Archiv für Mai 2023

Journal Mittwoch, 17. Mai 2023 – Mein Problem mit manchen Autobiografien: Jennette McCurdy, I’m Glad My Mom Died

Donnerstag, 18. Mai 2023

Auch eine Drei-Tage-Woche (ich darf am Freitag wieder St. Brück huldigen) kann sich ganz schön ziehen. Beim Aufwachen kurz vor Weckerklingeln (nach gutem Schlaf, allerdings wieder mit verschlungenen Träumen) freute ich mich sehr aufs Ausschlafen an den vier freien Tagen.

Es regnete nicht mehr, auf dem Weg in die Arbeit sah ich sogar fahles Sonnenlicht, dafür war es nochmal ein wenig kälter geworden.

Im Büro brauchte ich meine Strickjacke überm Pulli: Auf dieser Seite des Gebäudes wärmt Sonne nicht mal, wenn sie scheint. (Was werde ich mich im brüllheißen Hochsommer noch freuen!)

Unter weiteren blauen Flecken am Himmel und in weiterhin unangenehmer Kälte ging ich auf einen Mittagscappuccino in die Gollierstraße.

Mittagessen war später Mango (ich hatte eine harte, unreife erwischt) mit Sojajoghurt und Bananen.

Vorfreude auf die vier freien Tage um Christi Himmelfahrt wollte sich vorläufig nicht einstellen, weil ich ja am (für mich späten) Abend noch eine Verpflichtung hatte: Tanzkurs.

Daheim aromatisierte ich für danach Weißwein mit Waldmeister, turnte Yoga-Gymnastik, aß einen kleinen Eiweißriegel und schlug dann halt eine Stunde mit Lesen hier und da tot, bis endlich Zeit zum Aufbruch war. (Dieser Kurs war unsere letzte Gelegenheit für Block C, da danach unsere bereits gezahlten 10er Kurskarte verfallen wären.)

Diesmal lernten wir im Lindy Hop nach dem Jig Walks von vergangener Woche den 8-count Charleston. Tatsächlich ein wenig komplexer, wir verbrachten die längste Zeit mit Üben dieses Grundschritts in wechselnder Paar-Kombination. Und mit wechselndem Erfolg.

Als wir um halb zehn nach Hause kamen, goss ich uns Waldmeister-Bowle ein, Herr Kaltmamsell wärmte die Reste des Currys Butter Chickpeas vom Vorabend auf, immer noch besonders gut. Zum Nachtisch gab es Eierlikörkuchen.

Das neue Granta war endlich eingetroffen: Die Ausgabe 136 ist die fünfte “Best of You Bristish Novelists”. Auf die hatte ich mich besondes gefreut und besonders gebangt, ob sie es durch die Post-Brexit-Komplikationen zu mir schaffen würde. Am Absender-Aufkleber lernte ich, dass der Verlag den Aussand jetzt über einen deutschen Partner abwickelt, der alle für Deutschland bestimmten Exemplare gesammelt bekommt und dann einzeln adressiert in die Post gibt (den Mechanismus nutze ich beruflich zum Portosparen z.B. für Großaussände an österreichische Adressen). Künftig bange ich also weniger.

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Jennette McCurdy, I’m Glad My Mom Died

Erst beim Lesen wurde mir klar, dass das kein Roman, sondern eine Autobiografie ist – wahrscheinlich hätte ich mir mit diesem Vorwissen die Buch-Datei nicht bei der Münchner Stadtbibliothek ausgeliehen. Zum einen lese ich lieber gut erfundene und erzählte Geschichten, gerne auch nicht realistische oder nicht realistisch erzählte, zum anderen fühle ich mich ein wenig gemein, wenn ich an wirklich so erinnerte Lebensgeschichten von Laien-Autorinnen dieselben Maßstäbe für literarische Mittel anlege wie an Romane.

Diese konkrete Erinnerung ist die einer jungen Frau an ihre Vergangenheit als Kinderschauspielerin in Hollywood, an die absurden Details der Branche, vor allem aber an ihre psychisch offensichtlich schwer kranke Mutter, die sie zu dieser Karriere trieb. Und genau in dieser Mutter-Darstellung liegt mein Problem mit der Erzähltechnik: Die ganze Geschichte wird post-therapeutisch erzählt, McCurdy beschreibt sich als Kind inklusive Analyse, wie sie damals wodurch von ihrer Mutter manipuliert wurde, was also ihre eigentliche Motivation für ihr Verhalten war. Und sie beschreibt auch die zum Teil furchtbaren Zustände in ihrer Familie, wie sie diese als Erwachsene erkannt hat – nur relativiert durch regelmäßige Hinweise, dass sie diese als Kind als nicht ungewöhnlich wahrnahm. Das macht das ganze Buch im Grunde zu einer großen Therapie-Erzählung, in der sie den Ursachen und Mechanismen ihrer lebensgefährlichen Essstörungen und ihres Alkoholismus nachgeht.

