Journal Samstag, 27. September 2025 – South Downs Way Tag 7: Von Alfriston nach Eastbourn
Sonntag, 28. September 2025 um 9:01Das Wichtige vorab: Bin gesund und munter (!) am Ende des South Downs Way angekommen,
Gut im sehr kalten Zimmer geschlafen, es hatte eine Weile gedauert, bis es mir unter dem leicht klammen Bettbezug warm geworden war. Vor Wecker aufgewacht, sehr munter.
Erstmal ans Fenster, eh.
Zum zweiten Mal konnte ich mich an einer luxuriösen Kaffee- und Teeküche bedienen (inklusive einem Mikro-Kühlschrank für mein Kännchen Frischmilch): Mein erster Kaffee aus der French Press (Parameter vorher natürlich online recherchiert: Wie geht das, damit guter Kaffee rauskommt) – ja, schmeckt wie guter Filterkaffee. Dann noch zwei Tassen Schwarztee.
Aber es war so kalt! Bloggen in dicken Socken, Fleecejacke, Janker. Meine letzte Wanderetappe trat ich entsprechend durchgefroren an, so sollte das eigentlich nicht sein. Als ich mich von der Gastgeberin verabschiedete (danke nein, ich nahm lieber doch nichts mit als Brotzeit, das hätte offensichtlich Umstände verursacht), bemerkte ich sehr wohl ihren dicken Wollpulli mit Steppweste drüber, so wohnt man hier halt.
Ich war früh dran und sah mich ein wenig im (übersichtlichen) mittelalterlichen Alfriston um.
Herzstück: Die Kirche St. Andrews aus dem 14. Jahrhundert.
Aus Feuerstein (flint) gebaut.
Eine Runde durch die morgenleeren Gässchen, die ungefähr lediglich doppelt so viel Fläche belegten wie der Touristen-Parkplatz – letzterer aber mit einem sehr willkommenen Klo.
Ich nahm den South Downs Way wieder auf, letzte Etappe, die Küsten-Variante über die Seven Sisters (es gibt auch eine Streckenführung weiter im Inland).
An einem Samstag war ich durchaus auf Ausflüger*innen auf der Strecke gefasst gewesen. Auch dass aus der einen Charity-Wanderung (rosa T-Shirts) zwei geworden waren (grüne T-Shirts, und davon viele, viele Gruppen und einzelne), verarbeitete ich ganz gut. Doch dass es auf den Seven Sisters zuging, wie ich mir Wandern auf dem Nanga Parbat vorstelle (minus Leichen), überraschte mich dann doch. Offensichtlich handelt es sich um eine international abzuhakende Sehenswürdigkeit, ich war von so vielen chinesischen Touristen umgeben wie zuletzt auf dem Jungfraujoch (minus Kurzatmigkeit wegen Höhe). Dafür aber nur ganz wenige Mountainbiker.
Erstmal am River Cuckmere entlang.
Hier in Litlington hatte ich am Vorabend gegessen.
Im ersten Abschnitt der gestrigen Wanderung hörte ich noch regelmäßig Fasane: Die kennen Sie sofort, klingen wie eingerostete Gockel. Mit nahender Küste dominierten immer stärker Möwen.
Beginn des Seven Sisters Country Park an der Mündung des Cuckmere (riesiger Parkplatz, einige Reisebusse); der Weg führt links hinter mir die Klippen entlang.
Die Beschäftigung zweier Rucksack-unterm-Arsch-Trägerinnen (das hat man noch?) erinnerte mich an das Wichtigste beim Besuch von internationalen Attraktionen: Selfies.
Jetzt endlich hatte ich das Meer in der Nase; zu meiner Überraschung roch es nach Meer im Sommer.
In Birling Gap, das derzeit aufwändig vorm Wegbröseln bewahrt wird, bekam ich im großen und rege besuchten Visitor’s Center des National Trust diesmal erst nach drei Stunden Wanderung meinen Mittagsmilchkaffee.
