Journal Samstag, 20. September 2025 – Start der Oktoberfestflucht nach England
Sonntag, 21. September 2025 um 8:38Noch ein Glück (!) sah ich beim Check meines Zugtickets auf dem Handy am Abend zuvor die Warnung “Keine Livedaten verfügbar” und recherchierte meine Verbindung München-Paris: Der Zug ging 20 Minuten früher, als bei der Buchung Anfang Mai eingetragen wurde, statt um 3:31 Uhr um 3:10 Uhr. Ich stellte den Wecker also noch früher.
Herr Kaltmamsell stand extra auf, um mich zu verabschieden.
Es wurde dann halt ein Reisetag, an dem ich nicht viel zu tun hatte außer mich fahren zu lassen und umzusteigen.
Ähnlich benommen wie nach dem wenigen Schlaf für die Oscarnacht saß ich im ICE von München nach Stuttgart. Dabei gelernt: Morgens um halb vier ist es in einem ICE keineswegs still. Wenn nämlich erst das eine Quartett Partygängerinnen (die in Augsburg ausstiegen), dann ein anderes Großraumwagen-beschallend die Begegnungen der Nacht bekakeln müssen, „weißt was ich mein?“. Ich döste dennoch ein wenig.
Stuttgart hat sich auf die Jahrzehnte ohne Bahnhof mittlerweile ganz gut eingerichtet (Auge, München!), für meine Stunde Wartezeit auf den Zug nach Frankreich konnte ich mir den Morgen-Cappuccino bei verschiedenen Anbietern aussuchen, die ihre Stände mangels Bahnhof zwischen den Gleisenden haben. Und SO WACH UND MUNTER hat mich noch nie im Leben ein Morgenkaffee gemacht.
Im TGV saß ich diesmal oben, sah einen wunderschönen Frühherbstmorgen anbrechen.
Wir kamen pünktlich in einem verregneten, aber milden Paris an, ich eilte die 200 gut ausgeschilderten Meter vom Gare de’l Est zum Gare du Nord und zum Eurostar-Terminal. Schnell verstand ich, warum eigentlich auf einen früheren Check-in gedrängt wird: Gestern kam noch ein medizinischer Notfall hinzu, Sanitäter*innen kümmerten sich um einen Passagier an der Passkontrolle, aber das ist schon ein besonders großes Durcheinander mit vielen Kontrollschritten. Das Personal war gefasst, aber es macht halt einen Unterschied zu den Flughafenkontrollen, dass hier alle ihr Gepäck dabei haben. Zudem stellte sich der Wartebereich hinter den Kontrollen als ausgesprochen gemütlich und von viel interessanter Gastro versorgt heraus: Es lohnt sich also doppelt, mehr Zeit für Umsteigen einzukalkulieren.
Wie schon im TGV döste ich auch im Eurostar immer wieder, schlief sogar ein, las dazwischen die Wochenend-Süddeutsche: Anders als befürchtet wurde mir nie langweilig. Brotzeit machte ich gleich nach der Abfahrt in Paris kurz nach elf, denn ich hatte großen Hunger: Apfel, Nüsse, Trockenfeigen.
Pünktliche Ankunft in London St. Pancras. Mittlerweile hatte ich mir eine ganze Reihe Apps aufs Handy geladen, mit denen ich mich per U-Bahn zum Bahnhof Waterloo lotsten ließ (und einfach irgendein Tagesticket dafür kaufte) und mir einen Zug nach Winchester vorschlagen, Ticketkauf am Bahnhofsautomaten (fast 40 Pfund Superspar-Tarif für die einstündige Fahrt). Unterwegs sah ich neben den Gleisen einen mächtigen Fasan, Ankunft in Winchestert pünktlich und in milder Luft, geschafft!
Die kleinen Nickerchen im Zug hatten außerdem dazu geführt, dass ich mich nahezu frisch und keineswegs übernächtigt fühlte. Wie Sie alle, alle beteuert haben, war die Anreise also gar nicht so schlimm, ich hätte vorher gar nicht zetern müssen, warum Heldinnentum (denn so fühlte es sich an) bitteschön so anstrengend sein muss.
Schon in den Reiseunterlagen hatte mich das überrascht: Meine erste Unterkunft in Winchester war ein Ketten-Premier-Inn im Industriegebiet. Von diesem Veranstalter war ich von den bisherigen beiden Wanderungen eher positive Übernachtungsüberraschungen gewohnt gewesen. Erst mal egal, ich rollte mit dem schweren Koffer eine halbe Stunde zu Fuß dorthin, brauchte dringend Bewegung. (Außerdem versuche ich um die Umstände des Tarifrecherchierens und Bezahlens im Öffentlichen Nahverkehr rumzukommen – das Deutschlandticket hat mich derart verwöhnt!)
