Essen & Trinken

Journal Mittwoch, 26. November 2025 – Vom Bücheraussortieren

Donnerstag, 27. November 2025

Gute Nacht – bis auf die Stunde vor Weckerklingeln, als ich nicht mehr einschlief und von Arbeitsdingen verfolgt wurde.

Das gestrige Wintersauwetter bestand aus leichtem Schneeregen bei nasser Kälte etwas über Null. Ich wagte einen neuen Versuch der Theresienwiesen-Ost-West-Passage: Hurra, sie war entsperrt, es begann das halbe Jahr mit Luftlinien-Arbeitsweg.

Am Schreibtisch eher hektische Sichtung und Bearbeitung, denn die erste Tageshälfte war mit einer internen Online-Veranstaltung belegt.
Es kostete mich einige Kraft, mich auf diese Infos zu konzentrieren, da von vielen Seiten weitere Reize, Menschen, Nachrichten auf mich stürzten.

Vorm Bürofenster gelangweilte einzelne Schneeflocken in Dezemberdüsternis, im Lauf des Vormittags wechselnde Dichte und Konsistenz.

Folge der Veranstaltung: Keine Chance rauszukommen, Mittagscappuccino aus dem Automaten, in der eigentlichen Mittagspause der Veranstaltung Blitzerledigung von Querschüssen, Mittagessen während eines Programmpunkts Äpfel, Bananen, Trockenpflaumen.

Emsiger Nachmittag mit schlechter Laune, Nacht wurde es ab 15:30 Uhr.

Auf dem Heimweg (Nieselregel, ich brauchte meinen Schirm) Einkäufe beim Vollcorner, wieder bereits fürs Wochenende; zu meinem Ärger bekam ich einiges nicht, womit ich sicher gerechnet hatte.

Zu Hause schnell ausgeräumt und Pflanzen gegossen, dann spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell in Schneeregen zum Abendessen: Japanische Suppe bei Hako Ramen am Oberanger.

War gut und sättigte, aber ich träume halt immer noch von Ramen, wie ich es vor 20 Jahren bei Wagamama kennengelernt habe. Dazu Kimchi, das sehr ähnlich schmeckte wie das von Herrn Kaltmamsell, also gut.

Daheim gab’s noch Eiscreme und Schokolade.

Sehr früh ins Bett zum Lesen, sehr früh Lichtaus.

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Re: Bücherausmisten. An den Kommentaren wurde mir bewusst, dass viele Mitlesende meinen Geschichte mit Büchern nicht kennen (ja wie – nicht alle hier lesen seit 22 Jahren mit?!).

Ich komme aus einer nahezu buchlosen Familie und deckte meinen großen Lesehunger, der mit Lesenlernen einsetzte, in der Pfarrbücherei St. Pius, dann in der Schulbücherei des Reuchlin-Gymnasiums und der Ingolstädter Stadtbücherei. Eigene Bücher, die ich zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekam, waren mein kostbarster Besitz, ich schützte ihn ab Teenager-Jahren sogar mit Folien-Umschlägen. Mit dem Geschenkgutschein meiner lieben Taufpatin Irmi gar in den Buchladen Schönhuber zu gehen und selbst ein Buch zum Kauf auszusuchen – das war eine komplett andere, paradiesische Welt.

Nach dem Abitur absolvierte ich ein Zeitungs-Volontariat, in dem ich so viel verdiente, dass ich mir jedes Buch kaufen konnte, das ich lesen wollte – ultimativer Luxus. Auch während meines Studiums waren Bücher ganz oben auf meiner Liste materieller Prioritäten, dafür sparte ich lieber an anderem (zum Beispiel, wenn ein neuer John Irving rauskam). Meine Bibliothek wuchs schnell, der Anblick der gefüllten Regale erfüllte mich tiefem Stolz. Das war eine schöne Zeit.

Nächste Bücherlebensphase ab 1997: Zusammenziehen mit Herrn Kaltmamsell – und seiner Bibliothek, die wegen einiger Sammel-Schwerpunkte (ich habe nie gesammelt) noch größer war als meine. Die Verbindung beider Bestände erforderte fürs Wiederfinden ein Sortiersystem; dass wir uns sofort auf eines einigten, war für mich der bis dahin deutlichste Beweis, dass ich den für mich bestmöglichen Partner gefunden hatte. Außerdem nahm Herr Kaltmamsell mich in Second-Hand-Buchläden in Deutschland und England mit, ich kaufte Rucksack-weise.

Es folgten Jahre der Berufstätigkeit, in der mein Buchbestand immer weiter wuchs – wir dachten über einen Ausbau unserer Bibliothek mit Regalen im rechten Winkel zu den Wandregalen nach. (Damals beantwortete ich Blog-Stöckchen zu Büchern noch so.)

Doch langsam erfüllte mich der Anblick immer weniger mit Stolz, sondern mit Sorge: So konnte das für mich ganz sicher nicht weitergehen. (Wahrscheinlich gleichzeitig mit meinem gesamten So-kann-das-nicht-weitergehen.) Die erste Phase des Aussortierens galt allen Büchern, die mir nicht gefallen hatten.

Gleichzeitig entwickelte ich über die Jahre eine Abneigung gegen dinglichen Besitz: Zu viele Möbel, zu viel Kleidung, zu viele Sachen – neue Sachen kamen mir am liebsten nur ins Haus, wenn etwas dafür wegkam. Jetzt sortierte ich Bücher aus, die ich nicht nochmal lesen würde.

