Bücher

Journal Montag, 29. September 2025 – Brighton durchschnürt

Dienstag, 30. September 2025

Gut und ausgeschlafen, mehr als siebeneinhalb Stunden brauche ich wohl nicht. Der erste Vogelruf, den ich beim Aufwachen hörte, war eine Krähe statt einer Möwe – alles wird anders!
Es tagte wolkenlos.

Wieder setzte ich mich warm angezogen zu meinem Morgenkaffee: Das von den Vermietern angekündigte Heizen morgens und abends war nicht eingetreten. Zumindest ist die Wohnung nicht so kalt wie einige der B&B-Zimmer vorher.

Ich saß mit Laptop an dem Tisch im Bay Window der Wohnung, sah immer wieder raus in den herrlichen Sonnentag. Mein Blick fiel zum Beispiel auf einen weißhaarigen, sonnengegerbten alten Mann in hellen Bermudas, blauem Pulli und Deckschuhen, der mit Einkäufen in der Hand die Straße hochging und so typisch küstenortig aussah, dass ich mich nun wirklich am Meer angekommen fühlte.

Blick aus der Ferienwohnung – u.a. auf die Baustelle, von der noch die Rede sein wird und die aus der gesamten Ecke des Häuserblocks besteht.

Mein gestriges Programm war Herumlaufen in Brighton für Einkäufe. Erstmal spazierte ich mit Liste zum großen Supermarkt Waitrose, sah mich dort auch gründlich um.

Ich habe solch ein Scheißglück mit dem Wetter!

Diese Einkäufe brachte ich in die Wohnung, dann nächste, größere Runde: Über Boots (Zahnpasta, Zahnbürste – das war so geplant), Ikea (für Geschirrtücher – waren aber gerade aus), Marks & Spencer (Geschirrtücher, schwarze Baumwollunterhosen – der spontane Fünferpackenkauf vor zehn Jahren hatte sich beeindruckend bewährt), Schaufenstergucken, Western-Road-Bummeln, Brotkauf, gründliches Mäandern durch die Gässchen zwischen Western Road und Strandpromenade.

I see dead shops: An vielen Stellen ergänzte mein Hirn Ansichten aus vergangenen Jahrzehnten, das zum Beispiel war das letzte große Antiquariat gewesen. (Für die Chronik: Aktuell werden geschlossene Läden im Zweifelsfall durch Coffee Shops ersetzt, “Speciality Coffee”.)

Brunswick Square.

Die Moschee ist schön renoviert.

Das chinesische Lieblingslokal (mit den lackierten Enten im Fenster), in dem ich vor vielen Jahren meine erste Peking-Ente aß, wurde aufgegeben.

Doch das Lokal, in dem ich Dim Sum kennenlernte, gibt es noch. Dahinter der verfallende West Pier.

Deutlich nach eins kam ich zurück in die Ferienwohnung und zum Frühstücken: Apfel, Tomatenbrote, Joghurt mit (seit Vortag eingeweichten) Trockenpflaumen.

Die Wäsche war am Sonntag so schlecht geschleudert aus der Waschmaschine gekommen (hatte ich nicht rechtzeitig gemerkt), dass sie sehr langsam trocknete. Ich nutzte jeden Sonnenstrahl in Wohnzimmer und Hinterhof (!), um besonders feuchte Stücke darin auszubreiten.

Gleich nochmal raus in die kurzärmlige Milde, jetzt ging ich zu North Laine mit seinen vielen kleinen Gässchen und immer noch großteils Inhaber-geführten Läden. Der mit offenen Süßigkeiten nach Gewicht war auch nach über 35 Jahren noch da, ich stellte mir eine große Tüte zusammen.

Jetzt machte ich es mir in der Ferienwohnung gemütlich mit Lesen. Tatsächlich ungemütlich allerdings: Die Baustelle nebenan. Manche Baustellengeräusche finde ich durchaus erträglich, lautes Wummern und Bohren weniger, am Nachmittag vibrierte die ganze Küchenzeile. Zum Glück wurde um fünf Feierabend gemacht.

SIE sehen hier wahrscheinlich nur einen Bettvorleger. Ich sah eine potentielle Yogamatte und trug den Teppich ins Wohnzimmer: Yoga ging darauf tatsächlich auch nicht schlechter als auf meiner Reise-Matte.

