Archiv für September 2023

Journal Samstag, 16. September 2023 – Ausflug nach Landsberg: Der Keiler und ich

Sonntag, 17. September 2023

Paarmal war ich nachts aufgewacht, schlief nach Herablassen des Rollladens aber bis nach sieben. Das Wetter draußen durch und durch sonnig, aber morgenkalt.

Herr Kaltmamsell war am Freitag auf einem Betriebausflug nach Landsberg und ins dortige Wildgehege gekommen. Das hatte ihm mit seinen omnipräsenten Rehen und Hirschen so gut gefallen (Beweisstück ein Gruppenfoto mit Kolleg*innen, in dessen Hintergrund nur wenige Meter entfernt ohne Zaun gemütlich ein Reh graste), dazu eine Suhle voller Wildschweine samt Frischlingen, dass er es mir zeigen wollte: Er schlug diesen Spaziergang als Samstagsunternehmung vor. Also ließ ich meine Laufpläne möglichst weit weg vom Oktoberfestausbruch fahren und fuhr mit ihm nach Landsberg – ebenfalls schön weit weg vom Oktoberfest.

Wir gingen gegen den Strom von Bayern-Cosplayer*innen in Billigstverkleidung zum Bahnhof, mit einmal Umsteigen in Kaufering kamen wir problemlos und pünktlich nach Landsberg – das sich gleich beim Einbiegen von der Bahnhofsstraße in schönster Pracht zeigte.

Rätselhafte Übersetzung ins Englische – ein hochspezieller Fachterminus oder einfach der nächstbeste Begriff aus dem Wörterbuch?

Wir bogen in den Lechweg gen Süden und Richtung Wildgehege. Vom zugehörigen Parkplatz strömten allerdings so viele Familien mit Hunden und lauten Kindern, dass Herr Kaltmamsell alle Hoffnung auf gelassene Reh- oder Hirschbegegnungen fahren ließ.

Doch wir genossen die herrliche Spätsommersonne, das Licht durch Mischwald. Die vielen Familien verstreuten sich nach einer Weile, und am Wildschweingehege kamen wir dann doch auf unsere Kosten.

Von Herrn Kaltmamsell eine Aufnahme: Der Keiler und ich.

Im weiteren Verlauf des Spaziergangs wurden die Wege noch ruhiger – und ich bekam mein erstes Reh zu sehen.

Herr Kaltmamsell steuerte die Wirtschaft Teufelsküche an; mit Blick auf den Lech, hier übrraschend weitläufig, bekam ich meinen Mittagscappuccino. (Das ebenfalls bestellte alkoholfreie Weißbier gegen Durst allerdings nicht – wir waren mitten in die Mittagessenszeit geraten, es war viel los, da geht schon mal was durcheinander.)

Ein Blick auf mein Smartphone zeigte, dass mehrfach dieselbe unbekannten Nummer angerufen hatte. Ich erwartete keinen Anruf (Arzt, Friseur, Spedition), schon gar nicht am Wochenende, da musste sich jemand verwählt haben. Aber offensichtlich handelte es sich um ein dringendes Anliegen, also rief ich zurück um Bescheid zu geben. Es meldete sich jemand sehr erleichtert, “dass wir endlich zusammenkommen”, doch der Name sagte mir nichts. Nach einer Weile (in solch einem Fall weigere ich mich, meinen Namen zu nennen) stellte sich heraus: Das war die Vermieterin meiner Ferienwohnung für den Wanderurlaub, die auf diesem Weg meine Ankunftszeit nächste Woche erfahren wollte. Ich vertröstete sie auf eine E-Mail nach Möglichkeit, diese Zeit nachzuschlagen (“ich bin unterwegs” – d’uh!), wehrte Ansinnen ab, mich am Bahnhof abzuholen (meine Recherchen hatten zehn Minuten Fußweg ergeben).

Was für eine Aufregung, zumal ich mich gleich im Anschluss grämte, weil ich so unfreundlich gewesen war. Es wird Zeit, zumindest an meinem privaten Handy die Anrufbeantworter-Ansage meiner Träume einzurichten: “Bitte legen Sie auf und schreiben Sie mir eine Nachricht.”

Wir waren noch nicht ausspaziert, die Sonne schien weiter aufs Herrlichste und mittlerweile auch sommerlich heiß. Also gingen wir noch den Lech-Zufluss Teufelsküche hoch, oben weiter bis zum nächsten Ort Pöring.

