Journal Dienstag, 30. Dezember 2025 – Gladiatoren archäologisch

Mittwoch, 31. Dezember 2025 um 7:50

Bis fünf sehr guter Schlaf, dann aber schlief ich nicht wieder ein.

Gestern hatte ich sogar einen Termin: Friseur, diesmal für einen Zeitpunkt nach dem vorherigen Schnitt vereinbart, zu dem die Erfahrung berechnet hatte, dass ich erstmals den Wunsch nach einem neuen entwickeln würde. Traf ins Schwarze, seit ein paar Tagen wünschte sich mein Spiegelbild Kürzung.

Davor hatte ich noch Zeit für Einkäufe: Die Silvesterplanung hatte als Abendessen Unsichtbaren Salat ergeben, gestern sollte Herr Kaltmamsell Spinat mit roter Paprika und Erdnusssauce machen, für all das brauchte es Zutaten. Ich spazierte zum Süpermarket Verdi und besorgte dort, was sich dort besorgen ließ, also fast alles. Den Rest inklusive Zutaten fürs Neujahrsessen (Rinderrouladen) überließ ich Herrn Kaltmamsell.

Während er unterwegs war, kam aber der Anruf des lieben Friseurs: Er war erkrankt und musste unseren Termin absagen, der arme. Wirklich nicht schlimm, bei der aktuellen Mützenkälte ist Haareschön eh schwierig. Und wir konnten früher den zweiten Tagesplan angehen: Die Archäologische Staatssammlung zeigt derzeit eine Sonderausstellung zu Gladiatoren, die wollte ich sehen. Die Hollywoodfilme zum Thema, Spartacus, Gladiator kenne ich nicht, mein Wissen basiert auf lang vergangenem Lateinunterricht und natürlich auf Asterix als Gladiator (-> Zuckerpüppchen von Tifus).

Wir spazierten unter Hochnebelhimmel quer durch die Innenstadt und über Hofgarten dorthin, unterwegs gab es Mittagscappuccino. In der Luft gelangweilte Schneeflocken.

Mal wieder Besuch beim einzigen Spatzenvölkchen innerhalb des Münchner Altstadtrings, die in diesem einen Busch hinterm Rathaus wohnen, tschilp!

Die Sonderausstellung im Untergeschoß der Archäologischen Staatssammlung erklärt multimedial die Zeit, in der in Rom Gladiatorenkämpfe stattfanden, das Kolosseum, Struktur und Ausstattung der Kämpfe, Stellung und Leben der Gladiatoren. Dazu werden archäologische Fundstücke gezeigt (bildliche Darstellungen, Helme, ein Grabstein),1 der lokale Bezug ist die Nachbildung eines weiteren Amphitheaters, das 2003 in Künzing in Niederbayern entdeckt wurde und aus Holz bestand. Dazu viele Nachbildungen von Ausrüstung, wie schon in der Dauerausstellung einige eigens zum Anfassen und Ausprobieren.

Zudem Infos auf Tafeln, auf Bildschirmen zum Selbertippen, auf Videoleinwänden in Deutsch und Englisch.

Das Interessanteste aber: Ein Mann und eine Frau mit hochspezialisiertem Fachwissen (auch zu zeitgenössischem Nachspielen von Gladiatorenkämpfen) führten gerade eine Gruppe durch die Ausstellung. Mir ging schon das Herz auf, wie die beiden lateinische Begriffe aussprachen, nämlich in dem tiefen Bayrisch, das sie auch sonst sprachen: Genau so klang mein Lateinunterricht an einem oberbayerischen humanistischen Gymnasium Ende der 1970er, Anfang der 80er. Ich hielt mich einige Zeit in der Nähe der Gruppe auf, um Infos aufzuschnappen. (Wichtigstes Klugscheißer-Detail aus dieser Führung: Das ikonische Daumen hoch oder Daumen runter gab es nicht. Wenn ein Gladiator um Gnade bat, hob er den Zeigefinger. Und das Publikum bekundete sein Urteil durch Wedeln mit Taschentüchern.)

Auch zurück nach Hause gingen wir zu Fuß, war eh nur eine halbe Stunde. Kurz vor daheim erwischte uns ein Schwall harter Schneegrieselkörner.

Frühstück kurz nach halb drei: Orange, Persimon, außerdem Früchtebrot und Stollen – die Müsliriegel der Weihnachtszeit.