Zurückgeblickt auf Birling Gap.
Leuchtturm unter Beachy Head.
An einem Café dort machte ich in der wärmenden Sonne Brotzeitpause: Restliche Äpfelchen (ich will mehr davon!), Nüsse, Trockenfeigen und -pflaumen.
Wenig später schob sich mein Ziel in den Blick: Eastbourne. In Sonne hatte ich den Küstenort noch nie gesehen, bei den mindestens zwei vorherigen Besuchen mit Herr Kaltmamsell hatte es geregnet. (Der zusätzliche Pfeil am Wegweiser-Pfosten gilt einer der Charity-Wanderungen.)
Fertig!
Weil ich wieder früh dran war, spazierte ich noch ein wenig in Eastbourne (was ich am nächsten Tag ja eher nicht machen würde, weil ich dann meinen großen Koffer selber transportieren musste).
Blick zurück.
Edle Badehäuser – es wurde auch im Meer gebadet! Und auf den Pfählen im Wasser saßen reichlich Kormorane.
Samstags wird geheiratet, im Hintergrund der Pier.
Das waren dann gut sechs Stunden mit zwei langen Pausen für 23 Kilometer (davon gehen aber mindestens zwei auf die Extrarunde in Eastbourne).
Insgesamt bin ich den vergangenen sieben Tagen laut meinem Handy 175 Kilometer gegangen (etwas mehr als offiziellen 100 Meilen des South Downs Way, die umgerechnet knapp 161 Kilometer sind). Fast schon unheimlich: alles ohne einen Tropfen Regen, die meiste Zeit sogar mit Sonnenschein. Das hatte ich noch bei keinem Wanderurlaub. Vermutlich noch nie habe ich mich so richtig darüber gefreut, eingepackte Kleidungsstücke gar nicht getragen zu haben (superduper Regenjacke, Regenhose).
Mein Körper hat ganz erstaunlich gut mitgemacht, da bin ich schon aus mancher übersichtlichen Tageswanderung kaputter rausgekommen. Und nach dem kleinen Durchhänger an Tag 6 bereitete mir gestern auch das Gehen wieder ausgesprochen Freude, die gleichmäßige, aber durchs Hoch und Runter nicht zu gleichmäßige Bewegung entspannte mich.
Positive Überraschung: Nahezu keine Wanderkrätze, nur am Abend des zweiten Wandertages sah ich ein wenig der typischen gesprenkelten Rötung. Ich würde sagen: Bei mir persönlich kann man “große Anstrengung” als Ursache schonmal ausschließen.
Mein gestriges B&B (die linke Hälfte).
Das Zimmer schön und mit Aussicht (und sonnenwarm), aber zu klein (kein Tisch, kein Stuhl, kein Platz für Koffer). Der Check-in lief per Telefon über Lautsprecher bei Hausklingel, das war ein wenig seltsam.
Sinkendes Herz beim Stiefelausziehen: Jetzt löst sich auch die zweite Sohle von den guten alten Stiefeln. Diesmal muss ich in mich gehen, ob mir nach knapp 30 Jahren eine weitere Neubesohlung (kostet mittlerweile 100 Euro) das Geld wert ist (das ist der aktuelle Nachfolger, hm, hm). Und wenn nicht, ob ich die kaputten Stiefel dann überhaupt zurück nach Hause trage.
Mein anderes Paar von Meindl muss ja auch zur Reparatur eingeschickt werden: Zwei Nähte (nicht mehr nur eine) lösen sich. Ach meia.
Zum Abendessen hatte ich mir den ganzen Tag schon Fish & Chips eingebildet, auf dem Weg zur Unterkunft bereits ein vertrauenswürdiges Etablissement gesehen. Dort saßen dann tatsächlich locals, und ich beobachtete, dass die alten davon Tee zu ihren Fish & Chips bestellten. So weit ging ich nicht.
