicht wie geplant den Pittnauer Rosé Dogma Natural Wine, weil ich eigenartigerweise ü-ber-haupt keine Lust auf Alkohol hatte.

Zum Nachtisch das Pimm’s Trifle, das als letzte Schicht gesüßte Schlagsahne bekommen hatte.

Wir stellten fest: Ja, das kann man sehr gut machen! Also dieses Grundrezept, Sherry durch Pimm’s ersetzen, Dosenobst durch frische Aprikosen/Nektarine/Orange/Birne/Erdbeeren, angereichert durch ein Stückchen Gurke in Würfelchen und ein Dutzend Minzblätter.

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Kate Bush hatte gestern Geburtstag – und wieder tanzten Menschen auf der ganzen Welt für sie. Als Kate Bush verkleidet. Zum Beispiel in Sydney, aber auch sonst überall auf der Welt. (So schön! Auch wenn meine Lieblingsversion die vom Ukulele Orchestra of Great Britain bleibt.)

Journal Freitag, 29. Juli 2022 – Der Tag der zwei schönen Kleider

Samstag, 30. Juli 2022

Sehr gut geschlafen, der Wecker holte mich von weit her. Auch bei Wolken am Himmel war es um sechs mild genug für Balkonkaffee.

Erstes schönes Kleid des Tages: Hatte ich mir schon im Winter gekauft für Sommeraussichten, diesen Schnitt (Herr Kaltmamsell bezeichnet den Typus als “Ren Fair”, also Mittelalterfest) hat man heuer überhaupt nicht, mir gefällt es sehr. In den 70ern gab es mal eine Modephase mit gesmokten Oberteilen, an die erinnert er mich.

Abschied von Herrn Kaltmamsell, der für ein gutes Jahr zum letzten Mal in die Schule musste.

Auf dem Fußweg in die Arbeit Rückenschmerzen wie gehabt (also deutlich weniger schlimm als vor einer Woche, aber weiterhin deutlich) – zaubern kann eine Thai-Massage halt auch nicht.

Mittags gab es Aprikosen, Nektarine, Pflaumen mit Hüttenkäse.

Ich machte gestern schon um halb vier Feierabend, um mir die Haare schneiden zu lassen: Sahen zwar noch ok aus, aber ich hatte das dringende Bedürfnis nach freien Ohren und freiem Nacken, außerdem weniger Wolle auf dem Kopf. Die Friseurin (ich hatte einen Blanko-Termin genommen) stellte sich als Landsfrau aus der Ingolstädter Gegend heraus, wir hatten interessanten Gesprächsstoff.

Auf dem Heimweg zwischen ein paar versprengten Regentropfen Einkäufe (die Reste von der Liste, Herr Kaltmamsell hatte bereits das meiste besorgt), zu Hause erste Schritte für den samstäglichen Abendnachtisch: selbst ausgedachtes Pimm’s Trifle, also mit Pimm’s als Bodenbeträuflung, mit Gurke und Minze in der Obst-Schicht, im Berliner KadeWe hatten wir Kirsch-Jelly gefunden (Erdbeer-Geschmack wäre mir noch lieber gewesen, gab’s halt nicht).

Dann machte ich mich ausgeh-frisch und -fein: Herr Kaltmamsell lud mich zur Feier des Sabbatjahr-Starts ins Dantler ein. Ich schlüpfte ins zweite schöne Kleid des Tages.

Im Obergiesinger Dantler wurden wir herzlich empfangen und verbrachten einen wunderschönen sowie ausgesprochen schmackhaften Abend.

Auf das Bier zum Aperitif hatte ich mich schon gefreut: Weil mir bei meinem allerersten Besuch in diesen Räumen ein eigens fürs Lokal gebrautes IPA eingeschenkt worden war, denke ich hier immer erst mal an Bier. Diesmal war es ein frisch gezapftes Dantler Pils vom Orca Brau in Nürnberg. Dazugestellt wurde wie immer hausgemachtes Brot und Bratlfett.

Der erste Gang: “Münchner Tomaten” – gekühlt mariniert, Basilikum, frische Artischocke. Herrliche Geschmacksvariationen von Tomate, die Schnittlauchnote machte sich besonders gut. Die Weinbegleitung: Sauvignon Blanc “SB” von Ewald Zweytick aus der Südsteiermark – auffallend wenig blumig, ein guter Gegenpart.

