Nacht mit langem Loch ab halb vier – in dem ich mir zumindest ein paar Ideen fürs Abendessen ausdachte. (Und wenn die Klimakteriums-Begleiterscheinung “Brain fog” schlicht die Folge von Schlafentzug ist?)

Ich ernenne die Lessingsstraße zu Münchens Klein-Bonn. (Bin mir allerdings der starken Konkurrenz aus der Agnesstraße bewusst.)
Bedeckter Himmel den ganzen Tag, es war auch kühler geworden. Reichte aber nur zu ein paar Tropfen Regen.
Diesmal gab’s zu Mittag tatsächlich den Hüttenkäse, und zwar mit frischer Maracuja, davor ein Laugenzöpferl.
Vielfältiger Arbeitstag, doch ich war nicht zu spät fertig.
Auf dem Heimweg Obst und Brot gekauft, denn es sollte unter anderem Käse zum Abendessen geben. Zu Hause aber erst mal Nachtisch für Donnerstagabend gekocht (wir haben einen Gast!), dann eine Runde Yoga absolviert.
Neben Käse vom Tölzer Kasladen hatte Herr Kaltmamsell noch etwas vom Einkaufen mitgebracht – erster Gang des Nachtmahls mit Roggenbrot:

Tier in Form von Markknochen, gegrillt – zum ersten Mal in Deutschland beim Metzger gesehen, wir löffelten es auf Roggenbrotscheiben. Und dann ganz wundervollen Käse: Nach diesem holzfeurigen Scamorza, innen noch richtig mozzarellig, werde ich nie wieder Supermarkt-Scamorza kaufen. Dazu rote Paprika, Trauben, Birne. Es passte nur noch wenig Schokolade dahinter. Dann war ich sehr, sehr satt.
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Jen Gunter, The Menopause Manifesto ausgelesen – an einem Tag, der wieder mehrere Glutattacken pro Stunde brachte. Zefix.
Die für mich relevante Info waren etwa 20 Prozent des Buchs, ein Aufsatz hätte also gereicht, die aber sehr gründlich und tief erklärt. Großes Lob für die wissenschaftliche Absicherung praktisch aller Fakten, Hinweise und Erklärungen im Buch.
Ausführlich widerlegt Gunter, eine Gynäkologin, Vorurteile und Stereotypen über Frauen in und nach den Wechseljahren – denen ich noch nie begegnet bin. Aber ich musste mich persönlich auch noch nie mit der Behauptung auseinander setzen, eine Frau erhalte ihren Wert durch gelungene Fortpflanzung, meine Wahrnehmungs-Blase scheint klein und kuschlig zu sein – und bei mir funktionierte nicht mal zu Teenagerzeiten die Indoktrination, dass der Wert einer Frau, eines Menschen an seiner sexuellen Attraktivität hängt. Auch der Blick auf die Medizinhistorie zum Klimakterium seit der Antike interessierte mich wenig.
Ärztliche Tipps für die Wechseljahre: Herz und Blutdruck im Auge behalten, abnehmen, Sport treiben, gesunde Ernährung – das ging nicht viel über Frauenzeitschriften hinaus, die aufgeführten Belege für einen Zusammenhang mit Wechseljahr-Beschwerden sind dünn. Angeblich werden die Beschwerden durch Gewichtsabnahme geringer, in meinem Fall wurden sie parallel zum Gewichtsverlust der vergangenen Monate stärker. Genauso wenig trifft die statistisch höhere Häufigkeit von Glutattacken bei höherer Außentemperatur auf mich zu. (Andererseits: Wenn ich in der kalten Jahreszeit bis zu drei Attacken pro Stunde habe – wird das am End’ bei Sommerhitze noch schlimmer?!)
Auch sonst fand ich mich in vielen Beschreibungen nicht wieder: Nein, meine hot flushes bestehen nicht aus rotem Kopf (nie) und Hitzegefühl in Oberkörper und Armen verbunden mit Schweißausbrüchen. Sondern in unangenehmer Glut aus dem Oberkörper, die allerdings manchmal ganz praktisch auch kalte Füße aufheizt.
Aber ich lernte durchaus, u.a. dass die derzeit hohe Frequenz meiner Glutattacken auf ein besonders rapides Absinken des Hormonspiegels hinweist, das kennt man sonst von jüngeren Frauen, denen die Gebärmutter samt Eierstöcken entfernt wurde. Interessant fand ich auch die Messbarkeit der Attacken (Puls, Körpertemperatur), dass aber ein Abgleich mit dem subjektiven Empfinden sich nicht unbedingt deckt (manche Frauen bemerken sie nicht).
Superinteressant: Gunter nennt Zahlen, in welchen Industrienationen Frauen welche Therapie bei Problemen (extrem starke Blutungen) bevorzugen – und setzt sie in Beziehung zur Kostenstruktur im Gesundheitswesen. So weist sie recht einfach nach, dass die deutlich überdurchschnittlichen vielen Totaloperationen in den USA schlicht die kostengünstigste Lösung für Frauen sind, die “done with it” sein wollen – also nicht weiter für Medikamente und Artzbesuche zahlen wollen/können.
