Essen & Trinken

Journal Sonntag, 28. September 2025 – Ankunft in Brighton

Montag, 29. September 2025

Gut geschlafen, energisch fast so lang wie möglich (10:30 Uhr) mein Zimmer belegt. Mangels anderer Sitzgelegenheiten bloggte und las ich auf dem Bett.

Am Vorabend hatte ich bereits herausgefunden, dass ich nicht den Zug von Eastbourne nach Brighton nehmen würde, da vor Bauarbeiten auf der Strecke gewarnt wurde: Bei aller Neugier auf andere Kulturen – SEV auf Englisch muss ich nicht wissen (letztes Stück Lewes-Brighton). Doch der Doppeldeckerbus nimmt ja ohnehin die viel schönere Strecke entlang der Küste, die zudem nur einen Bruchteil des Zugtickets kostet: 3 Pfund fürs Tagesticket.

Dass ich eine Haltestelle der vier Buslinien nach Brighton erstmal finden musste, machte mir nach Abschied von der freundlichen jungen Gastgeberin nichts aus: Das Wetter war wieder hell und mild, ich hatte wirklich Zeit. Denn die Haltestelle an der Uferpromenade, an der ich zunächst wartete und an der laut Aushangfahrplan mindestens zwei Linien vorbeifahren mussten, blieb eisern leer. Rollkofferte ich halt zum Busbahnhof – und tatsächlich, dort erwischte ich sofort einen.

Auf den anderthalb Stunden Fahrt wurde der Bus immer voller: Ausflugsgruppen, alte Leute allein und in Gruppen, Wander*innen, Menschen mit Kindern und Kinderwagen – ich saß irgendwann sehr eingeklemmt zwischen meinem Koffer und einem Sitz, um nicht zwei zu besetzen und war froh, als ich in Brighton am Old Steine rauskam. Dort gibt es derzeit so viele Baustellen an Gebäuden, Wegen und Straßen, dass ich mich erstmal orientieren musste. Wobei “Baustellen” vielleicht nicht ganz korrekt ist: Einige Baufälligkeiten sahen lediglich gesichert und abgesperrt aus.

Zwar war Sonntag und der bot die Option auf Sunday Roast in einem Pub, doch mir war jetzt um kurz vor eins viel mehr nach einem reichlichen Frühstück. Also steuerte ich unter mittlerweile düsterem Himmel das Café The Boudica in der Western Road an.

Mediterranean breakfast und Cappuccino. Beides erfreute mich sehr.

Jetzt fielen die erste Regentropfen nach acht Tagen. Aber es waren nur wenige, das konnte ich gut im Café aussitzen.

Die Kanne Schwarztee, die ich nach dem Frühstück bestellte, war eindeutig zu viel Koffein, mir wurde zittrig und schwummrig. Doch jetzt war es endlich spät genug, dass ich (halt in dieser Verfassung) meinen schweren Koffer hoch zur Ferienwohnung schleifen konnte – in Brighton ist alles, was nicht direkt am Strand verläuft, hoch oder runter, aber erstmal hoch (außer der großen Western Road, Haupteinkaufstraße, die verläuft parallel zur Strandpromenade).

Die detaillierte Anleitung der Vermieter funktionierte, ich kam in eine genau richtig große Altbauwohnung im 1. Stock, die mit der Beschreibung bei AirBnB übereinstimmte (worauf ich mich nach den letzten Reinfällen nicht verlassen hatte).

Hinter der Brüstung links die Küchenzeile, rechts gegenüber vom Bay Window geht es ins Schlafzimmer und von dort einige Stufen runter ins Bad – typische Aufteilung dieser Häuser.

Was das Schlimmste sein soll, das mir in Brighton widerfährt: Die Vermieter waren meiner Bitte nach Waschmittel nicht nachgekommen, möglicherweise wohnen sie ja auch weit weg. Ich ging also erstmal in einen Sainsbury’s City (hier haben am Sonntag immer mehr Läden auf) und besorgte neben Abendessen und Schokolade die kleinstmögliche Packung Waschmittel.