Nachtmahl: Ich kochte eine Packung Puy Linsen (hey, ich hantiere mit diesem Gasherd wie eine Alte! ist mir sogar sympathischer als Induktion, bei Gas habe ich einen direkteren Bezug zu Hitzequelle und Hitzemaß), schnippelte in einen Teil davon rote Paprika, Gurke, Tomate, Frühlingszwiebeln, machte mit reichlich Olivenöl daraus Salat.

Zum Nachtisch gab es eine große Portion aus der Tüte Süßigkeiten.

Das Wetter soll erstmal so bleiben, ich ging mit dem Plan einer Laufrunde den Undercliff Walk entlang ins Bett. Dort neue Lektüre: Gaea Schoeters, Lisa Mensing (Übers.), Trophäe – die sehr fremde Welt der Großwildjagd in Afrika, aus sofort fesselnder Perspektive.

§

Eine Blog-Empfehlung für Typografie-Nerds und -Fans wie mich (ich bringe es ja immer höchstens zum Fangirl): Thomas Pfeiffer hat einen Blick für die Form und Aussage von Buchstaben, seit ich ihn kenne (und das ist lang); an diesem Ort im Web sammelt er jetzt seine Entdeckungen und was er darüber herausfindet.
Das Typographische Fundstück.

§

Am Oktoberfest verstehe ich ja Vieles nicht. Dass es aber seit vielen Jahren eine Schwulen-Hochburg ist, liegt bei so viel geballtem Camp meiner Ansicht nach total nahe. Und so gibt es natürlich auch die Schwuhplattler, die Süddeutsche stellt sie vor – mit u.a. sehr schönen Fotos (€):
“Queeres Platteln”.

Zum weltweit größten Volksfest gehören die Münchner Schwuhplattler mittlerweile dazu wie das Teufelsrad, der Toboggan oder die Tracht. Sie sind auf dem Weg, ein Wiesn-Klassiker zu werden.

§

Fährt eigentlich noch jemand per Anhalter? Die späten Ausläufer dieser Form der Mobilität machte ich Ende der 1980er / Anfang 1990er als junge Frau noch mit (ganz selten, aber doch): Während meines Auslandsstudienjahrs in Südwales hätte ich sonst mangels Geld so gut wie nichts außer Swansea gesehen – und auch für die vier einheimischen Freundinnen, die ich dort gleich von Anfang an fand, war das die übliche Form, von A nach weiter entferntem B zu kommen.

Doch schon lange sind die meist jungen Menschen mit Pappschild in der Hand oder auch nur gerecktem Daumen an Autobahnauffahrten verschwunden. Umso interessierter las ich in der Süddeutschen den Artikel von Christin Lesker (€):
“Warum ich per Anhalter fahre”.

Journal Sonntag, 28. September 2025 – Ankunft in Brighton

Montag, 29. September 2025

Gut geschlafen, energisch fast so lang wie möglich (10:30 Uhr) mein Zimmer belegt. Mangels anderer Sitzgelegenheiten bloggte und las ich auf dem Bett.

Am Vorabend hatte ich bereits herausgefunden, dass ich nicht den Zug von Eastbourne nach Brighton nehmen würde, da vor Bauarbeiten auf der Strecke gewarnt wurde: Bei aller Neugier auf andere Kulturen – SEV auf Englisch muss ich nicht wissen (letztes Stück Lewes-Brighton). Doch der Doppeldeckerbus nimmt ja ohnehin die viel schönere Strecke entlang der Küste, die zudem nur einen Bruchteil des Zugtickets kostet: 3 Pfund fürs Tagesticket.

Dass ich eine Haltestelle der vier Buslinien nach Brighton erstmal finden musste, machte mir nach Abschied von der freundlichen jungen Gastgeberin nichts aus: Das Wetter war wieder hell und mild, ich hatte wirklich Zeit. Denn die Haltestelle an der Uferpromenade, an der ich zunächst wartete und an der laut Aushangfahrplan mindestens zwei Linien vorbeifahren mussten, blieb eisern leer. Rollkofferte ich halt zum Busbahnhof – und tatsächlich, dort erwischte ich sofort einen.