In dem Jahr vor unserem Umzug innerhalb desselben Hauses wurde mein Weggeben 2020/2021 richtig systematisch: Ich las immer mehr als E-Book, dadurch merkte ich, dass ich selbst Bücher, die ich vielleicht nochmal lesen wollte, ja dann als E-Book lesen könnte. Berechtigung zum Behalten hatten jetzt nur noch Bücher, an denen mir aus welchen Gründen auch immer lag. Der Rest kam möglichst weg, hier ein Beispiel. Und weil es schon seit vielen Jahren schwierig ist, Bücher loszuwerden, verschenkte ich sie stapelweise gegen Porto.

Der verbleibende Bestand zog mit mir in die neue Wohnung, geschätzt ein Drittel meines Höchst-Bestands. Was jetzt die Bücherregale in fast jedem Zimmer unserer Wohnung füllt (und bei Besuch immer noch aufgerissene Augen hervorruft), gehört zum allergrößten Teil Herrn Kaltmamsell – darunter auch in den vergangenen Jahren neu Gesammeltes (allerdings hat auch er in den vergangenen 10 Jahren deutlich aussortiert).

Und jetzt nähere mich eben dem Kriterium: Welches Buch werde ich nicht vermissen? Buchbesitz macht mich schon lang nicht mehr stolz, nur die allerwenigsten Bücher erfreuen mich im eigenen Haus.
(Menschen sind verschieden. Ich freue mich wirklich sehr, wenn es weiterhin so viele Bücherleseri*innen mit Faible für das Ding Buch gibt, dass ganz viele vor allem Inhaber-geführte Buchläden davon leben können.)

(Anlässlich seines Umzugs schreibt auch Southpark gerade übers Bücheraussortieren.)

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Schöne Serie von Fotos auf der Staten Island Ferry bei instagram – reflexartige Zuschaltung dieses Sounds (nochmalige Empfehlung des Films Working Girl von 1988 – einer der wenigen Mainstream-Filme dieser Epoche, die sich wirklich gut gehalten haben).

Journal Samstag, 22. November 2025 – Ernsthaft frostig, aber drinnen warm

Sonntag, 23. November 2025

Nächtliches Herablassen des Rollladens erleichterte langen Schlaf, ich stand nur wenig verkatert auf (mehr von Geselligkeit als Alkohol). Draußen kümmerliche Schnee-Überzuckerung, Aussicht auf viele Monate Fahlheit vorm Fenster.

Wie ich mir die Wintermonate schönrede, Teil viele: In kahlen Bäumen sehe ich die Eichhörnchen viel besser. Gestern zum Beispiel eines beim Zeitungholen morgens vorm Haus: Dunkelbraun und angemessen propper und rund gefuttert.

Wieder diese Illusion: Ach, wenn ich um acht aufstehe, bin ich locker zwei Stunden später startklar für Schwimmen. Nein. Weil Geschirrspüler ausräumen und neu füllen, Milchkaffee kochen, bloggen, dazwischen mit Herrn Kaltmamsell über den Vorabend reden und was mir sonst so durch den Kopf geht, weiterbloggen, Tee kochen, Wohnung räumen, unter anderem Tischverlängerungsplatte zurückräumen (wir hatten schon so lange keine größere Gruppe Gäste mehr gehabt, dass mir Freitagabend nicht auf Anhieb eingefallen war, wo die wohnt – mein erster Gedankenblitz “auf dem Wandschrank in meinem Zimmer” stellte sich zum Glück als korrekt heraus).

Verrücktheit des Tages: Ich blies meine Schwimmpläne ab. Als ich schon gepackt hatte und auf dem Weg zur Morgentoilette war, ging ich im Kopf die weiteren Schritte des Tages durch, und als mir klar wurde, dass es beim Kauf der Frühstückssemmeln bereits deutlich nach zwei sein würde, fühlte sich der Tag gehetzt an – schließlich wollte ich noch Stollen backen. Statt dessen also gemütliche Morgentoilette und Einkaufsrunde inklusive Frühstückssemmeln.

Ich spazierte im Frost extra Umwege, um auf dem Viktualienmarkt und in der Sendlinger Straße Touristen zu gucken. Am Hackenplatz blieb ich eine Weile stehen und sah nach oben: Ich hatte im wintergrauen Himmel eine blaue Lücke entdeckt.

Die Christkindlmarktbuden waren noch deutlich im Werden: Anders als in Hamburg startet diese Phase in München in deutlicherer Sichtweite von Advent (die meisten Standorte öffnen dieses Jahr am Freitag, 28. November).

Zudem: erster Praxistest Apple Pay. Vergangene Woche war die Kreditkarte eingetroffen, die ich als Sparda-Kundin dafür benötige, Inbetriebnahme am Handy brauchte nur eine Extra-Schleife, weil ich dafür eine Kundennummer nachschlagen musste, die nichts mit meiner üblichen zu tun hat. Die gestrigen Einkäufe zahlte ich dann alle mit Handy – völlig problemlos, ohne Werbeunterbrechungen und ohne vorheriges Aufladen der App wie beim vorherigen Dienstleister. Ich warte aus reinem Aberglauben noch ein Weilchen und weitere Praxiseinsätze, bis ich ich Account und App dieses Vorgänger-Dienstleisters lösche.