Den Nachmittag nahm ich mir gezielt, um endlich mal wieder ein paar Stunden am Stück Roman zu lesen, La storia von Elsa Morante, übersetzt von Hannelise Hinderberger ist wieder ein 620 Seiten dickes, zudem ungewöhnlich klein gedrucktes Buch.Es nahm mich mit ins Rom der 1940er, in die römische Variante des Zweiten Weltkriegs und der ersten Jahre danach mit vielen Alltagsdetails. Wenn der Roman 1974 erschien, wurde er keine 30 Jahre nach Ende des Kriegs geschrieben, die Erinnerung und die Geschichten waren noch lebendig. Ich kenne Rom nicht gut genug, um mich mit den Ortsangaben im Roman genau orientieren zu können, doch hatte ich zu einigem Bilder vor Augen.

Richtig hell wurde es draußen unter dem Hochnebel nie, Licht brauchte es noch vor vier.

Was schön war und ist: Das Böllerverbot innerhalb des Mittleren Rings wird wohl mehrheitlich beachtet, es hörte sich deutlich ruhiger an als auch schon mal um diese Zeit.

Nachdem ich schon wieder fast durchgehend im Wohnzimmer fror mit zwei Heizkörpern auf VOLLE PULLE bei geschlossener Wohnzimmertür zum Rest der Wohnung, angezogen mit Thermorolli, Kashmir-Hoodie, Wolljacke, zwei Paar dicken Wollsocken, holte ich doch mal meinen alten Digitalwecker mit Temperturanzeige rüber und maß (nicht geeicht) die Lufttemperatur: Yoah, 19 Grad waren nicht wirklich kuschlig.
Es hat wohl doch Auswirkungen, dass die Wohnungen über und unter uns meist dunkel und leer sind – und wahrscheinlich nur minimal beheizt. Die ersten Jahre in diesem Haus wohnten wir unter einer alten Dame, die wohl bis zum Anschlag durchheizte (und sehr laut mit ihrem ebenso lauten Fernseher sprach, das war lustig); als sie ins Pflegeheim kam, merkten wir das deutlich an erhöhtem Heizbedarf in unserem damaligen Wohnzimmer.

Vor dem Abendessen dehnte und kräftigte ich mich mit einer Runde Yoga, die mir nach dem langen Lesesitzen besonders gut tat.

Nachtmahl wie geplant Spinat mit roter Paprika und Erdnusssauce, davor snackte ich sauer eingelegte Gurken (gekauft) und sauer eingelegtes Blaukraut (von Herrn Kaltmamsell aus einem halben Ernteanteil-Blaukraut), danach gab es Stollen und Schokolade.

Ins Bett ging ich zu Mondsichel am klaren Himmel – nachts konnte er mir nun auch gestohlen bleiben.

  1. Grabsteine auch in diesem Fall eine zentrale Quelle für Fakten und Details des Gladiatorenlebens; ich bin inzwischen sicher, dass der Lateinunterricht für mich viel fesselnder gewesen wäre, hätte man mir das Lesenkönnen von lateinischen Grabsteinen in ganz Europa als Karotte vor die Nase gehängt. []
die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Dienstag, 30. Dezember 2025 – Gladiatoren archäologisch“

  1. Sabine meint:

    Römische Grabsteine sind etwas unvergleichlich Großartiges. Klar sind manche auch langweilig, aber so oft sprechen einen daraus leibhaftige Menschen an (Regina aus Arbeia!). Allein diese Kulturtechnik beweist für mich, dass die Römer bei all ihren offensichtlichen Unzulänglichkeiten einfach toll waren.

    In Zeiten des Internetzes findet man eigentlich jede Grabinschrift recht leicht online. Aquileia hat eine tolle Sammlung; mein Liebling war der Afrikaner Restutus:

    “Here lies in peace the foreigner
    Restutus, baptized. He came from Africa to see this city. But this unlucky land wanted his body.
    From here he had wished to return to place of birth; it was all the more cruel, since he could not see any of his own. However, here he found much more than his parents; he was no longer a stranger as he had come, but considered one of us.
    But when fate calls nobody can refuse to go. The Florenses association did this in spite of his hopes.”

    An dem Tag, als wir diesen Grabstein gelesen haben, flog Matteo Salvini als Innenminister, endlich.

  2. die Kaltmamsell meint:

    Welch wundervolle Grabstein-Geschichte, Sabine! Mich hat ja Mary Beard mit ihrem Dreiteiler “Meet the Romans” draufgebracht, unter anderem auf die Folgerung, dass die meisten Römer*innen lesen können mussten – sonst hätte ja all der Aufwand nichts gebracht.

  3. Franz Maier meint:

    Ihre Vermutung des Wärmeabflusses nach oben und unten trügt nicht: Es gibt auch heute noch keine Anforderung an die Wärmedämmung zwischen gem. ihrer Nutzung gleich beheizten Räumen.

Beifall spenden: (Unterlassen Sie bitte Gesundheitstipps. Ich werde sonst sehr böse.)

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