So las ich interessiert, aber mit einem gewissen Unwohlsein, weil ich mich zu Voyeurismus gedrängt sah, wie dieses Kind auf jede Regung ihrer launischen und tyrannischen Mutter achtet, um ihr entgegenzukommen, wie es sich zum Schauspielen überreden lässt, bald die gesamte vielköpfige Familie mit ihrem Einkommen finanziert, wie sich das junge Mädchen von seiner Mutter gezielt zur Anorexie erziehen lässt, wie es sexuelle Gewalt erfährt, als junge Frau in einen immer stärkeren Sog der Selbstzerstörung gerät, wie sie langsam lernt, sich davon zu befreien (aus dieser Erwachsenenzeit gut und realistisch geschildert, wie sie als Essgestörte Essen und Nahrungsmittel wahrnimmt).

Selbst wenn ich das Buch nur innerhalb seines Genres Hollywood-Autobiografien betrachte und z.B. mit You’ll Never Eat Lunch in This Town Again von Julia Phillips vergleiche oder mit Postcards from the Edge von Carrie Fisher, kommt es sprachlich und erzähltechnisch nur mittelgut weg.

Journal Dienstag, 16. Mai 2023 – Regen jetzt wieder strömend

Mittwoch, 17. Mai 2023

Guter Nachtschlaf, diesmal auch mit echter Munterkeit in den Tag hinein. Wetter weiterhin grau, dafür noch ein wenig kälter, zumindest kam ich wirklich trocken in die Arbeit.

Dort war mein Arbeitsplatz umgezogen worden, das beschäftigte mich erst mal. Dann aber geplantes Vormittagsprogramm (ich mag so Veränderungen wie Umzüge auch, weil sich dann eine Weile selbst Routinearbeiten ein bisschen neu anfühlen).

Mittagessen Sahnequark mit Joghurt, Banane.

Immer noch Erkältungsgefühl, aber nicht wirklich belastend, nur ein bisschen nervig.

Aus dem dunkelgrauen Himmel wurde immer wieder Regen, mal mehr, mal weniger, ein Gewitter war auch dabei, dann wieder ausdauern und kräftig – schlechtes Wetter kann so abwechslungsreich sein! Und ich habe das Geräusch von Regenprasseln gründlich satt.

Der Arbeitstag hatte durchaus ein paar Umdrehungen Irrsinn, doch solange ich’s noch merke, bin ich nicht vollständig assimiliert. Heimweg in strömendem Regen unterm Schirm, zumindest nicht so heftig, dass ich von unten richtig nass wurde. Abstecher in den Vollcorner für Milchprodukte.

Daheim rührte ich erst mal den Kuchen für die nächsten Tage und zwar meinen Liebling Eierlikör-Rührkuchen. Obwohl das ein Standard-Rezept ist, hielt ich diesmal mein Vorgehen in der Rezepte-Abteilung des Blogs fest. Diesmal gelernt: Bio-Rapsöl ist nicht ideal für diesen Kuchen, es schmeckt vor.

Während der Kuchen im Ofen war, turnte ich eine weitere Folge Yoga-Gymnastik, diese sehr flott und recht anstrengend.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell ein besonders köstliches Curry: Er hatte den Klassiker Butter Chicken gemacht, nur mit Kichererbsen statt Hühnchen. Dazu Brokkoli, weil er “was Grünes” dazu wollte (passte hervorragend) und Reis mit Pandanblatt gedämpft, das noch vom Sri-Lanka-Curry übrig war (ganz leichte Aromatisierung).

Zum Nachtisch gab’s warmen Eierlikörkuchen und Schokolade.

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Alte Fotos!

Vor zehn Jahren:

Ganz erstaunlich, welche Fortschritte die Digitalfotografie seither gemacht hat, ich bin immer noch überwältigt, wie gute Aufnahmen mein Handy heutzutage macht.

Vom Mai 2003 habe ich keines gefunden (aus diesem Jahr gibt es überhaupt auffallend wenige Fotos).

Aber vor 30 Jahren machte ich im Mai Urlaub in Swansea und besuchte die Freundinnen, die ich ein Jahr zuvor während meines Auslandsstudiums kennengelernt hatte.

Journal Montag, 15. Mai 2023 – Mit Grau und Regen durch den Mai

Dienstag, 16. Mai 2023

Eigentlich gut geschlafen (wenn auch mit verquasten und eher unangenehmen Träumen), dennoch fühlte ich mich auf dem Fußweg in die Arbeit (grauer Himmel, leises Tröpfeln) komplett erschlagen.