Auf dem Lech mehrere Dutzend Schwäne, die hin und wieder auch flogen.

Schloss Pöring mit leider geschlossener Schlosskirche Maria von der Versöhnung (da frage ich mich ja schon: Was hatte sie denn ausgefressen?) (und ob es wohl den spanischen Frauennamen Maria del Reconcilio gibt? “Reco” gerufen?).

Schloss von unten, denn jetzt gingen wir hinunter an den Lech und zunächst dort entlang zurück nach Landsberg, machten aber wieder die Schleife übers Wildgehege – und diesmal begegneten wir vielen Rehen.

Bis zur Rückfahrt des Zugs war noch Zeit für ein bisschen Umschaun in Landsberg, Herr Kaltmamsell gab weiter, was er am Vortag über das Städtchen erfahren hatte.

Es herrschte eine sympathische und sehr lebendige Atmosphäre, besonders gefiel mir das Leben am Fluss – ich bin ja in Ingolstadt mit einem ausgegrenzten Fluss großgeworden, habe studiert in einer Stadt, die sogar zwei Flüsse nicht wirklich ins Leben einbindet, nämlich Augsburg.

Beim Warten auf die Rückfahrt aß ich um halb vier dann doch mal was, auch wenn ich weiter keinen Appetit hatte, nämlich einen mitgebrachten Apfel (aber sicher bin ich essgestört, allerdings nur minimal mehr als die Mehrheit unserer Gesellschaft). Reibungslose Heimreise mit einmal Umsteigen, wir trafen in München noch vor größeren Oktoberfestausschreitungen ein.

Zeitunglesen auf dem Balkon, eine Runde Yoga-Gymnastik, erstmals Ansetzen der legendären Frühstücksbrötchen von @melaniegywer.

Während Herr Kaltmamsell den ersten Ernteanteil-Blumenkohl der Saison in ein sahniges Curry verwandelte, machte ich uns als Aperitif Gin Tonics.

Im Hintergrund Oktoberfest-Rückkehrende.

Das Curry schmeckte mir gut, auch wenn Aloo Gobi mein Favorit bleibt. Dazu ein geschenkter Rosé-Winzersekt, der mir mit Rosenparfum und Himbeerkaugummi zu künstlich schmeckte. Zum Nachtisch probierte ich endlich den Zwetschgenkuchen.

Gut! Und Schokolade.

Im Bett Endspurt des Besoffen-Buchs von Eva Biringer. Sie schildert, wie viele negative Charaktereigenschaften an ihr verschwanden, als sie nüchtern wurde – die ich fast durchwegs an mir wiedererkannte, nur dass ich sie leider nicht einfach durch Alkoholaufgabe ausschalten kann.

Journal Freitag, 15. September 2023 – Fröhlichkeitsdefizit

Samstag, 16. September 2023

Eigentlich gut geschlafen, nach einem Aufstehen um drei allerdings zweimal geträumt, mein (immer stumm geschaltetes) Handy schlüge Alarm (nicht der Weckerton, sondern sowas wie SMS-Eingang) und davon ein wenig aufgewacht. Bei Check am Morgen keine Spur, das war wirklich nur ein Trick meines unruhigen Hirns.

Draußen einheitsgrauer Herbsthimmel, aber weiterhin nicht herbstkalt.

Nur noch ein Tag.

Im Büro Querschüsse von links und rechts, außerdem vorhergesehen Menschliches: ein trauriger Abschied. Stress-Kopfweh, das auch mit Ibu nicht zu vertreiben war.

Mittags gab es Apfel, Pumpernickel mit Butter, Tomaten. Nachmittags mehr Querschüsse, leider auch vor meinem Urlaub nicht erledigbare – was durch professionellere Zusammenarbeit sehr wohl möglich gewesen wäre. Mir war der Start ins Wochenende versaut, mein Gemüt noch einen Tick düsterer.

Um drei sah ich hoch – und wurde mit blauem Himmel und Sonne überrascht.
Mehrfach hörte ich einen der Falken am Hochhaus, sah ihn aber nicht.

Feierabend nicht ganz so pünktlich wie geplant, auch schon wurscht, Buckelrutschen. Heimweg über ein paar Lebensmitteleinkäufe und an der kurz vor Ausbruch brodelnden Theresienwiese vorbei (vor dem Eingang waren bereits die Fernsehkameras aufgebaut).