Den “Kalk & Kiesel” 2021 vom Claus Preisinger im Burgenland gab es zu „Ofengeröstete Zucchiniblüten“ Parmesancreme, Salzzitrone, Pinienkernbrösel – eine herrliche Kombination, ich mochte besonders die knusprigen Brösel mit der Salzzitrone.

Tatar von der Lachsforelle, Wassermelonen-Ponzu, Ingwermelone schmeckten großartig, dazu mein Lieblingswein des Abends: Weißer Burgunder vom Kalkstein, Weingut am Schlipf, Baden, 2019.

Die Lachsforelle kam nochmal: “Lachsforelle vom Gutshof Polting” kross gebraten, Kohlrabi, Blutpfirsich, Mandelbutter. Dazu ein weiterer Knaller: La Cuvée Maso Toresella, Trento, 2018 – der Gewürztraminer-Anteil entwickelte sich mit der Luft im Glas sehr schön.

Den Fleischgang vergaß ich zu fotografieren, dabei hatte die Sichtung auf der Karte mich besonders gefreut: Auch der Dantler hat “Flat Iron Steak” entdeckt, es gab einen Streifen davon mit Aubergine, Kichererbse, Teriyakiglace – wobei die Aubergine durchaus dem Fleisch ein wenig die Schau stahl. Der Wein dazu: Merlot “Ried Gabarinza” Markus Iro, Burgenland, 2020.

Als Pre-Dessert wie gewohnt in einem winzigen Weißbierglas ein süßer Schluck mit Schaum, diesmal mit Nektarine.

Das Dessert: “Joghurt & Honig” Marillen & Griechischer Joghurt, Mandel-Mürbeteig, Honig, wunderbar fluffig mit viel Aprikosensäure, dazu süß im Glas Riesling Spätlese Goldloch Diel, Nahe 2019.

Köstliches Essen, allerdings deutlich zu viel Alkohol, wir waren beide betrunken. Zwischen ein paar Regentropfen (während unseres Menüs hatte es draußen auch mal deutlich geregnet) gingen wird zu U-Bahn, ließen uns heimfahren. Vor dem Zu-Bett-Gehen nahm ich schon mal vorsorglich eine Aspirin, trank reichlich Wasser, fürchtete dennoch eine alkoholisch unruhige Nacht.

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Damit’s weniger Leute verpassen: Am heutigen Samstag beginnt die Auer Dult, nämlich die Jakobidult.

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“I wrote a song called Victoria’s Secret and I always wanted to be part of a Flash Mob.” (Schöner TikTok-Tanz, ging gestern durch mein Internet.)

via @stedtenh0pp1A

Journal Donnerstag, 28. Juli 2022 – Meine erste Thai-Massage

Freitag, 29. Juli 2022

Nach gutem Schlaf zu früh aufgewacht. Nun gut, ich nutzte die zusätzliche Zeit am Morgen für Gemütlichkeit und ein wenig Blödschaun zwischen den Routine-Handgriffen.

Gestern war ein sonniger, mittelheißer Tag angekündigt: Ich ließ die Rollläden der Wohnung herunter, schloss die meisten Fenster. (Herr Kaltmamsell war früh zu seinem vorletzten Arbeitstag vor Sabbatjahr aufgebrochen.)

Mutig ging ich zu Fuß in die Arbeit. Der Rückenschmerz meldete sich zwar nach 20 Minuten, blieb aber erträglich.

Im Büro kurz getakteter Vormittag mit viel Menschlichem (aber auch Lustigem: Ich versuchte aus Anlass, eine Kollegin zur Imitation des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger zu bewegen, sie widersetzte sich).

Mittagessen: Birchermuesli mit Sojajoghurt, Aprikosen, Flachpfirsiche.

Nachmittags hatte mein Rechner Schluckauf, mehrfach sah ich den fast vergessenen Bluescreen wieder – den gibt’s immer noch. Aber mir wurde klar, wie viel stabiler Computer inzwischen laufen: Vor 25 Jahren waren Rechnerabstürze (Dos) ein ganz alltäglicher Fluch-Anlass.