Der Arbeitsvormittag verlief sportlich, aber machbar.

Immer noch erschlagen marschierte ich auf einen Mittags-Cappuccino – die Arbeits-Cafeteria ist ja bis auf Weiteres geschlossen, und die Münz-Vollautomaten auf jedem Stockwerk erzeugen eine Qualität auf dem Niveau von Hallenbad-Automaten – Nostalgie wiegt nicht alles auf. Ich fühlte mich weiter kränklich, jetzt deutlich Richtung erkältet.

Auf dem Weg immer wieder blaue Flecken am Himmel, ein wenig Sonne auf dem Boden, überm Westend flitzten schreiend die Mauersegler.

Mittagessen, während draußen Gewitter niederregneten: Ein Stück Roggenschrotbrot (vielleicht mag ich den groben Roggenschrot sogar lieber als den mittleren, ich beiße sehr gern auf die gequollenen Körndln), aromatische Mango mit Sojajoghurt (diese Kombination schmeckt mir derzeit besonders gut).

Der Nachmittag im Büro war nicht mehr ganz so kurz getaktet. Ich machte früher als geplant Feierabend, weil ich jetzt doch endlich umgezogen werden sollte in ein Büro auf der anderen Gebäudeseite.

Auf dem Heimweg wurde ich ein paar Mal angetröpfelt, mein Schirm kam zum Einsatz. Einkaufsabstecher in den Edeka, ich will endlich mal wieder Kuchen backen und kaufte unter anderem Zutaten dafür ein.

Zu Hause Yoga-Gymnastik: nochmal die sportliche Folge vom Sonntag, die wieder richtig warm machte.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil Rote-Bete-Gemüse aus dem Klosterkochbuch, wieder ohne Sauerkraut, wieder köstlich. Diesmal hatte er anweisungsgemäß die Rüben nicht geschält, selbst bei der Lagerware machte das keinen Unterschied.

Dieses Im-Moment-Sein.
Im Alltag habe ich mich damit abgefunden, dass ich das nicht kann, mein Hirn ist dafür zu aktiv. Selbst bei der gelassensten Yoga-Gymnastik kann ich im besten Fall nur ohne Selbsthass zulassen, dass eine Ebene meines Hirns sich immer mit dem befasst, was ich danach tun werde.
Doch gerade jetzt, wo ich mich so auf den Urlaub in Brighton freue, werde ich traurig bei der Gewissheit, wie unwahrscheinlich es ist, dass ich dort den Moment genießen werde. Ein paar Minuten am Tag vom Palace Pier aufs Meer gucken, ohne dass mein Hirn vorauseilt, würden mir ja schon genügen.

Verdacht: Ein Wochenende reicht nicht für all die Dinge, zu denen ich unter der Arbeitswoche nicht komme UND für Erholung. Bin ab sofort für die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich.

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In meinem Internet wurde dieser Tage mehrfach ein Interview weitergereicht, dass Anja Burri und Ladina Triaca für die NZZ am Sonntag mit dem Psychologen und Männeraktivisten Markus Theunert geführt haben. Theunert weist aus männlicher Sicht auf einen Fehler hin, den viele Feministinnen seit langer Zeit unterstreichen: Dass Gleichstellung von Mann und Frau von Anfang an daran ausgerichtet war, Frauen Zugang zum scheinbar Besseren, dem Männlichen zu ermöglichen.
“‘Man tut so, als wäre es erstrebenswert, Mann zu sein'”.

Man tut so, als sei es total erstrebenswert, Mann zu sein. Für jede einzelne Frau mag es erstrebenswert sein, gleich viel zu verdienen, im gleichen Ausmass Karriere zu machen und all das. Aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive kann es aber nicht erstrebenswert sein, wenn Gleichstellung bloss heisst, dass Frauen sich auf gleiche Weise problematisch verhalten dürfen, wie das bislang den Männern vorbehalten war.

(…)

Männer wachsen auf in der Gewissheit, der Mittelpunkt der Gesellschaft zu sein, der Massstab. Deshalb ist es für viele Männer solch eine Provokation, wenn von ihnen eine Auseinandersetzung mit ihren Privilegien eingefordert wird. Ausgerechnet der Gleichstellungsbereich macht ironischerweise dasselbe: Er setzt die Männer als unhinterfragte Norm und will die «mindergestellten Frauen» dort hinaufschieben. Aber das funktioniert halt so nicht. Die Lohnungleichheit bleibt, trotz vielen Massnahmen, die unbezahlte Arbeit ist nach wie vor sehr ungleich verteilt. Kurz: Mit den gleichstellungspolitischen Instrumenten, die wir heute benutzen, kommen wir nicht ans Ziel.