Auf den anderthalb Stunden Fahrt wurde der Bus immer voller: Ausflugsgruppen, alte Leute allein und in Gruppen, Wander*innen, Menschen mit Kindern und Kinderwagen – ich saß irgendwann sehr eingeklemmt zwischen meinem Koffer und einem Sitz, um nicht zwei zu besetzen und war froh, als ich in Brighton am Old Steine rauskam. Dort gibt es derzeit so viele Baustellen an Gebäuden, Wegen und Straßen, dass ich mich erstmal orientieren musste. Wobei “Baustellen” vielleicht nicht ganz korrekt ist: Einige Baufälligkeiten sahen lediglich gesichert und abgesperrt aus.

Zwar war Sonntag und der bot die Option auf Sunday Roast in einem Pub, doch mir war jetzt um kurz vor eins viel mehr nach einem reichlichen Frühstück. Also steuerte ich unter mittlerweile düsterem Himmel das Café The Boudica in der Western Road an.

Mediterranean breakfast und Cappuccino. Beides erfreute mich sehr.

Jetzt fielen die erste Regentropfen nach acht Tagen. Aber es waren nur wenige, das konnte ich gut im Café aussitzen.

Die Kanne Schwarztee, die ich nach dem Frühstück bestellte, war eindeutig zu viel Koffein, mir wurde zittrig und schwummrig. Doch jetzt war es endlich spät genug, dass ich (halt in dieser Verfassung) meinen schweren Koffer hoch zur Ferienwohnung schleifen konnte – in Brighton ist alles, was nicht direkt am Strand verläuft, hoch oder runter, aber erstmal hoch (außer der großen Western Road, Haupteinkaufstraße, die verläuft parallel zur Strandpromenade).

Die detaillierte Anleitung der Vermieter funktionierte, ich kam in eine genau richtig große Altbauwohnung im 1. Stock, die mit der Beschreibung bei AirBnB übereinstimmte (worauf ich mich nach den letzten Reinfällen nicht verlassen hatte).

Hinter der Brüstung links die Küchenzeile, rechts gegenüber vom Bay Window geht es ins Schlafzimmer und von dort einige Stufen runter ins Bad – typische Aufteilung dieser Häuser.

Was das Schlimmste sein soll, das mir in Brighton widerfährt: Die Vermieter waren meiner Bitte nach Waschmittel nicht nachgekommen, möglicherweise wohnen sie ja auch weit weg. Ich ging also erstmal in einen Sainsbury’s City (hier haben am Sonntag immer mehr Läden auf) und besorgte neben Abendessen und Schokolade die kleinstmögliche Packung Waschmittel.

Dank hiermit ausdrücklich der @dieliebenessy für den Tipp vergangenes Jahr mit den Packtaschen: Auch bei diesem zweiten Einsatz (nach Mallorca) für täglichen Unterkunftswechsel SO eine Erleichterung! (Hier in leerem Zustand, weil der Inhalt bereits in der Waschmaschine seine Runden drehte.) Ich verwende sie wie Schubladen eines Kleiderschranks: Eine für Unterhosen, eine für BHs, Socken, Oberteile, Hosen, Krams und Kleinzeug.

Da ich ihn fürs Abendessen brauchen würde, testete ich den Gasherd: Den eingebauten Zündfunken brachte ich nicht zum Zünden, da tat sich nichts. Es ist durchaus möglich, dass ich mich einfach nur ungeschickt anstellte, sogar wahrscheinlich. Aber brute force ist als Workaround meine Spezialität: Nochmal rausgegangen und beim News Agent ein Feuerzeug gekauft. Damit bekam auch ich das Gas zum Brennen.

Jetzt muss ich bis nächsten Samstag nirgendwo mehr hin, meine Pläne sind so vage wie schon lang nicht mehr: Lebensmitteleinkäufe, alle geliebten Straßen und Gassen durchspazieren, Laufen am Undercliff Walk, vielleicht geht sogar Schwimmen, Essen im Food for friends, im Weinladen nach englischen Weinen sehen.

Zum Nachtmahl machte ich mir wie einst als Studentin Fastfood: einen großen Kopf Brokkoli in Stücken gekocht, ordentlich Butter dran (Letzteres hätte ich allerdings als Studentin nie, sondern nur ein paar Löffel Sahne genommen, weil ich Kalorien zählte). Dann noch gekaufte kleine Bramley Apple Pies und Schokolade.