Herr Kaltmamsell war beruflich aushäusig, ich hatte ein strammes Abendprogramm: Zwetschgenstreusel backen (dieses Rezept abgewandelt), Ofengemüse vorbereiten, eine besonders lange Folge Yoga-Gymnastik, dazwischen hatten meine Eltern sich angekündigt: Die lieben brachten neu getopfte Hakenlilien für den Balkon.

Das funktionierte alles (auch wenn meine Eltern wegen heftigen Autoverkehrs verpätet und recht gestresst eintrafen – wie so Bahnreisende), doch um gut 50 Minuten Yoga-Gymnastik unterzubringen, musste ich schummeln und bei abgelaufenem Timer dazwischen kurz von der Matte aufspringen für Kuchen-raus-aus-, Gemüse-rein-in-den-Ofen.

Meine Yoga-Runde fiel genau in den Sonnenuntergang, ich turnte in immer dunkler golden ausgeleuchtetem Wohnzimmer und fühlte mich superluxuriös. Auch diesmal wieder langsame Bewegungen, die bei aller Einfachheit in diesem Tempo anstrengten. Und gut taten. (Außerdem finde ich sehr niedlich, dass Adriene 2016 noch schiefe Zähne hatte.) (Ganz im Ernst, das ist kein verstecktes Lästern: Ich finde gerade an Frauen schiefe Zähne manchmal hinreißend.)

Die gekauften Zwetschgen erwiesen sich als sehr gut, nur eine wurmige dabei.

Zum Abendessen gab es aus Ernteanteil Fenchel und Karotten aus dem Ofen (Salz, Pfeffer, Olivenöl, Thymian) mit einer Dose gekochten Linsen vermischt. Ich genoss es und schaffte es, nicht alles aufzuessen und mich so nicht zu überfressen. Nachtisch Schokolade.

Auf Alkohol hatte ich allein keine Lust, ich bin in so vieler Weise SO weit weg von Eva Biringers Dauerbesäufnissen. Viel getrunken habe ich eh nie, mir bereits Sorgen gemacht, wenn ich eine Woche täglich Alkohol getrunken hatte (immer in übersichtlichen Mengen von bis zu zwei Gläsern Wein, bis zu drei Cocktails). So richtiges Betrinken hat bei mir noch nie funktioniert, weil ich seit meinem ersten Drink im Leben diesen einen Moment habe, in dem mir plötzlich der Alkohol nicht mehr schmeckt, ich ihn widerlich finde – was mir durchaus peinlich sein kann, wenn er auf einer Party nach den zweiten Schluck einer eben geöffneten Bierflasche eintritt. Bis heute kommt es reglmäßig vor, dass ich beim heimischen Nachtmahl mein zweites Glas Wein nach der Hälfte zu Herrn Kaltmamsell schiebe. Alkoholexzess bedeutet bei mir eine Weinbegleitung im Restaurant, die sich zu 0,5 bis 0,6 Litern läppert. Und ich habe nie einen blöden Spruch erlebt, wenn ich in Geselligkeit mit Alkohol selbst keinen wollte.

Wichtig: Ich halte mich deshalb keineswegs für moralisch überlegen, nur sind mein Leben und mein Erleben dadurch fundamental anders als die von Eva Biringer. Auch meine Menschenkontakte und Beziehungen unterscheiden sich fundamental von ihren, vielleicht gebündelt in ihrer rhetorischen Frage: “Wollten wir nicht alle sein wie Carrie Bradshaw?” und meinem von Herzen kommenden “NEIN!” darauf. (Allerdings war ich schon bei Veröffentlichung der Serie Sex and the City überrascht, dass sie als “wie Frauen wirklich sind und Freundinnen wirklich miteinander umgehen” verkauft wurde, weil: NEIN! Heftiger Verdacht, dass dominante Medienschaffende schlicht ihre Welt als repräsentativ ansahen.)
Mal sehen, ob ich Biringers Buch durchhalte: Geschichten, die von Rauschbeschreibungen leben, langweilen mich eigentlich schon lang.

Seit Tagen plagt mich die operierte Hüfte mit Schmerzen: Ich hatte mich mit Karacho an einem Tisch-Eck angehauen, dieses wie so oft umgehend verdrängt. Als ich mir langsam Sorgen um mein Inplantat machte, dämmerte allerdings eine Erinnerung, ich sah dann doch mal in den Spiegel. Jawoll, deutlicher Tisch-Eck-förmiger blauer Fleck, keine Sorge ums Gelenk angebracht.