(…)

Die Evidenz liegt klar auf meiner Seite. Nach traditionellen Männlichkeitsvorstellungen leben heisst: früher, unglücklicher und einsamer sterben. Natürlich gibt es Männer, die gerne über ihren Ressourcen leben. Aber die Lust an Selbstschädigung kann nicht die Leitlinie staatlichen Handelns sein.

(Dieser letzte Satz passt wunderbar für viele weitere aktuelle Themen, zum Beispiel Klima-, Gesundheits- und Mobilitätspolitik.)

Journal Sonntag, 14. Mai 2023 – Linsen mit Spätzle im Münchner Wirtshaus

Montag, 15. Mai 2023

Gut geschlafen, in der letzten Phase aber blöd geträumt, dass ich in der Arbeit einen doofen Fehler gemacht hatte, dann halbwach angestrengt nachgedacht, wie ich den wieder gut machen kann.

Wieder wachte ich zu einem dunkelgrauen Tag auf, dessen Wolken jederzeit mit Regen drohten. Dennoch nahm ich das Rad zum Schwimmen, trug Ledermantel und Handschuhe. Ich kam trocken an.

Die Bahnen im Olympiabad waren recht voll, doch man arrangierte sich. Ich schwamm meine 3.000 Meter ohne Probleme mit Körper oder Stimmung weg, die Wassertemperatur erschien mir sogar ein wenig zu warm (!).

Sehr wahrscheinlich war das der Abschied von diesem Schwimmbecken für die nächsten Monate: Am heutigen Montag öffnete das Dantebad, ab jetzt kann ich meine Bahnen wieder unter freiem Himmel ziehen.

Auch nach Hause kam ich unter gleichbleibend dunkelgrauem Himmel trocken.

Frühstück um zwei: eine Dicke Scheibe Roggenschrotbrot, die Hälfte mit ein wenig Pressack, die andere mit Butter und Zuckerrübensirup, außerdem eine Mango mit Sojajoghurt. Das machte mich wieder sehr müde, aber gestern legte ich mich zu einer Siesta hin.

Der Himmel hatte überraschend aufgerissen, und ich freute mich sehr daran, dass ich mein Bett an genau diese Stelle und mit diesem Ausblick gestellt hatte.

Gemütlicher Sonntagnachmittag mit Romanlesen auf dem Sofa, einer Runde Yoga-Gymnastik. Zum Abendessen war ich in der Maxvorstadt verabredet. Dem Gastro-Stadtmagazin “Mit Vergnügen München” hatte ich entnommen, dass man im Obacht an der Schellingstraße Linsen mit Spätzle serviert – für mich neben Grie Soß die exotische Entdeckung in heimischer Küche meines Erwachsenenlebens. Und so traf ich mich mit einer seit Monaten nicht gesehenen Freundin dort. Hier die ohnehin recht interessante Speisekarte, als nächstes möchte ich den ebenfalls raren Gaisburger Marsch probieren (und wenn jetzt noch das Brotzeitbrettl Presssack umfasste…).

Dass das in meinen Augen keine Spätzle sind (aus persönlicher Familiengeschichte, also weil bei meiner polnischen Oma so gewohnt, die das auf einem schwäbischen Bauernhof als Zwangsarbeiterin so beigebracht bekommen hatte, akzeptiere ich nur die Knopfform), dafür kann das Obacht wirklich nichts, die Linsen mit Spätzle schmeckten hervorragend – so gut wie in der Augsburger MAN-Kantine, wo ich sie kennengelernt habe. Dazu trank ich alkoholfreie Weißbiere.

Angeregte Unterhaltung, viele Neuigkeiten erfreulicher und betrüblicher Art. Ich freute mich sehr, dass der Wiedersehenstermin praktisch schon feststeht, und zwar bald und noch vor meinem Englandurlaub.

Wie schon dorthin ging ich auch nach Hause zu Fuß, genoss die frische, aber nicht zu kalte Luft. Daheim Räumen und Vorbereitung der Wohnung für den Putzmann-Einsatz am Montag, ich kam später als gewohnt ins Bett.

Journal Samstag, 13. Mai 2023 – Düsterer Isarlauf bei Hochwasser, Rebecca Makkai, I have some questions for you

Sonntag, 14. Mai 2023

Unruhige Nacht mit mehrfachem Aufwachen, einmal wegen Krämpfen. Am besten schlief ich nach dem Aufwachen um halb fünf bis kurz vor acht.

Das Draußen weiter dunkelgrau und kalt. Ich zerteilte das Roggenschrotbrot, fror zwei Viertel ein.

Man sieht schon, dass der Teig nicht ganz homogen war.

