Journal Donnerstag, 6. Juni 2024 – Mehr Jelinek-Gedanken

Freitag, 7. Juni 2024 um 6:01

Das war zu wenig Schlaf gewesen nach dem Theaterabend, das Handyklingeln weckte mich in große Müdigkeit.

Schöner Marsch in die Arbeit unter weitgehend blauem Himmel und in milder Luft.

Im Büro kämpfte ich mit der Müdigkeit – dabei hatte ich diese sieben Stunden gut geschlafen und auch kein grundlegendes Schlafdefizit. Doch ich fühlte mich wie nach einer Woche schlechtem Schlaf.

Aber wieder erwiesen sich Furcht und Schreck als wirkungsvoller Wachmacher: Eine Detailfrage brachte mich drauf, dass der Kalender einen Termin gefressen hatte, für den ich zuständig war. Zum Glück war noch genug Zeit, doch da ich genau wegen Verlassen auf Hilfsmittel nicht ständig alles präsent im Hirn brauche, schaltete das Hirn bei Ausfall dieses Hilfsmittels erstmal auf Panik.

Bis mittags hatte ich mich wieder beruhigt, nahm mir die Zeit für einen Cappuccino bei Nachbars und Käse-Einkauf auf dem Markt Georg-Freundorfer-Platz.

Mittagessen später am Schreibtisch: Pumpernickel mit Butter, die ersten Pfirsiche der Saison (ok).

Nach weiteren Turbulenzen wieder mal ein Blick auf den Pegel der Isar: Erschwankte immer noch um Meldestufe 1, immer noch keine Grundwasser-Entwarnung für den Hotelkeller.

Den ganzen Tag böses Kreuzzwicken, ich wechselte oft zwischen Arbeiten im Stehen und Sitzen. Eintreffende Jobs schoben den Feierabend nach hinten.

Dann aber direkter Heimweg in Sonne und Wärme. Ich hatte mit Herrn Kaltmamsell Abendessen im Schnitzelgarten vereinbart, turnte davor noch eine halbe Stunde Pilates mit vielen Stabilisierungsübungen.

Während dessen zog der Himmel sehr düster zu. Wir gingen trotzdem in den Schnitzelgarten, dort waren vorsorglich bereits die Schirme aufgespannt.

Auf einem Holztisch zwei Teller mit panierten Schnitzeln und Pommes, zwei Schälchen gemischter Salat

Mein Cordon bleu Gorgonzola schmeckte sehr gut, doch zwei große Stücke Schnitzel schafften wir jeweils nicht – wir Füchse hatten eine Tupperbox dafür dabei. Die Schirme erwiesen sich als nützlich, einmal regnete es tatsächlich kurz.

Im Hintergrund arbeitete Elfriede Jelineks Asche weiter in mir. Das Stück ist vor allem Text in einem ganz persönlichen Gedanken- und Gefühlsverlauf, und diese Person ist die ungemein belesene und durchdenkende Jelinek. Hier ihr Text über das Stück, der den Charakter ein wenig nachvollziehbar macht (und mich an manchen Blogtext belesender und durchdenkender Menschen erinnert).

Wieder mal wünsche ich, ich hätte genug Kraft und Energie für mehr Jelinek. Das wünsche ich mir, seit ich als junge Frau Bekanntschaft mit ihrem Werk machte und komplett fasziniert war. Doch ein bissl in Jelinek reinschmecken auf Distanz geht halt nicht. Zumindest nicht für mich. Auch diesmal überwältigt mich ihre Wucht mit Verzögerung. Wodurch ich auch die Kammerspiel-Inszenierung anders sehe: Sie traut Jelineks Text-Wucht zu wenig und legt auf allen Medienwegen Schicht um Schicht dick auf. Musik, Licht, Videoprojektionen, Darstellungs-Extase, immer neue Kostüme und Masken, Bewegung. Dabei hätten die Schauspieler*innen gradsogut am Bühenrand sitzen können, bisschen mit den Beinen schaukeln, den Text aufsagen können: Er ist für sich gehaltvoll genug.

Das ist auch in der BR-Rezension von Christoph Leibold so angekommen. Und Anne Fritsch findet in Die deutsche Bühne:

Es ein wenig schade, dass dem Regisseur dieser Text nie genug ist, er immer noch eine Schippe drauf legt, so dass einiges an Gedanken untergeht wie all das Plastik im Meer, das immer wieder auf die geschwungene Rückwand projiziert wird.

§

Internet ist toll. Für wen’s interessiert und für wer’s brauchen kann:
“Zeitungsportal verändert das Arbeiten in der Geschichtswissenschaft”.

Mit einem kräftigen Fanfarenstoß ist ein neues Rechercheinstrument mit großem Potential anzuzeigen: das Deutsche Zeitungsportal. Es erlaubt einen einheitlichen kostenlosen Einstieg in digitalisierte historische Zeitungen. Langfristig sollen hier alle Zeitungen sichtbar werden, die in deutschen Bibliotheken und Archiven aufbewahrt werden. Die bislang älteste Zeitung des Portals stammt aus dem Jahr 1671; die Laufzeit der meisten neueren Zeitungen endet – vor allem aus urheberrechtlichen Gründen – etwa 1945.

Mit einem Mal lassen sich historische Sachverhalte ermitteln, die früher entweder gar nicht – weil das Blättern in Zeitungen der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen glich – oder in dieser Breite nicht möglich war.

§

“Auch der alternde Körper ist ein Experiment”
katatonik über
“Needles and pins”.

Und so schreibt sich die Ur-Bloggeria durch den Lebenskreis. Ich erinnere mich, als wir von 10, 15 Jahren scherzten, in den Kaffeehaustreffen der Blogkommentare, wir würden dereinst das Menopausenbloggen begründen. Doch also geschah es. Wie wir nach den Liebschaften schon über das Erstaunen und die Überraschungen des Familie-Werdens gebloggt hatten, über das Zerbrechen unserer Familien, über das Sterben, das eigene, das der Kinder. Wie wir mit Texten das Greisen der Eltern begleiten, die Unterstützung ihrer letzten Lebensphase, ihren Tod. Und so schreiben und bloggen wir das Abklingen des eigenen Lebens und irgendwann das Ausklingen. Mal sehen, ob das irgendwann als fassbarer, analysierbarer Korpus angesehen wird, Blogtexte 2000 bis 2050.
Und ob uns auch dann noch vorgeworfen wird, wir Blogger*innen nähmen uns selbst einfach zu ernst.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 6. Juni 2024 – Mehr Jelinek-Gedanken“

  1. Berit meint:

    Ich hab zuerst “Zeitportal verändert das Leben in der Geschichtswissenschaft” gelesen … wird Zeit das Wochenende wird!

  2. Norman meint:

    Death will not be televised.

  3. Tine meint:

    Liebe Frau Kaltmamsell,
    ich kann’s tatsächlich brauchen und freue mich sehr über den Zeitungsportal-Link!
    Vielen Dank für all die vielen Links und Gedanken und Fundstücke.

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