§

Weil gestern wieder großer Protesttag von Fridays for Future war, hier eine Analyse, die mich vor allem vor dem Hintergrund des Gezeters, Protestklebende würden der Sache schaden, besonders interessiert:
“Welchen Einfluss haben die Klimaaktivisten?”

Silvia Klesz von der “Letzen Generation” sagt, die Gruppe sei sich darüber bewusst, dass ihre Aktionen nerven und dennoch: “Es ist ein erfolgreiches Mittel und deswegen nutzen wir es.” Doch mindern solche radikalen Formen eher die Zustimmung für Klimaschutz innerhalb der Bevölkerung? Nein, sagt Protestforscherin Hunger: “Wir haben dazu eine Studie durchgeführt und sehen, eigentlich macht es keinen Unterschied. Die Leute finden Klimaschutz immer noch genauso wichtig, unabhängig davon, ob sie eben mit diesen Aktionen konfrontiert sind.”

Es sei jedoch fatal die Aktivisten von der “Letzten Generation” als “Klima-RAF” zu bezeichnen, wie es CSU-Politiker Alexander Dobrindt gemacht hat, unterstreicht Hunger. Solche und ähnliche Aussagen würden eher zu einer größeren Gewaltbereitschaft gegen die Aktivistinnen und Aktivisten führen. Diese Aussagen seien “sehr gefährlich” sagt auch Politikwissenschaftler Wilkens vom CLICS: “Wir sehen nicht nur in Deutschland, sondern auch global, eine zunehmende Kriminalisierung von Klimaaktivisten und -aktivistinnen. Das ist ein großes Problem.”

Journal Donnerstag, 14. September 2023 – Donnerstagsgeplänkel

Freitag, 15. September 2023

Nach Langem eine richtig schlechte Nacht, in der ich um halb drei aufwachte und nach Klogang nicht mehr einschlief. Das Sorgenkarussel drehte sich lustig um die letzten drei Arbeitstage vor Urlaub ab Dienstag, an denen viel Menschliches und deshalb ohnehin Belastendes ansteht (es ist absurd albern, wie sehr mich ganz unaufregend Menschliches stresst, und sei es nur Orga und Betreuung eines Besuchs). Nach einer Stunde knipste ich das Licht an und las. Nach einer weiteren halben Stunde fühlte ich mich müde genug für einen weiteren Schlafversuch, der irgendwann auch klappte.

Morgens war der Regen versiegt, doch der Himmel zeigte weiter Grau. Temperatur kühl, aber nicht kalt. Die Luft auf dem Weg in die Arbeit war herrlich.

Vormittag mit reichlich Menschlichem und Flexibilität. Der Himmel wurde über den Tag blauer, ich sah Sonne.

Um elf zum dritten Mal deutschlandweiter Probealarm, wir werden besser:
“Warntag 2023: Plötzlich bimmeln am Stachus die Handys”.

In der Mittagspause wetzte ich wieder auf den Markt am Georg-Freundorfer-Platz, kaufte Käse, zudem an einem kleinen Standl selbst angebaute Äpfel und doch nochmal Zwetschgen. Wir waren uns über die Wurmigkeit der diesjährigen Ernte einig (“sogar die vom Aldi!”), ich bekam eine Hand voll Zwetschgen als Dreingabe. Ich hatte mich für die Apfelsorte mit dem aufregendsten Namen entschieden; Rubinette stellte sich beim Mittagessen (vor Pumpernickel mit Butter) als köstlich heraus, saftig und aromatisch.

Nach eher spätem Feierabend direkt nach Hause, um die Theresienwiese herum kurz vor Ausbruch des Oktoberfests am Samstag.

Berlin schützt sich vor Ausschreitungen am 1. Mai, München vorm Oktoberfest.

Daheim startete ich ein weiteres 30-Tage-Yoga-Programm von Adriene, und zwar ihr Yoga Camp von 2016. Erste Folge waren langsame, ruhige Dehnungen.

Typisches Donnerstag-Nachtmahl: Salat mit Tomaten und Gurke (alles Ernteanteil) mit Joghurt-Dressing, Käse. Nicht im Bild die Schokolade zum Nachtisch.