Nach dem Erstgebrauch der Küche spülte ich alles vorhandene Besteck gründlich, bis nichts mehr davon klebte, und setzte sowohl Küchenrolle (u.a. als Serviettenersatz) als auch Geschirrtuch (dieses Winzelding reicht mir niemals die Woche) auf die Einkaufsliste.

Spät (!) ins Bett zum Lesen, Die Anomalie von Hervé Le Tellier, Romy und Jürgen Ritte (Übers.) ausgelesen – war nicht so das Meine, vielleicht geht französische Literatur wirklich an mir vorbei (bis auf Krimis wie die von Fred Vargas, bei deren Lektüre das Genre überwiegt).

§

Was auch weiterhin bei der Diskussion über sogenannte KI vernachlässigt wird: Dahinter stehen Tausende von Menschen mit dem Beruf Data-Worker. Und oft menschenverachtenden Arbeitsbedingungen:
“Data-Worker und Drecksarbeit
Raus aus der Unsichtbarkeit”.

Die zitierte Joan Kinyua habe ich auf einem Panel der jüngsten re:publica gesehen.

Übrigens:

Meta hat sich in Reaktion auf die Klage darauf berufen, gar nicht selbst in Kenia zu operieren und mit dem Argument die Klage gegen sich angefochten. Das Netzwerk beauftrage lediglich Sama, für die Arbeitsbedingungen seien sie nicht verantwortlich.

Genau gegen solche Schachzüge hat die EU das Lieferkettengesetz eingeführt. Das Sie vermutlich nur vom Schimpfen gegen zusätzliche Bürokratie kennen. (Umsetzung wieder andere Sache.)

Journal Mittwoch, 17. September 2025 – Der Preis der Schnelligkeit

Donnerstag, 18. September 2025

Diesmal nach Aufwachen um vier nicht mehr richtig eingeschlafen, müde aufgestanden.

Erstes Lächeln des Tages (nach dem Anlächeln von Herrn Kaltmamsell zum Guten-Morgen-Kuss) gleich beim Verlassen des Hauses: Ein rotes, ballettös-schlankes Eichhörnchen schritt gerade über den Weg, stob dann vor einem ums Eck biegenden Handwerker auf die Brüstung zum Nachbargrundstück und diese entlang. Ich wiederhole: Sollte eine Eichhörnchen-Begegnung bei mir kein Lächeln mehr auslösen, bringen Sie mich bitte zu einer Ärztin oder einem Arzt.

Ausgesprochen frischer Weg in die Arbeit durch immer dichtere Oktoberfest-Symptome.

Dieser Teil “Tracht” hat es schon mal nicht auf die Theresienwiese geschafft, aufgegeben knapp 100 Meter vorm Ziel.

Im Büro erstmal über Nacht eingetroffene Dringlichkeiten erledigt, dann konnte ich geordnet weitermachen – und unter anderem einen Irrtum korrigieren, der mir erst in dieser Ruhephase bewusst geworden war. Es ist ja durchaus praktisch, schnell im Kopf zu sein. Doch so wie mir meine physische Schnelligkeit blaue Flecken einträgt (weil ich innerlich bereits woanders bin als mein Körper), verstolpere ich mich manchmal auch in intellektuellen Prozessen, weil
Aufgabenstellung – Geschwindigkeitsunschärfe – Ergebnis.
Und sich danach manchmal herausstellt, dass ich im Mittelteil über ein relevantes Detail hinweggeditscht war.

Der Himmel wurde wieder blau-weiß-bunt, auf dem Marsch zu meinem Mittagscappuccino im Westend bekam ich kühle, angenehme Luft zu schnaufen.

Mittagesse wurden Bananen, gelbe Kiwis, zwei Hände voll Nüsse.

Nachmittags erste Urlaubsübergabe: Ich habe ein gutes Jahr nach Umstrukturierung wieder so etwas wie eine Vertretung, dieser Urlaub ist der erste Härtetest.