Als ich nach elf zu einem Isarlauf (Winterhose, über Shirt eine Windjacke mit Kapuze, Schirmmütze) aufs Radl stieg, wurde ich gleich mal angetröpfelt. Das war’s dann aber zum Glück mit Regen. Ich fuhr zum Friedensengel und lief nach Norden.

Die Isar stand sehr hoch, doch kein Weg war auch nur annähernd überflutet. (Hier eine Isar-Webcam, über die man den aktuellen Stand in Thalkirchen sieht.) Ich war genau richtig gekleidet, hatte zu keinem Zeitpunkt das Bedürfnis, den Reißverschluss meiner Jacke zu öffnen. Gut anderthalb Stunden Lauf, immer wieder kamen meine Gedanken ins Wandern – schön.

Nach Langem mal wieder gesehen: Die Schafherde des nördlichen Englischen Gartens.

Neue Kunst unterm Friedensengel.

Blick von der Luitpoldbrücke.

Frühstück kurz vor drei: Zwei dicke Scheiben Roggenschrotbrot, eine mit Pressack (Herr Kaltmamsell hatte auf meinen Wunsch roten und weißen besorgt), eine mit Butter. Das war zu viel, ich wurde sehr müde.

Auf dem Sofa las ich die Wochenend-Süddeutsche (wenn Sie Zugriff haben, empfehle ich die Seite-Drei-Geschichte über unseren Müll und einen Münchner Wertstoffhof). Wieder hatte ich die Heizung hochgedreht, ich hatte auch gestern keine Lust auf Frieren trotz dicker Socken und dicker Strickjacke.

Zum Nachtmahl setzte Herr Kaltmamell ein Rezept um, das ich im Foodblog Nimmersatt gefunden und erbeten hatte: Hühnchen-Curry aus Sri Lanka. Es schmeckte ganz hervorragend (auch ohne Reis). Gemüse dazu: Gebratener Pakchoi aus Ernteanteil. Nachtisch Schokolade.

Ich ging früh ins Bett, begann die nächste Lektüre (wieder ein E-Book aus der Münchner Stadtbibliothek): Jennette McCurdy, I’m Glad My Mom Died.

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Rebecca Makkai, I have some questions for you

Der Roman dreht sich um eine Krimigeschichte (als Krimi würde ich ihn nicht einordnen). Ich-Erzählerin Bodie Kane lebt gut von ihren True-Crime-Podcasts und Lehraufträgen als Film-Dozentin. Sie hat zwei kleine Kinder, ihre Ehe mit einem Künstler löst sich gerade auf. Als Dozentin kommt Bodie zurück an ihre frühere Highschool, das Internat Granby in New Hampshire. Sie hat den Auftrag unter anderem deshalb angenommen, um Details eines True Crimes nachzugehen, dessen Zeugin sie selbst während ihrer Schulzeit wurde: Ihre Zimmergenossin Thalia Keith war eines Morgens erschlagen im Swimming Pool der Schule aufgefunden worden. Für den Mord verurteilt wurde vor 20 Jahren der Sporttrainer der Schule, doch Bodie sind über die Jahre immer mehr Zweifel an seiner Schuld gekommen.

Deutlich zu lang ist das Buch meiner Meinung auf jeden Fall, doch es gibt Vieles, was es gut macht, und vor allem ist es so leicht und realistisch in der Gegenwart verwurzelt wie kein Roman, den ich bislang gelesen habe: Twitter und die Dynamik von Social Media spielen eine große Rolle, inklusive der Themen, die diese Dynamik in dem vergangenen zehn Jahren befeuerte (u.a.: der Ehemann der Protagonistin wird von einer früheren und deutlich jüngeren Kollegin des sexuellen Missbrauchs beschuldigt). Der zweite Teil des Romans spielt in der Corona-Pandemie, in der Handlung kommen FFP2-Masken und Abstandsgebote vor. Der Markt der True Crime Podcasts ist ein wichtiger und handlungstreibender Hintergrund, ebenso sind es die grotesken Seiten des US-amerikanischen Justizsystems, und die Figuren des Romans und die Settings sind anschaulich und nachzuvollziehbar.

Ein besonderer Kniff: Die Protagonistin spricht in erster Person jemanden an (der “you” des Romantitels), der ganze Roman wird einem konkreten Gegenüber erzählt – einem ihrer damaligen Lehrer an der Granby School, der auch die Theatergruppe leitete, nach deren Vorstellung Thalia (autsch, die Namenswahl ist arg cringe) ermordet wurde. Er steht im Mittelpunkt eines weiteren zentralen Themas des Buchs: Sexueller Machtmissbrauch durch Männer. Zudem liefert diese Ansprache eine Motivation fürs Erzählen.