Stand der Microblogging-Plattformen:
– Twitter X: Immer leerer, nur ganz wenig, was ich nur hier finde.
– Mastodon: Ich fühle mich immer wohler, mit einem Admin, den ich persönlich kenne, und einer lebendigen Timeline im Austausch. Unangenehme Kommenator*innen (bei mir zum Glück weiterhin sehr selten) stelle ich schnell stumm. Und ich LIEBE die Möglichkeit, Vertipper nach Veröffentlichung korrigieren zu können!
– Bluesky: Nervig, und zwar nicht etwa wegen Interaktionen oder Inhalten, sondern Fehlfunktionen. Die Einstellung merken sich meine Einstellungen nicht, also weder dass ich keine Reposts sehen möchte und keine Unterhaltungen mit Accounts, denen ich nicht folge. Selbst meine Methode, diese Accounts alle manuell stummzuschalten, funktioniert nicht: Die Stummschaltung werden ebenso vergessen. Ergebnis ist eine unlesbare Timeline.

§

Mir fällt leider keine launige Anmoderation ein, ich werde einfach nur immer hilfloser:
“Anfeindungen im Internet
Wettermoderatoren als neue Zielscheibe”.

Fernseh-Meteorologen kämpfen um die Wahrheit: Weil sie über die Zusammenhänge von Wetter und Klimakrise aufklären, sehen sie sich immer häufiger Angriffen von Wissenschaftsleugnern ausgesetzt.

Komme mir keine mit: “Ich stelle ja nur Fragen.” (Dass ausgerechnet dieser Satz, einst Ausgangspunkt für wissenschaftliche Forschung, zum Indiz für Wissenschaftsleugnung wurde, ist besonders traurig.) Selbstverständlich dürfen Sie auch ohne jegliches Fachwissen fragen, auch ganz grundsätzlich, zum Beispiel sogar, ob der Mond nicht vielleicht doch aus Käse ist. Die Antwort ist halt: “Nein.”

Journal Mittwoch, 13. September 2023 – Energisch regnerisches Sommerende

Donnerstag, 14. September 2023

Etwas unruhigere Nacht, die immer noch warm genug für lautes Volk vorm Schlafzimmerfenster war.

Von draußen kam es schwülwarm herein. Ich brauchte keine Jacke für den Weg in die Arbeit, kam bei flottem Gehtempo sogar ins Schwitzen, riskierte trotz der schwarzen Wand am Horizont Aufbruch ohne Schirm. Tropfen erwischten mich nur, weil ich einem von Rad gestürzten Schulkind half (das offensichtlich nicht auf “Bind deine Schuhe ordentlich zu!” gehört hatte, ein Schnürsenkel hatte sich ums Pedal gewickelt) – nicht schlimm.

Der Himmel blieb mal hell, mal dunkel, ab Mittag gewitterte es heftig und kühlte deutlich ab.

Hektischer (weil Störung), aber auch hochinteressanter (weil Info-Veranstaltung) Vormittag, schnell vor einem Termin in die Nachbarschafts-Cafeteria für Cappuccino. Später zum Mittagessen gab es Pumpernickel mit Butter, einen geschmacksneutralen Pfirsich, einige Stückchen 100-prozentige Schokolade.

Nachmittag mittelemsig, vor allem war ich müde. Draußen regnete es mehr oder weniger heftig, die Arbeit zog sich, aber auch spät regnete es.

Ich ging über einige Einkäufe heim, unter anderem für einen Work-around der derzeitigen Bewirtungs-Restriktionen in der Arbeit (Selbstversorgung).

Fürs Nachtmahl war ich mit Herrn Kaltmamsell zum Pizza-Essen aushäusig verabredet: Wir wollten seit Monaten die Schwarze Pizza in Il Ritrovo an der Lindwurmstraße probieren. Unterm Regenschirm spazierten wir hin. Wir hatten nicht reserviert, bekamen aber zwischen zwei großen, offensichtlich für Gesellschaften eingedeckten Tischen noch einen letzten Zweier-Platz.

Einmal schwarze Pizza mit Lachs, Avocado, roten Zwiebeln Mozzarella, eine Riesen-Calzone, wir halbierten jeweils. Der Teig der schwarzen war hart, ist nicht mein Geschmack, viel Belag nach dem Backen kalt drauf eher auch nicht. Aber die Calzone hatte guten Teig! (Und die letzten Viertel nahmen wir heim als Frühstück von Herrn Kaltmamsell.)

Nach Hause durch fortgesetzten Regen, daheim noch ein wenig Schokolade. Mittelfrüh zu Regenplätschern ins Bett zum Lesen, ich bekam von all den Besaufens-Schilderungen mittlerweile selbst schon Kopfweh.

