Archiv für März 2024

Lieblings-Microblogposts März 2024

Sonntag, 31. März 2024

Erst mal von Mastodon:

Dann von Bluesky:

Und als Neuzugang mit liebenswerten Posts: Threads!

Journal Karsamstag, 30. März 2024 – Freundinnenwanderung durch Sahara-Dunst und Fehlerkultur Rumtopf

Sonntag, 31. März 2024

Guter Schlaf – und das trotz des reichlichen Alkohols am Vorabend. Draußen war es ungehörig warm, aber seltsam diesig.

Aufgeregtes Fertigmachen für die Wanderverabredung: Frau Bruellen war in der Gegend und schenkte mir den Tag für eine Würm-Wanderung von Gauting nach Starnberg.

Wir trafen uns am Pasinger Bahnhof, dort kreuzten sich unsere S-Bahn-Anfahrten von Osten und Westen. Ich hatte bereits meine leichte Jacke abgelegt, der Karsamstag 2024 kam in Südbayern mit T-Shirt-Wetter.

Spuren verschiedener historischer Epochen.

Große Freude beim Wiedersehen, Schneemassen hatten mich ja um das vorherige gebracht.

Die S-Bahnen nach Gauting fuhren etwa alle 20 Minuten, keine davon zur Fahrplanzeit, wir nahmen einfach die nächstbeste. Bei Ankunft in Gauting setzte sich das seltsame Wetter fort: Es war sehr warm, über dem Wald gegenüber der Anhöhe des Bahnhofs lag eigenartiger Dunst – das war wohl der angekündigte Saharasand.

Obwohl wir mittlerweile tief im Gespräch waren und das die nächsten Stunden auch blieben, gab es schöne Wanderanblicke, von Sommergoldhähnchen (nicht meine erste Sichtung und Identifikation, vielleicht merke ich sie mir jetzt endlich) und vielen Blümchen (meine Begleiterin erwies sich als ausgesprochen firm) über sehr lang schon tote Tiere, einen Falken bis zu vielen anderen Vögelchen, einer flauschigen Katze, die sich in einem Vorgarten räkelte, glitzernder Würm mit viel Totholz aus dem vergangenen Winter.

Ans Fotografieren mussten wir einander in all dem intensiven Austausch aktiv erinnern, wir wollten ja beide Andenken mitnehmen.

Königswiesen.

Auf einem Bankerl bei einer wilden Wirtschaft im Mühltal machten wir kurz Pause.

Ich hatte Aussicht auf den Starnberger See versprochen, gibt es sonst von dieser Anhöhe kurz vor Leutstetten – gestern durch den seltsamen Dunst nicht wirklich.

Über Percha gingen wir zum See – und als wir an den Dunst selbst gelangten, wurde es schlagartig kühl. Zu meiner Überraschung: Ich hatte die Wärme des spanischen Calima erwartet. Dennoch setzten wir uns wie geplant zu einem Café an der Uferpromenade, jetzt halt in Jacken: Ich hatte am Wochenende zuvor entdeckt, dass es italienisches Gebäck anbot, also gab es je ein (gutes) Canolo zu Espresso und Cappuccino mit Blick auf den diesigen See.

Gegen drei nahmen wir eine S-Bahn zurück nach Pasing, dort bekam ich wunderschöne selbstgestrickte Socken (mein drittes Paar aus diesen Nadeln, und ich liebe sie sehr) und Schweizer Schokolade geschenkt. Abschied auf hoffentlich bald, es zeichnet sich tatsächlich ein baldiges nächstes Mal ab.

Auf dem Heimweg vom Hauptbahnhof erledigte ich noch kleine Einkäufe, zu Hause wandelte ich meine Aufgekratztheit in Häuslichkeiten um, unter anderem fettete ich die in der Vorwoche patschnass gewordenen alten Wanderstiefel gründlich ein.

Ich turnte eine sportliche Runde Yoga-Gymnastik, während Herr Kaltmamsell wieder fürs Abendessen sorgte: Ein Teil des Blaukrauts aus Ernteanteil wurde Risotto.