Auf dem Heimweg kaufte ich in einem kleinen Westend-Laden Obst und Gemüse, gegenüber Brot.

Zu Hause packte ich nur kurz aus, hastete dann zu meinem 18-Uhr-Termin: Eine Stunde Rücken-Nacken-Massage. Ich hatte in einem Laden für Thai-Massagen gebucht, den ich vom Vorbeilaufen kannte – und der kurzfristigere Termine als Physio-Praxen anbietet.

Erster Unterschied zur Physio-Massage, die ich bis dahin als einzige kannte: Ich wurde nicht auf eine schmale, gepolsterte, sondern auf eine breite Holzliege gebeten (Familien-Esstisch?), die mit Decken gepolstert war. Eine Stunde lang knetete mich eine kräftig aussehende Frau durch, die dafür meist auf der Liege um mich herum kletterte. Sie bat mich um Bauchlage und begann an den Füßen, massierte erst mal hoch bis zum Nacken; als dabei die Brustwirbelsäule knackte, lachte sie: “Gut!”

Nächste Phase waren ausführlich Rücken, Schulter, Nacken – und was daran so an Armmuskulatur hing. Geredet wurde nicht (sehr entspannend) außer der gelegentlichen Frage “Tut weh?” (immer genau richtig stark) oder einer Entschuldigung, wenn ich aufgejault hatte (kam nur drei Mal vor). Dann auf dem Rücken liegend ausführlich Beine und Füße, aber auch Schulter, Nacken, Kopf, die gerade nicht massierten Bereiche immer geschickt mit Tuch abgedeckt. Den Abschluss machten im Sitzen nochmal Griffe an Schultern und Nacken.

Ich fand interessant, wo die Massage besonders schmerzte: Den oberen linken Rücken hatte ich ja erwartet (rumpelndes Gleiten der Hände wie über Kopfsteinpflaster), aber Waden! Innenrist rechts! Weil das ganze mit Öl passierte (regelmäßig mit Handtuch wieder abgenommen), war ich anschließend sehr flutschig. Auf dem Heimweg fühlte ich mich wohl, das sollte ich regelmäßig machen.

Fürs Abendessen sorgte ich: Feierliche Zubereitung der ersten Ernteanteil-Tomaten der Saison, nämlich aufgeschnitten mit Nektarinen und edelstem Olivenöl. Außerdem Asiasalat (Mibuna) mit Tahini-Dressing. Dazu Toskana-Brot, auch Käse. Nachtisch Süßigkeiten bis ganz knapp unter zu viel.

Beim Zu-Bett-Gehen dachte ich daran, wie lang ich schon nicht mehr von Häusern und Wohnungen geträumt habe – das vermisse ich, diese Träume waren immer besonders spannend.

Journal Mittwoch, 27. Juli 2022 – Wenn Marieluise Fleißer La casa de Bernarda Alba geschrieben hätte

Donnerstag, 28. Juli 2022

Gestern hatte ich mir freigenommen, um an Trauerfeier und Beerdigung eines Mitabiturienten und früheren Chormitsängers in Ingolstadt teilnehmen zu können. Die Nacht war voller unruhiger Träume dazu gewesen.

Ich nahm bereits einen recht frühen Zug, um mich vor dem Requiem zu aklimatisieren. Bus vom Hauptbahnhof in die Innenstadt (der Ingolstädter Hauptbahnhof liegt aus militärhistorischen Gründen weit außerhalb). Ab hier beäugte ich jedes Grüppchen älterer Herren vorsichtig darauf, ob das Klassenkameraden/Mitchorsänger sein könnten – ich hatte mir klargemacht, dass das Gleichaltrige sind, dass sie nicht mehr so aussehen, wie ich sie von vor 30 Jahren im Gedächtnis habe.

Die Donau fließt auch weiterhin wie ein langer, ruhiger Fluss. Hinterm Neuen Schloss entsteht ein ganz neues Viertel, das ich mir mal ansehen möchte.

Ich trank in der Nähe des Rathausplatzes einen ausgezeichneten Cappuccino im District Five, wo ich auch ein Regal mit interessanten Weinen aus dem Burgenland entdeckte, unbekannte Weine von mir bekannten Winzern. (Ich glaube, hier war in meiner Kindheit ein Sportgeschäft. Dann hätte ich hier einst meine Ski bekommen.)

