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Journal Donnerstag, 3. SeptemberOktober 2004 – Zweiter Tag Heimreise mit Lehrreichem

Freitag, 4. Oktober 2024

Der zweite und letzte Tag Rückreise verlief weniger anstrengend als befürchtet. Zwar war ich durchgehend angespannt, doch nicht mal die letzten beiden Stunden Zugfahrt Stuttgart-München fühlten sich wirklich elend an, und ich traf noch vor Mitternacht daheim ein.

Der Schlaf im Barceloneser Hotel war ok und genug gewesen. Ich finalisierte so stromsparend wie möglich den Blogpost, recherchierte und kaufte online ein Ladekabel für mein zehn Jahre altes MacBook Pro, das angeblich schon heute zur Abholung im Apple Store bereit liegen würde (da Spezialkabel für nicht mehr produziertes Modell, verließ ich mich nicht auf Vorrätigkeit). Zudem hatte ich ja mein Arbeits-Notebook daheim, mit dem konnte ich überbrücken.

Spiegelselfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren und Brille in einem kleinen Aufzug, sie trägt weiße Jacke, Messenger-Bag, vor ihr ein großer Koffer

Geduscht, gepackt, Hotelaufzug nach unten.

Der Spaziergang zum Bahnhof (auch dieser von Baustellen umgeben, der Hindernislauf erweckte wieder Heimatgfühle) war schön, ich ging inmitten von Eltern, die ihre Kinder zur Schule begleiteten, in fröhlicher und gemeinschaftlicher Stimmung und nur wenig mehr Frauen als Männer.

Große Kreuzung in einer Großstadt in Morgensonne, ein langer Bus biegt gerade um die Ecke

Barcelona gefiel mir weiterhin gut, ich mochte die Großstadtstimmung, das Viertel La Bordeta fühlte sich wohnenswert an (Einmerker für eigentlichen Barcelona-Urlaub).

Im Bahnhof kaufte ich eine große Flasche Wasser: Das Leitungswasser in Barcelona schmeckte so greislich, dass auch ich es mir nicht antun wollte, gechlort und modrig. Also füllte ich nicht wie sonst die für die Reise mitgebrachten Sportflaschen (in Esporles und Valldemosa hatte das Leitungswasser sogar besonders köstlich geschmeckt), sondern erzeugte Plastikmüll.

Vor dem Bahnsteig zu meinem Zug Sicherheitsschleuse wie am Flughafen: Ticket-, Gepäck- und Körperkontrolle mit entsprechenden Warteschlangen. Hier könnte Söder noch aufrüsten, in bayerischen Fernbahnhöfen kann man einfach so in die Züge ins Ausland spazieren.

Lehrreiche Fahrt nach Paris:
1. Auch TGV kann Verpätung. Wir fuhren 10 Minuten nach Fahrplan von Barcelona ab, bis Paris hatten wir bis zu 30 Minuten Verspätung.
2. Auch TGV kann keine Internetverbindung. Da sich erwies, dass auch Spanien und Frankreich weitläufige Funklöcher können, haschte ich wie in Deutschland immer wieder irgendeiner Art von Verbindung.
3. Wie schon auf der Hinfahrt waren die spanisch gemeinten Versionen der Durchsagen vor lauter französischem Akzent und Genuschel komplett unverständlich. (Mir ist diese kindliche Taktik zu Verschleierung von Unkenntnis nicht fremd.)
4. Im TGV-Zugrestaurant bedeutet “Cappuccino” schlichten Kakao. Das musste ich feststellen, als ich einen solchen nach ausdauerndem Schlangestehen als Mittagscappuccino geholt hatte und reklamierte, das sei doch aber chocolate: Die wirklich freundliche Angestellte hinter der Theke verstand nicht, was es zu reklamieren gab, ich hätte doch Cappuccino bestellt, und das sei spanisch “chocolate”.

Blick aus Zugfenster auf Landschaft mit Binsenwiesen und Wasserflächen, im Vordergrund ein Fensterbrett, darauf ein Becher, auf dessen Inhalt man Milchschaum sieht

Dabei wäre die Aussicht dazu gerade herrlich gewesen. So kippte ich das Getränk halt ins Zugklo, auf Kaba hatte ich wirklich keine Lust. Brotzeit um zwei: Apfel, zwei gut durchgequetschte Eiweißriegel aus dem Wanderproviant.

In diese Richtung brauchte der Zug Barcelona-Paris fast eine Stunde weniger als hin: Er hielt auf der französischen Seite nicht an jeder Strandhütte. Doch die halbstündige Verspätung bis Paris (die beharrlich als 15 Minuten durchgesagt wurde) machte mich ein wenig unruhig, obwohl sie mir weiterhin über eine Stunde für den Wechsel zwischen Gare de Lyon und Gare de l’Est ließ: Der Zeitaufwand des Transfers zwischen den Bahnhöfen in Paris liegt nicht in den eigentlichen Fahrten und Übergängen, sondern im Fahrkartenkauf an den Automaten. Daran lange Schlangen ungeübter Touristen, da dauert der Ticketkauf schnell mal 20 Minuten (gestern mitgestoppt). Trotzdem fand ich am Gare de l’Est noch Zeit für die Besorgung eines Abendessens inklusive Wasserkauf (noch mehr Plastik).

Mauer mit Graffiti vom Zug aus gesehen, darüber wolkiger Himmel

Nach den ersten 20 Minuten der Fahrt Paris-Stuttgart hatte dieser TGV bereits 10 Minuten Verspätung. Diesmal saß ich auf einem Fensterplatz, ich sah hinaus in die französische Landschaft, solange das Tageslicht noch etwas erkennen ließ. Um acht packte ich mein Abendessen aus: Körner-Baguette mit Tomate, rohem Schinken, Mozarella, außerdem ein Pain au raisins, beides bereitete mir Vergnügen.

Die immer größere Verspätung beunruhigte mich weniger: Mit nur (heutzutage) elf Minuten Umsteigezeit würde ich in Stuttgart zwar meine gebuchte Verbindung verpassen, doch um diese Zeit gab es überraschend viele ICEs nach München. So nahm ich dann auch einfach den nächsten, Platz hatte dieser ohnehin genug.