Dank hiermit ausdrücklich der @dieliebenessy für den Tipp vergangenes Jahr mit den Packtaschen: Auch bei diesem zweiten Einsatz (nach Mallorca) für täglichen Unterkunftswechsel SO eine Erleichterung! (Hier in leerem Zustand, weil der Inhalt bereits in der Waschmaschine seine Runden drehte.) Ich verwende sie wie Schubladen eines Kleiderschranks: Eine für Unterhosen, eine für BHs, Socken, Oberteile, Hosen, Krams und Kleinzeug.

Da ich ihn fürs Abendessen brauchen würde, testete ich den Gasherd: Den eingebauten Zündfunken brachte ich nicht zum Zünden, da tat sich nichts. Es ist durchaus möglich, dass ich mich einfach nur ungeschickt anstellte, sogar wahrscheinlich. Aber brute force ist als Workaround meine Spezialität: Nochmal rausgegangen und beim News Agent ein Feuerzeug gekauft. Damit bekam auch ich das Gas zum Brennen.

Jetzt muss ich bis nächsten Samstag nirgendwo mehr hin, meine Pläne sind so vage wie schon lang nicht mehr: Lebensmitteleinkäufe, alle geliebten Straßen und Gassen durchspazieren, Laufen am Undercliff Walk, vielleicht geht sogar Schwimmen, Essen im Food for friends, im Weinladen nach englischen Weinen sehen.

Zum Nachtmahl machte ich mir wie einst als Studentin Fastfood: einen großen Kopf Brokkoli in Stücken gekocht, ordentlich Butter dran (Letzteres hätte ich allerdings als Studentin nie, sondern nur ein paar Löffel Sahne genommen, weil ich Kalorien zählte). Dann noch gekaufte kleine Bramley Apple Pies und Schokolade.

Nach dem Erstgebrauch der Küche spülte ich alles vorhandene Besteck gründlich, bis nichts mehr davon klebte, und setzte sowohl Küchenrolle (u.a. als Serviettenersatz) als auch Geschirrtuch (dieses Winzelding reicht mir niemals die Woche) auf die Einkaufsliste.

Spät (!) ins Bett zum Lesen, Die Anomalie von Hervé Le Tellier, Romy und Jürgen Ritte (Übers.) ausgelesen – war nicht so das Meine, vielleicht geht französische Literatur wirklich an mir vorbei (bis auf Krimis wie die von Fred Vargas, bei deren Lektüre das Genre überwiegt).

§

Was auch weiterhin bei der Diskussion über sogenannte KI vernachlässigt wird: Dahinter stehen Tausende von Menschen mit dem Beruf Data-Worker. Und oft menschenverachtenden Arbeitsbedingungen:
“Data-Worker und Drecksarbeit
Raus aus der Unsichtbarkeit”.

Die zitierte Joan Kinyua habe ich auf einem Panel der jüngsten re:publica gesehen.

Übrigens:

Meta hat sich in Reaktion auf die Klage darauf berufen, gar nicht selbst in Kenia zu operieren und mit dem Argument die Klage gegen sich angefochten. Das Netzwerk beauftrage lediglich Sama, für die Arbeitsbedingungen seien sie nicht verantwortlich.

Genau gegen solche Schachzüge hat die EU das Lieferkettengesetz eingeführt. Das Sie vermutlich nur vom Schimpfen gegen zusätzliche Bürokratie kennen. (Umsetzung wieder andere Sache.)

Journal Freitag, 26. September 2025 – South Downs Way Tag 6: Kingston nach Alfriston

Samstag, 27. September 2025

Nicht so lang geschlafen, wie ich hätte können vor der vorletzten, lächerlichen 18-Kilometer-Etappe, ab vier Uhr ging nur noch Dösen – und natürlich Weiterärgern; unter anderem stellte ich mir vor, jemand kommt auch noch regennass von einer Wanderetappe in diesem fensterlosen Winzelzimmer an, ohne Chance, irgendwas zum Trocknen aufzuhängen.

Aber wieder brach der Tag trocken an, blieb auch den ganzen sechsten Tag in Folge trotz mancher wirklich bedrohich dunkler Wolken trocken – wahrscheinlich hat den englischen Regen einfach Frau Brüllen bei ihrer archäologischen Grabung in der Schweiz abbekommen.