Warum also zog sich die Lektüre für mich, was nervte mich durchgehend? Es war der Hintergrund Highschool-Soziologie, die ich nur aus der Fiktion kenne, als Topos in erster Linie aus US-Fernsehserien und -Filmen. Und diese Highschool-Gesellschaft setzt immer Lord of the flies-artige Mechanismem voraus, mit Bandenbildung, Unterdrückung von Außenseiter*innen, Hauen und Stechen um Attraktivität und Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts, nur Sportskanonen oder Kinder reicher Leute haben etwas zu sagen. Das ist als Realität offensichtlich so gesetzt wie Ebbe und Flut, niemand hinterfragt, warum es eigentlich keine Highschool-Geschichten mit freundlichen Kindern und Jugendlichen gibt.

Ich weiß durchaus, dass ich nie gut im Wahrnehmen solcher zwischenmenschlicher Mechanismen war, doch die Ausschließlichkeit von Gemeinheit und Unterdrückung in den US-Oberschulen erscheint mir unwahrscheinlich.

Weiterer Topos, der mich inzwischen müde machte: Erzählt wird mit zeitlichem Abstand (hier 20 Jahre, im zweiten Teil 25 Jahre) immer aus der Sicht der Gemobbten – von der sich dann herausstellt, dass in Wirklichkeit alle vor ihr Angst hatten. (Siehe diese Klassentreffen-Szene aus 30 Rock, die nur deshalb funktioniert.)

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Michael Blume schreibt auf spektrum.de über
“Aber hier regnet es doch! Der häufigste Bestätigungsfehler in der Klimakrise”.

Schon den Einstiegssatz möchte ich auswendig lernen, um ihn bei vielen, vielen Gelegenheiten (“aber bei mir hat’s geholfen!”) einzusetzen.

So genial unser Säugetiergehirn auch ist – seine Mustererkennung ist fehleranfällig.

Der Artikel erklärt klimatische Zusammenhänge und zeigt auch Maßnahmen auf, mit ihnen umzugehen, Stichwort “Schwammstadt”.

Journal Freitag, 12. Mai 2023 – #12von12

Samstag, 13. Mai 2023

Am 12. jedes Monats sammelt Draußen nur Kännchen die Blogs, die sich an der Fotoaktion #12von12 beteiligen – bei ihr ist offensichtlich völlig anderes Wetter als in München, denn sie greift für die Beschreibung des Mai zur Floskel “Wonnemonat”. Ich hatte die Aktion bis zum Vormittag vergessen, bekomme dennoch mit etwas Anstrengung 12 Bilder für einen Tagesbericht zusammen.

Endlich mal wieder richtig tiefer und guter Schlaf.

Nachdem ich mich seit Tagen nicht ganz gesund fühlte, inklusive etwas Kopfweh und leichten Atemwegsbeschwerden, testete ich doch mal wieder auf Covid-19.

1 von 12 – Negativer Coronatest

Draußen machte der Regen gerade Pause, ich kam ohne Schirm trocken ins Büro (wie viel vergnüglicher der Fußmarsch in die Arbeit ohne Regen ist!), sah in der Kälte meine Atemwölkchen vor mit. Ich hatte die Temperatur überschätzt: Im Büro griff ich bald zur Strickjacke übers langärmlige Shirt.

Draußen sah die Luft trocken aus, ich vertraute dem Regenradar trotz dunkelgrauer Wolken und spazierte ohne Schirm auf einen Mittagscappuccino. Ein neues Team-Mitglied wurde gerade angelernt und wollte das Cappuccinomachen dem Chef zuschieben, ich bestand mit “aber so lernst du es doch nicht!” darauf, ihn von ihr zu bekommen.

2 von 12 – Cappuccino im Stray

Schmeckte gewohnt gut, und die wacklige Milchschaumkunst darauf (mit vielen Entschuldigungen) war wirklich irrelevant.

Auch auf dem Rückweg blieb ich trocken.

3 von 12 – Der Gollierplatz mit neuem See

Mittagessen zurück am Schreibtisch: Laugenzöpferl vom Zöttl, (vorgeschnittene) Mango mit Hüttenkäse. Auch der Nachmittag im Büro war gut zu bewältigen, wenige Querschüsse.

Ich machte recht pünktlich Feierabend. Erster Einkaufsstopp war der Edeka auf der Theresienhöhe, bei dem ich nicht nur wie geplant Süßigkeiten, Zahnpasta, Eis bekam, sondern auch eine große und schmerzliche Lücke füllen konnte, siehe Bild 8.

4 von 12 – Im Forum Schwanthalerhöhe sah ich die zeitgenössische Form von Pop-up-Stores, einen Bitcoin-Aktionsladen.