Daheim also Stollenbacken nach dem vertrauten Rezept von Bäcker Süppke.
Die Küche wurde überraschend hell: Draußen kam tatsächlich die Sonne raus.

Während der Stollenteig ging, gab es um zwei Frühstück: Gelbe Kiwi, Körnersemmel mit Chili-Käse – nur eine von den beiden Semmeln, die ich gekauft hatte, weil ich davon unerwartet satt wurde (fehlendes Schwimmen?).

Nachmittag mit Stollenbacken, Zeitunglesen – alles in Muße und mit Zeit sogar für längere Blicke aus dem Fenster, um zum Beispiel Krähen beim Flug ins Abendrosa nachzusehen. Dabei sehr erfreulich: Ich bekam die Wohnung problemlos warm.

Abends nochmal Kücheneinsatz: Aus den Ernteanteil-Äpfeln bereitete ich zum Nachtisch Apple Crisp.

Während der Ofenphase eine Einheit Yoga, ich genoss sie.

Erste Male: Bettelbesuch vom Roten Kreuz an der Wohnungstür. Als es abends klingelte, hoffte ich auf die ersehnte Crowdfarming-Lieferung (siehe unten), doch die junge Frau mit Tablet in der Hand wollte mich als Spenderin gewinnen. Ich reagierte freundlich mit der Behauptung, das würde ich mir überlegen (an der Haustür unterzeichne ich gar nichts, was erlaube), recherchierte aber nachher, ob es sich überhaupt um etwas Seriöses handelte: Ja, das Rote Kreuz bettelt auch an Haustüren.

Zum Nachtmahl gab es nach einem Calvados-Tonic als Aperitif herrliche Curry-Reste vom Vorabend plus Postelein-Salat aus Ernteanteil, zum Nachtisch Apple Crisp mit flüssiger Sahne (die Haferflocken-Streusel besonders dunkel, weil ich Muscovado-Zucker verwendet hatte).

Gestern sollte ein Crowdfarming-Paket geliefert werden, Mangos und Avocados. Zustellung war eigentlich für Freitag angekündigt gewesen, Freitagabend hieß es, dass sie auf Samstag verschoben werde. Gestern Abend sah ich zweimal im ganzen Haus und vor dem Tor nach (ich hatte die Option Abstellen vor der Wohnung gewählt): nichts. Zweimal morgens Verladen und abends Ausladen, zwei Tage in Eiseskälte hätten mich schon bei gestriger Lieferung gespannt auf den Zustand der Ware gemacht – jetzt rechne ich nicht mehr damit, dass ich verzehrbaren Inhalt erhalte.

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Lesetipp aus der Wochenend-Süddeutschen 1: “Wie konnte aus der ‘Renaissance der Bahnhöfe’ so ein Debakel werden?” Gerhard Matzig analysiert, was der immer schlechtere Leumund deutscher Großinnenstädte mit Bahnhofsbaustellen zu tun hat (€):
“Man versteht nur noch Bahnhof”.

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Lesetipp aus der Wochenend-Süddeutschen 2: Die Rubrik “Kostprobe”, also die Restaurantkritik im Münchner Lokalteil, gibt es seit 50 Jahren. Die lese ich eigentlich immer, habe schon manchen wertvollen Hinweis bekommen und schätze die Inhaltsstruktur, der ich entnehmen kann, ob das Lokal etwas für mich ist oder nicht (so mag ich auch Roman-Rezensionen) – Berichte über Landgasthöfe zum Beispiel, für deren Anfahrt ein Auto nötig ist, lasse ich gleich aus.

Aus diesem Anlass erzählen die anonymen Koster*innen (Kern des Konzepts) von ihren Erlebnissen (€):
“Guten Appetit! Oder lieber doch nicht?”

Diese Anekdote aus den 50 Jahren gefiel mir besonders:

Journal Freitag, 21. November 2025 – Offizieller erster Schnee, Currys mit Gästen

Samstag, 22. November 2025

Recht gute Nacht, aber Freude aufs Ausschlafen am Wochenende.

Weitere Handgriffe zur Vorbereitung der Wohnung auf Gäste – nicht wegen “was sollen die sonst denken?!”, sondern weil Gäste es bei uns möglichst schön haben sollen. Was bei mir regelmäßig den Wunsch auslöst, es selbst auch immer so schön in der Wohnung zu haben und zu nachhaltigerem Aufräumen führt.

Zum ersten Mal Arbeitsweg in kompletter Winterkleidung mit langem Wintermantel, warmer Mütze, warmen Handschuhen, Stiefeln.

Zum emsigen und etwas durcheinanderen Arbeitsvormittag gehörten auch Einkäufe. Weg zum Mittagscappuccino in Wintergrau mit vereinzelten winzigen Schneeflocken.

Im Töpferatelier Maria Cepissakova gegenüber vom Stray in der Gollierstraße neue Tonkunst, die mich von der Ferne sehr an von Hagens Körperwelten erinnerte.

Zu meinem Mittagessen (Trockenpflaumen, eingeweichtes Muesli mit Joghurt) wurden die Schneeflocken größer und dichter. Das Licht typisch dezemberlich, mein Gemüt verschattete sich jahreszeitsgemäß.

Pünktlicher Freitagsfeierabend, Heimweg über ein paar Vollcorner-Einkäufe in leichtem Schneefall.