Auf dem Rathausplatz wurde gerade das Carrara-Weinfest aufgebaut, Carrara ist eine der Partnerstädte Ingolstadts.

Traditionsgaststätte mit Verbindungen zu meiner Familiengeschichte.

Im Keller des Poppenbräu befand sich in meiner Jugend eine Disco, das Dscho (Jo).

Kreuztor, rechts die vor vielen Jahren geschlossene Bäckerei Uhlmann (berühmt für ihre Brezen), die seither leer steht wie so viele Geschäfte. Eingekauft wird nämlich in einem eigenen und Parkplatz-reichen Viertel am Stadtrand, im Westpark.

Beim Fleißerhaus vorbeigeschaut.

Dieses Café gab es schon zu meinen Jugendzeiten. Links die Franziskanerkirche.

Die Post. Von hier aus rief mein Vater in meiner Kindheit die Familie in Spanien an.

Das Requiem fand im Liebfrauenmünster statt, es waren viele Weggefährt*innen gekommen. Schon davor traf ich lang nicht gesehene Menschen. Hinein ging ich, als auch meine Mutter dazustieß. Erste Überraschung: Das Münster war nicht so erbärmlich kalt, wie ich es von manch durchfrorenem Gottesdienst in Erinnerung hatte, ich hatte umsonst eigens einen Blazer dabei.

Durch das Requiem kam ich ganz gut. Zum einen genoss ich die Chormusik: Der Verstorbene hatte in einigen Chören gesungen, es kamen viele Stimmen zusammen. Und ich prägte mir ganz tief den einmaligen Anblick des Chorausschnitts ein, in dem mein Bruder jetzt neben seinem ältesten erwachsenen Sohn sang, daneben auch noch zwei langjährige ehemalige Chorgefährten von mir. Zum anderen kann ich die katholische Liturgie inzwischen schlicht als etwas Kulturelles sehen, und zwar Teil meiner Kultur. Doch gerade bei einem Requiem fiel schon sehr deutlich auf, wie stark als Prämisse vorausgesetzt wird, dass ein Leben nach dem Tod, wenn nicht sogar ein ewiges Leben nach einer Auferstehung positiv und erstrebenswert ist. Dabei weiß ich verlässlich, dass ich nicht allein damit bin, den Tod als echtes Ende mit Erleichterung zu erwarten.

Zur Beerdingung selbst auf dem Westfriedhof zog die Trauergemeinde zu Fuß – in Ingolstadt sind die Wege kurz.

Es fanden sich sehr viele Menschen ein, um Abschied zu nehmen. Ich traf noch mehr Bekannte aus meiner Ingolstädter Vergangenheit, vor allem aus Chorzeiten. (Der zauberhafte Moment, als ein Wanderfalke direkt über meinen Kopf hinweg flog.) Ein letzter Blick ins Grab, auf Sarg und Berge von Blumen.

Mach’s gut Markus, ich wünsche dir von Herzen genau das Leben nach dem Tod, an das du geglaubt hast.

Es hätte anschließend Gelegenheit zu weiteren Begegnungen in einer Gaststätte gegeben, doch ich hatte mich bereits mit vielen Menschen ausgetauscht und konnte nicht mehr. Ich packte all die intensiven Erlebnisse erst mal weg. (Mich hatten sehr viele nicht erkannt – ich ja viele auch nicht, es ist ganz erstaunlich, was die Jahrzehnte mit Gesichtsstrukturen anstellen können. Eine App mit Minus-30-Jahre-Filter? Gibt’s sowas? Wäre für diese Gelegenheiten sehr praktisch.)

Auf dem Rückweg aß ich um drei (Frühstück?) einen mitgebrachten Flapjack aus meiner Handtasche, ich hatte die Esssituation ungefähr so vorhergesehen. Und ich schaute nochmal in das Café vom Morgen, kaufte zwei Flaschen Wein. Mit ordentlich Glück erwischte ich am Hauptbahnhof einen Zug nach München kurz vor Türenschließen.