Zweiter Einkaufsstopp im Vollcorner, unter anderem für Rotwein zum Abendessen: Es gab Kalbskotelett aus der Pfanne mit gedämpftem Spinat, dazu hatte ich mir von meinem Internet einen österreichischen Zweigelt empfehlen lassen.

5 von 12 – Die Thank-God-it’s-Friday-Skulptur am Beethovenplatz hat bereits Margaritendeko.

Daheim überraschte mich Herr Kaltmamsell mit weiteren Fliedersträußen, diese noch schöner als der erste Strauß, weil mit hübschem Grün darin.

6 von 12 – Flieder in Weiß

7 von 12 – Flieder in Lila, der tatsächlich anders duftete als der weiße

Jetzt formte ich erstmal den Brotlaib für die Stückgare. Ich hatte am Donnerstagabend das Quellstück für ein Roggenschrotbrot angesetzt, mit dem Gedanken gespielt, fürs Kneten des Teigs, das ein Backen am Freitagabend ermöglichte, mittags schnell heimzuradeln. Doch dann war mir aufgefallen, dass das recht bescheuert gewesen wäre, wo ich doch jemanden daheim hatte und das Abwiegen von Zutaten sowie Kneten mit der Küchenmaschine wirklich keine komplizierte Geheimwissenschaft war. Also hatte ich Herrn Kaltmamsell damit beauftragt. Beim Auskippen des Teigs aus der Schüssel auf die Arbeitsfläche stellte sich allerdings heraus, dass ich die nötige Brotback-Erfahrung im Hintergrund unterschätzt hatte: Herr Kaltmamsell hatte das Ergebnis der ersten Knetphase, “bis sich alles vermischt hat”, nicht überprüft. So befand sich einiges unverknetetes Mehl auf dem Schüsselboden, der Gesamt-Teig war nicht homogen.

Ich machte trotzdem laut Rezept weiter, formte aber nur einen großen Laib, um meinen Backstein nutzen zu können, war gespannt aufs Ergebnis. Jetzt stolzes Vorzeigen meines Jagderfolgs beim Edeka:

8 von 12 – Seit über einem Jahr herrscht Mangel an Dijonsenf (Ernteausfall wegen Dürre in Kanada, von dort beziehen französische Produzenten ihre Senfkörner), in München bekam man zumindest an einigen Stellen (lang nicht so vielen wie zuvor) die kleinen Gläschen unseres Lieblingsherstellers Maille. Die 500-Gramm-Gläser, die wir locker innerhalb weniger Monate wegverbrauchen, hatten wir schon lange nicht mehr gesehen, Herr Kaltmamsell checkte regelmäßig die Supermarkt-Regale. Weil mir eingefallen war, dass er dabei nie in den Edeka auf der Theresienhöhe kommt, sah ich nach – und fand gleich zwei Gläser. Großes Hurra!

Während der Stückgare des Brotlaibs turnte ich Yoga-Gymnastik. Meine Hüften mögen derzeit nicht so recht, die rechte, operierte ist in den vergangenen Tagen immer wieder heiß (was ich daran merke, wie kühl sich das Handy anfühlt, wenn ich es in die hintere Hosentasche stecke).

Herr Kaltmamsell bereitete das Nachtmahl zu, zur Feier des Wochenendes auch den Aperitiv.

9 von 12 – Es gab Manhattan perfect, gleich nachdem ich den Brot-Teigling eingeschossen hatte.

10 von 12 – Kalbskoteletts vom Eisenreich am Viktualienmarkt (wo solche Bestellungen zu hören sind) – besonders rührend das Petersilienblättchen zur Deko.

11 von 12 – Köstliches Nachtmahl. Der Zweigelt vom Heinrich hatte trotz Einschenken bereits eine Stunde zuvor Spitzen und schmeckte für sich recht sauer, nicht aber in Kombination mit Fleisch und Spinat – ein guter Begleiter. (Und sehen Sie, wie hell es draußen zu Abendessenszeiten noch ist? Trotz dunkelgrauem Himmel? So schön!)

Zum Nachtisch gab es Erdnuss-Eis, außerdem Schokolade.

12 von 12 – Das Brot hatte sich im Ofen ordentlich verhalten, Anschnitt gibt es erst am Samstag.

Früh ins Bett zum Lesen, ich schloss Rebecca Makkai, I have some questions for you ab und überlegte, warum ich davon eher unterwältigt war.