Als Aperitif testeten wir eine Idee zur Verwendung unseres unessbaren Rumtopfs. Denn: Ich hatte ja vergangenen Herbst einen Trockenfrüchte-Rumtopf angesetzt (kannte ich aus Vergangenheit), und irgendwas redete mir ein, dazu müsse ich Stroh-Rum verwenden, und zwar 80-prozentigen. Wie wir wissen, gibt es keine misslungenen Experimente, aus allen lässt sich etwas lernen. Aus diesem zum Beispiel: Das wird ungenießbar, weil viel zu scharf, auch mit nachgekipptem Zucker, und die Trockenfrüchte werden nicht weich. Gestern mixten wir die Flüssigkeit, mit der man möglicherweise kleine Säugetiere töten kann, als Longdrink mit Eis und Orangensaft, und hurra! das schmeckte gut. Dazu knabberten wir libanesische Nüsschen, die ich auf dem Heimweg besorgt hatte.

Als Vorspeise gab es die Pastete vom Vorabend, 24 Stunden Festwerden und Durchziehen hatte sie noch besser gemacht. Das unten ist süßer Senf, der ausgezeichnet dazu passte.

Und das Blaukraut-Risotto mit etwas Orangenabrieb und einem Klecks Mascarpone – sehr gut. Es passte nicht mehr viel Schokolade hinterher.

Im Fernseher ließen wir den Eberhofer-Krimi Sauerkrautkoma laufen – und ich bin hiermit für einen Oscar für Location Scouting: So viele authentisch hässliche Häuser, Wohnungen, Einrichtungen, Landschaften in Bayern! Auch sonst fiel mir wieder die ausgesprochen originelle Kamera-Arbeit auf.

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Wussten Sie, dass Tulpen tanzen können?

Journal Karfreitag, 29. März 2024 – Abenteuer Alter Riesling

Samstag, 30. März 2024

Mit der Wärmflasche fror ich nicht mehr im Bett, so richtig gut und reichlich war der Schlaf dann aber nicht. Egal, beim zu frühen Aufwachen freute ich mich trotzdem über den freien Tag.

Mein Sportrucksack mit Schwimmzeug war schon halb gepackt, als ich auf die Idee kam, vielleicht nicht zum Schwimmen zu radeln, sondern den Feiertag für dieses Ausruhen zu nutzen, von dem ich schon viel Gutes gehört hatte. In-mich-horchen ergab: Gute Idee. Ich packte wieder aus und brühte eine weitere Tasse Tee auf.

Die freigesetzte Energie formierte sich umgehend zu einer Panel-Idee für die re:publica 2025, in der darauffolgende Stunde siedelten sich dazu Detail-Ideen an. Dazu gehörte, dass idealerweise eine ziemlich hochkarätige Persönlichkeit beteiligt ist (zu der ich über ein Eck eine Verbindung habe), ich müsste allein schon wegen Terminsicherung also spätestens im November dieses Jahres aktiv werden. Wie so oft bei neuen Ideen war ich völlig enthusiastisch, jetzt bin ich gespannt, ob ich es durchziehe.

Ab morgens freute ich mich den ganzen Tag sehr auf den Alkohol am Abend, zumal es ein besonderer sein würde.

Um die Mittagszeit duschte ich mich und zog mich an, raus zum Semmel- und Brotkaufen – jetzt war es schlagartig jackenlos warm geworden. Frühstück kurz nach eins: Semmeln, außerdem Grapefruit mit Joghurt.

Alte SZ-Magazine aufgelesen, eine Runde Siesta, Bügeln bei offener Balkontür, eine Kurzgeschichte von Andrea Abreu nachgelesen, an die ich mich in Granta 155, Best of Young Spanish-Language Novelists 2 erinnerte. Yoga-Gymnastik, dann wusch in den Salat (Asia-Salat aus Ernteanteil, zugekauften Eichblattsalat), den ich zum Abendessen beisteuerte.

Zum Aperitif mixte ich uns Cosmopolitans, dabei kamen wir auf die Idee, nach langen Jahren Pause mal wieder eines unserer Lieblings-MGM-Musicals anzusehen: Easter Parade. Vor vielen Jahren habe ich hier im Blog schonmal davon geschwärmt.