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Frau Donnerhallen lud im Juli zu DER Feier nach Corona-Zeit ein: Last Night of the Goths. Zu meiner großen Ehre und Gaudi durft ich mitfeiern, hier schildert die Gastgeberin, wie es dazu kam und wurde.
“Thank you for being a Goth”.

(Nein, auch wir Neurotypischen verstehen nicht, wie man eine offensichtlich leidenschaftliche und ernst gemeinte Einladung einfach ignorieren kann und interpretieren das als aktives Zurückweisen, ziehen entsprechende Konsequenzen.)

Journal Dienstag, 12. September 2023 – Sommerabschied mit Schwimmschlacht

Mittwoch, 13. September 2023

Gut und tief geschlafen, das ist so schön.

Morgens verabschiedete ich Herrn Kaltmamsell zur ersten Stunde in die Schule (Lehrer*innen treten nicht alle und nicht jeden Tag zur ersten Stunde an), ich konnte mich fast nicht mehr an den Morgenrhythmus dafür erinnern. Mit Schwimmzeug im Sportrucksack spazierte ich durch milde Luft in die Arbeit, begegnete vielen Schulkindern.

Im Büro musste ich mich auch erst wieder daran gewöhnen, dass Herr Kaltmamsell nicht mehr durchgehend erreichbar ist und ich ihm nicht schnell dazwischen Fragen oder Ideen rüberwerfen kann.

Arbeitsreicher und etwas durcheinanderer Vormittag, ich kam aber kurz raus auf einen guten Morgencappuccino in die Nachbar-Cafeteria. (Ich genieße diese Nachsommerstunden SO! Bald haben wir ja wieder die umgekehrte Lage, dass ich übers Frieren und die kurzen Tage jammere und alle Winterfreundinnen über die Kälte jubeln.)

Mittagessen war ein weiterer Versuch des Ausgleichs von Macht-lange-satt und Ist-leicht-verdaulich-und-stört-nicht-beim-Sport: Kleiner Eiweißriegel sowie Pfirsich und Feige mit Joghurt.

Das schien zumindest in zweiter Funktion das Richtige zu sein: Als ich mich kurz nach vier auf den Weg ins Dantebad machte, knurrte mein Magen leer.

Gestern war der erste Tag des Winterbetriebs im Dantebad (nur Stadionbecken und Sprudelschnecke geöffnet), umso erstaunter war ich über die lange Schlange an der Kasse, bestehend vor allem aus Familien in voller Freibad-Ausstattung (u.a. Schwimmnudeln, Aufblastiere). Mit meiner Dauerkarte kam ich schnell rein und sah, dass auch nur ein kleiner Bereich der Liegewiese freigegeben war: Ich nehme an, die Schlange stehenden Familien wussten das mit dem Winterbetrieb schlicht nicht.

Meine Schwimmrunde wurde dann leider zur Schlacht. Die Bahnen waren dicht beschwommen, darunter einige Geräteschwimmer*innen, vor allem aber rücksichtslose Turboschwimmer. Ich schluckte oft Wasser, erschrak mehrfach mit Juchzer, wurde aber irgendwann bockig und ließ mich nicht von meinen geplanten 3.000 Metern abhalten. Weitere Irritation: Diesmal zog nicht am gewohnten Ende Frittenfettdunst über die Schwimmbahn, sondern am gegenüberliegenden Steckerfischdunst – beim Schwimmen ebenso eklig.

Auch die Wassertemperatur war auf Winterbetrieb hochgeheizt, zum ersten Mal seit zwei Jahren war sogar mir das Wasser zu warm. Wie bereits seit Tagen angekündigt, zog der Himmel nach 17 Uhr langsam zu mit Wolken, in der Tram nach Hause sah die Abenddämmerung nach Gewitter aus.

Trotz Arbeitstag sorgte Herr Kaltmamsell für Abendessen in Form von warmem Zucchini-Garnelen-Salat mit Minze und Koriander. Nachtisch viel Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, Eva Biringer, Unabhängig – Vom Trinken und Loslassen. Noch weiß ich nicht, wie sehr mich interessiert, dass eine hochfunktionale Multitoxlerin sich fragt, warum sie ausgerechnet vom Alkohol am schwersten loskommt. Durchaus originell geschrieben und berstend von Fußnoten mit Quellen zu weiterführendem Material, aber das ist halt schon sehr weit weg von meinem Leben und meiner Welt.

