Journal Samstag, 23. Januar 2021 – Auf den Spuren des schwulen 80er-Pop
Sonntag, 24. Januar 2021Ausgeschlafen – nach zerstückelter Nacht war die Stunde morgens zwischen 6.45 und 7.45 Uhr die beste.
Auf dem Sportplan stand Cardio mit Crosstrainer. Bereits in Sportkleidung, aber mit Winter drüber ging ich vorher noch zur Post: Wieder ein paar Bücher losgeworden. (Das Angebot steht weiterhin: Große Mengen Belletristik auf Deutsch und Englisch gegen Porto abzugeben.)
Auf dem Crosstrainer stellte ich fest, dass sich meine In-Ear-Kabelkopfhörer endgültig verabschieden: Immer wieder ist ein Kanal unhörbar, zudem fallen sie trotz Kabelführung übers Ohr raus, ich schwitze sie weg. Ich werde für heftiges Gehoppel ein Modell mit Klammer/Bügel ums Ohr brauchen.
Noch nassgeschwitzt buk ich den Wochenendkuchen: Amerikanische Apfeltorte. Wurde gut, allerdings waren mir die Äpfel noch ein wenig zu knackig.
Das Wetter war recht konsequent greislig: Düstere Wolken, hin und wieder Regen, hin und wieder ein paar Schneeflocken. Ich blieb den Rest des Tages drin, las, hörte, guckte, im Dunklen noch eine Runde Yoga.
Zum Frühstück gab es ein Stück Hartweizling vom Vorabend.
Dazu versuchte ich den Schimmelkäse Sorte Seife-mit-Reißnägeln zu retten, indem ich ein paar Stücke mit Mascarpone verknetete, salzte und mit etwas Ahornsirup süßte. Wurde essbar. Nachmittags gab es Apfelkuchen und die Kerne eines Granatapfels.
Bis zum Abendessen packte ich die diesjährige Meldung von Blogposts bei der VG Wort an, auf dass es wieder reichlich Ausschüttung (GELD!) geben möge.
Nachtmahl war Gockel, Teil 2: Hühnerschenkel mit Paprika-Tomaten-Sauerrahmsoße.
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Den Morgen hatte ich mit „Tainted Love“ und Soft Cell verbracht (vielen Dank für die Tipps!). Mir wurde klar, wie schwul die 80er waren, musikalisch und ästhetisch – wobei die Definierbarkeit einer schwulen Ästhetik und Szene natürlich Ergebnis der Ausgrenzung und Diskriminierung von Homosexualität ist, die sich in geschützten Nischen verstecken musste. (Nein, Schwule kommen nicht mit einer Federboa / mit einem Nietenhalsband auf die Welt.) (Oder? Was weiß denn ich Vanilla-Hete schon…)
Auch Erscheinungen wie Madonna kamen ja aus der Schwulenszene, in diesem Fall der in New York. Die Londoner Kajal-Schwulen wie Boy George, die Herren Synthie-Pop und androgyne Ästhetik wie die der Eurythmics gehörten ebenfalls zusammen. Waren Lesben damals überhaupt schon erfunden? Ich meine im popkulturellen Sinn. (Wobei mir dazu „Mujer contra mujer“ der spanischen Pop-Band Mecano einfällt, das kam 1988 raus.) Blühte lesbische Kultur erst im Grunge der 90er auf? Ist hier eine Kulturwissenschaftlerin im Publikum, die sagen kann, ob es dazu Forschung gibt?
Einer der Tipps war dieses Guardian-Interview von 2016:
„Marc Almond: ‘I’ve had the chance to be subversive in the mainstream’“.
Wobei der Soft Cell-Gründer Marc Almond darauf hinweist, dass wir als Gesellschaft noch einen langen Weg vor uns haben:
Being a gay artist back then was tough, Almond says, and although things are better now, they’re not as good as they should be. “The less mainstream press are a lot more accepting, but in other areas there’s still a tendency to accept the gay stereotype – I call it the gay clown – who’s prepared to do a gay performance for straight people, and that bothers me.” He rails at The X Factor’s treatment of gay contestants particularly. “There’s this homophobic side to it – they pick a gay person who’s going to be super-super-camp. What they’re saying is ‘Let’s just have a bit of a laugh at them’, really.” He is visibly riled. “I would never have got through these auditions. I’d be one of the quirky ones they’d stick in as a novelty act.”
The “acceptable face of gayness” in general culture gets him bristling too. “You’ve got to be good looking, chiselled, have a bit of Botox, and wear a designer outfit to be accepted – and you’ve got to be married, preferably. Where does the loner outsider in Castleford fit into all that? In the north, camp is still a weapon and a survival mechanism, but it’s still derided. At least the gay community was more unified back then. Parts of the gay community are not valued as much as other parts in 2016… It’s very divided these days.”
Wobei auch das frühere schwule Gemeinschaftsgefühl sehr wahrscheinlich Ergebnis der Diskriminierung und Verfolgung war. Je gesellschaftlich akzeptierter Homosexualität wird, desto individueller kann sie sein.
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Durch einen Hinweis im SZ-Feuilleton kam ich auf dieses Gespräch zwischen Jodie Foster und Anthony Hopkins zum Start von Silence of the Lambs vor 30 Jahren:
https://youtu.be/u2QjdRaLfa8
Hier nachzulesen:
„Jodie Foster and Anthony Hopkins Reunite for ‘Silence of the Lambs’ 30th Anniversary“.
Eine faszinierende Unterhaltung zwischen zwei völlig verschiedenen Künstler*innen. Auf der einen Seite Hopkins als Vollblut-Schauspieler, der eisern behauptet, er täte doch gar nicht mehr als ans Set zu kommen und seinen Text zu sprechen. (Dann aber doch auf Nachbohren beschreibt, woraus sich die Ausgestaltung seines Hannibal Lecter speiste.) Auf der anderen Seite Foster als Intellektuelle, die plant, analysiert, reflektiert, strukturiert. Die vor der Kamera stand, seit sie drei war – weil das halt das Familiengeschäft war (und nebenher erzählt, wie sie sich als Kind am Set damit beschäftigte, mit welcher Linse was aufgenommen wurde und welchen Unterschied das machte). Die laut eigener Aussage wöchentlich beschließt, nie wieder zu schauspielen, weil sie eigentlich keine Schauspielerin sei, sondern Filmemacherin. Ihre Analyse der Figur Clarice Starling fand ich brillant.
Worin sich beide einig sind: Dass der Schlüssel zu einem außergewöhnlich guten Film ein außergewöhnlich gutes Drehbuch ist. Und dass Silence of the Lambs genau das hatte (von Ted Tally).