München empfing mich sehr kühl: Schon in Paris hatte ich zu Jacke und T-Shirt einen Pulli angezogen, jetzt wickelte ich meinen Schal um den Hals. Und dann fuhr ich um halb zwölf mit meinem Koffer Slalom nach Hause um Wiesnpizzen, Rikscha-Rowdies und viele, viele torkelnde Oktoberfest-Cosplayer*innen. Ich muss künftig meine Oktoberfestflucht besser mit genau diesen 16 Tagen parallelisieren.

Reiseunterhaltung an diesem zweiten Tag war Elif Shafak, Michaela Grabinger (Übers.), Ehre, die letzten Seiten noch im Bett vor dem Einschlafen. War mir als eine der in der Türkei meistgelesenen Autorinnen empfohlen worden, und bei türkischer Literatur habe ich eh eine böse Lücke. Auf Deutsch hatte ich es gekauft, weil ich von einem türkischen Original ausgegangen war: Irrtum, das hat Shakaf auf Englisch geschrieben, aber jetzt war’s schon egal. Las ich gestern sehr gern, Details später.

Journal Mittwoch, 2. Oktober 2024 – Erste Etappe Rückreise bis Barcelona

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Gut geschlafen, bei Unterbrechungen aber bereits Alltags- und Berufsängste einströmen gefühlt.

Über einer dunklen Altstadtgasse Morgenhimmel mit rosa Wolken

Eos winkte zum Abschied aus Alcúdia.

Besuch beim Pensionsfrühstück, café con leche, Plausch mit Pensionswirtin unter anderem über Filmmusik (sie ließ gerade den Soundtrack von The English Patient laufen).

Gemütlich fertig gepackt. Es gab zwar eine Busverbindung zum Hafen, doch mir war eine gute halbe Stunde Bewegung lieber.

Frau mit kurzen weißen Haaren und Brille fotografiert sich in Spiegel, hinter ihr eine dunkle Holztür, sie trägt ein rotes Oberteil, darüber schräg der breite schwarze Riemen einer Tasche

Unterwegs blieb ich an einem Biosupermarkt stehen, der die typisch spanischen Honigmelonen anbot, piel de sapo – von denen ich mich seit Jahren wundere, dass es sie in Deutschland nie auch nur halbwegs reif zu kaufen gibt. Ich testete diesen Stapel stichpunktartig: Ebenfall keine einzige essreif. Die werden einfach nicht mehr reif geerntet, warum nur? (Bleiben ja trotzdem gut transportierbar.)

Im Hafengebäude noch ein wenig Lesen, Blick aufs… Rollfeld.

Blick durch großes Fenster auf Hafenbecken, am Rand Palmen, im Hintergrund Yachten und Hügel

Blick von überdachter Gangway auf die Fähre, weiß und türkisblau mit der Aufschrift "Balnearia"

Diesmal ging’s mit einer langen Gangway aufs Schiff. Die Reederei hatte mich über WhatsApp unter anderem informiert, dass mein Sitz die Klasse “Sirene” habe. Ich hoffte ich auf ganz viele Odyssee-Zitate auf dem Schiff (Cafeteria Kirke?) – doch nichts war’s.

Erhöhter Blick durch trübes Fensterglas auf Hafenmole mit türkisblauem Wasser, im Hintergrund ein Ort und Hügel

Ablegen. Mein Platz 9U bestand aus einem riesigen Ledersessel am Fenster, das zwar recht trübe angelaufen war, aber zumindest Überblick ermöglichte.

Die sechs Stunden Fahrt bis Barcelona vertrieb ich mir mit einem Mittagessen im Selbstbedienungsrestaurant (gedünstetes Fischsteak mit Pommes und Salat – na ja), Musikhören mit Wassergucken auf Deck (die Luft warm und nur wenig windig), Zeitung- und Romanlesen.

Interessante Erfahrung beim Lesen drinnen im breiten Ledersessel: Die leichte Bewegung und die Maschinengeräusche (Gasturbinen, stand außen auf dem Schiff) fühlten sich an wie im Flugzeug.

Blick über eine weiße Reling, an der ein roter Rettungsring hängt, auf dunkelblaues Meer

Blick über Reling aufs Meer, in dem sich trübe die Sonne spiegel, der Himmel ist verschieden grau

Ich las Roxane Gay, Hunger: A Memoir of (My) Body aus: Eine sehr kluge und sehr, sehr dicke Frau in ihren 40ern schreibt über ihren Körper. Wie es kam, dass sie als schlanke Zwölfjährige, die älteste Tochter erfolgreicher Einwanderer aus Haiti nach USA, immer mehr aß, wie es ist, damit nicht aufhören zu können, wie der Alltag damit aussieht. Nichts davon las sich wirklich überraschend, und doch ging es mir sehr nahe. Gay befasst sich mit vielen Details: Sport, Kleidung, die Bestürzung der Veranstalter, wenn sie als noch unbekannte Autorin zu ihrem ersten Bestseller, aber halt mich diesem ihrem voluminösen Körper auf Lesungen auftauchte, die Bemühungen ihrer Familie (wobei sie klarmacht, dass ihre wirklich liebevollen Eltern, die sie bedinungslos unterstützen, sie nicht vor ihrer Lage bewahren konnten), ihre Zerrissenheit als Feministin zwischen Selbsthass und Selbstbestärkung. Aus all dem wurde eine Autobiografie entlang ihres Körpers, so offen und sachlich wie ihr möglich formuliert, ich merkte einerseits die schreiberische Routine, andererseits das Ringen.

Das (E-)Buch überbrückte gut, dass es an Bord zwar ein super WLAN gab, dieses aber keine Internetverbindung hatte. Als ich mit Hunger durch war, hatte ich auch wieder Mobilfunksignal.

Durch verschwommenes Fenster Blick auf Meer mit Mole

Blick durch trübes Fensterglas auf eine anliegende riesige weiße Yacht mit futuristischer Form

In Barcelona schlechtes Wetter, die dunkelgrauen Wolken sahen nach Regen aus. Die Fähre legte weit außerhalb im Containerhafen an. Das bedeutete, dass wir Passagier*innen (nur ein Dutzend ohne Pkw oder Motorrad) in einen Reisebus stiegen, der eine ganze Weile bis zum Gebäude fuhr, in dem ich auf der Hinreise eingecheckt hatte.