Journal Montag, 11. September 2023 – Sommerabend im Schnitzelgarten, Jenny Erpenbeck, Geschichte vom alten Kind

Dienstag, 12. September 2023

Gute Nacht, ich hätte gerne länger als bis Weckerklingeln geschlafen.

Die Nacht musste sehr mild gewesen sein, ich konnte nach Pflanzengießen und Wäscheabnehmen ohne dicke Socken nochmal meinen Morgenkaffee (den 23. der Saison) auf dem Balkon nehmen. Wahrscheinlich erreiche ich die Rekordzahl nicht nur wegen des Nachsommers, sondern weil es davor keine Wochenenden gab, an denen es mir bereits morgens zu heiß auf dem Balkon wurde.

Ich genoss den Weg in die Arbeit in einem schwingenden Röckerl.

Letztes Mal Gollierstraße ohne Schulkinder, am Dienstag beginnt auch in der Bayern der Unterricht des Schuljahrs 2023/24.

Als ich mich im Büro setzte, bekam ich vorm Fenster gleich mal eine Flugshow überm benachbarten Hochhaus zu sehen: Ein Dutzend Krähen und drei Falken umeinander.

Im Verlauf des Morgens stellte ich fest, dass sich meine Stinkphase fortsetzt: Seit ca. zwei Wochen riecht auch das leiseste Transpirieren (voll-desodoriert natürlich) unangenehm, wieder mal Hormone, schätze ich.

Außerdem hoher Fenistil-Verbrauch: Mein Schafzimmer scheint einer besonders aggressiven Stechmücke Obdach zu bieten, zwei riesige Stiche am linken Bein schmerzten unangehm, bei jedem Bitzeln auf der Haut befürchtete ich das Erscheinen eines weiteren.

Zwischen Terminen keine Zeit für externen Mittagscappuccino, es musste der schreckliche Automat herhalten. Aber ich hatte Zeit für Mittagspause, in der es eine übrige Semmel vom Sonntag sowie Mango mit Sojajoghurt gab.

Nachmittags Schwindel, brauchte auch kein Mensch. Dennoch marschierte ich nach der Arbeit über Lebensmitteleinkäufe in die Stadt für Besorgungen. Diese legte ich daheim nur kurz ab, denn ich war mit Herrn Kaltmamsell sommerlich nochmal im Schnitzelgarten verabredet. Wir saßen in milder Abendluft, keine Jacke nötig.

Zum alkoholfreien Weißbier ein Gorgonzola-Cordonbleu – ich aß alles davon, und mit Genuss (möglicherweise macht man hier meine liebsten Pommes). Um uns auffallend viele eher junge Touristen von anderen Kontinenten; wieder mal hatte ich den Verdacht, dass das versteckte Lokal in irgendeinem Reiseführer empfohlen wird (nicht aber von Influencern, sonst würde Schlange gestanden).

Daheim passte sogar noch Schokolade hinterher.

Im Bett neue Lektüre: Ich war meine Wunschliste danach durchgegangen, was gerade in der Stadtbibliothek zur Verfügung stand, und der erste Treffer war Eva Biringer, Unabhängig – Vom Trinken und Loslassen.

Gestern war übrigens der Tag, an dem ich von der Existenz von Gürtelmullen erfuhr, auf Englisch “pink fairy armadillos” – herzallerliebst!

§

Jenny Erpenbecks Geschichte vom alten Kind wurde offensichtlich bei Erscheinen 1999 vor allem als Parabel rezipiert – ich kann nachvollziehen, dass die eigentümliche, naive, schlichte Sprache, die mich an Märchen erinnerte, dorthin führt.

Ich wiederum ließ mich ganz von diesem Sound der Geschichte fangen und genoss es, auf der Oberfläche zu lesen, Assoziationen und Stimmunge über mich fließen zu lassen, mich davon überraschen zu lassen, wie auch diese Schlichtheit witzige Pointen ermöglicht.

Inhaltlich bleibt viel offen. Wir sind beim Lesen meist ganz in nah an diesem titelgebenden Mädchen (namenlos und durchgehend “das Mädchen”), an seinem mächtigen Körper, seinem Mondgesicht, seinem Erinnerungs-losen Zurechtfinden im Heim und unter den anderen Kindern. In den nur gut hundert Seiten ohne Nebenhandlung und charakterisierte Nebenfiguren bleibt doch genug Platz für Wendungen und Überraschendes.