Dann aber der besondere Alkohol. Vor fast so vielen Jahren bekam ich ein paar Flaschen Riesling Mannwerk 2011 von der Blog- und Twitterbekanntschaft @marqueee, den er zehn Jahrgänge lang als Hobby gemacht hatte. Eine Flasche davon hatte ich noch, der Winzer gab mir auf meinen Wunsch Tipps, womit ich Alten Riesling kombinieren könnte – die vorhersehbare Petrol-Note der Riesling-Alterung machte mich da ratlos. Die Wahl fiel auf Pastete mit reichlich Leber, Herr Kaltmamsell hatte gestern eine englische nach einem Delia-Smith-Rezept gebacken.

Nun verfüge ich ja wirklich nicht über optimale Lagerbedingungen für Wein: Der Keller ist viel zu warm, die Temperatur in der Wohnung schwankt mit den Jahreszeiten. Wofür ich im Grunde dankbar bin, das hält mich von größeren Weinkäufen ab: Ich kann sie ja nicht sachgemäß lagern. Gestern öffnete ich also die mit Abstand älteste Flasche in unserem Bestand, recht bang, wie sie sich wohl gehalten haben mochte.

Das wurde ein Festmahl – und der Wein war nach zwölf Jahren ein Knaller: Die Petrol-Note nur gering, ansonsten weiterhin kräftig und mit viel Säure, damit und mit seiner Vanille-Note passte er so gut zur Pastete wie erhofft. Dass mich das bloß nicht auf gefährliche Ideen zu künftigen Weinkäufen bringt!

Es passte nur noch wenig Schokolade hinterher. Im Bett begann ich die nächste Lektüre: Robert Menasse, Die Vertreibung aus der Hölle – der Autor, den ich für sein Meisterwerk Die Hauptstadt sehr schätze, nennt es sein bestes Buch.

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Vorgestern tauchte in der Contentvorschlagliste von novemberregen eine Frage auf, die ich auch beantworten möchte, ich fand sie ungewöhnlich inspirierend:
“Haben Sie schon mal einen Preis gewonnen (also Preis als Auszeichnung, nicht etwa ein Preisausschreiben mit Verlosung)?”

Mir fallen zwei ein:

1. Eine “Gaudirallye”, was eine Art Schnitzeljagd per Auto war
Ca. 1986 nahm ich an einem sonnigen Tag mit meinem 2023 verstorbenen Schulfreund Markus teil, der bereits einen Führerschein besaß. Das war dann vermutlich das Auto seiner Eltern, ich weiß auch sonst keine Details mehr, weder die Aufgaben noch die Veranstalter.
Sehr wohl erinnere mich noch an meine Überraschung, wie unbedingt Markus gewinnen wollte – ich selbst hatte im Gegensatz zu ihm das mit der Gaudi ernst genommen. Vage glaube ich mich zudem daran zu erinnern, dass er ein wenig schummelte (was mir eigentlich gegen den Strich ging, aber ich respektierte seinen Siegesdrang; möglicherweise ist das Teil meiner fehlenden Kompetitivität: Wenn ich merke, dass es Konkurrent*innen so viel wichtiger ist zu gewinnen als mir, tue ich ihnen gern und meist mühelos den Gefallen).
Es gab eine Trophäe, über die sich Markus ungemein freute.

2. Den Goldene Blogger 2018 in der Kategorie Tagebuch-Blogs
Mittlerweile bin ich realistischerweise sicher, dass meine eine lustige Antwort im Interview vor der Abstimmung den Ausschlag gab: Das Live-Online-Wahlvolk fand nicht mein Blog besser als das der beiden anderen (meiner Ansicht nach deutlich besseren) Nominierten, sondern lediglich in diesem konkreten Augenblick mich sympathischer.

Und dann noch der Grimme Online Award in der Kategorie “Kultur und Unterhaltung”: Wie novemberregen gewann ich 2019 ein ca. 560stel fürs Techniktagebuch, hinter dem ja ein Autor*innenkollektiv steht.

Sonst habe ich nie etwas gewonnen, kann mich aber auch an keine Gelegenheit erinnern, bei der das hätte passieren können. (Gab es zu meiner Schulzeit schon Vorlesebewerbe?)

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Die US-Amerikanerin und Food-YouTuberin Beryl Shereshewsky stellt deutsches Essen vor – empfohlen von Deutschen, einen davon kenne ich persönlich (Andreas).