Räumen und Vorbereiten für die Abendessensgäste (Arbeitskolleg*innen von Herrn Kaltmamsell), die Wohnung duftete bereits wundervoll nach den Currys, die Herr Kaltmamsell kochte.

Es klingelte pünktlich, ein heiterer Abend mit gutem Essen begann: Gin Tonic zum Aperitif und zur Wohnungsführung, dann Palak Paneer (mit Blattspinat besonders gut), Butter Chickpeas, Chicken Tikka, Paneer Tikka, Dhal, gefülltes Pfannenbrot, Reis. Im Glas ein frischer Rheinhessischer Riesling. Als Dessert servierte Herr Kaltmamsell zu meiner großen Freude Sticky Toffee Pudding. Dazu rege Unterhaltung, über die Arbeit wurde tatsächlich am wenigsten gesprochen. Zu fotografieren vergaß ich völlig, jetzt erst fällt mir ein, dass ein Gruppenfoto vom Abend – auch noch so gestellt – später sehr gefreut hätte. Vielleicht denke ich zukünftig bei Einladungen dran.

Abschied im Pulk gegen halb zwölf, mit Herrn Kaltmamsell räumte ich noch ein halbes Stündchen und brachte Wohnung und Küche zumindest in einen Zustand, zu dem man am nächsten Morgen gern aufstehen würde.

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In der Süddeutschen zu 80 Jahren Nürnberger Prozesse fünf spannende Portraits (€):
“Fünf Frauen, die Weltgeschichte schrieben”.
Es geht um eine Völkerrechtlerin, eine Auschwitz-Überlebende, eine Technikerin und eine Übersetzerin.

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Auf Bluesky ein Thread, der in Erinnerung ruft, wie viel Schattierungen von Übergriffigkeit und sexueller Gewalt an Universitäten und im Berufsleben Frauen klein halten. Ich schaffte es nicht, alle Replys zu lesen, meine Stimmung war eh schon dunkelgrau).

Mein Appell an Männer, die ihr sowas niemals tätet: Es reicht nicht, diese Täter-Männer zu verachten. Denkt darüber nach, wie ihr sie davon abhalten könnt. Spannt Antennen auf in eurem Arbeitsumfeld für Kollegen, die sich daneben benehmen, für Mädchen und Frauen, die bestimmte Männer meiden. Ich habe zum Beispiel erst Jahrzehnte nach der eigenen Schulzeit erfahren, dass die Lehrer, die ich halt creepy fand, nicht nur das waren.
In diesen Fällen entsteht der Schaden übrigens nicht durch not all men, sondern durch Ablenkung der Aufmerksamkeit auf die (real existierenden) Fälle von Falschbeschuldigungen – die extrem selten sind.

Mal wieder wichtig: Nur dass Ihnen das als Frau nie passiert ist, bedeutet nicht, dass die betroffenen Frauen irgendwas falsch gemacht haben oder gar selbst schuld sind. Und wenn Ihnen persönlich zudem solche Geschichten nie erzählt werden, bedeutet das nicht, dass es sie in Ihrem persönlichen Umfeld nicht gibt.

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Der neue Stuttgarter Bahnhof wird auch weiterhin erstmal nix, die Verschiebungsmeldungen haben ungefähr denselben News-Wert wie 50 Jahre lang die Verschiebungsmeldungen zum neuen Berliner Flughafen. Der aber, und das möchte ich allen Stuttgarter*innen und allen Bahnfahrenden zur existenziellen Aufmunterung unbedingt anreichen, Ende 2020 TATSÄCHLICH IN BETRIEB GENOMMEN WURDE!!! Daran halte ich mich ja auch bei der Baustelle München Hauptbahnhof fest, die weit niedriger unterm Radar ins Unendliche fliegt als Stuttgart 21.
Der schwäbische Comedian Fabi Rommel raffte sich dennoch zu einem Kommentar auf.

Journal Donnerstag, 20. November 2025 – Erster Schnee auf Vertrauensbasis

Freitag, 21. November 2025

Mittelgute Nacht, aber ich litt nicht.

Es war milder als am Mittwoch, kein Frost auf Straßen und Autos.

Arbeitsvormittag turbulenter als erwartet. Doch ich lernte dabei einiges, konnte anderen mit Wissen aushelfen, das ich nur durch meine mittlerweile über zehnjährige Betriebszugehörigkeit habe (ich bin jetzt offiziell eine der alten Kolleginnen, bei denen man sich Bitten um Hilfe wahrscheinlich dreimal überlegt, weil man zur Hilfe unweigerlich Geschichten aus der Betriebshistorie anhören muss).

Aber auch im Internet lernte ich wieder Dinge, so war mein Wort des Tages: geleint.
So heißt es wohl, wenn im Schwimmbecken Bahnen mit Trennleinen separiert sind. Beispiel: Das Sportbad am Rabet Leipzig ist komplett geleint.
Das musste ich natürlich sofort auf Mastodon weitergeben (schließlich ist meine Motivation für Schreiben ins Internet vor allem “Da! Guck mal!”) und wurde mit dem Hinweis auf die Podcastserie Chlorgesänge belohnt, mit dem möglicherweise besten Podcast-Namen überhaupt. Beim Stöbern dortselbst (leider gibt es in meinem Leben ja nahezu keinen Platz für Podcast-Hören) entdeckte ich, dass es tatsächlich Wettbewerbe im Geräteschwimmen gibt, zum Beispiel Finswimming mit Flossen.