Nach Feierabend ging ich in schönem, aber eher kühlem Wetter nach Hause, nur ein kurzer Abstecher in einen Obst- und Gemüseladen. An der Heimeranstraße sah ich vor mir eine Krähe laufen, deren Gang mich zum Lächeln brachte: Wie auf einem Laufsteg setzte sie die Füße voreinander, dadurch wackelte ihr Schwanz herzallerliebst.

Daheim Wäscheaufhängen, eine Runde Yoga-Gymnastik, dann begann ich für meinen Wanderurlaub zu packen: Donnerstag und Freitag habe ich nach Feierabend Pläne, und ich wollte wirklich nicht bei meiner ohnehin großen Nervosität unter Druck geraten. Ein paar Pack-Entscheidungen ließ ich aber noch offen.

Nachtmahl war bereits Herr Kaltmamsell am Kochen: Er wollte unbedingt das typisch Yorkshire Gericht tripe and onion ausprobieren, Kutteln in Sauce. Als Gemüse-Ergänzung hatte ich eine große Schüssel Blattsalat mit roter Paprika in Knoblauch-Vinaigrette angemacht.

Tripe and onion schmeckte wie erwartet nicht sehr intensiv, aber dennoch ungewöhnlich – gut! Und der Salat: Ich kann ja echt nicht viel richtig gut, genau genommen nichts – aber Salat kann ich wirklich. (Wie er mir am besten schmeckt.)

Früh ins Bett zum Lesen, neue Lektüre ein hoffentlich spannender Verschling-Roman (außerdem habe ich schon lange keine französische Belletristik gelesen sowie bislang eher negative Vorbehalte): Hervé Le Tellier, Romy und Jürgen Ritte (Übers.), Die Anomalie – ging gut los!

Erfreuliches: Ein Tröt erinnerte mich gestern an etwas.

Aber sowas von! eduroam ist ein WLAN-Netz von Bildungs- und Forschungsanstalten im weitesten Sinn in über 100 Nationen. Meinen Zugang habe ich über meinen Arbeitgeber bekommen, der ja ebenfalls mit Forschung zu tun hat. Und so bemerke ich zum Beispiel unterwegs und auf Reisen an meinem Handy, dass ich mich wahrscheinlich in der Nähe eines Uni-Gebäudes befinde, weil mein Handy über ein WLAN online geht. Diese große Verfügbarkeit von Internet-Zugang ist sehr, sehr super.

Journal Dienstag, 9. September 2025 – Erster Nebel

Mittwoch, 10. September 2025

Beim ersten Klogang kurz nach vier (!) sah ich verdutzt, dass das Draußen im dicken Nebel lag.

Nach Aufstehen die Kuriosität: Gebürtige Ingolstädterin knipst Nebel – als hätte ich in den 20 Jahren meines Lebens in diesem Nebelloch an der Donau nicht genug davon gesehen.

Unpassend zum Nebel fühlte sich die Milde auf dem Marsch in die Arbeit an.

Im Büro Vielfältiges, ich fühlte mich sehr unruhig. Mittagscappuccino nicht zu weit weg im Westend, es war deutlich frischer geworden. Am Vormittag zog der Himmel immer dunkler zu, nachmittags regnete es.

Zu Mittag gab es Banane, Roggenbrot aus eigener Produtkion, viel kleine reife Feigen.

Nachmittags mehr Emsigkeit, ich schloss den Arbeitstag wieder reichlich erledigt ab.

Heimweg unter düsterstem Himmel, doch die Regendrohung verschonte mich bis zu Hause.

Dort griff ich erstmal zu einer Vase:

Ich hatte mir einen mächtigen Blumenstrauß geschenkt, wollte Farbe und Schönheit in der Wohnung.

Yoga-Gymnastik bestand aus Ruhe, Schnaufen, Dehnen, war gestern in Ordnung.

Fürs Abendessen war ich zuständig: Ich machte Kaiserschmarrn zu dem wunderbaren Zwetschgen-Latwerge, das Herr Kaltmamsell aus Früchten von Elterns Baum gekocht hatte. Und Kaiserschmarrn heißt bei uns immer noch weder fluffig noch karamelisiert, das hier ist kein Dessert. Er gelang mir ausgesprochen gut. Und es passte noch Schokolade hinterher.