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/uXx48TkM8xc?si=dJVSpCQB62vkKV7k

Wir wissen allerdings nicht, wie das Sauerkraut und das Kartoffelpü / der Kartoffelsalat auf den Teller mit der Weißwurst kam. Andreas erwähnt ja auch kein Sauerkraut. Und der Kartoffelknödel zum Sauerbraten sieht nicht nach Kartoffelknödel aus. Ansonsten: Respekt, das akzeptiere ich als einen Querschnitt typisch deutschen Essens, der viele Regionen und Seiten abdeckt. (Endlich denkt mal jemand an Reiberdatschi! Bei deren Anblick ich im Zusammenhang mit USA sofort “Latkes” dachte.) Im Info-Text zu dem Video stehen noch weitere gute Empfehlungen für deutsche Küche, die ich mir für die Gelegenheiten merke, dass ich Besuch aus dem Ausland typisch Deutsches vorsetzen möchte.

Journal Donnerstag, 28. März 2024 – Volkstheater-Besichtigung mit Der Zauberberg

Freitag, 29. März 2024

Die Nacht war ein bisschen unruhig, weil ich nach Klogang um drei lang nicht mehr einschlief. Bei Weckerklingeln freute ich mich sehr auf das Ausschlafen am Karfreitag.

Das Draußen auf dem Weg in die Arbeit zapfig kalt, ich atmete Wölkchen.

Gestern wieder Kreuzschmerzen aus dem gesamten Unterleib (Stichwort Abbrechen in der Leibesmitte), die Auswahl an ärztlich diagnostizierten Ursachen ist ja groß genug.

Vergeblicher Versuch eines Mittagscappuccinos bei Nachbars: Direkt vor mir trat eine zehnköpfige Gruppe an die Theke, alle hatte komplexe Wünsche. Die Umsetzung derselben hätte mir zu lange gedauert, ich ging zurück und verlegte mich auf den traurigen Automaten-Cappuccino aus der Teeküche.

Das Wetter wurde immer greisliger, zum kalten Wind regnete es ab Mittag ergiebig und mit Wind.

Sehr pünktlicher Feierabend, denn ich war erledigt und musste nichts mehr tun. Und ich hatte eine Abendverabredung.

Auf dem saukalten, zumindest aber trockenen Heimweg ein paar Einkäufe für die nächsten Tage, zu Hause ruhte ich mich nur kurz aus, aß Nüsschen und einen Eiweißriegel, dann spazierte ich zum neuen Volkstheater: Ich hatte bislang nur das zugehörige Restaurant Schmock von innen gesehen und nutzt mit einer Freundin den Besuch einer Vorstellung, um den Rest zu erleben.

Unsere Wahl war auf die Inszenierung von Thomas Manns Der Zauberberg gefallen.1

Erstmal sahen wir uns in Foyer, Toiletten, Treppenhaus um:

Das Gebäude gefiel mir sehr gut, und mich erstaunte, dass es auch zweieinhalb Jahre nach Eröffnung niegelnagelneu aussieht: Mittlerweile bin ich gewohnt, dass Neubauten innerhalb kürzester Zeit Abranzungen aufweisen. Die schlichte Gestaltung passt zum Charakter des “Volkstheaters”, die wirtschaftliche und pünktliche Planung und Durchführung des Neubaus glich seinerzeit einer Sensation (Gerhard Matzig schrieb 2021 für die Süddeutsche darüber – leider wieder zu lesen nur gegen €: “Von München lernen heißt bauen lernen”). Im großen Theaterraum selbst, der mich mit schwarzen Wänden und Decke eher an ein Kino erinnerte, entdeckte ich, dass die orangen, in die Wand eingelassenen Leuchten tatsächlich eingemauerte Terracotta-Blumentöpfe waren, wie man sie in der Gartenabteilung eines Baumarkts findet – mit solchen Details lässt sich sicher Geld sparen. (Und meine Begleitung wies mich darauf hin, dass diese Technik bereits in der Antike verbreitet war.)