Journal Donnerstag, 11. Mai 2023 – Return of the Gummistiefel

Freitag, 12. Mai 2023

Aufgewacht zu Regenrauschen – so viel Regen immer wieder und jetzt am Stück gab es hier schon lang nicht mehr. Ich schaute im eigenen Blog nach: Zuletzt vor zehn Jahren, 2013, sah es in München ähnlich aus – bis hin zu Hochwasser. Ich erinnere mich auch deshalb so lebendig daran, weil das der Sommer meines Auszeit-Jahres war, den ich mir anders vorgestellt hatte. Und weil ich mir irgendwann dann doch das erste Paar Gummistiefel seit Kindheit gekauft hatte.

Zu diesen Gummistiefeln griff ich gestern, um nicht wieder so nass im Büro einzutreffen wie am Mittwoch. Hätte ich mein Deutschlandticket schon, wäre ich vielleicht für den Arbeitsweg in einen Bus gestiegen. Sollte ich es im Juni dann nicht mehr für Regentage benötigen, wäre ich aber keineswegs beleidigt.

Den ganzen Tag über arbeitete ich doppelt: Ich nahm an einer Konferenz mit wirklich wichtigen Themen und Informationen teil, musste dafür also Energie und Aufmerksamkeit aufbringen. Doch die Konferenz wurde über MS Teams online veranstaltet, und mein E-Mail-Postfach explodierte gerade: Gleichzeitig schaffte ich also ein paar Dutzend Dinge weg, trieb plötzlich aktuell gewordene Projekte voran, koordinierte und organisierte auf verschiedenen Kanälen. Ich war überrascht, dass ich das gestern schaffte, eigentlich habe ich ja gerade eine Phase, in der mich praktisch alle Sinneswahrnehmungen überfordern und mein Hirn regelmäßig brüllt “ICH WILL BITTE NICHT SEHEN HÖREN RIECHEN DENKEN!”.

Zu Mittag gab es in einer Konferenzpause Pumpernickel mit Butter, Mango mit Joghurt.

Nachmittags weiter in der Konferenz (und gleichzeitig im explodierten Postfach, zumindest kam kaum Neues rein), draußen regnete es pausenlos und traurig weiter. Für einen Vortrag zu aktuellem Heißen Technik-Scheiß, Info aus erster Hand, weil gehalten von einem echten Heißer-Scheiß-Technikforschenden, konzentrierte ich mich aber ganz auf die Konferenz – und wurde mit voll spannenden Heißer-Scheiß-Infos belohnt. (De facto arbeite ich ja in einer Heißer-Scheiß-Organisation, nur halt in der Verwaltungszentrale, und bekomme deshalb nicht immer genug Heißen Scheiß für meinen Technik-Appetit mit.)

Nach Feierabend stapfte ich unterm Schirm und in Gummistiefeln direkt nach Hause. (Diese Billig-Gummistiefel ermöglichen nur Stapfen, auch mit Einlegesohle.)

Eine Runde Yoga, dann verarbeitete ich den Salat aus Ernteanteil mit einer zugekauften grünen Paprika und Tahini-Dressing zu Abendessen. Herr Kaltmamsell buk getoastete Sandwiches im Sandwich-Toaster mit Tomate und Käse. Nachtisch Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, Rebecca Makkais I have some questions for you zieht sich – und hat leider gar nichts von der Genialität ihres überragenden The Great Believers.

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Auf Twitter sah ich an retweeteten Links, dass ich nicht die einzige war, die Nachrufe auf @dooce las. Hier einer aus der US-Blogwelt, der auch ihre zuletzt fragwürdige Haltung in der Öffentlichkeit anspricht:
“Heather Armstrong, aka Dooce, has Died”.

She wrote about her life in a way that seemed shocking and deviant to me at the time, throwing mud on the shiny gleaming idea that motherhood was a sanctified state of perfection. She was crass and hilarious as she dismantled expectations and declared that so much of what we were taught to aspire to was largely horse manure, and she was funny while she did it. Every influencer, every family channel, every monetized site trying to maintain an existence as a form of independent media can trace its history back to Dooce. She was more famous than the biggest channels on TikTok, more famous than the YouTubers with the most subscribers, more relevant at the time than any Instagrammer – without any of those forms of social media to build her audience and her community. Dooce was “just a blog,” and it was massive.

Lesenswert fand ich auch ein Interview von 2018 mit ihrer ältesten Tochter Leta, damals 14 Jahre alt, in Slate. Endlich fragte jemand mal das Kind einer Bloggerin, die ihr Familienleben öffentlich verkaufte, wie das so ist.
“When Your Mom Is ‘Mommy Blogger’ Heather Armstrong aka Dooce”.

(“Endlich” nicht nur wegen des grundsätzlichen Problems, mit welchem Recht Eltern ihre Kinder ins Internet stellen, sondern weil ich mir regelmäßig bei öffentlichen Aussagen von Eltern über ihre Kinder denke: “Dazu wüsste ich gerne die Sicht des Kindes.”)