Joah, halt ein nicht mehr taufrisches Kettenhotel. Die Fenster meines Zimmers lassen sich nicht öffnen, ABER! Echtes Fernsehen! Auf den Reisen der jüngeren Vergangenheit war der Fernsehbildschirm immer auf Streaming ausgelegt gewesen. Ich lernte gleich mal (Werbung im Ausland ist SO aufschlussreich): Hier nimmt man gegen Reizdarm Silizium-Gel statt Bakterien! Ebenfalls aus Chronistinnenpflicht festgehalten sei hiermit: Langsame Interet-Verbindung – aber für Geld könnte ich eine schnellere kaufen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Hotel zuletzt versucht hat, für Internet-Zugang Geld zu verlangen, weiß aber noch gut, dass die kleinen, privat geführten Hotels, Pensionen, B&Bs deutlich früher kostenlosen Zugang anboten als die Konzerne.
Wie geplant suchte ich nach dem nächstgelegenen Supermarkt: Wie man in einem Industriegebiet erwarten kann, gab es ums Eck einen riesigen Tesco’s. Dessen Zugang natürlich nur auf Autos ausgelegt war, ich bewegte mich sehr vorsichtig dorthin. Auf meinem Einkaufszettel standen ganz oben Äpfel als Wanderbrotzeit (gleich darunter Schokolade für abendlichen Nachtisch): Ich musste eine bestürzend lange Weile suchen, bis ich unter all den Äpfeln aus Südafrika, Neuseeland, Frankreich (immerhin) heimische Mini-Äpfelchen fand – die müssten doch hier auch gerade Saison haben? Zwar sah ich mich nicht gründlich um, doch ein erster Eindruck war, dass die Verschiebung des Gewichts von unverarbeiteten zu verarbeiteten Lebensmitteln noch weiter fortgeschritten ist. (Es gab ein Kühlregal “butter and ingredients”.)
Bei meiner Rückkehr entdeckte ich, dass ich, Schraddelhotel hin oder her, die besten Nachbarn hatte: FEUERWEHR!
(Auf den Backsteinen steht in Metallbuchstaben “City of Winchester Fire Station”.)
Obwohl mir klar war, dass hier nicht selbst gekocht wird, hatte ich im Hotel fürs Abendessen reserviert. Das hungrige Warten darauf wurde mir lang (die eine zusätzliche Stunde Zeitverschiebung), ich legte eine Runde Yoga-Gymnastik ein, dafür war der Hotelzimmerteppich griffig genug.
Dann aß ich im Hotelrestaurant mit Käse überbackene Hähnchenbrust mit Pommes und Salaten (mei), zum Nachtisch einen sehr guten Sticky Toffee Pudding mit Custard.
Auf dem Hotelzimmer gab es noch Schokolade.
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Das Loblied auf RSS-Feeds und Feedreader wird viel zu selten gesungen – ohne könnte ich nicht so viele Blogs lesen und auf dem Schirm behalten, wie ich will (ich lese und sammle seit Tod des Google Readers mit Feedly, auch wenn die ständig wegzuklickenden Overlays den Eindruck erwecken, dass es mittlerweile für anderes gedacht ist – story of my online life). Mit diesem ungefähr nützlichsten Feature des Webs ist halt kein Geld zu machen.
Gestern kam ich endlich dazu, den eingemerkten Fachartikel von Nico darüber zulesen, der die Entstehung von RSS erklärt, ein paar technische Hintergründe und warum es ohne RSS keinen Siegeszug von Podcasts gegeben hätte. Ich empfehle Lektüre (wunderbarer Untertitel des Blogs: “Der Markt regelt einen Scheiß.”) und RSS:
“RSS”
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Schöne alte Frauen, Teil viele: Maren Kroymann im Urlaub.
4 Kommentare zu „Journal Samstag, 20. September 2025 – Start der Oktoberfestflucht nach England“
Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)
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21. September 2025 um 9:17
Ich lese immer gerne mit, aber die Reiseberichte sind ein absolutes Highlight.
Vielen Dank, dass ich teilhaben darf.
21. September 2025 um 10:10
Im Hotel in der Naukluft-Wüste ebenfalls kein freies Internet (auch kein Mobilfunknetz). Klar, denn sonst wäre die spärliche Verbindung noch belasteter als so schon. Viel Vergnügen beim Wandern (35 KM ey!)
21. September 2025 um 13:08
Dass für einen Zug keine Livedaten verfügbar sind, ich find’s absolut wild! Gute Reise, und schön dass Sie uns mitnehmen <3
21. September 2025 um 15:48
Hm, die britischen Äpfel sollten Saison haben… Aber vermutlich haben die britischen Farmer keine Saisonarbeiter*innen…