Fürs letzte Stück nach Hause nahm ich die Tram: Blase an der Ferse. Daheim erzählte ich erst mal Herrn Kaltmamsell, machte ein wenig Yoga (über das viele Stehen und Gehen hatte sich der neue Rückenschmerz zurückgemeldet). Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell breite Bohnen (Mischung aus Ernteanteil und Balkonernte) in Tomatensauce mit ein wenig Hirse, außerdem Käse mit Hefezopfresten. Blick an den Himmel ergab: Noch sind die Mauersegler da.

§

Ich dachte immer, dass ich’s ja im Grunde nicht weit aus Ingolstadt rausgeschafft habe, grad mal 80 Kilometer bis München – selbes Bundesland, gleicher Dialekt. Jetzt wird mir klar, dass ich’s vor fast 25 Jahren sehr wohl weit rausgeschafft habe: ins Internet. Das war das eigentliche Ausbrechen, der Paradigmenwechsel, die große weite Welt. Mein Leben nach Ingolstadt und auch Augsburg fand und findet im Web statt. Hier habe ich über die Texte von Menschen ganz andere Arten zu leben kennengelernt, ganz andere Möglichkeiten von Lebenswegen, Umgebungen, Größenordnungen, Hintergründen, Entscheidungen, Perspektiven, Voraussetzungen. Hier bin ich auf die Menschen gestoßen, die mich in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst haben.

Ich denke an das Gespräch mit einer Freundin (aus dem Internet), die kürzlich einige Wochen in ihrem Herkunftsdorf verbrachte und staunte, mit welchen zwischenmenschlichen Details ihre Verwandten sich beschäftigten: Jede Pflanze im Nachbarsgarten, jeder Kleidungswechsel von Bekannten, die man beim Einkaufen traf, standen nicht nur unter genauester Beobachtung, sondern wurden auch intensiv diskutiert, eingeordnet, bewertet, mit viel Meinung und Emotion. Wir waren uns einig: Weil die Leute nicht im Internet sind, sie haben ja nichts anderes. Es ist kein Scherz, dass das Web genau für mich gemacht wurde: Nichts anderes füttert meine leicht entflammbare inhaltliche Wissbegier mit genau dem für mich perfekten Maß an menschlicher Nähe und Distanzmöglichkeit.

Hier ein aktueller Blick, den mir ein Text in eine unbekannte Welt ermöglichte, in eine Bar im japanischen Hiroshima vor 25 Jahren:
“Mac und die Bar”.

Journal Dienstag, 26. Juli 2022 – Sommerpause mit Regenerfrischung

Mittwoch, 27. Juli 2022

Wieder guter Nachtschlaf. Die Fenster in der Wohnung konnte ich erst nach Mitternacht öffnen, als ein Gewitter endlich die Luft abgekühlt hatte.

Der Morgen war dann auch regnerisch und kühl, sehr angenehm. Vor Verlassen der Wohnung ging ich auf Risiko: Ich setzte auf durchgehend kühles Wetter ohne Sonne, kippte viele Fenster, ließ keine Rollldäden herab. Für den Arbeitsweg nahm ich wieder das Rad, kam trocken vor dem nächsten Regenguss an (und merke schon nach zwei Tagen, wie viel weniger Details als zu Fuß ich unterwegs wahrnehme).

Am Vormittag gab’s nach Langem wieder einen Anlass für einen Blick über München. Es regnete immer wieder – ein mehr als willkommener Anblick.

Der Heimeranplatz ist verändert.

Mittagessen: Hefezopf, außerdem italienische Aprikosen (gut!) und Banane mit Kefir.

Rückenschmerz: Ich hatte den ganzen Tag Ruhe, war allerdings auch wenig zu Fuß unterwegs, erst abends beim Heimkommen drohte er ein bisschen. Aber er gab mir endlich den Impuls, mal einen Massagetermin zu buchen: Trotz allem Dehnen, Kräftigen, Faszienrollen, Yoga hatte ich schon seit Monaten das Bedürfnis nach einem Zurechtkneten und -rücken gehabt, für das es einen externen Eingriff braucht.

In der Arbeit hatte der Anlass oben einige selten live gesehene Gesichter ins Haus gebracht, ich freute mich über die kurzen Austausche. Den Nachmittag verbrachte ich bis über beide Ohren in Datenbanken. Nach Feierabend in beruhigtem Wetter mit milder Temperatur direkt nach Hause geradelt.