Nach einer Folge Mad Men neue Lektüre im Bett, diesmal als E-Book gekauft: Jens Notroff, Staub, Steine, Scherben, ein populärwissenschaftliches Fachbuch über Archäologie. Gleich in den Anfangskapiteln wird Indiana Jones zitiert: Der Autor ist offensichtlich glaubwürdig.

§

@croco wies mich auf ein hochinteressantes historisches Werk in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg über Heimsport hin:
Haus-Gymnastik für Mädchen und Frauen: eine Anleitung zu körperlichen Übungen für Gesunde und Kranke des weiblichen Geschlechtes von 1890.

denn gerade Mädchen und Frauen, deren natürlicher Bewegungstrieb durch sogenannte Anstandsrücksichten, unvernünftige Kleidermoden, Vorurteile und mangelhafte Veranstaltungen in trauriger Weise eingeschränkt wird, bedürfen der Gymnastik zur Erhaltung ihrer Gesundheit in allerhöchstem Maße, weit mehr noch als Knaben und Männer, welchen jene Schranken nicht gezogen sind

Wie großartig wäre es, das in einer Online-Gruppe einmal ganz durchzuturnen! Im Vorwort heißt es zwar, man brauche auch “Reck und Schaukelringe” – dafür könnten wir ja gemeinsam eine Lösung suchen.
Ach was: Lasst uns die ganz große Influencerinnen-Welle starten! Mit eigener Sportkleidungslinie! Zielgruppen (neben Spinnerinnen wie uns): Trad-Wives, Homöopathie-Gläubige, Trump-Wählerinnen, Früher-war-alles-besser-Überzeugte – ein riesiger Markt!

Journal Montag, 8. September 2025 – Wieder ein Montag

Dienstag, 9. September 2025

Nach guter Nacht 20 Minuten vor Weckerklingeln aufgewacht – das war mir mit Aussicht auf Geschirrspüler-Ausräumen und Wäscheständer-Abnehmen ganz recht.

Es wurde hell zu schönem Wetter, in der Morgenkühle marschierte ich ins Büro. Unterwegs fielen mir einige Besonderheiten dieses Arbeitsmontags ein, anstrengend, aber nicht wirklich unangenehm.

Erster Cappuccino in der wiedereröffneten Haus-Cafeteria: Gut!

Mittags die Mastodon-Timeline der Nacht hinterhergelesen: So viele wundervolle Fotos von der Mondfinsternis am Vorabend! Hier ein Liebling aus Nürnberg. Außerdem verließ ich das Haus für einen schnellen Marsch um den Block in herrlich milder Wanderluft, inklusive Obsteinkauf.

Zu Mittag gab es am Schreibtisch Apfel, Banane, Feige, Nüsse, Hüttenkäse.

Recht hochtouriger Arbeitsnachmittag, für die letzten beiden Stunden hatte ich eigentlich keine Energie mehr, musste aber.

Zu Feierabend war es kühler geworden, ich ging über Einkäufe im Vollcorner und beim Drogeriemarkt heim. Dort nach Auspacken Yoga-Gymnastik, viele Haltungen werden wohl nie weniger anstrengend werden.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell vereinbarungsgemäß nochmal sommerlichen Wurstsalat, dazu selbstgebackenes Roggenbrot.

Nachtisch Schokolade, gemeinsame Abendunterhaltung eine Folge Mad Men.

Früh ins Bett zum Lesen: Ich las Caroline Peters, Ein anderes Leben aus. Es ist ein spannendes und buntes Familienleben, auf das die Ich-Erzählerin anlässlich des Todes ihres Vaters zurückblickt – nur vage chronologisch, wie Erinnerungen eben verlaufen, und auch über Erinnerungen denkt sie nach, vor allem im Abgleich zu denen ihrer beiden Schwestern, die jeweils eigene Väter haben. Im Mittelpunkt des Rückblicks steht die gemeinsame Mutter Hanna, die als Kind noch den Krieg erlebt hat, davon geprägt wurde, eine Künstler-Natur und Dichterin, deren Eigenwilligkeit irgendwann nicht mehr in die Rolle von Ehefrau und Mutter passte. Ich mochte den eigenen Tonfall der Erzählstimme, dessen Sprache angenehm fern von Stereotypen und Klischees blieb, lernte gerne diese Familiengeschichte kennen.

