Wieder eine unruhige, aber deutlich bessere Nacht, keine Lücken zu beklagen.
Als ich früh wie immer aufstand, war Herr Kaltmamsell schon fort: In Bayern ist Abitur.

Die Linden um die Theresienwiese tun ihren April-Job: Grünen.
Geschäftiges Arbeiten, nützliche Informationen.
Mittags gab es Apfel, Birchermuesli mit Joghurt, Banane.
Pünktlicher Feierabend, den ich wollte auf den Crosstrainer im Verein. Die Wolken hatten aufgerissen.

Frühlingsfarben im Bavariapark.
Im renovierten MTV-Gebäude fand ich mich diesmal schon besser zurecht. Auf dem Crosstrainer hörte ich einen Podcast zu gewaltfreier Kommunikation, um endlich mal ein konkreteres Bild davon zu bekommen. Stellt sich heraus: Mit den Inhalten bin ich gut bekannt, ich wusste nur nicht, dass sie “gewaltfreie Kommunikation” heißen. (Was keineswegs bedeutet, dass ich sie kann – dazu müsste ich mir ja meiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse in zwischenmenschlichen Beziehungen bewusst sein und sie mir eingestehen, hahahaha.)
Zum Nachtmahl bestellte ich für Herrn Kaltmamsell und mich Sushi – und schaffte endlich mal, den Umfang realistisch zu halten. Schmeckte sehr gut. Nachtisch Osterschokolade.
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Die Ausgabe von Hildegard Knefs Der geschenkte Gaul, die ich jetzt gelesen habe, hatte zwar ein anderes Cover – aber das da oben ist ganz gewiss das der Ausgabe beim Erstlesen.
Auch diesmal bewunderte ich und begeisterte mich diese romanhafte Autobiografie mit ihren Erzähltechniken, ihrer umgemein kraftvollen Sprache, mit der Hildegard Knef bis zur Veröffentlichung jahrelang gerungen hatte – ich hoffe, sie ist mittlerweile ein Referenzwerk für deutsche Nachkriegsliteratur.
Bei aller Fiktionalisierung zehrt die Handlung mit vielen Details von selbst Erfahrenem. Knef erzeugt mit wenigen sprachlichen Pinselstrichen die Atmosphäre historischer Szenen. Ein paar Ausschnitte ihres Stils: Als junge Schauspielschülerin im kriegerischen Berlin.

Wie verschieden die Bombennächte in Berlin gewesen sein müssen – Knef beschreibt sie mit unterschiedlichen Mitteln.
Klarsichtig und klug ihre Analyse von gebildeten Nazi-Ideologen am Beispiel Ewald von Demandowsky – und warum kaum jemand andere Ansichten mitbekam.


Eindrücklich auch Knefs Schilderung der Flucht vor den heranrückenden russischen Truppen bei Kriegsende. Sie hatte sich als Soldat verkleidet, “Ich wollte nicht vergewaltigt werden” – wie sie den Russen beim Verhör nach ihrer Gefangennahme sagt, immer wieder, auf die wiederholte und bohrende Frage nach dem Grund für ihre Verkleidung. Diese Fluchtpassage mit vielen grauenhaften und nüchtern geschriebenen Details – sie passt erschreckend zu den Bildern aus der Ukraine.
Immer fesselnd sind ihre aufmerksamen Beschreibungen von Menschen und Umständen, auch als sie nach Kriegsende zunächst in die USA übersiedelt – oft entlarvend, doch sie lässt sich auch selbst nicht unbedingt gut wegkommmen. Knefs Beschreibung der Broadway-Produktion Ninotschka, in der sie (zu ihrer eigenen Verblüffung) die Hauptrolle spielte und sang, erinnerte mich mit ihrem Chaos, dem unmenschlichen Druck und der Abfolge von Vorpremiere an Valley of the Dolls. Dazu kommt bei ihr aber eine überraschende Menge von Schabernack und Streichen, die hinter der Bühne getrieben wurden. Herzerfrischend auch: Die regelmäßigen Auftritte von Marlene Dietrich.
Woran mich die Lektüre erinnerte: Dass eine Frau vor nur wenigen Jahrzehnten von Medien und Gesellschaft verrissen und ausgeschlossen wurde, wenn sie eine Beziehung mit einem verheirateten Mann hatte. Die unangepasste Knef wurde nicht nur deshalb zu Lebzeiten in Deutschland nie umarmt und breit anerkannt.
Spannend war für mich auch die finanzielle Seite ihres Schauspiel- und Künstlerinnenlebens. Sie gibt zu, sich nie recht darum gekümmert zu haben, gerät dadurch immer wieder in echte Armut – Berater und Agenten scheinen sie aber auch ausgenommen zu haben. Andererseits zeigt die Lebensphase nach ihrer zweiten Rückkehr aus USA, dass sie sich nicht unbedingt aktiv um Engagements kümmerte, bis das Geld halt aus war. Dass sie zu ihrer späten Karriere als Sängerin kam, weil man ihr keine akzeptablen Rollen anbot, wusste ich schon vorher.
In diesem kurzen rbb-Beitrag vom Januar anlässlich ihres “Für mich, soll’s rote Rosen regnen” bei Angela Merkels Zapfenstreich kommt auch Tocher Christine zu Wort:
“Das Leben der Hildegard Knef”.
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Gesprächsthema in befreundeter (und durchwegs verfressener) Runde, seit ich denken kann: Wie die Menschheit im Lauf der Geschichte herausgefunden hat, was in welcher Form essbar oder sogar wohlschmeckend ist.
Hier können Sie Zeuge einer zeitgenössischen Forschung werden.
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Verlassene Gebäude bieten fast immer schöne Fotomotive. Roman Robroek hat verlassene Kirchen in Italien aufgenommen:
“The Remains of 100 Abandoned Italian Churches Peek Through Rubble and Foliage in Roman Robroek’s Photos”. 