Journal Karfreitag, 29. März 2024 – Abenteuer Alter Riesling

Samstag, 30. März 2024 um 7:52

Mit der Wärmflasche fror ich nicht mehr im Bett, so richtig gut und reichlich war der Schlaf dann aber nicht. Egal, beim zu frühen Aufwachen freute ich mich trotzdem über den freien Tag.

Mein Sportrucksack mit Schwimmzeug war schon halb gepackt, als ich auf die Idee kam, vielleicht nicht zum Schwimmen zu radeln, sondern den Feiertag für dieses Ausruhen zu nutzen, von dem ich schon viel Gutes gehört hatte. In-mich-horchen ergab: Gute Idee. Ich packte wieder aus und brühte eine weitere Tasse Tee auf.

Die freigesetzte Energie formierte sich umgehend zu einer Panel-Idee für die re:publica 2025, in der darauffolgende Stunde siedelten sich dazu Detail-Ideen an. Dazu gehörte, dass idealerweise eine ziemlich hochkarätige Persönlichkeit beteiligt ist (zu der ich über ein Eck eine Verbindung habe), ich müsste allein schon wegen Terminsicherung also spätestens im November dieses Jahres aktiv werden. Wie so oft bei neuen Ideen war ich völlig enthusiastisch, jetzt bin ich gespannt, ob ich es durchziehe.

Ab morgens freute ich mich den ganzen Tag sehr auf den Alkohol am Abend, zumal es ein besonderer sein würde.

Um die Mittagszeit duschte ich mich und zog mich an, raus zum Semmel- und Brotkaufen – jetzt war es schlagartig jackenlos warm geworden. Frühstück kurz nach eins: Semmeln, außerdem Grapefruit mit Joghurt.

Alte SZ-Magazine aufgelesen, eine Runde Siesta, Bügeln bei offener Balkontür, eine Kurzgeschichte von Andrea Abreu nachgelesen, an die ich mich in Granta 155, Best of Young Spanish-Language Novelists 2 erinnerte. Yoga-Gymnastik, dann wusch in den Salat (Asia-Salat aus Ernteanteil, zugekauften Eichblattsalat), den ich zum Abendessen beisteuerte.

Zum Aperitif mixte ich uns Cosmopolitans, dabei kamen wir auf die Idee, nach langen Jahren Pause mal wieder eines unserer Lieblings-MGM-Musicals anzusehen: Easter Parade. Vor vielen Jahren habe ich hier im Blog schonmal davon geschwärmt.

Dann aber der besondere Alkohol. Vor fast so vielen Jahren bekam ich ein paar Flaschen Riesling Mannwerk 2011 von der Blog- und Twitterbekanntschaft @marqueee, den er zehn Jahrgänge lang als Hobby gemacht hatte. Eine Flasche davon hatte ich noch, der Winzer gab mir auf meinen Wunsch Tipps, womit ich Alten Riesling kombinieren könnte – die vorhersehbare Petrol-Note der Riesling-Alterung machte mich da ratlos. Die Wahl fiel auf Pastete mit reichlich Leber, Herr Kaltmamsell hatte gestern eine englische nach einem Delia-Smith-Rezept gebacken.

Nun verfüge ich ja wirklich nicht über optimale Lagerbedingungen für Wein: Der Keller ist viel zu warm, die Temperatur in der Wohnung schwankt mit den Jahreszeiten. Wofür ich im Grunde dankbar bin, das hält mich von größeren Weinkäufen ab: Ich kann sie ja nicht sachgemäß lagern. Gestern öffnete ich also die mit Abstand älteste Flasche in unserem Bestand, recht bang, wie sie sich wohl gehalten haben mochte.

Das wurde ein Festmahl – und der Wein war nach zwölf Jahren ein Knaller: Die Petrol-Note nur gering, ansonsten weiterhin kräftig und mit viel Säure, damit und mit seiner Vanille-Note passte er so gut zur Pastete wie erhofft. Dass mich das bloß nicht auf gefährliche Ideen zu künftigen Weinkäufen bringt!

Es passte nur noch wenig Schokolade hinterher. Im Bett begann ich die nächste Lektüre: Robert Menasse, Die Vertreibung aus der Hölle – der Autor, den ich für sein Meisterwerk Die Hauptstadt sehr schätze, nennt es sein bestes Buch.

§

Vorgestern tauchte in der Contentvorschlagliste von novemberregen eine Frage auf, die ich auch beantworten möchte, ich fand sie ungewöhnlich inspirierend:
“Haben Sie schon mal einen Preis gewonnen (also Preis als Auszeichnung, nicht etwa ein Preisausschreiben mit Verlosung)?”

