Journal Dienstag, 4. Juli 2023 – Von Bath nach Brighton, unerwartet anstrengend

Mittwoch, 5. Juli 2023 um 10:11

Leider eine sehr unruhige Nacht. Da mochte mein Körper die zehn Stunden Auf- und Abgehen problemlos weggesteckt haben, doch wie Herr Kaltmamsell immer betont: “Man wandert ja mit dem Kopf, nicht mit den Beinen!” – mein Kopf kam einfach nicht zur Ruhe und wanderte weiter. So konnte ich das Schnarchen im Zimmer bemerken und das durchgehende Möwengeschrei davor, es war viel Wälzens.

Geschlafen habe ich natürlich auch, ich wachte mit völlig zugeklebten Augen auf – wahrscheinlich eine Folge des heftigen Winds am Vortag.

Herr Kaltmamsell hatte herausgefunden, dass das Frühstück in unserem wunderschönen B&B mehrfach ausgezeichnet worden war (“award winning”), und das Angebot sowohl an warmen Speisen auf der Karte als auch am Buffet war wirklich ausgesprochen liebevoll. Doch leider musste ich wieder passen: Nicht mal Joghurt lockte mich, ich suchte mir nur auf der Teekarte (!) einen aus, genoss das Servieren in Silberkännchen mit Sieb zum Abgießen und heißem Wasser für zweiten Aufguss. (Zudem musste ich feststellen, dass mein Spießerinnen-Magen in dieser Stimmung besonders schwummrig auf Essnachbarn reagiert, deren Tischmanieren nicht mal für geschlossenen Mund beim Kauen und für Schmatzfreiheit reichen. Ich halte es wirklich für komplett wumpe, ob jemand einen Brot- von einem Kuchenteller unterscheiden kann, ein Fisch- von einem Steakmesser, selbst Ellbogen auf dem Tisch kommen halt vor – und doch ist meine Manierentoleranz offensichtlich niedriger, als ich bisher dachte.)

Doch ich genoss den wunderschönen Frühstücksraum. In einem der Bilderrahmen wurde erklärt, dass hier im 18. Jahrhundert die Küche gewesen sei, dass die drei Bogennischen noch davon zeugten. Die jetzige Küche, in der das Frühstück zurbereitet wurde, habe damals als Speisekammer fungiert.

Gemütlicher Spaziergang zum Bahnhof, unsere Ferienwohnung in Brighton durften wir eh erst ab 16 Uhr beziehen.

Auf dem Avon wurden angeschwemmte Baumteile zerkleinert.

Herr Kaltmamsell hatte extra eine Zugverbindung gebucht, die zwar etwas länger dauerte, aber von uns mit den schweren Koffern nur einmal Umsteigen verlangte. Nur dass der zweite Zug in Havant liegen blieb und wir alle in eine alternative Verbindung nach Brighton umsteigen mussten. Brotzeit im Zug gegen eins: Apfel, Eiweißriegel, getrocknete Feigen.

Viereinhalb Stunden Zugfahren, so stellte ich fest, erschöpften mich körperlich deutlich mehr als viereinhalb Stunden Wandern. Andererseits: Wie soll man beim Zugfahren Pause machen?

Im vertrauten Brighton rollkofferten wir über einen Umweg zu unserer Unterkunft in einem denkmalgeschützten Regency-Haus an der Grenze zu Hove: Wir gingen erst mal runter zur Uferpromenade und holten uns die erste Portion steife Meeresbrise inklusive Niesel.

Dann aber hätten wir gerne unsere Wohnung bezogen, was nicht funktionierte: Der Schlüssel dazu war in einer Schlüsselbox mit Zahlencode hinterlegt, wie man sie immer häufiger sieht, und der Zahlencode, den ich von der Ferienwohnungsagentur zwei Tage zuvor bekommen hatte, funktionierte nicht. Nein, in solchen Situationen werde ich sehr wahrscheinlich nie gelassen bleiben.

Ich stellte per Download eines Anleitungs-Videos sicher, dass wir die (ohnehin idiotensichere) Schlüsselbox richtig benutzt hatten, schickte eine E-Mail über die Ferienwohnungs-Plattform, sprach der Kontakt-Telefonnummer auf den AB, setzte Herrn Kaltmamsell auf die Stufen vorm Haus und machte mich auf den Weg zum nicht zu weit entfernten Büro der Agentur. Unterwegs rief ich nochmal an – und erwischte eine Angestellte. Stellte sich heraus, dass, “ah ja richtig”, ein house manager den Code nach Abschicken der E-Mail geändert hatte. Nach einer weiteren Runde Hin und Her verstand ich den neuen korrekt, wir kamen endlich an den Schlüssel. Diese Agentur hatte ich mir bereits aus anderen Gründen gemerkt, um sie künftig zu meiden, ich sah mich bestätigt.