Wieder hatte ich zwar eine Verbindung mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zum Hotel recherchiert, ging aber lieber die knappe Stunde zu Fuß, zumal der Boden zwar nass war, es aber nicht regnete.

Kurz vor neun kam ich in meinem Hotelzimmer an.

Kleines weißes Hotelzimmer mit hellora zugezogenem Vorhang

Spartanisch, dafür teuer (Kriterien waren Empfehlung und Laufweite zum Bahnhof gewesen). Zum Nachtmahl aß ich meinen Koffer leichter: Äpfel, Mischnüsse, Trockenfeigen, Schokolade. Dabei bloggte ich, mangels Tisch mit dem Laptop auf einem Kissen auf dem Schoß, meine Standardhaltung auf Stuhl (es gab einen Stuhl!) ohne Tisch.

Als ich den Laptop vorm Zähneputzen und Zu-Bett-Gehen zum Aufladen anstecken wollte, stellte ich zu meiner Bestürzung fest: Ich hatte das Ladekabel im Hotel in Alcúdia vergessen. Vor Abreise hatte ich alle Regale, Schubladen und Schränke sorgfältig gecheckt, doch das Kabel ringelte sich noch gut getarnt auf den gemusterten Fliesen. In jeder anderen Unterkunft unterwegs hätte ich das Kabel mit ein wenig Orga wiederholen können (super Busverbindungen auf Mallorca), doch hier nicht. Hektisches Nachdenken: Zuschicken lassen würde zu lange dauern, so lange will ich nicht ohne eigenen Rechner sein. Also so schnell wie möglich Ersatz kaufen. Zefix.

§

Eigener Beitrag zum Thema Körper, aber eher #Internalisierung #Dysmorphie #Depression: Wenn’s in mir dunkel wird, möchte der Selbsthass-Coach immer noch wie seit Jahrzehnten “und dick bist du auch noch!” ätzen – aber das stimmt halt echt nicht, der Reflex belustigt mich. Ich warte aber darauf, dass der Coach irgendwelche Körperstellen findet, an denen noch eine Fettschicht sichtbar ist. (Rücken zwischen BH-Gurt und Hosenbund, selbstverständlich weiß ich das längst.)

Journal Dienstag, 1. Oktober 2024 – Spaziergang mit letztem Sonne- und Farbetanken / David Schalko, Schwere Knochen

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Gut geschlafen, wenn auch nicht lang genug. Draußen blauer Himmel, der einen warmen bis heißen Tag versprach. Ich brachte dennoch keine Lust für Strand auf, die Zeiten sind wohl einfach vorbei (merken fürs nächste Packen).

Statt dessen beschloss ich, die andere Meer-Seite, nördlich von Alcúdia, zu erkunden. Beim Frühstück tauchte ich gleich gar nicht auf, das schien mir das Einfachste. Ich packte Brotzeit und ging durch schon wieder Straßenmarkt Richtung Bonaire.

Ausblick aus sonniges Meer, im Vordergrund Felsstrand, im Hintergrund Hügel

Schnell stellte ich fest, dass es im Norden zwar interessante Felsküste gab, aber keinen Fußweg, auch nicht die Straße entlang. Ich kehrte um, zumal ich unterwegs ein Hinweisschild mit Wandersymbol zu einem Weg nach Refugi del Coll Baix gesehen hatte, anderthalb Stunden Gehzeit – den wollte ich machen. Zumal ich mich ja wieder auf Vorrat bewegen musste, Mittwoch und Donnerstag werden Reise- also Sitztage.

Im Hotel wechselte ich die Schuhe von Sandalen zu Turnschuhen und machte mich auf den Weg. Es war ein einfacher Spaziergang hauptsächlich auf Straßen und begleitet von Autoverkehr, aber ich genoss die Sonne in vollen Zügen, das Licht und die Farben, genoss nochmal den Duft von Pinien und Rosmarin, genoss die Bewegung. Auf dem letzten Stück waren viele Menschen unterwegs: Es gab einen Parkplatz, von dort kam man wohl zu Fuß zu einer Badebucht. Ich hörte erstaunlich viel Polnisch, zum ersten Mal wiederholt auch Österreichisch.

Außerdem bekam ich nochmal eine kleine Tierschau: Esel, Ziegen, erstmals freilaufende Schweine, außerdem Gänse – es war also tatsächlich Gänsequaken, was ich meine ganze Wanderung über immer wieder gehört und was mich reichlich verwirrt hatte (gestern fiel mir ein, dass in Bayern gerade die Gänsebratenzeit beginnt, Erntedank, St. Martin etc., umgehende Gelüste). Schon auf meiner ersten Spazierrunde morgens hatte ich einen Wiedehopf gesehen, zwar nur von hinten auffliegend, aber unverkennbar.

Wanderwegschilder mit Zielen und Gehzeiten

Schmaler asphaltierter Weg in der Sonne, daneben Trockenmauern und Bäume

Esel zwischen Bäumen hinter einem Zaun

Zwei hellrosa Schweine im Schatten unter einem Baumstamm, durch einen Zaun fotografiert

Schmale Straße bergauf zwischen sonnigen Bäumen

Sonnenbeschienene braune Ziegen zwischen Bäumen

Schmale Straße bergauf zwischen sonnigen Bäumen, die auf der Straße Schattenmuster werfen

Oben am Refugi war ein Rastplatz, um halb zwei machte ich Brotzeit: Vollkornsemmel mit Jamón, eine Papaya. Und ich bekam Besuch von den frei herumlaufenden Ziegen, ebenso wie andere Brotzeiter*innen am Rastplatz: Meine Wasserflasche und mein Gesicht wurden beschnuppert (Ziegen klettern ja gern). Zum Glück hatte ich schon aufgegessen und wurde nicht zum Teilen gedrängt.