Mir fallen zwei ein:

1. Eine “Gaudirallye”, was eine Art Schnitzeljagd per Auto war
Ca. 1986 nahm ich an einem sonnigen Tag mit meinem 2023 verstorbenen Schulfreund Markus teil, der bereits einen Führerschein besaß. Das war dann vermutlich das Auto seiner Eltern, ich weiß auch sonst keine Details mehr, weder die Aufgaben noch die Veranstalter.
Sehr wohl erinnere mich noch an meine Überraschung, wie unbedingt Markus gewinnen wollte – ich selbst hatte im Gegensatz zu ihm das mit der Gaudi ernst genommen. Vage glaube ich mich zudem daran zu erinnern, dass er ein wenig schummelte (was mir eigentlich gegen den Strich ging, aber ich respektierte seinen Siegesdrang; möglicherweise ist das Teil meiner fehlenden Kompetitivität: Wenn ich merke, dass es Konkurrent*innen so viel wichtiger ist zu gewinnen als mir, tue ich ihnen gern und meist mühelos den Gefallen).
Es gab eine Trophäe, über die sich Markus ungemein freute.

2. Den Goldene Blogger 2018 in der Kategorie Tagebuch-Blogs
Mittlerweile bin ich realistischerweise sicher, dass meine eine lustige Antwort im Interview vor der Abstimmung den Ausschlag gab: Das Live-Online-Wahlvolk fand nicht mein Blog besser als das der beiden anderen (meiner Ansicht nach deutlich besseren) Nominierten, sondern lediglich in diesem konkreten Augenblick mich sympathischer.

Und dann noch der Grimme Online Award in der Kategorie “Kultur und Unterhaltung”: Wie novemberregen gewann ich 2019 ein ca. 560stel fürs Techniktagebuch, hinter dem ja ein Autor*innenkollektiv steht.

Sonst habe ich nie etwas gewonnen, kann mich aber auch an keine Gelegenheit erinnern, bei der das hätte passieren können. (Gab es zu meiner Schulzeit schon Vorlesebewerbe?)

§

Die US-Amerikanerin und Food-YouTuberin Beryl Shereshewsky stellt deutsches Essen vor – empfohlen von Deutschen, einen davon kenne ich persönlich (Andreas).

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https://youtu.be/uXx48TkM8xc?si=dJVSpCQB62vkKV7k

Wir wissen allerdings nicht, wie das Sauerkraut und das Kartoffelpü / der Kartoffelsalat auf den Teller mit der Weißwurst kam. Andreas erwähnt ja auch kein Sauerkraut. Und der Kartoffelknödel zum Sauerbraten sieht nicht nach Kartoffelknödel aus. Ansonsten: Respekt, das akzeptiere ich als einen Querschnitt typisch deutschen Essens, der viele Regionen und Seiten abdeckt. (Endlich denkt mal jemand an Reiberdatschi! Bei deren Anblick ich im Zusammenhang mit USA sofort “Latkes” dachte.) Im Info-Text zu dem Video stehen noch weitere gute Empfehlungen für deutsche Küche, die ich mir für die Gelegenheiten merke, dass ich Besuch aus dem Ausland typisch Deutsches vorsetzen möchte.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Karfreitag, 29. März 2024 – Abenteuer Alter Riesling“

  1. Christin meint:

    Mannwerk! Leider habe ich den nie probieren können, und inzwischen gibt es das Projekt ja nicht mehr. Ich liebe gereifte Rieslinge, danke für die Erinnerung, mal wieder was aus da dem Keller zu holen. Vor einem Jahr haben wir im Freundeskreis aus Gründen 12 Jahre rückwärts aufgemacht und probiert, da waren sehr spannende Überraschungen dabei – aber auch Weine, die einfach mal weitere 10 Jahre vergessen werden können (Säure…).

  2. Sabine meint:

    Warum isst die sympathische Dame alles mit einem Salatlöffel?

  3. die Kaltmamsell meint:

    Ich glaube, Sabine, der Holzlöffel als Essgerät gehört zum Konzept der Show.

  4. Rainer meint:

    Natürlich gab es damals schon Vorlesewettbewerbe. Ich bin aber ob meines frrrrränkischen Zungenschlags in der Regel schon in der ersten Runde immer ausgeschieden…

  5. Thea meint:

    Darf ich das Video teilen? Wenn ja, mit welcher Quelle?
    Schöne Ostern Ihnen beiden.

  6. Drochwallerin meint:

    Der Kartoffelknödel sieht aus wie die von meiner Oma und in meiner Heimat üblich, Pfälzer Schneebällchen. Von daher trifft Beryl Shereshewsky mit “Snowball” den Nagel auf den Kopf.

  7. Corsa meint:

    @Sabine: Mich hat das total verrückt gemacht. Und mir tat die Weisswurst wirklich, wirklich leid.

  8. Tine meint:

    es kann aber auch sein, dass Sie Ihren Blogaward bekommen haben, weil Sie ein durchgängig interessantes Blog haben! Ich mag sehr diese Mischung aus Tagebuch und interessanten Links. Ich habe schon einige Buchempfehlungen von Ihnen gelesen und schon einige Rezepte nachgekocht. Dafür noch vielen Dank
    von einer meist stillen Leserin

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