§

Was wichtig ist:

Seit ich Hundebesitzer bin, mache ich das ständig, dieses Hallosagen mit fremden Leuten und irgendeinen netten Kommentar abgeben, entweder über das Wetter, die schweren Pakete oder irgendwas Lustiges, wenn man sich beispielsweise im Weg stand. Der Kiezstraßenfeger der BSR hebt seinen Arm auch von der anderen Straßenseite zum Gruß, er sagt etwas Unverständliches zu mir, ich antworte etwas Unverständliches und wir heben wieder den Arm und sagen: „Schönen Tach noch.“ So sind wir Hallosager. Mit Hunden, es gibt sie aber auch ohne Hunde.

Bei Mek, der gerade seine Jahrzehnte Bloggen drucken hat lassen:
“So, 7.9.2025 – Blogbuch, Mond”.

Uns, die wir ein paar Semester Linguistik abbekommen haben, fällt dazu die “phatische Funktion” von Sprache ein. (In der professionellen Kommunikation erkläre ich sie gerne mit “Hauptsach’ d’Luft scheppert”.)

Journal Sonntag, 31. August 2025 – Sommermorgenlauf und Besuch aus Florida

Montag, 1. September 2025

Eine Nacht mit geschlossenem Fenster: Menschenlärm im Park und auf der Straße vor meinem Schlafzimmer hätte mich sonst auch mit Ohrenstöpseln wach gehalten.

Weckerwecken: Um bei den Plänen des Tages zu meiner ersehnten Laufrunde zu kommen, musste ich den Morgen durchgetaktet nutzen – der herrlich wolkenlos sonnig begann.

Es war noch ausgesprochen frisch, als ich um acht das Haus verließ, aber allein schon die Sommerfarben wärmten mich. Ich lief gut und leicht, nur mein Bauch schmerzte immer wieder: Ich war sehr froh um das schicke Klohäusl am Marienklausensteg.

Immer wieder verdächtig bunte Flecken in den Laubbäumen und -büschen: Es ist Spätsommer, der Herbst rückt uns auf die Pelle.

Daheim zackige Körperpflege, kurz vor elf saß ich in Sommerkleid und Sandalen im Zug nach Augsburg. Dort trafen wir bei den lieben Schwiegers nämlich auf Besuch: Die befreundete Verwandtschaft aus Florida beehrt Europa wie in so manchem August (wenn nämlich Flaute/Pause ist im eigenen Catering-Unternehmen), ich freute mich sehr über die Möglichkeit für ein Treffen in bei Augsburg.

Da die beiden Herren am Vortag in der Augsburger Innenstadt vergeblich nach einem Weißwurstfrühstück gesucht hatten, boten ihnen die Gastgeber eines.

Auch ich genoss es: Ich mag Weißwürscht eigentlich, es ergeben sich nur nie welche. Außerdem auf der Wunschliste des Besuchs: deutsche Torte. Dafür fuhren wir nach Königsbrunn ins Café Müller, eine Legende.

Hier bekam ich Flockentorte mit Preiselbeeren – selten im Repertoire von Konditoreien, und diese war wirklich ganz besonders gut. Der Nachmittag verging schnell über Austausch von Erinnerungen und Berichten aus Trump-USA: Trotz Beteuerungen, man versuche positiv zu bleiben und es werde schon wieder besser werden, war allen die Dramatik einer weiteren Großmacht auf dem Weg in die Autokratie klar.

Zurück nach München fuhren wir nicht allzu spät: Ich wollte vor dem ersten Arbeitstag meine Arbeits-E-Mail checken, in der Hoffnung auf ruhigeren Nachtschlaf. Auf unserem milden, sonnigen Balkon loggte ich mich also ein – und mühte mich arg mit der Fernversion von Outlook, weil unglaublich unübersichtlich. Aber ich konnte mich schonmal auf einen Querschläger am Montag einstellen.

Abendbrothunger hatte ich auch: Herr Kaltmamsell nutzte den Linsenrest vom Vorabend für ein Spaghettigericht mit frischen Tomaten. Nachtisch Zwetschgenkuchen und Schokolade.