Ein Mittagscappuccino im Westend war dann doch möglich (nach dreimal Terminverschiebungen).

Auf meinem Rückweg Sichtung der allerersten kleinen Schneeflocken – aber was nicht fotografierbar ist, güldet bekanntlich nicht.

Zu Mittag gab es später Birnen, Bananen, Trockenpflaumen, Nüsse.

Am frühen Nachmittag ein biiiiisschen größere Schneeflocken, aber nur wenige Minuten lang.

Fast pünktlicher Feierabend, denn ich war dran mit dem Abholen des Ernteanteils, Herr Kaltmamsell war verhindert. Ich marschierte hin durch kalte, aber weiterhin nicht frostige Luft, Stimmung leider bereits dezemberlich. Inhalt des Ernteanteils besonders schöne Äpfel, Zuckerhut, eine Stange Lauch, Grünkohl, Postelein.

Daheim erstmal Häuslichkeiten. Ich bügelte Tischdecken und räumte schon mal ein bisschen in der Wohnung: Für Freitagabend hatte Herr Kaltmamsell Gäste zum Essen eingeladen, während er fürs Einkaufen und Kochen zuständig war, erledigte ich den Rest. Und stellte fest, dass wir schon zu lange keine Gäste mehr gehabt hatten, ich musste viele Stapel und Nester verstecken (echtes Aufräumen später, vielleicht).

Yoga geturnt, nur wenig aufhellend. Zum Abendessen bereitete ich mir aus Ernteanteil zwei Drittel des Zuckerhuts als Salat zu, mit Orangen-Haselnussmusdressing. Diesmal rieb ich auch ein wenig Orangenschale rein – schmeckte hervorragend, mache ich künftig immer. (Küchenzeilenbeleuchtung übrigens wieder zurück auf eins von fünf, Spüle komplett unbeleuchtet – aber die fast 24 Stunden mit Licht waren echt schön.) Nachtisch Kekse und Schokolade, zu viel davon.

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50 Jahre nach dem Tod Francos gibt es in deutschen Medien verstärkt Berichterstattung über die Zeit seiner Diktatur, die noch lange nicht aufgearbeitet ist. Für die Süddeutsche schreibt Spanien-Korrespondent Patrick Illinger über die Zehntausenden Frauen, die unterm Franco-Regime (und den zehn Jahren danach) in katholischen Besserungsanstalten gequält wurden (€):
“‘Meine eigene Mutter lieferte mich im Heim ab'”.

Für die taz berichtet Rainer Wandler aus Spanien über den Jahrestag:
“Francos langer Schatten”.

Was für viele Opfer am schwersten wiegt, ist die Straffreiheit der Täter. Sie wurden nie gerichtlich verfolgt, denn die Verbrechen fallen für die spanische Justiz unter die Amnestie von 1977. Damals wurden diejenigen, die wegen antifranquistischer Aktivitäten eingesperrt waren oder verfolgt wurden, amnestiert, aber auch die Verantwortlichen für die knapp 40 Jahre dauernde Repression in Bürgerkrieg und Diktatur. Ein klarer Verstoß gegen internationales Recht. Denn Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren nicht und können auch nicht amnestiert werden. Spanien hält dennoch daran fest.

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Ich hatte mir nicht vorstellen können, Emma Thompson noch mehr zu lieben, aber es geht.
“Emma Thompson Boards Oscar Contender ‘Jane Austen’s Period Drama’ as ‘Executive Menstrual Advisor’: ‘A Bloody Little Gem'”

The Oscar shortlists for live action short and a number of other awards will be announced on Dec. 16, which just so happens to be Jane Austen’s 250th birthday.

Journal Mittwoch, 19. November 2025 – Mit jemenitischem Abendessen

Donnerstag, 20. November 2025

GUT GESCHLAFEN! Nur einmal Klogang, kurz vor Weckerklingeln erfrischt aufgewacht, das war schön.

Während sogar Rheinhessen die ersten Schneeflocken des Winters meldete, hatte es die Münchner Innenstadt gerade mal zu Frost geschafft. Dafür gab es bei uns blauen Himmel und Sonne.

Stand der Theresienwiese. Gesperrt ist sie nach fünf Monaten Oktoberfest-Aufbau, -Toben, -Abbau aber immer noch.

Emsiger Vormittag, ich fühlte mich nützlich und an der richtigen Stelle. Erster nennenswerter Mittagscappuccino der Woche im Westend inklusive Marsch durch helle, kalte, Winterluft.

Zu Mittag gab es am Schreibtisch Kiwi, Banane, eingeweichtes Muesli mit Sojajoghurt.

Emsiger Nachmittag, der sich durch besonders geschickte Work-arounds erfolgreich anfühlte. Allerdings länger schon gar nicht vermisstes Feature: Schwindel.

Nach Feierabend Lebensmitteleinkauf in größerem Umfang (u.a. wegen Stollenbacken am Wochenende), auch hoffte ich, dass endlich Meyer Lemons auftauchen würden. Leider enttäuschten mich die Obstregale.

Zu Hause packte ich nur schnell aus: Mit Herrn Kaltmamsell war ich zu aushäusigem Abendessen verabredet, wir wollten ein jemenitisches Lokal in der Landwehrstraße ausprobieren, das sommers wie winters sehr gut besucht ist, das Bab Al Yemen (anders als für die Süddeutsche in ihrer Restaurantbesprechung läuft es für uns Anwohnende ja unter local food).