Ich nahm mir nochmal die energische Yoga-Runde vom Vortag vor: Mit dem Wissen, was auf mich zukam, war ich deutlich sicherer in mancher Haltung.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch Glasnudelsalat nach Jamie Oliver mit Hack und Garnelen zubereitet, statt Koriander aber Thai-Basilikum verwendet, der sich ausgezeichnet machte. Nachtisch Süßigkeiten.

Telefonat zu Modalitäten der mittwöchlichen Beerdigung, ich möchte in dieser fremden Welt nichts falsch machen.

Journal Montag, 25. Juli 2022 – Radeln gegen heißen Föhn

Dienstag, 26. Juli 2022

Die Nacht komplett durchgeschlafen – eine Rarität. Der Wecker weckte mich gründlich, ohne hätte ich tief weitergeschlafen.

Es kündigte sich ein ganz heißer Hochsommertag an. Der Morgenkaffee auf dem Balkon war aber noch herrlich frisch. Wegen dieser bescheuerten neuen Rückenschmerzen beim Gehen radelte ich in die Arbeit.

Mein Büro war vom Wochenende ordentlich sonnengeheizt, ich hatte Mühe, es über den Vormittag zu temperieren. Schlagzahl in der Arbeit hoch. Ich regelte alles, damit ich an der Beerdigung des verstorbenen Mitschülers teilnehmen kann.

Mittagessen Apfel, Hefezopf, Kefir.

Immer wieder kämpfte ich gegen den neuen linken Rückenschmerz. Nur zweimal fuhr ich den Schreibtisch hoch, um im Stehen zu arbeiten – aber das ging nicht gut aus. Das Bedürfnis zu stehen hatte ich immer wieder, aber lieber fühlt sich der Po wundgesessen an, wenn endlich mal der Schmerz fast weg war. Vorteil des Einzelbüros und der weiterhin dünnen Präsenzbesetzung: Ich hatte keine Bedenken, mich immer wieder auf den Bode zu legen, immer wieder Entspannungsübungen für den Rücken zu machen.

Nach Feierabend hinaus in große Hitze, selbst der Wind blies heiß. Ich radelte für ein paar Einkäufe zum Vollcorner, von dort wie gegen einen heißen Föhn nach Hause.

Nachdem ich in der schattigen Wohnung ein wenig abgekühlt war (und durch flaches Liegen auf dem Boden die Rückenschmerzen nachließen) genoss ich eine Runde zackiges Yoga – danach fühte ich mich den ganzen restlichen Abend schmerzfrei.

Herr Kaltmamsell hatte Teile der vielen Zucchini aus Ernteanteil zu einem Spaghettigericht verarbeitet (der Tipp war von @novemberregen gekommen).

Ausgesprochen köstlich, das merken wir uns. Herr Kaltmamsell hatte auch für frische Schokolade gesorgt, die gab es reichlich zum Nachtisch.

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Novemberregen beantwortet die Frage, “Mussten Sie Ihre Kampfkunstkenntnisse mal außerhalb einer Sporthalle anwenden?” Ich habe aus ihrer Antwort enorm viel gelernt, nicht nur über Selbstverteidigung:
“Kampfkunst im Alltag?”

Was man bei Kampfsport, Selbstverteidigung, Kampfkunst als allererstes lernt, ist: sich selbst und Situationen einschätzen. Als nächstes lernt man dann, wie man sich in der Situation am besten verhält. Und in einer enormen Vielzahl an Situationsbewertungen ist das Ergebnis: abhauen. Sich aus der Situation nehmen.

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Vielen Dank für die Empfehlung des FFP2-Masken-Modells Air Queen: Das trägt sich tatsächlich über längere Zeit deutlich angenehmer und leichter, vor allem hinter den Ohren. (Für das ständige Auf- und Absetzen im Büro oder auf einer Einkaufsrunde ist es nicht so geeignet.) Für ein paar Chargen des Herstellers Toptec gibt es allerdings eine Warnung, gleichen Sie das doch mit Ihrer Schachtel ab:
“Warnung: Mangelhafte Schutzwirkung bei FFP2 Atemschutzmasken „siegmund Air QUEEN Breeze Mask“ des Herstellers Toptec”.