Der Zuschauerraum war voll, das Publikum überraschend gemischt. Fast vier Stunden Zauberberg erforderten durchaus Kondition (aber kein Sitzfleisch: sehr bequeme Sessel, reichlich Fußraum), die Aufführung hinterließ bei mir einen gemischten Eindruck. Leere Bühne mit wenigen Requisiten, wunderbares Ensemble-Spiel, verhandelt wurden Krankheit (eh), Krieg, Gesellschaftsformen, Menschenbilder, zum Teil in (wie im Roman) ermüdend ausführlichen Dialogen. Ich sah Spielvergnügen, bekam immer wieder komische Überzeichnungen (Luise Deborah Daberkow als Hofrat Behrens und Nina Steils als Dr. Krikowksi hatten eine besondere Gaudi) und lustige Technikeinsätze (nach der Pause bekam eine fahrbare Hebebühne immer wieder Sondergelächter). Im Vergleich zu dem, was ich von den Kammerspielen gewohnt bin, hielt sich die Inszenierung mit Bühnenmitteln zurück: Nur ein Musiker auf der Bühne (Alexander Yannilos), keine Projektionen, eine Hauptrolle spielte ein riesiger horizontaler Ring über dem Bühnenraum, aus dem Nebel waberte, nur einmal wurde mit einem Schneesturm so richtig die Sau rausgelassen – und selbst den erzeugten die Schauspieler mit zwei auf die Bühne geschobenen Ventilatoren und ein paar Eimern Kunstschnee selbst. Dennoch gab es auch hier Szenen, in denen zwei Handlungen übereinander gelegt wurden – sehr anstrengend für die Wahrnehmung, Funktion und Nutzen unklar.

Was für mich gar nicht funktionierte: Die Darstellung des Sanatoriums als Parallelwelt mit anderen Gesetzen. Zwar behaupteten die Figuren das immer wieder, doch die Theaterbühne und dramatische Darstellung sind ohnehin eine so andere Welt, dass dieser Kern des Romans nicht umsetzbar war.

Eigentlich hatte ich mich auf ein anschließendes Glas Wein mit Freundin und Gesprächen gefreut, war dann jedoch zu erledigt dafür und schaute, dass ich zackig heimkam.

Zu Hause aß ich noch schnell ein Schüsselchen Haferflocken, um nicht vom Hunger geweckt zu werden, kam gerade noch vor Mitternacht ins Bett, fror dann aber so sehr, dass ich nochmal aufstand, um eine Wärmflasche zu füllen.

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Im SZ-Magazin interviewt Dorothea Wagner die junge spanische Schriftstellerin Andrea Abreu. Sie ist im Norden Teneriffas aufgewachsen und lebt jetzt wieder dort (€).
“‘Als Kind dachte ich immer, dass alle Touristen aus Deutschland kommen'”.

Darin ein nur auf den ersten Blick überraschendes Detail über die Auswirkungen des sich verändernden Tourismus:

Mich hat das früher wütend gemacht, dass Leute hierherkommen und trotzdem nicht einmal die salzverkrusteten Kartoffeln mit Mojo-Soße kennen, die wir machen. Aber heute weiß ich, dass es viel schlimmer geworden ist, seit mehr Touristen versuchen, sich unserer Kultur anzunähern und alternativen Urlaub zu machen.
Warum?
Es mag schwierig gewesen sein, dass so viele Touristen in den Hotels blieben und Bier tranken. Aber die, die es anders machen wollen, tauchen jetzt an unseren Orten auf. Ich verstehe den Impuls, so zu reisen. Es fühlt sich so an, als wäre das verantwortungsvoller und nachhaltiger. Aber es bedeutet, dass die Menschen plötzlich in unseren Vierteln stehen, in unseren Supermärkten, in unserem Alltag. Dass sich diese Orte dadurch verändern. Restaurants passen ihre Speisekarten an, meine Bekannten finden keine Wohnungen mehr zur Miete. Fast jede Woche liegt in meinem Briefkasten Post von einem deutschen Makler, der das Haus, in dem ich zur Miete wohne, an Deutsche verkaufen möchte. Meine Vermieterin ist eine alte Frau, vielleicht nimmt sie das Angebot irgendwann an.

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Interview des Deutschlandfunks mit Larissa Kikol zu ihrem Buch Signed (meine eine Kritik an ihrem Buch ist ja, dass es keine E-Book-Version gibt):
“So viel Kunst steckt in Graffitis”.