Sonniger Weg bergab zwischen Bäumen, darauf Spaziergänger und ein Radler

Zwischen Nadelbäumen Blick aufs sonnige Meer

Zurück im Hotel setzte ich mich in den Innenhof zum Lesen, bis die Sonne doch zu direkt schien.

Telefonat mit Herrn Kaltmamsell, der mir versicherte, alle Heizkörper der Wohnung seien betriebsbereit, er habe das geprüft (für Freitag sind 11 Grad Höchsttemperatur angekündigt).

Beim Abendessen räumte ich auf: Es gab den restlichen Käse mit, ha!, getrockneten Feigen, die ich als Notnahrung mitgenommen hatte und wirklich nicht gesamt wieder zurückschleppen wollte. Nachtisch spanische Fabrikpralinen, gar nicht so schlecht.

Neue Lektüre: Roxane Gay, Hunger: A Memoir of (My) Body, nicht gerade ein Laune-Heber.

§

David Schalko, Schwere Knochen, ist ein Roman von 2018, der in der kriminellen Nachkriegszeit in Wien spielt, als auch Wien – das ist den meisten Deutschen nicht bewusst – in Besatzungssektoren aufgeteilt war, was so manche Korruption und kriminellen Machenschaften erst ermöglichte. Dazu der Zoo und seine Tiere, grotesker Sex, groteske Bordelle, noch groteskere Todesfälle – ich fühlte mich an John Irvings allerersten Roman erinnert: Setting free the Bears. Aber das war schon die einzige Wiederholung: Der Schauplatz, vor allem aber der Tonfall von Schwere Knochen sind ausgesprochen originell.

Die Klammer des Romans ist der Tod seiner Hauptfigur Ferdinand Krutzler, der mit seinen Freunden vor dem zweiten Weltkrieg in Wien Verbrechen begeht, mit ihnen wegen eines Hassadeurstücks ins Konzentrationslager deportiert wird, dort eine weitere Verbrecherkarriere absolviert, nach dem Krieg in Wien systematisch schmuggelt, zuhält, Schutzgelder erpresst, mordet. Alles an dieser Handlung ist eine Parallelwelt, in der eigene Regeln gelten, nichts kann vorausgesetzt werden. Die Erzählstimme tut gut daran, zwar sehr hörbar zu sein, aber nichts zu kommentieren, sie ist reine Lakonie. Was hervorragend zum Personal passt, das auch eher nicht redet (und dessen Worte fast ausschließlich in indirekter Rede wiedergegeben werden). Am deutlichsten sichtbar wird die Erzählstimme im Foreshadowing: “Dass dieser Jemand ausgerechnet der Wesely sein würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.” Nur dass das Foreshadowing manchmal gar nicht stimmt – auch darauf sollte man sich nicht verlassen.

Es entsteht ein unangenehm lebendiges Bild einer Zeit, die gerade wieder neu literarisch aufgearbeitet wird. Die Haltlosigkeit in diesem rechtsfreien Raum ist sehr nachvollziehbar. Lese-Empfehlung, auch wenn der zweiten Hälfte Straffung durch energisches Lektorat gut getan hätte.

Mir gefällt die Besprechung in der Süddeutschen von Burkhard Müller:
“Splatter-Stoizismus nach Wiener Art”.

Der Roman bekommt durch seinen Ton und seine Haltung in den Griff, was sonst als quirliges Panoptikum nach allen Seiten auseinanderspritzen müsste wie das viele Blut, das freizusetzen die Erdberger niemals zögern. Es ist ein Ton, den man so noch nie gehört hat, und eine Haltung, die man vielleicht am besten als Splatter-Stoizismus bezeichnet.

Journal Montag, 30. September 2024 – Feldforschung Landeskunde In Alcúdia und Port d’Alcúdia

Dienstag, 1. Oktober 2024

Sonntag erster Ausruhtag in Alcúdia – was recherchierte ich Sonntagabends also für Montag? Richtig: Wanderungen um Alcúdia. Bloß dass die alle eher umständlich zu erreichen waren, Autovoraussetzungsverdacht.

Plante ich also um: 1. Einkäufe im größten gut erreichbaren Supermarkt. 2. Spaziergang nach Port d’Alcúdia und Check Fährenabfahrtsadresse, anschließend Gegend-Erkundung.

Gedeckter Tisch in einem Innenhof mit Tonfliesen und Pflanzen

Wieder verstörte ich eine herzliche Pensionswirtin, weil ich nichts von einem wirklich liebevoll komponierten und angerichteten Frühstück nahm. Fester Vorsatz, künftig konsequent auf Übernachtungen ohne Frühstück zu bestehen, auch wenn die Buchung von einer organisierenden Agentur übernommen wird.

Der größte gut erreichbare Supermarkt war in 10 Minuten Fuß-Entfernung ein mittelgroßer Mercadona.

Vor wolkenlos blauem Himmel eine Kirche aus Sandstein, davor geschlossene bunte Karussels

Auf dem Weg Morgensonne über Historischem und Neuem.

Der Supermarkt bot viel Interessantes, vor allem bei den Fertiggerichten (u.a. gefrorene Gemüsespieße zum Grillen), in der Fleischtheke Fertig-Zusammenstellung für Frito mallorquín (Lammherz, -lunge, -niere), überraschend große Auswahl an Truthahn-Schinken und -Wurst, auch die spanischen Klassiker Chorizo und Salchichón. In der Drogerie-Abteilung immer noch Warm-Enthaarungs-Wachs zum Selberschmelzen.1 Keinerlei als vegetarisch oder vegan markierte Produkte (aber Gluten-freie).

Was mich zu Beobachtungen in der Gastronomie bringt:

1. In der hiesigen Kulinarik scheint die Vegetarisch-, gar Vegan-Bewegung nicht angekommen zu sein. Im Gegenteil fallen mir besonders viele explizite Steak-Restaurants auf, die ich bislang nicht unbedingt mit Spanien verbunden hatte. Vegetarisch oder vegan Veranlagte sollten sich idealerweise schon vor Reiseantritt mit den typischen Gerichten der Landesküche beschäftigen, es gibt hier nämlich abseits von Pommes durchaus zufällig Veganes: Zum Frühstück Churros (der Teig besteht nur aus Wasser und Mehl, wird in Pflanzenöl rausgebacken), als Tapas Oliven, Pan con tomate, Papatas bravas, Pimientos de padrón, an warmen Gerichten empfehle ich seit diesem Urlaub Tumbet. Vegetarisch wären noch der hiesige Käse und Tortilla de patatas im Angebot. Wahrscheinlich gibt es auch Gemüse-Paellas.