Die erste Maschine schmutzige Wander-Wäsche konnten wir nicht vor der Einkaufsrunde starten, weil Waschmittel auf die Einkaufsliste musste (hatte ich auch noch nicht in einer Ferienwohnung, zefix). Doch nach dem Auspacken und der Bestandsaufnahme in den Küchenschränken begann der Urlaubsspaß wirklich: Einkaufen im großen Waitrose-Supermarkt an der Western Road.

Fürs Nachtmahl war ich zuständig und muss meiner polnischen Oma wirklich mal danken, weil ich von ihr etwas fürs Leben gelernt habe: Beim Versuch, den Schnittlauch für ein Joghurt-Dressing in feine Röllchen zu schneiden, erwies sich das Ferienküchenmesser (wenig überraschend) als brutal stumpf, ich hätte gradsogut den Messerrücken verwenden können. Da erinnerte ich mich, dass eben diese Oma ihre Messer immer am unglasierten unteren Rand von Tassen schärfte – und probierte das. Das Ergebnis war umwerfend: Ich hatte ein brauchbar scharfes Messer. Danke Oma!

Es gab Salat und Tomätchen mit Joghurt-Dressing (auf Teller angerichtet statt gemischt, weil keine Salatschüssel vorhanden – ich hätte sogar wie in der einen oder anderen Ferienwohnung zuvor eine billige große Schüssel gekauft, wenn ich im Supermarkt oder auf dem Weg eine gesehen hätte, war aber nicht so) drei britische Käsen (Bath Blue, Räucherkäse, Cheddar mit Nüssen und Beeren), dazu Ploughman’s Pickle, Brot, gesalzene Butter, außerdem ein hiesiger Wein: Bolney Estate Dark Harvest aus dem Anbaugebiet West Sussex – beeriger, würziger Geschmack aus den Sorten Rondo und Regent, beides recht neue Hybrid-Züchtungen.

Zum Nachtisch Erdbeeren und reichlich Schokolade, auch dafür hatte der Supermarktbesuch gesorgt.

die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „Journal Dienstag, 4. Juli 2023 – Von Bath nach Brighton, unerwartet anstrengend“

  1. Usul meint:

    Danke für den Oma-Tipp!

  2. Sjule meint:

    Das mit dem Schärfen werde ich mir hoffentlich merken, toller Tip! Eine gute Zeit in Brighton für Sie!

  3. Anke meint:

    Ich habe das “Messer an Tassenrand schärfen” von meiner Mutter gelernt und letztens gelesen, dass es zwar gut funktioniert, jedoch die Messer auf Dauer kaputt macht, weil die Tasse zu rauh ist.
    Ist in der Ferienwohnung aber wahrscheinlich egal.

  4. Sigrid meint:

    Die Agentur würde ich zukünftig auch meiden.
    Den Tipp der polnischen Oma kenne ich auch. Wir hier auch häufig in Ferienwohnungen angewandt bzw. gleich ein eigenes scharfes Messer mitgenommen. Bei Flug allerdings leider nicht möglich.

  5. TomInMuc oder Tomate meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

    *******************************************************

  6. Ellen meint:

    Liebe Frau Kaltmamsell,

    falls Sie es noch nicht kennen:

    Café Marmelade in Brighton, sehr nett und lecker! https://www.cafemarmalade.co.uk/

    Herzliche Grüße und viel Spaß in Brighton

  7. Croco meint:

    Bin ich froh, dass es nicht so gekommen ist wie es geplant war, dass nämlich nicht gebloggt wird während der Reise.
    Danke für‘s Mtnehmen Euch beiden.

  8. Roland B. meint:

    Irgendwie sind es doch oft die kleinen Widrigkeiten, die einen viele Jahre später noch an einen bestimmten Urlaub erinnern. Ein wenig Abenteuer muß halt sein.

  9. Roland B. meint:

    @Anke: Das könnte vom Material der Tasse abhängen. Feinstes Porzellan oder Steingut, je nachdem wird die Grobheit unterschiedlich sein.
    Wenn man allerdings mit modernen Wetzstählen und Schleifgeräten vergleicht, sicher immer ein wenig zu grob.
    Aber was soll man machen als Gast? Die Gastgeber – vor allem wenn durch eine Agentur vertreten – werden da eher selten daran denken – gilt nicht nur in Ferienwohnungen, gilt auch auf Charterjachten (da stehen halt andere Dinge im Vordergrund beim Crewwechsel).

    @Sigrid: Ferienwohnung-Urlaub nur mit Handgepäck? Wär mir zu minimalistisch – nicht nur wegen des Verzichts auf mein Taschenmesser.

  10. Alexandra meint:

    Falls kein brauchbares Porzellan vorhanden ist: Am “Dörpel” geht’s auch – die Kante von den Steinstufen vor dem Haus oder was sonst greifbar an Stein oder Gebranntem verbaut ist. Nachhaltigkeit ist bei mutmaßlich eh’ minderer Messerqualität sowieso wurscht – “Erste Hilfe” hat Vorrang!

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