§

Der Osterhase stellt sich vor.

via @stedtenhopp

  1. Dank einer Insider-Information weiß ich mittlerweile, warum seit vielen Jahren mehr Romane und Filme auf die Bühne gebracht werden als Dramen: Weil sie den Leuten vertraut sind und die Schwelle für einen Theaterbesuch senken sollen. []

Journal Mittwoch, 27. März 2024 – Lauf in den Sonnenaufgang

Donnerstag, 28. März 2024

Nur der Abschluss der Nacht war unruhig, als ich mir selbst beim Schwimmen in Angst zusah mit einem “mei, ist halt so”. Der Wecker klingelte extra früh, damit ich nochmal zu einer Laufrunde vor der Arbeit kam, bevor es nach Umstellung auf Sommerzeit erstmal wieder zu dunkel dafür sein würde.

Ich wurde reich belohnt. In frischer, kühler Luft lief ich leicht in den Sonnenaufgang.

Nußbaumpark

Ehemaliges Rodenstockgelände

Nach meiner jüngsten Lektüre fiel mir Streetart noch deutlicher auf, ich sah mich zum ersten Mal gezielt nach illegaler um. (Und begrub gleich mal den Vorsatz, Tags zu erkennen: Das sind ja so viele, und entlang von Bahnstrecken so durcheinandere!)

Nicht nur auf den Wegen begegnete ich deutlich mehr Sportelnden als vergangene Woche:

Am Flaucher wurde gebadet.

Nicht fotografiert: den großen Hund, Jagdhund-artig, der mir auf dem Flauchersteg mit SONNEM Ast quer im Maul entgegenkam. Wir passte gerade so aneinander vorbei, ich lachte sein Frauchen an und ahmte die stolze Hundehaltung nach. Frauchen lachte zurück: “Oh ja, er ist sehr stolz darauf.”

Daheim duschte und kleidete ich mich – zwang mich zu unhektischem Tempo, weil es wirklich, wirklich nichts ausmachte, wenn ich mal später in die Arbeit kam.

Auf der Theresienwiese erste Aufbauanzeichen fürs Frühlingsfest (Start 19. April).

Im Büro erwies sich, dass in den 45 Minuten, die ich später als sonst antrat, wirklich nichts vorgefallen war. Das versuche ich mir zu merken.

Nach emsigem Vormittag raus auf einen Mittagscappuccino zu Nachbars, es war schlagartig Hemdsärmel-warm geworden.

Sehr spätes Mittagessen wegen Spontanbesprechung (wenn manche Leute schon mal im Haus waren): Birne, Apfel, eingeweichtes Muesli mit Sojajoghurt. Gute Nachricht: Ich spürte die akute Stelle im Kreuz immer noch, aber gestern bemerkte ich irgendwann, dass ich seit über einer halben Stunde im Stehen arbeitete – ohne Schmerzen.

Über den Nachmittag zog der Himmel dunkeldüster zu, es kühlte auch wieder ab – seltsames Wetter. Ich war später gekommen, ging dafür früher: Termin bei meiner Beinenthaarerin.

Zu Hause turnte ich eine Runde Yoga-Gymnastik, zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch Grü Soß zubereitet – einen Tag vor Gründonnerstag, denn an diesem war ich abends aushäusig verabredet.

Sehr erfreulich.

Früh ins Bett zum Lesen. Neue Lektüre, jetzt wieder auf dem Kindle: Max Porter, Grief is the thing with feathers.

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Was man als Kartoffelkombinat-Mitglied übrigens auch machen kann:
Ehrenamtlich den Bauerngarten des Tierparks Hellabrunn betreuen.

Journal Dienstag, 26. März 2024 – Larissa Kikol, Signed

Mittwoch, 27. März 2024

Besser geschlafen, aber zu früh aufgewacht.

Weil es zudem weder etwas zu bloggen noch zu räumen gab, kam ich sehr früh in die Arbeit.

Leider ist wieder Frierwoche im Büro, ich arbeitete im Wolljanker. Nach einigen Besprechungen ging ich raus ins Westend auf meinen Mittagscappuccino.

Später Mittagessen am Schreibtisch: Mandarine, Apfel, Sojajoghurt mit Mango.

Arbeitsnachmittag auch mit Unerfreulichem, ich hielt mich an Symptombekämpfung. Nach Feierabend ging es raus in schöne Luft, aber eher kühl.

Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig, ich musste schon wieder selbst für mein Nachtmahl sorgen – hatte aber schon Montagabend dafür eingekauft. Erst Wäscheaufhängen, Yoga-Gymnastik (eher verärgernd: ich mag es nicht, vom half moon überrascht zu werden und erst gesagt zu bekommen, dass es dorthin geht, wenn ich bereits ein Bein heben soll), dann briet ich Schalotte, Knoblauch, Champignons mit Thymian, löschte mit Noilly Prat ab, das ergab mit Crème fraîche und Fussiloni ein Nudelgericht – sehr schmackhaft.

§

Larissa Kikol, Signed. Unterwegs mit der 1UP-Crew und Moses&TapsTM

Larissa Kikol hat ein Buch über Graffiti geschrieben, den weiterhin illegalen Teil der Streetart. Die Terminologie entnehme ich indirekt, es gibt für die vielen Unterarten von Streetart keine offizielle Terminologie mit allgemein anerkannten Definitionen – das gehört aus meiner Perspektive sogar genau so, wer sollte bitte über die Definitionen bestimmen? The elders of streetart? Ich gucke mir auch legale und offizielle Streetart gerne an, z.B. Murals, die sorgfältig und mit reichlich Zeit entstanden. Aber allein der Zeitdruck und die logistischen Rahmenbedingungen von Graffiti machen halt doch einen Unterschied.

Kikol ist promovierte Kunstwissenschaftlerin, doch das ist weit entlegener Hintergrund ihres Buchs: Im Vordergrund stehen ihre Recherche und die Graffiti-Künstler*innen. Sie schreibt in einem Tonfall, den ich von besonders lesenwerten Blogs kenne und mag. Dazu gehört auch, dass sie sich als Beteiligte sichtbar macht. Und es interessiert mich wirklich, wenn sie sich am Tag einer Aktion mit einer schlecht heilenden Verletzung am Arm rumplagt. Was sie sich als Brotzeit für Aktionen einsteckt. Überhaupt beschreibt sie viele Mahlzeiten detailliert, das mochte ich, Essen und Trinken sind ihr offensichtlich wichtig.

Thema ist auch das Schreiben des Buchs selbst:

Der Lektor hat Unrecht, Kikol hat Recht: Das gnadenlose Zitieren scheinbar langweiliger Dialoge bei Graffiti-Aktionen holte mich in die Schilderung erst richtig rein.

Kikol gibt auch die Teile ihrer Interviews wieder, in denen sie zurückgefragt wird, welche Art Buch das eigentlich werden soll. Sie antwortet, sie sei sich noch nicht sicher. Am Ende des Buchs entscheidet sie sich: „Es sind so viele Kurzgeschichten, eher eine Art Reisebericht.“

Eine persönlich Art von Buch ist es geworden, z.B. taucht zwischen liebevollen Betrachtungen über ihren Herkunftsort Bergisch Gladbach Akademisches über Geheimsprachen auf. Kikol wird als Journalistin sichtbar, als Forscherin, als Berlinerin, als überaus neugierige und wohlwollende Menschenfreundin. Sie schreibt viel über konkrete Begegnungen, nicht nur über die mit Graffiti-Künstler*innen oder Menschen aus der Kunst-Szene.

Das Ergebnis ist eine offene und durch die Geschichten sehr transparente Materialsammlung, keine akademische These. (Es gibt aber saubere Endnoten mit den zitierten Quellen.)

Larissa Kikol beschreibt die vielen, vielen Facetten der Grafitti-Szene – die eben genau keine ist. Die Künstler*innen haben ganz unterschiedliche Beweggründe für ihre Arbeit, von rein ästhetischen über künstlerische bis politische oder gar aktivistische. Und anderen macht es einfach denselben Spaß, mit dem Leute ins Basketballtraining gehen. Manche sind nur in ihrer Wohnumgebung aktiv. Typischer aber ist es, dass sie reisen, teilweise sogar weit. (Dass ich die “Yellow Fists” vor einigen Jahren und bis heute in mehreren Städten sah, ist also kein Zufall: Sie sind alle von Kripoe.)

Eine zentrale und bemerkenswerte Figur ist der Graffiti-Künstler Moses: Besonders in Erinnerung blieb mir, dass er mal eine S-Bahn detailgetreu umlackierte

in einem Rotton, der sich fast nur um eine Nuance von dem Originalrotton unterschied. Dann wartete er ab, wann es jemandem auffiel.