2. Die Anzahl der Eisdielen scheint mir sprunghaft gestiegen – nein, werde ich nicht testen, mein begründetes Misstrauen gegenüber spanischer Eiscreme überwiegt die Neugier, zumal ich eh nicht die große Speiseeis-Freundin bin.

Altstadtgasse in der Morgensonne, rechts en dreigeschoßiges Haus mit grünen Fensterläden

Rechts mein Hotel, der Balkon im 1. Stock gehört zu meinem Zimmer. Nach Abladen meiner Einkäufe (Zimmer verfügt über einen Kühlschrank) packte ich Brotzeit ein und spazierte Richtung Port d’Alcúdia – über einen Umweg, um nicht nur Hauptstraße entlang zu laufen. So stieß ich auf den hiesigen Friedhof und sah mich darin um.

Aufwändiges Familiengrabmal mit Figur, beschriftet mit "Jaime Ramis y familia"

Typischer spanischer steiniger Friedhof, noch wenig genutztes Columbarium. Aber ich fand bereits ein paar deutsche und englische Namen auf Grabsteinen: Wichtiger Meilenstein der Immigration von Bevölkerungsgruppen, wenn die Verstorbenen in der neuen Heimat bestattet werden.

In Port d‘Alcúdia fand ich die Ablegestelle meiner Fähre und wandte mich dann um, den Strand entlang zu spazieren. Nach über einer Stunde war ich immer noch nicht an dessen Ende angelangt und sehr beeindruckt: Dieses Port d‘Alcúdia sieht mir nach ausgesprochen zivilisiertem Strandurlaub aus. Viele Kilometer Sandstrand mit Infrastruktur (derzeit werden die bisherigen Holzhütten-Klos durch gemauerte Häuser ersetzt), gesäumt von kleinen, dezenten Hotelanlagen und Ferienhäuschen.

Und es verkehrt täglich eine Fähre von und nach Barcelona im Hafen in der Bucht.

Sandstrand mit Strohschirmen, im Vordergrund und Gegenlicht eine große Palme

Im Vordergrund riesige alte Pinien, dahinter Strand mit Schirmen und türkisfarbenes Meer

Zwischen dicken Baumstämmen sieht man Strohschirme und türkisfarbenes Meer

Hier sah ich auch viele Familien mit Kindern und fragte mich sofort, warum die nicht in der Schule sind – aber vermutlich sind in einigen Gegenden Europas bereits Herbstferien. Außerdem fiel mir auf, dass nur ein ganz kleiner Anteil der Menschen sichtbar tätowiert war. (Insgesamt wunderbarer reality check, wie die Körper echter Menschen in ihrer ganzen Vielfalt aussehen.)

Nach dieser Stunde in die eine Richtung machte ich Kehrt, gegen zwei setzt ich mich zur Brotzeit auf eine Betonbank im Schatten einer riesigen Pinie: Vollkornsemmel mit Jamón, eine frische Ananas in Scheiben.

Der Ruf der Strandverkäufer hier übrigens: „Mojito Sangría Mojito Sangría.“

Ich habe sogaar Bikini und Badetücher in meinem Koffer dabei – doch Sandstrand und Meerwasser sind zwar als Vorstellung attraktiv, de facto aber vor allem sandig. Vielleicht raffe ich mich am Dienstag auf, und sei es nur, weil ich schonmal hier bin.

Auf dem Rückweg fotografierte ich besonders schöne Anlagen für zukünftige Buchungen. Und sah eine Weile einem Hund zu, der durch einen kleinen Pool schwamm, ausstieg, einen Ball ins Wasser rollen ließ, diesem begeistert hinterher sprang, mit dem Ball aus dem Wasser stieg, ihn wieder hineinrollen ließ, begeistert hinterher sprang etc. immer wieder. Ich empfand eine tiefe Seelenverwandtschaft.

Vor einem schlichten Ferienhaus ein blauer Pool, rechts neben der Treppe dazu ein großer heller Hund

Vor einem schlichten Ferienhaus ein blauer Pool, aus dem gerade das Wasser aufspritzt

Ferienwohnanlage am Strand mit zweigeschoßigen weißen Häusern, davor Palmen

Auf einem Trafo-Häuschen in der Sonne die Aufschrift "Restaurant Peking" und Graffiti

Zurück im Hotel setzte ich mich mit meinem Laptop in den schönen begrünten Patio des Hotels zum Lesen und Schreiben – um schon nach wenigen Minuten aufzuspringen und mich in meinem Zimmer erneut von oben bis unten mit Anti-Brumm zu besprühen, weil: Bsssssss!

Ein Tisch unter einem Mauerbogen, dahinter ein begrünter Patio, auf dem Tisch ein aufgeklappter Laptop und ein Wasserglas

Keine 10 Minuten nach Rückkehr in den Patio das nächste Bsssss! Ich glaube, die Viecher halten beim Stechen einfach die Luft an. (Und ich werde in diesen zwei Wochen eine ganze Flasche Anti-Brumm verbraucht haben.)

Nach einem Nachmittag mit Roman und Internet gab’s zum Nachtmahl eine rote Paprika (meh, war was Frisches, aber das nächste Mal bitte wieder eine mit Geschmack), außerdem frische Feigen mit Käse. Ich glaube, jetzt bin ich mit frischen Feigen für diese Saison durch, zum ersten Mal im Leben. Nachtisch Schokolade, spanische Schokolade.

Im Bett David Schalko, Schwere Knochen ausgelesen – bis zuletzt angenehm quirky, auch wenn sich die zweite Hälfte streckenweise etwas zog.