Wieder mal erwies sich als für mich genau richtig, dass ich vor der Lektüre keine Rezensionen kannte und auch nicht die Entstehungsgeschichte des Romans, die der Verlag offensichtlich zum Verkauf des Buchs verwendete: So konnte mich auch das Ende aus erster Hand mitnehmen (praktisch alle Rezensionen spoilern, WARUM). Mal wieder fühlte ich mich in meiner Haltung bestätigt, dass der Autor, die Autorin und die Genesis besser keine Rolle beim Lesen spielen.

Ein kleines Meisterwerk – dennoch würde ich es ob seiner Seltsamkeit nicht jedem und jeder empfehlen.

§

Welch ein Verlust:
“Trauer um Musikkabarettistin Burgi Well von den ‘Wellküren'”.

Journal Sonntag, 10. September 2023 – Langweiliger Sommersonntag, aber halt Mitte September

Montag, 11. September 2023

Nachtschlaf eher unruhig, immer wieder hörte ich draußen laute Leute, wachte also ein bisschen auf. Doch nach fünf schlief ich nochmal tief ein und das bis halb acht.

Wieder ein herrlicher Balkonkaffee, ich komme dieses Jahr auf eine Rekordzahl – trotz Auslandsabwesenheit in der hiesigen Hitzephase Juni/Juli. Ich schwankte zwischen Sommersattheit und dem Bangen vor einem nahen kalten Herbst.

Nach ausführlichem Bloggen (ich hatte am Vorabend keine Lust gehabt und musste bei Null anfangen, also Sichtung und Benennung der Fotos) war es schon halb elf.

Ich hatte mich sehr auf einen Isarlauf gefreut, in echtem Sommerwetter schlüpfte ich nochmal in kurze Hosen und Träger-Oberteil. Nach wenigen Metern Radeln drehte ich um und holte doch die Luftpumpe für den Vorderreifen, der mangels Luft auf der Straße schwamm.

Die Strände der Isar waren voller Menschen, in der Isar wurde gebadet, auch andere nahmen diese Nachspielzeit des Sommers mit voller Kraft mit.

Sommer hieß aber auch Hitze, ich lief ab Tierpark lieber im Schatten am Ostufer. Um mich reichlich Radelnde, den schönen Pfad im Wald überließ ich lieber den Mountainbikern.

Zunächst fühlte sich das Laufen etwas mühsam an, links überm Po war irgendwas verklemmt, das sich bis zur Schulter zog. Doch ich kam in einen angenehmen Fluss und genoss die anderthalb Stunden.

Zurück kreuzte ich die Großhesseloher Brücke und lief über die Floßlände zum U-Bahnhof (Semmelkauf). So sah ich überrascht: Das Freibad Maria Einsiedel war noch in Betrieb.

Zurück daheim nach zwei großen Gläsern Wasser zunächst Körperpflege inklusive Pediküre (gna). Nach Langem rasierte ich meine Beine (es waren keine Wachs-Termine frei vor meiner Oktoberfestflucht), schnitt mich gleich mal wieder monumental, einer der Schnitte (Blutschwämmchen) beschäftigte mich bis abends.

Frühstück kurz nach halb drei: Zwei Körnersemmeln mit Käse und Ernteanteil-Gurke. Das resultierte in überraschendem Fresskoma, nach einer Stunde Kampf gegen den Schlaf legte ich mich doch hin für eine Runde Siesta.

Es hatte sich über die vergangenen Wochen ein Stapel Bügelwäsche angesammelt, den bügelte ich mit Musik auf den Ohren in zwei Stunden nieder. Kleidungsplanung für die nächste Woche, spätestens am Mittwoch soll das Wetter umschlagen.

Und schon war der Tag rum, vor dem Abendessen blieb gerade noch Zeit für Brotzeitvorbereitung (die letzte Crowdfarming-Mango, deren enorme Fasrigkeit verdarb mir die Lust auf Nachbestellung gründlich).

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell den Mangold aus Ernteanteil als italienischen Picknick-Pie – hatte allerdings zum Aufräumen von Rumford so viel daran verändert, dass er nicht ganz so gut schmeckte wie die vorherigen Male. Nachtisch restliche Schokolade (man sieht den Boden der Süßigkeiten-Box, Alarm!).

Im Bett las ich Jenny Erpenbecks Geschichte vom alten Kind aus, bis zum Schluss sehr angetan von dem eigentümlichen Stück mit Kurzgeschichten-Struktur (u.a. keine Nebenhandlungen und -figuren).