Ein Roman ist das nicht. Aber auch kein klassischer Journalismus. Ich fremdle ja sehr mit den Verbot des “Ich” mit der traditionellen Forderung, Berichterstatter*innen müssten hinter dem Gegenstand ihrer Bericht verschwinden. Das kommt meiner Ansicht nach einer Lüge nahe: Jeder Bericht ist gefärbt durch Wahrnehmung und Hintergrund der Rechercheure. Je ausführlicher diese Recherche, desto relevanter werden meiner Überzeugung nach der Prozess und die Personen dahinter. Zwar tun das manche Journalist*innen seit Jahren, doch ich lese bis heute launiges Kolumnen-Geläster ihrer Kolleg*innen, es gehe denen in erster Linie um Selbstdarstellung.

Egal, es ist halt, was es ist. In Signed hat der Prozess der Recherche denselben Stellenwert wie die Ergebnisse. Und so lernte ich eine Menge, unter anderem über die komplexe Logisitik, die hinter dem illegalen Umlackieren von Bahn- und S-Bahn-Waggons steht, hinter dem Bemalen von Häuserfassadenrändern und Brandmauern. Und über die Internationalität des Sprühens, über die zentrale Rolle der Dokumentation (und mit wie viel Schabernack die teilweise sichergestellt wird), über die engen Verbindungen zur Galeristenszene, auch über die verschiedenen Rollen während einer Aktion.

Das Nachwort enthält einen Schlüsselsatz: „Eine Sache, die mir wichtig war, war, nicht mehr zu schreiben, als ich erlebt hatte.“

Falls das bislang noch nicht klar wurde: Dicke Empfehlung. Und ich gucke mir Tags in München künftig viel systematischer an.

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Beachtenswerter Appell in der taz von Katrin Gottschalk:
“Übersehene Feministinnen”.

Die Omas gegen rechts sind derzeit die größte Frauenbewegung auf der Straße. Zeit wird es, sie auch in die politischen Diskussionsrunden einzuladen

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Einskunstlauf hatte ich schon lang nicht mehr geguckt. Und stellte jetzt fest, dass sich da eine Menge getan hat. Schaun Sie sich mal die atemberaubende Goldmedaillen-Kür von Ilia Malinin in Montreal an.
Was mich besonders fasziniert: Malinin wirkt durchgehend, als hätte er überhaupt keine Körperspannung – was unwahrscheinlich ist. Aber er scheint etwas sehr viel Komplexeres einzusetzen als Kraft.

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Apropos Sport: Wenn Ihr Fitnesstudio was taugt, bietet es auch Training für den Sommerurlaub an.

Journal Montag, 25. März 2024 – Ereignisloser Montag

Dienstag, 26. März 2024

Dann halt mal wieder eine schlechte Nacht: Ich konnte sehr lange nicht einschlafen. Nicht schlimm nach all dem guten Schlaf.

Der Marsch in die Arbeit war herrlich sonnig, aber ganz schön kalt.

Im Büro erstmal Puls, weil einige meiner Pläne sich als durchkreuzt herausstellten. Blöderweise wusste ich, dass mich das bis zu einer neuen Lösung belastet, ich kann sowas schlecht aushalten.

Kurz getakteter Vormittag, schneller Mittagscappuccino bei Nachbars.

Mittagessen ein Glas selbst gemachtes Kimchi aus Weißkraut (SO GUT! ich wiederhole mich) und eine dicke Scheibe selbstgebackenes Schokoladenbrot. Nachmittag unruhig, aber es fand sich eine überraschende Lösung für die durchkreuzten Pläne (meine Nerven!).

Eher später Feierabend, durch immer noch kühle Sonne ging ich über ein paar Lebensmitteleinkäufe heim. Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung, zum Abendessen gab es restlichen Stockfisch-Eintopf und Süßigkeiten. Herr Kaltmamsell erzählte von der Buchmesse in Leipzig, dorthin hatte ihn sein Ausflug am Wochenende geführt, mit einigen Details, von denen ich noch nie gelesen hatte.

Früh ins Bett zum Lesen.

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What did we learn from Covid?