Wir bestellten eine Zusammenstellung von vier Vorspeisen (frischen Auberginen-Salat, Hummus, Baba Ganoush und eine Paprika-Creme, dazu hausgemachtes Fladenbrot), außerdem ein Okra-Gericht in Tonschüssel und – nicht abgebildet, wurde später serviert – gewürztes, geschmortes Lamm. Alles schmeckte sehr gut. Das nächste Mal werde ich aber einen der frischen Fruchtsäfte statt Ayran dazu bestellten: Die Gläser, die an uns vorbeitragen wurden, sahen sehr verlockend aus. (Alkohol gibt es hier gar nicht, jemenitischen Tee traute ich mich nicht wegen Koffein).

Daheim noch ein wenig Schokolade.

Früh ins Bett zum Lesen von Granta India, unter anderem ein Interview mit Salman Rushdie, der 1980 zu den allerersten im Granta Magazine veröffentlichten Autor*innen gehört – allerdings, wie sich hier herausstellt, unfreiwillig (kostenlos online lesbar):
“Reclaiming the Territory”.
Nie vergessen, wie witzig Rushdie ist.

Journal Samstag, 15. November 2025 – Zu mild, Abend mit Freunden aus der Schweiz zu österreichischer Küche

Sonntag, 16. November 2025

Nochmal eine zerstückelte Nacht, es wird mal wieder Zeit für eine richtig gute.
Geträumt unter anderem von einer Krähe, die ich rettete und die sehr zutraulich wurde, sich von mir streicheln ließ, mit mir sprach und ihre Tochter mitbrachte.

Erste Handgriffe nach dem Aufstehen wie geplant: Bett abziehen, um die Bettwäsche mit weiterem Weißen zu waschen, Brotteig für schnelles Weizenmischbrot ansetzen.

Draußen strahlte die Sonne, dennoch spürte ich starken inneren Widerstand gegen Fahrradfahren: 1. Straßenverkehr an einem Samstag in München, 2. LALÜ-Gefahr.

Nachdem ich das Brot aus dem Ofen geholt hatte, sehr zufrieden mit dem Ergebnis, nahm ich also eine U-Bahn zu meiner Schwimmrunde im Olympiabad. Erst als ich schon im Wasser war, fiel mir ein, dass bei diesem schönen Wetter das Dantebad mehr Vergnügen bereitet hätte – egal. Meine Bahn war übersichtlich beschwommen, Geräteschwimmer*innen erst auf den dritten 1.000 Metern, und dann nur die unbedrohlichen mit Kissen zwischen den Oberschenkeln. Ich fühlte mich frisch und fit, kraulte mit Genuss, beim Luftholen Blick auf Sonnenglitzer.

Beim Warten auf die U-Bahn zurück checkte ich die gemeinsame Einkaufsliste: Herr Kaltmamsell hatte sie bereits komplett abgearbeitet, also kein Stopp am Marienplatz für Lebensmittelbesorgung.

Frühstück um zwei: Birne, frisches Brot (sehr gut – im Vergleich hat halt auch kein bejubelter Hipster-Bäcker Chancen) mit Butter und Honig/Zuckerrübensirup. Das machte mich schläfrig, ich unterbrach meine Lektüre der Wochenend-Süddeutschen für ein halbes Stündchen Siesta.

Für den Abend machte ich mich ein wenig fein: Freunde aus der Schweiz waren auf Familienbesuch in München, mit ihnen trafen sich Herrn Kaltmamsell und ich zu einem Nachtmahl im Restaurant Waltz, das schon lange auf meiner Liste der hiesigen Wunschlokale stand – und das praktischerweise von uns sehr bequem zu Fuß erreichbar ist.

Wir verbrachten einen schönen Abend, ich freute mich sehr über das Zusammensein, wir aßen auch gut, tranken interessante Weine – allerdings war der Gastraum komplett ausgebucht und so laut, dass ich nach diesem Abend (bei eh angegriffenen Bronchien) keine Stimme mehr hatte.

Zum Aperitif ein schöner Winzersekt Christmann, knochentrocken mit leichter Bitternote. Aus der Karte wählten wir alle viere das Fünf-Gang-Menü, das wir uns selbst zusammenstellten. Dazu ließen wir uns vom freundlichen und aufmerksamen Service einen Chardonnay von Nittnaus aus dem Burgenland empfehlen – den Winzer kenne ich, sein Chardonnay Freudshofer 2022 war so un-amerikanisch, dass er auch mir schmeckte.

Bei der Vorspeise hatten wir uns alle viere für den Kürbis mit Maronen entschieden – ein runder Teller, aber Kürbis schmeckte ich nicht recht.

Zwischengang war bei mir der Blunznknödel mit Zwetschgen – wenn man mir schon Blutwurst anbietet!

Vereint waren wir wieder alle vier bei einer wirklich guten Haselnuss-Suppe.

Die zweite Flasche Wein (der Nittnaus war die letzte Flasche von diesem Chardonnay gewesen) durfte ich aussuchen, ich entschied mich für einen Furmint vom Neusiedler See und von Franz Weninger. Ganz anders, mit ordentlich Säure und den mostigen Noten vom Spontanvergorenen.