  1. Ich leider gerade sehr unter Flauschigkeit, doch mein Beinhaarwachstum und der Urlaub meiner Enthaarerin waren nicht kompatibel – und Zwischenrasieren bereute ich im letzten solchen Fall sehr, weil die dann harten Stoppel für erneutes Wachsenthaaren erstmal lang genug werden müssen TMI Verzeihung []

Journal Sonntag, 29. September 2024 – Übersiedlung von Pollença nach Alcúdia

Montag, 30. September 2024

Realitätsflucht halte ich für eine irreführende Bezeichnung: Wenn die Realität momentan einfach ist, wo man nicht sein möchte? Zum Beispiel weil sie zu viele entkräftend kreiselnde Gedanken, Erinnerungen, Ausblicke, Gefühle enthält? So merkte ich am Samstag durch immer tiefer hängende Flügel und weil mir nichts einfallen wollte, worauf ich mich freuen konnte, dass ich eine Alternative brauchte, ein Ausweichen: Realitätsferien. Wie wunderbar, dass ich am Vorabend einen Roman begonnen hatte, der mir gut gefiel und dessen weitere Handlung mich sehr interessierte: David Schalko nahm mich mit seinem Schwere Knochen in die Kriminellenszene von Konzentrationslagern und der österreichischen Nachkriegszeit mit, in einem sehr wienerisch lakonischen Tonfall. Dort beim bauernschlau-brutalen Krutzler und seiner Bande wollte ich viel lieber sein als bei mir, sollten sich meine blöden Gefühle und Befindlichkeiten bitte im Hintergrund um sich selber kümmern, im Idealfall sortieren. Zeitung, Nachrichten, Blog konnten ebenfalls selber schauen, wo sie blieben.

Es sollte dafür eigene Läden geben: Eskapismus aller Art. Romane, Filme, Strickzeug, Gesellschafts- und Geschicklichkeitsspiele.

Ich hatte gestern gut geschlafen, wachte aber viel zu früh auf. Nach einiger Weile schaffte ich es nochmal einzuschlafen.

Frühstück ließ ich aus, gestern brauchte ich ja auch keine Brotzeit, statt dessen ging ich in den wundervoll sonnigen Morgen in Pollença. Die Fußbeschwerden, um die ich mich vor der Wanderung sorgte, machten übrigens überhaupt keine Probleme; ich bemerkte ihre Existenz wenn überhaupt beim Gehen außerhalb der Wanderungen. Und ich bin natürlich nicht die einzige, die hier von Mücken gestochen wird: Gerade helle nackte Beine um mich herum sind praktisch alle mit deutlich mehr Quaddeln übersät.

Morgensonnenlicht in Dorfgasse, rechts eine moderne Steinskulptur, links eine Außentreppe zwischen Häusern, auf dern ein Mann sitzt und in einen Handy-Bildschirm spricht, im Hintergrund Zypressen

Der Herr links filmte sich gerade beim Aufnehmen einer Predigt, zumindest dem spanischen salbungsvollen Tonfall nach, es ging um eine übergewichtige junge Frau.

Türstock eines alten Steinhauses mit einem Stoffvorhang verhängt

Ikat-Muster in natürlichem Habitat – hier ein ausführlicher Artikel im AD-Magazin zum speziellen Färbe- und Webverfahren sowie zu den regionalen Unterschieden.

Von leicht unten die helle, schlichte Fassade einer Kapelle, auf beiden Seiten Bäume, rechts der Schattenriss eines Gitarrenkoffers und eines Gitarrenhalses

Calvarien-Kapelle, vor der sich gerade ein Gitarrist in Paco-de-Lucía-Outfit warmspielte (hat tip an den Gitarre-spielenden Neffen 2, der bereits die korrekten Stiefel besitzt).

Alte Urkunde auf Spanisch hinter Glas, in dem sich die Fotografin spiegelt

An der Innenwand der Kapelle. So sieht also ein Ablassbrief aus, ich lernte die spanische Bezeichnung Rescripto de indulgencias und freute mich an dem “ETC., ETC”.

Blick von innen auf einen sonnigen Vorplatz, rechts eine große dunkle Holztür mit Nagelmuster, links klein zwei Menschen, die sich nähern

Erhöhter Blick auf eine Stadt im silbernen Mirgendunst, von grünen Hügeln umgeben

Pollença

Schräger Blick hinunter auf eine sonnenbeschienene Steintreppe, rechts und links Zypressen, unten im Dunst eine Sandsteinkirche

Zurück vom Spaziergang hätte ich doch gern einen café con leche in einem Café gehabt – doch das Personal an der Theke ignorierte mich minutenlang so betont (kein Blick, kein Wort), dass ich packte und ging.

Ich wollte wieder nicht zu früh im nächsten Hotel auftauchen, in dem ich noch drei Gammeltage (as if) verbringen wollte, in Alcúdia. Also las ich noch eine Runde, bevor ich zur Bushaltestelle ging.

In Alcúdia musste ich mich mit meinem Koffer durch einen Straßenmarkt schlagen (Kleidung und Krimskrams), zum Glück war das Hotel im Altstadtkern nicht weit.

Großes, hohes Hotelzimmer in einem Altbau mit Himmelbett und bunten Bodenkacheln

Von der Wirtin erfuhr ich, dass es sich um das Elternhaus ihres Ehemanns handelt.

Nach Auspacken ging ich raus nach Alcúdia zum Gucken und Brotzeitkaufen.

Schmal Altstadtgasse, unten die Köpfe vieler menschen, am oberen Rand ein verzierter Turm aus Sandstein

Es war sehr, sehr voll in den schmalen Gassen mit vielen Restaurants, Bars, Kleidungs- und Krimskramsgeschäften, es dauerte eine Weile, bis ich Brotzeit in Form von kleinen Empanadas zum Mitnehmen fand. Zwei gab es um zwei zu einem Apfel aus Restbeständen.

Nachmittag mit Lesen. Fürs Nachtmahl ging ich raus, entschied mich für irgendeines der Dutzende Touristen-Lokale, die irgendwas mit Tapas, Pasta und Burger anboten – weil ich auf deren Karte eine kleine Unterabteilung “mallorquinische Spezialitäten” gesehen hatte. In Jeansjacke konnte ich in der Abendkühle noch draußen sitzen.