Im Bett neue Lektüre: Das vorgemerkte Ein anderes Leben von Caroline Peters stand in der Münchner Stadtbibliothek bereit. Ich war sofort drin, die Schauspielerin Peters kann so schreiben, dass ich sie verstehe, zum Beispiel:

Beide Schwestern waren plötzlich wütend auf mich. Mein Gesicht war anscheinend mal wieder in Großbuchstaben unterwegs gewesen.

Journal Samstag, 30. August 2025 – Zurück zu Routine-Samstag

Sonntag, 31. August 2025

Gut geschlafen, nur einmal von einem Rumbrüller vorm Schlafzimmerfenster rausgerissen worden.

Nach Bloggen mit Milchkaffee und Ingwertee wirbelte ich noch eine Weile haushaltlich, bevor ich zu meinem Tagessport loskam: Schwimmen im Dantebad. Das Wetter war als durchwachsen angekündigt, es sollte auch regnen – ich ließ das Fahrrad lieber stehen und nahm die U-Bahn.

Semmelkauf beim Stiglmaierplatz diesmal auf dem Hinweg noch vor elf, um mir etwas größere Auswahl als nach eins auf dem Rückweg zu sichern.

Die Sammelumkleide im Dantebad war schonmal vielversprechend wenig genutzt. Schwimmen ähnlich wenig gestört unter wechselndem Himmel, ich bekam also auch immer wieder Sonne auf meinen 3.300 Metern.

Schon am Freitag hatte sich abgezeichnet, dass Feldhamster und Eichhörnchen auf dem Wiener Zentralfriedhof nicht die einzigen Viecher waren, mit denen ich zu tun hatte: Auf meiner Haut blühten Mückenstiche, und nicht zu knapp. Gestern zeigten sie sich in ihrer ganzer Juckigkeit an Armen, Beinen, Hals.

Frühstück um halb drei: Semmeln, Zwetschgenkuchen, Trauben.

Wenigstens die Münchenteile der Süddeutschen der Woche las ich nach: Diese Infos finden mich im Gegensatz zu Deutschland- und Weltpolitik nicht so einfach auf anderen Kanälen.

Mehr Häuslichkeiten: Ich bügelte alle, was sich bügeln ließ, und sei es noch sehr feucht vom Wäscheständer (um das Kleidungsstück dann nur wenig weniger feucht zurückzuhängen).

Mehr Lesen, jetzt aber Roman und mit oft sonniger Aussicht.

Parallel bat ich auf Mastodon um Hilfe bei Recherche um das einzige Foto, das wir vom biologischen Vater meiner Mutter haben. Ich bekam tatsächlich Informationen, denen ich nachgehen kann. (Nach einer Weile, in der ich mich wieder beruhigt habe.)

Die Reportage im SZ-Magazin über Zwangsarbeiterinnenkinder hatte mir klargemacht: Dadurch dass meine polnische Oma sich weigerte, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen (“Leck mi am Oasch, will i nix zu tun haben” als meine Mutter sie seinerzeit darauf ansprach), wurde sie nicht offiziell erfasst. Das erschwert jede Recherche nochmal.

Schöne Runde Yoga, eine anstrengende Folge.

Zum Nachtmahl bekam ich Linsen (!): Herr Kaltmamsell baute die im Meiselmarkt erworbenen geselchten Schweineripperl ein, das machte sich sehr gut. Nachtisch Zwetschgenkuchen und Schokolade.

Wir sahen die letzte Folge Mad Men der ersten Staffel an, mit wirklich überraschendem Knaller am Ende (wenn auch rückblickend genügend Hinweise dagewesen waren).

Im Bett las ich endlich (in Wien war ich kaum zum Lesen gekommen) Ottessa Moshfegh, Eileen von 2015 aus. Na ja, ein erzähltechnisch interessanter Versuch, mit der Schilderung eines zentralen Ereignisses durch geballtes Foreshadowing die Jahrzehnte Leben danach zu berichten, mit der Perspektive der alten Frau auf ihr Leben als 24-Jährige. Doch in meinen Augen las sich das arg angestrengt (da nach über einem Drittel das zentrale Ereignis noch nicht mal ansatzweise eingetreten war, kalkulierte ich sogar ein, dass außer Foreshadowing gar nichts passieren würde), die Details, vor allem die äußeren, wiederholten sich irgendwann.