Als Hauptgericht hatte ich den Karpfen, wunderbar saftig und in schöner Rahmsauce (die Kartoffeln waren aufgewärmt, und diesen typischen Geschmack mag ich leider gar nicht).

Richtig gut war wieder der Nachtisch, Foto vergessen: Apfelkompott auf Marzipancreme und unter Tonkabohnen-Eis.

Abschied vom Besuch spät im Untergeschoß des Sendlinger Tors (auf dem Weg dorthin durchs Glockenbachviertel vor aller Gastronomie dicht besetzte Außentische – Mitte November!), Hoffnung auf baldiges Wiedersehen. Die letzten Meter nach Hause im immer noch Milden – aber für den Wochenanfang ist ein jahreszeitlich angemessener Temperatursturz angesagt, dieser Tage könnte auch der erste Schnee kommen.

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Einige vernünftige und lesenswerte Gedanken zum politischen Umgang mit Prostitution von Ronen Steinke in der Süddeutschen (€):
“Natürlich macht das kein Mensch freiwillig”.

Zwangsprostitution allerdings – das sei ein großes Wort, fand die Krankenschwester Angelika Müller, es täusche klare Grenzen vor, wo keine seien. Am Beispiel der Frau mit den grünen Stiefeln könne man das sehen: Nicht nur rohe Gewalt von Männern, auch ökonomische Notwendigkeiten zwingen Frauen auf die Straße. Eine krebskranke Mutter, ein Sohn, der es mal besser haben soll. Drogen, Schulden. „Frei von Zwang“, sagte die Krankenschwester, „ist letztlich keine hier.“

Wer wirtschaftlich in Not ist, der trifft Entscheidungen, die er sonst, aus freien Stücken, nicht treffen würde. Klar. Anders würde wahrscheinlich kaum jemand in einer Tätigkeit wie ausgerechnet der Prostitution landen. Aber: „Frei von Zwang ist letztlich keine hier“, das beschreibt dann natürlich die Lebenssituation nicht nur von Prostituierten.

Wenn man, wie Julia Klöckner oder Nina Warken, bereits von „Zwang“ sprechen möchte, wenn nur ökonomischer Druck gemeint ist, dann beschreibt das sehr schnell die Situation auch von vielen weiteren Menschen. Wer träumt als Kind schon davon, Toiletten zu putzen? Oder Spargel zu stechen? Oder im Schlachthof zu stehen? Und so leuchtet es einerseits ein, wenn die CDU-Politikerinnen jetzt sagen, man müsse von „Ausbeutung“ sprechen und diese unterbinden. Andererseits, warum nur bei Prostituierten?

Journal Freitag, 14. November 2025 – Schweiz, Spanien, Shanghai

Samstag, 15. November 2025

Sehr unruhige Nacht, zum einen wegen Rasseln hinter der Nase, zum anderen wegen Hustenreiz, zum Dritten wegen Gebrüll vorm Schlafzimmerfenster. Ich erklärte die Nacht noch vor Weckerklingeln für beendet und nutzte die Zusatzzeit für eine Nasendusche. Nach fünf Tagen leichten Erkältungssymptomen war ich fast so genervt wie von einer echten Erkältung und wollte, dass das bitte aufhörte.

Dennoch fühlte ich mich auf dem Weg in die Arbeit bedeutend fitter als am Donnerstag, das war eine Erleichterung. Beim Passieren der Theresienwiese checkte ich, ob ich dieselbe Schmankerlansicht bekommen würde wie überraschend am Donnerstagmorgen: Bingo, Alpenkette hinter den letzten Resten des Oktoberfestabbaus.

Am Schreibtisch war einige Geschmeidigkeit verlangt, manchmal nützt mir allerdings meine ganze Blitzdenke und -handlung nichts.

Auf einen Mittagscappuccino ins Westend.

Obwohl der Himmel zugezogen hatte, war es zu den kahlen Bäumen gruslig warm, sogar hemdsärmelwarm – der Alpenblick am Morgen war wohl eine Folge von Föhn. Die Draußenbewegung tat dennoch gut.

Später gab es zu Mittag einen Apfel der Sorte Fräulein, den ich am Donnerstag auf dem Markt entdeckt hatte. Nicht ganz so gut wie der Probier-Schnitz, den mir die Händlerin bereitwillig auf meine Frage nach dem Geschmack hingehalten hatte, erstmal vor allem saftig frisch. Vielleicht tun ihm ein paar Tage Lagerung gut. Außerdem aß ich Quark mit Joghurt.

Arbeitsnachmittag mit ein bisschen Rettung (nicht gleich die Welt, aber ein paar Zahlungsvorgänge). Und einer Runde Übelkeit – WTF?

Nach pünktlichem Feierabend nahm ich die U-Bahn zum Café Fausto in der Kraemer’schen Kunstmühle für Espresso-Kauf. Mir war weiter leicht übel, ich fürchtete bereits um meinen Abend-Appetit und die freitagabendliche Alkohollust.

München hat schon ein paar besonders schöne U-Bahnhöfe, der am Canidplatz gehört dazu.

Nochmal sah ich nach Mittwoch und Donnerstag Kinder mit Martinszug-Laternen, diesmal sogar eine richtig schraddlige Party-Laterne, nichts Selbstgebasteltes. An den Abenden davor war mir, als hätte ich sogar echte Teelichter darin gesehen – kann nicht sein, oder?