Der für mich zentrale Input war der zur Hormonersatztherapie: Ich hatte irrtümlich angenommen, dass eine Hormontherapie den Scheiß lediglich rauszögert, dass jede Frau früher oder später durch ihre persönlichen Klimakteriumsbeschwerden durchmuss, von praktisch keine (30%) über mittelschwer (30%) bis schwer (30%). Jetzt habe ich begriffen, dass externe Hormongabe die Symptome mildern kann, bis der Hormonstoffwechsel des Körpers mit der Umstellung durch ist. Und habe bereits einen Arzttermin vereinbart (drücken Sie mir die Daumen, dass der bislang unbekannte Herr etwas taugt).
Wofür ich wieder keine ausführlichen Kapitel gebraucht hätte: Für die Beweisführung, dass keine medizinischen Produkte vor Einführung in den Verkauf so genau geprüft werden, ab Verkauf so minutiös getrackt und überwacht werden wie die von “Big Pharma”, also von hochprofessionellen Pharmaunternehmen. (Weswegen Sie ja auch jeder Werbung für anscheindende Arzneien misstrauen sollten, die nicht mit “Zu Risiken und Nebenwirkungen etc. etc.” begeleitet wird: Hohe Wahrscheinlichkeit von reinem Marketingprodukt ohne erwiesene Wirkung.) Mich muss man auch nicht minutiös durch die Argumente führen, mit denen die Unzuverlässigkeit und die Risiken “natürlicher Mittel” belegt werden.
Und ein großes Kapitel über “gesunde” Ernährung hätte ich wirklich nicht gebraucht, dankeschön (Gut-Kärtchen allerdings für die Betonung, wie empirisch wacklig alle wissenschaftlichen Aussagen in diesem Feld sind). Oder ein weiteres über Nahrungsergänzungsmittel – das lediglich wiederholen kann, das es keinen gesicherten Nutzen gibt. Über Verhütung in den Wechseljahren brauchte ich ebenfalls keine Information (*schnippschnapp* mit 30, bzw. *schmurgel*).
Grundsätzliche Erkenntnis: Ja, Frauen sollten über das Klimakterium ebensogut informiert sein wie über die Pubertät, lassen Sie uns mehr darüber sprechen.
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Markus Theunert vom Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen nimmt die Kriegs-getriebenen Schmähungen menschlicher Männer auseinander:
“Sie träumen schon wieder von harten Kerlen”.
Es gibt eine Grundlage, auf die sich alle Fachleute der Geschlechterforschung und Männerarbeit verständigt haben: Männlichkeit bezeichnet als Begriff und Konzept die Gesamtheit der Anforderungen, die sich an Männer richten. Sie sind kulturell vermittelt, nicht gott- oder naturgegeben. Am männlichsten ist, wer diesen Männlichkeitsimperativen am meisten entspricht. Das ist jedoch eine unmögliche Mission. Bereits die traditionellen Männlichkeitsanforderungen – in jeder Lebenslage leistungsstark und souverän sein – waren unerreichbar. Ihre widersprüchliche Teilmodernisierung – in jeder Lebenslage leistungsstark und souverän bleiben, aber bitte gleichzeitig auch noch einfühlsam, sozialkompetent und männlichkeitsreflekiert sein – sind erst recht unerfüllbar. So mäandern viele Männer eher verwirrt als bestimmt durch die geschlechterpolitische Transformation und sind vor allem eins: orientierungslos ob all der Doppelbotschaften, die auf sie einprasseln. Denn so vehement die modernisierte Norm des entgifteten Mannes eingefordert wird, so hartnäckig halten die Institutionen – nicht nur in der Arbeitswelt – am Ideal des allzeit verfügbaren Superperformers fest.
(…)
Das Patriarchat kann sich nur halten, solange Männer und nicht Männlichkeitsnormen als Wurzel des Übels gelten. Als besonders wirkungsvoll erweist sich dabei, Männer in einem permanenten Gefühl des Ungenügens zu halten, verbunden mit der Angst, ihre Defizite an «echter Männlichkeit» könnten auffliegen. Denn solange genügend Männer genügend Schiss vor ihrem individuellen Versagen haben, so lange können sie sich nicht verbünden im gemeinsamen Kampf gegen ein patriarchales System, das ihnen genauso schadet wie Frauen und Kindern und das diese Angst vor dem individuellen Ungenügen als Machtmittel kultiviert.
Der SPIEGEL-Artikel ist in der Abwertung männlicher Vielfaltsbemühungen ein wunderbares Beispiel, wie pseudoemanzipatorische Reproduktion patriarchaler Macht funktioniert. Er redet Männern ein, ihre tastenden Versuche, die Männlichkeitskorsette ihrer Vorväter zu sprengen, seien schwächlich. Wer sich etwas mit männerrechtlerisch-antifeministischen Ideologien auseinandersetzt, weiss: «Schwächlich» ist die Chiffre für «weiblich». Das ist das bespielte Ressentiment: die heutigen Männer verweiblichen. Um Putin & Co. die Stirn zu bieten, brauchen wir wieder «echte Männer» (oder Frauen, die gelernt haben, sich wie solche zu verhalten).
Das ist eine perverse Umkehr der Sachlage: Autoritäre Machtmänner führen die Welt an den Abgrund eines dritten Weltkriegs. Ausbeuterische Männlichkeitsideologien führen den Planeten an den Abgrund der Klimakatrastrophe. Und der Weg aus dem Schlammassel soll das Revival der autoritären Machtmänner und der ausbeuterischen Männlichkeitsideologien sein – einfach in zeitgeistig-ausbalancierter frischer Verpackung?