Drei Fotos von Teller mit Speisen: Gemüseauflauf, Kroketten, Kuchen mit Eis

Die Croquetas links unten aß ich für Herrn Kaltmamsell, der sie liebt – und die mit Bacalao-Füllung waren auch gar nicht übel. Außerdem Tumbet (zufällig und immer schon vegan), das ich daheim wohl als Erstes nachkochen werde. Nachtisch mallorquinischer Mandelkuchen Gató mit Mandeleis, ganz frisch und gut. Lust auf Alkohol hatte ich nicht, also dazu Tonic Water.

Zurück ins Hotel über eine kleine Runde durch die kleine Altstadt.

Nächtlich beleuchtet sehr altes Stadttor aus Sandstein, davor Menschen

In der Nacht ein steingepflasterter Platz, links ein beleuchteter Autoscooter, rechts eine Stadtmauer aus Sandstein

Es sind wohl gerade noch Fiestas hier.

§

Ich bin immer noch dabei nachzudenken, was Männerpräsenz für mich bedrohlich macht – nachdem ich gerade erst gemerkt habe, wie schlagartig entspannter ich werde, wenn dieser Mann bunt lackierte Fingernägel hat. Eine Diskussion auf Mastodon lieferte mir das Stichwort “gefühlter Testosteron-Anteil”, das scheint mir eine heiße Spur. Nächstes Nachdenken also, woran ich diesen Testosteron-Pegel festmache – außer an sehr deutlichen und lauten Anzeichen im Fußball oder mit aufheulenden Autos. Es müssen viele kleine Details im Gesamt-Habitus sein, die alle nicht mit bunt lackierten Fingernägeln zusammenpassen.

§

Für alle, die sich an mehr Maggie Smith erinnern als ihre Rollen in Harry Potter und Downton Abbey, hier Nachruf und Erinnerungen von Arbeitskolleg*innen im Guardian:
“Dame Maggie Smith obituary”.

Zum Beispiel vom Drehbuchautor des Films The Best Exotic Marigold Hotel, Ol Parker:

The acerbic wit, the putdowns, the total lack of fucks given were at least as funny and powerful as the lines writers like myself tried to create for her.

§

Jetzt in der 3sat-Mediathek: Der Dokumentarfilm über unser Kartoffelkombinat – die ersten neun Jahre. (Mich sieht man einmal ganz kurz auf einer Generalversammlung.)
“Das Kombinat”.

Journal Samstag, 28. September 2024 – Schlussetappe Lluc-Pollença

Sonntag, 29. September 2024

Weiß gedeckter Tisch mit leerer Kaffeetasse, Teller mit Käse- und Wurstsandwich

Gepflasterter Platz mit vielen Bäumen, im Hintergrund Berge, über die dunkle Wolken kommen

Steiniger, ebener Wanderweg zwischen wenig Bäumen unter düsteren Wolken

Steiniger Wanderweg in hellen Stufen aufwärts zwischen Bäumen

Erhöhter Blick in ein grünes, sonniges Tal, in dem eine Klosteranlage aus hellgelben Steinen liegt

Im gegenlicht eine Wasserrinne zwischen Pflanzen

Ein Laub-armer Baum mit kleinen roten Früchten vor blauem Himmel

Holzleiter über eine Steinmauer im Wald

Hinter Sonnen-beschienenem Wald mit Wandeweg kriechen Wolken über einen felsigen Berg

Auf einer Wiese vor Bäumen steht ein riesiger weißer Sack voller Johannisbrotschoten

Eine schmale Straße, auf die die Sonne duch die danebenstehenden Bäume Muster malt

Links ein ebener, steinfreier Wanderweg, beschattet von den Bäumen links danaben, rechts ein steiniges, leeres Flussbett

Trampelpfad neben einer Straße, mit Leitplanke davon getrennt

Durch einen Zaun fotografiert: Granatapfel an Baum

Gepflasterte Plaza in einem Ort, darauf Stufen, große Sonnenschirme, im Hintergrund Gbäude aus Sandstein

Auf einer Handflläche fünf kleine rot-orange Früchte, im Hintergrund ein Fenster, das auf eine Plaza hinausblickt

Erhöhter Blick auf einen alten, eckigen Kirchturm aus Sandstein vor Abendhimmel, seine Uhr zeigt 19:40

Journal Freitag, 27. September 2024 – Ins Santuari de Lluc gewandert

Samstag, 28. September 2024

Das war ein schöner Wandertag gestern, fühlte sich nach Berg-Etappe an mit seinen Aussichten, hatte Abwechslung im Verlauf, Ungewöhnliches, Wald, Tiere – und war mit 15 Kilometern in fünfeinhalb Stunden auch genug Bewegung. Allerdings wieder in Gesellschaft zahlreicher anderer Wander*innen, meist zu zweit, aber auch in großen Gruppen – ich konnte nur zum Teil gedankenverloren und in wirklich meinem eigenen Tempo gehen. Das Wetter sonnig und mild, doch der Weg schön schattig.

Erstmal aber wurde ich nach Kolumbien mitgenommen. Meine Wanderung startete wieder am Stausee Cúber, dorthin fuhr mich ein Herr – der, wie sich herausstellte, aus Kolumbien stammte (er hatte mich aufgrund meines Nachnamens als Nachfahrin von Landsleuten verdächtigt, der sei in Kolumbien ausgesprochen häufig). Und als ich ein wenig Smalltalk über die Schönheiten von Mallorca machte, fing ich mir einen halbstündigen Vortrag über die Schönheiten von Kolumbien als Reiseland ein, über die Heimatstadt des Herrn, Armenia, über die geografischen und historischen Hintergründe, so grün, tolle Natur, super zum Wandern, und Medellín, das meine Generation ja in erster Linie mit Drogenhölle assoziiert, sei zum Innovations-Hotspot geworden, weil ganz viele US-amerikanische Start-up-Leute von dort remote arbeiteten. Nach dem Aussteigen am Stausee zeigte er mir auf seinem Handy noch YouTube-Ausschnitte zur Illustration. Ich war durch und durch überzeugt: Machen Sie Urlaub in Kolumbien!

Es dauerte dann eine Weile, bis ich den Kopf und den Blick frei hatte für jetzt und Mallorca.