Noch ein paar Lebensmitteleinkäufe im Biosupermarkt. Beim Eintreffen daheim war mir tatsächlich endlich nicht mehr übel.

Eine Einheit Yoga, die Folge mit nur 12 Minuten Sitzen und Meditieren übersprang ich: Das war gestern so gar nicht, was ich brauchte. Statt dessen hatte ich eine Folge mit richtigem Flow, also pro Ein- oder Ausschnaufen eine Bewegung – ich kam fast ins Schwitzen.

Jetzt aber Feiern des Wochenendes. Erstmal mit Gin-Tonic / Calvados-Tonic (es war nur noch ein Noagerl Gin da, dieser Haushalt verwahrlost), dann öffnete ich zum Abendessen eine Flasche Weißwein.

Ein Heida aus dem Wallis, die Rebsorte ist ein Traminer und gilt als typisch für das Wallis – Geschenk einer Schweizerin, die exportieren ja praktisch nix: Positive Überraschung, und ein seltener Fall von wenig in der Nase, dann die volle Wucht im Mund. Sollte gut zum Nachtmahl passen.

Nämlich ein Curry aus dem Ernteanteil-Butternut-Kürbis mit gerösteten Kokosflocken. Ja, passte, die Kombi kitzelte auch ein wenig Bitteres aus dem Wein. Nachtisch Vanillepudding mit Armagnac-Zwetschgen, Schokolade.

Sehr früh ins Bett zum Lesen. Meine neue Lektüre war das aktuelle Granta 173 mit Thema Indien, doch ich kam nicht über die ersten Absätze des Vorworts hinaus, weil mir die Augen zufielen. Am Wochenende darf man bekanntlich so früh schlafen, wie man will.

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An die zweiteilige Doku über den spanischen Bürgerkrieg und die Zeit danach schließt sich eine Doku von Radio Bremen an: Spanien nach der Franco-Diktatur (und selbst, dass es sich um eine Diktatur handelte, ist in der spanischen Bevölkerung umstritten – eine grundlegend andere Basis für Vergangenheitsbewältigung als in Deutschland, wo die “Es war nicht alles schlecht unter Hitler”-Stimmen klar die Minderheit waren).
“Das Erbe des Diktators – 50 Jahre Demokratie in Spanien”.

Am 20. November jährt sich der Tod Francos zum 50. Mal.
(Ich brauchte erstmal eine Weile, bis ich die Begeisterung über Filmaufnahmen aus dem Spanien der 1970er überwand, das ich aus Kindheitsurlauben kenne.)

Hier wird den Stimmen von Zeitzeugen die Einordnung von Historiker*innen an die Seite gestellt, das finde ich wichtig.
Erhellende Beobachtung von Pedro Almodovar: Was für den Rest der westlichen Welt die 1960er waren, waren in Spanien die 1980er, die movida – eine Zeit des Erwachens und des Neuanfangs.

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Vicki Baum, Hotel Shanghai ausgelesen. Der Roman von 1939 gefiel mir gut, auch wenn er einen seltsamen Erzählrhythmus hat: Erstmal wird das Ende erzählt, nämlich dass bei einem Bombeneinschlag in einem Shanghaier Hotel neun Menschen ums Leben kommen (ein tatsächliches historisches Ereignis) – und dass hier die Geschichte dieser Menschen erzählt wird. Es folgen in Einzelkapiteln die Biografien aller neun nacheinander (Schauplätze unter anderem Berlin, Wien, Paris, Hawaii, Los Angeles), die sie nach Shanghai und in dieses Hotel geführt haben. Die zweite Hälfte des Romans setzt kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs 1937 ein und schildert das Zusammentreffen und Interagieren der Protagonist*innen.

Damit wird eine ganze Epoche transportiert, nämlich die Jahrzehnte von Kolonialismus, kriegerischen Auseinandersetzungen und gesellschaftlichem/politischem Umbruch in China und Japan. Die Handlung lässt kulturelle und menschliche Konzepte aufeinandertreffen, schildert sie immer wieder auch aus der Perspektive der anderen – ein erzähltechnisches Plädoyer für Toleranz. Ich war überrascht zu erfahren, dass Vicki Baum selbst lediglich wenige Tage in Shanghai verbracht hat während einer China-Reise – so detailreich und lebendig wirkt der Schauplatz, mit so vielen Fakten arbeitet Baum (und das, wo sie noch ohne Wikipedia recherchieren musste! Wie schon komplexe Wirthschaftsthemen in Menschen im Hotel hat Baum den Stoff offensichtlich wirklich durchdrungen). Und sie erzählt indirekt viel mehr, als ihr bewusst war, das merkt man vermutlich erst aus dem großen zeitlichen Abenstand.

Dominant ist auch das Thema Exil: Entwurzelung gab es nicht nur im europäischen Umfeld Anfang des 20. Jahrhunderts, sondern weltweit durch Armut, Katastrophen, Kolonialherrschaft (wie der englischen, die ja britische Staatsbürger in Ämtern zur Kolonialverwaltung benötigte; Resultat waren ganze Generationen von Menschen, die in der Fremde geboren wurden und weder dort noch in der theoretischen Heimat zu Hause waren).

Interessant fand ich auch, dass es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wohl eine literarische Mode von Shanghai-Romanen gab (PDF-Download – Achtung Spoiler).