Am besten schmeckten mir die extra bestellten Mushy Peas, mämlich so richtig nach Erbsen – ich hätte die Mengen zwischen Kartoffeln und Erbsen gerne getauscht. Aber: Hiermit sind Fish & Chips abgehakt, die schmecken halt nie nach viel. Zurück im Zimmer gab’s als Nachtisch Schokolade.
Da ich am heutigen Sonntagmorgen ja eher Zeit rumbringen muss (Bezug Ferienwohnung in Brighton nach 15 Uhr), verschob ich die Bildbearbeitung und Finalisierung des Blogposts darauf – und nutzte die übrige Energie für Lesen.
Vielleicht fällt ja jetzt der Druck ab? Wenn ich es erstmal nach Brighton und in die Wohnung schaffe?
§
Mal wieder Tanz!
https://youtu.be/7nJRGARveVc?si=YFrr5LGAXsxCvM-m
via @goncourt
4 Kommentare zu „Journal Samstag, 27. September 2025 – South Downs Way Tag 7: Von Alfriston nach Eastbourn“
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28. September 2025 um 9:30
Tote gibt es leider auch auf bzw. unter den “Seven Sisters”. Uns wurde dort berichtet, dass Freiwillige Nacht für Nacht Wache halten, um Lebensmüden beizustehen, die mit eindeutigen Absichten zum Abgrund gehen. Auch Taxifahrer haben Anweisungen, wie sie mit Fahrgästen umgehen sollten, die zu ungewöhnlicher Zeit auf den oberen Parkplatz gebracht werden wollen etc. Über erfolgreiche Suizide wird aus nachvollziehbaren Gründen nicht berichtet.
28. September 2025 um 9:48
So, so schön, ein bisschen Eastbourne zu sehen, ich schrieb es ja schon auf Instagram. Was mir bei der Lektüre noch einfiel:
1. Unser Handbuch zur Vorbereitung enthielt in den 90ern den Hinweis, dass englische Häuser oft nicht so gut isoliert sind wie deutsche und Fenster oft nicht so dicht. Heizen sei teuer und daher sollten wir uns darauf einstellen, ggf. zuhause mehrere Schichten anzuziehen und unsere Gasteltern für die Nacht um zusätzliche Decken zu bitten.
2. Am ersten ersten Abend fuhren unsere Gasteltern uns mit den Autos zu den Seven Sisters rauf und wiesen u. A. auf eine Telefonzelle hin, die dort oben stand, damit Suizidgefährdete kostenfrei das Sorgentelefon anrufen konnten.
28. September 2025 um 12:12
Ach schade um die Seven Sisters, da war ich 2006 mit meiner Mutter auf einer sehr schönen Gartentour durch Südengland und wir waren an einem grauen Morgen quasi allein. Die Erinnerungen daran hüten wir beide immer noch wie einen Schatz. Im ersten Garten ließen wir uns von reizenden volunteers eine Jahresmitgliedschaft im National Trust aufschwatzen und fanden dann, dass wir unterwegs alles mitnehmen, was wir bezahlt haben, unter anderem das mittelalterliche Alfriston Clergy House. Wir führten dann vergnügt Buch über jeden durch Besichtigung oder schlichtes Parken „eingesparten“ penny und haben lauter ungeplante Dinge entdeckt.
England ist einfach ein feines Reiseland, ich war schon zu lange nicht mehr dort. Viel Freude und Entspannung in Brighton!
28. September 2025 um 12:15
Ah ja und über Fish&Chips müssen wir mal reden, das sollte theoretisch superlecker sein und ist es einfach NIE, auch nicht in den renommiertesten chippies. Kein Salz in der laschen Panade, chips zu groß und wabbelig, und mit den Erbsen ist das auch so eine Sache.
Gerade ist ja die Klage über wegen der hohen Preise eingehenden chip shops groß, aber mir fehlt da die Leidenschaft, traurig drüber zu sein.