Ich habe eine Idee, woher die Idee zu dem Muster Ikat herkommt (danke für die Recherche!).

Der Weg startete gleich mal ziemlich abgefahren neben einem modernen Aquädukt.

Rechts eine Beton-Rinne, in der Wasser fließt, links ein Wanderweg, daneben lichte Bäume

Selfieeiner Frau mit Brille und Kappe vor Wanderweg mit Betonrinne

Mitten auf dem steinigen, befestigten Wanderweg zwei große Pilze, um sie Erdreich vom Hochkommen

Und mit Pilzen, die sich wie Bauarbeiter mitten im Weg rausgegraben hatten.

Erhöhter Blick auf sonnige Landschaft mit See und Bergen

Blick auf den Stausee Gorg Blau.

Im Gegenlicht ein Felsen, auf dem ein Baum wächst, daneben Betonrinne und Wanderweg

Breiter, steiniger Wanderweg zwischen Bäumen

Steiniger, sonniger Wanderweg abwärts zwischen hohen Bäumen

Viele, viele Steineichen.

Ein sehr zotteliges Schaf zwischen Bäumen

Immer wieder Ziegen und Schafe – unter anderem dieses, das dringend mal einen Friseur bräuchte. (Über den Anhöhen viele Schwalben.)

Lila blühender Busch im Schatten vor sonnigen Bäumen und Berg

Dominante Blühpflanze des Tages war Wacholder – die Blüten duftete sogar sanft.

Steinig-stufiger Weg aufwärts Richtung blauem Himmel

Zunächst ging es vor allem hoch.

Blick hinab in sonnige grüne Berglandschaft

Blick hinab in felsige Berglandschaft bis hinunter zum Meer

Wer weit hoch geht, kann runterschaun.

Auf einer Anhöhe Blick auf schmalen, sonnigen Wanderpfad, der von Gräsern fast verdeckt wird

Jetzt war der Weg meist von diesen Gräsern verdeckt – tückische Steinstolpergefahr.

Blick von weit oben auf ein grünes Tal zwischen Bergen, ganz klein ein Sandstein-Kloster im Sonnenlicht, im Vordergrund die Knie der Fotografin

Nach fast vier Stunden Brotzeit kurz vor zwei: Ich hatte mir vom Hotelfrühstück zwei Körnersemmeln genommen und mit dem (vielen) restlichen Käse vom Vortag belegt. Unten sah ich jetzt bereits mein Tagesziel, das Santuari de Lluc (kein eigentliches Kloster).

Mit großen Steinen befestigter Wanderweg, links eine Steineiche

Unaufgeräumt steiniger Wanderweg nach unten zwischen Steineichen

Ein mehrstöckiges schlichtes Sandsteingebäude in der Sonne, davor ein Platz mit wenigen Bäumen

Angekommen im Santuari. Beim Einchecken wurde mir gleich das Tagesmenü des angeschlossenen Restaurants angeboten, ich reservierte unbesehen.

Breiter Korridor mit glänzenden Bodenfliesen, von dem Zimmertüren abgehen

Der Korridor erwies sich schnell als Geräusch-verstärkend hallig.

Schlichtes, geräumiges Hotelzimmer mit drei Betten

Allein im großen Dreibett-Zimmer, das gefiel mir. Allerdings sehr hellhörig: Ich wusste bald, dass auf beiden Seiten je zwei Frauen wohnten.

Diese Blasenpflaster soll man ja dranlassen, bis sie von selbst abfallen, richtig? Joah, meine an den gehäuteten Fersen waren beim Sockenausziehen bereits zerwuzelt und abgefallen. Was blöd ist, denn das waren meine beiden einzigen ganz großen.

Die Anlage Santuari de Lluc ist berühmt, Pilgerzentrum (auf dem Tischerl im Zimmer eine Broschüre mit Mariengebeten), Menschen reisen eigens zum Angucken hierher, also ging ich frisch geduscht nochmal raus und sah mich um.

Blick von einem Innenhof auf eine Kirchenfassade in schlichtem spanischen Barockstil

Wo Pilger, da Wallfahrtskirche.

Düsteres barockes Inneres der Kirche

Madonnenfigur (Moreneta) zur Anbetung in einer Kapelle hinterm Altar.

Blick von oben auf die Klosteranlage aus Sandstein

Auch durch den kleinen und wirklich bezaubernden botanischen Garten spazierte ich.

Blauer Swimming Pool, zum Teil verdeckt von einem Bronzeengel

Es gibt hier einen richtigen Swimming Pool! Ich hätte sogar Schwimmzeug dabei, doch gestern war es mir zu frisch für Wassergelüste – und einer Schwimmrunde vor dem Frühstück steht die Öffnung um 10:30 Uhr entgegen.

Hellblauer Abendhimmel hinter Silhouette von Bäumen

Die Zimmeraussicht ist hier auch nicht schlecht.

Ich hatte mich für die Abendessens-Spätschicht im großen Pilger-Restaurant eintragen lassen, also die nach acht.

Mit weißer Tischdecke gedeckter Tisch, darauf ein tiefer Teller mit Kichererbsen und ein Glas Weißwein, im Hintergrund Restaurant mit alten Mauern und Steinsäulen

Aus dem Tagesmenü wählte ich Kichererbseneintopf (gute, herzhafte Kichererbsen), Hähnchenschenkel mit Salat und Pommes, Mandelkuchen – alles zufriedenstellend. Dazu ein Glas Weißwein.

Abends Ausschüttungs-Mitteilung von VG Wort: Durch mehr Beteiligte am System ist die Zahlung pro Blogpost 2023 auf 25 Euro gesunken. Ich komme insgesamt immer noch auf zwei zusätzliche Monatsgehälter und kann wirklich nicht meckern (wo ich ja eh bloggen würde).

§

Moment: Wir hatten doch vereinbart, dass Maggy Smith nie sterben darf. Wir hatten sogar eigene Lebensjahre gespendet dafür, weil: Prioritäten. Und jetzt das. NOAAAAAAAIN!

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https://youtu.be/rvrMVf8HJ44?si=vIBVHpcASbzqCoYX

Im Guardian eine Biografie in Fotos.