Auch ohne Frühstück hatte ich Gelegenheit, mit der Gastgeberin zu plaudern, nämlich wartend an der Haustür: Das Taxi kam diesmal 20 Minuten später als vereinbart, da hatte man sogar meinen Koffer bereits abgeholt. Die Rückfahrt nach Kingston war nur ein Drittel so lang wie die Hinfahrt am Vorabend – als ich mich sehr gewundert hatte, dass der Taxifahrer (Typ alter Depp)1, mich durch halb Lewes kutschiert hatte, durch winzige Gässchen, am Bahnhof vorbei. Die Fahrt zurück zum gestrigen Ausgangspunkt entsprach meinen Recherchen für Fußweg zur Not.

Die Wanderung führte mich gestern vor allem über baumlosen Hügelrücken, meist im Wind, aber nicht so unangenehm wie am Vortag. Es gab nicht Detail-Sehenswürdigkeiten, wohl aber Ausblicke. Im ersten Teil waren um mich zwei Wandergruppen: Eine ca. zwölfköpfige auf charity walk, eine zweiköpfige. Beide traf ich über meinem Mittagscappuccino wieder (Pause wieder früher als geplant, weil Wandercafé!), doch dann ließ ich sie für den Rest des Wegs hinter mir. Insgesamt merkte ich, dass ich langsam durch bin mit Wandern für dieses Mal.

Erstmal ein bisschen Kingston.

Über dem Ort startete gerade ein Paragliding-Tandem (sehr wahrscheinlich mit einem ein ganz anderen Verhältnis zu dem blöden Wind als ich).

Typischer Bauernhof in dieser Gegend (laut meiner langjährigen Wandererfahrung in den South Downs von Brighton aus).

Mittagsmilchkaffee, als Cappuccino verkauft.

Ausblick auf Newhaven.

So sah mein Weg gestern mit wenigen Varianten die meiste Zeit aus.

Auch Mittagspause machte ich eine halbe Stunde früher als eigentlich geplant. Zum einen war ich schon weit auf meiner Tagesetappe, zum anderen kam ich an einem Parkplatz vorbei – und wir haben ja gelernt: Wo Parkplatz, da Bankerl mit Aussicht – schlicht eine andere Bankerlkultur als bei uns. Diese musste ich ein wenig suchen, doch sie stellten sich sogar als nur zwei von vieren heraus. Es gab wieder Äpfelchen, Nüsse, Trockenpflaumen und -feigen. Dazu kalten Wind, ich blieb dennoch eine Weile sitzen, u.a. weil guter Handy-Empfang.

Die Stein-Ernte scheint dieses Jahr gut gewesen zu sein.

An meinen Zielort Alfriston gelangte ich nach fünfeinhalb Stunden und gut 16 Kilometern. Das stellte sich als ganz entzückender alter Ort mit viel touristischer Infrastruktur heraus, ich bekam sogar endlich wieder Schokolade zu kaufen!

Die Entzückung hielt an, als ich an meine Unterkunft kam (ich war misstrauisch gewesen, weil ich wieder ans Ende einer Ausfallstraße geschickt wurde und kein Abendessen angeboten wird): Neben dem Weingut Rathfinny (Schild “Beware harvest in progress”) lag das historische Riverdale B&B.

Der freundliche Gastbeger hieß mich meine Wanderstiefel an der Tür ausziehen (es war sogar für einen Stuhl gesorgt), fragte meine Frühstückswünsche ab (Sandwich bekomme ich hier wohl keines zum Mitnehmen, er bot mir Brot an?) und brachte mich auf dieses wundervolle Zimmer: Wenn ich sofort aus dem Fenster fotografieren möchte, ist alles in Ordnung. Der Herr gab mir ein paar sehr brauchbare Tipps für ein Abendessen unweit.

Im schönen Bad entdeckte ich eine Badewanne: Das war meine große Hoffnung gewesen, der Wind hatte mich am Ende doch ganz schön durchgekühlt. Doof allerdings: Auch hier wird noch nicht geheizt, Ende September ist wahrscheinlich in Europa eine dafür ungünstige Reisezeit, weil vielen Gastgebern noch nicht kalt ist. Also heißes Bad in kaltem Badezimmer, besser als keines.

Zum Abendessen folgte ich der Gastgeberempfehlung ins Nachbardorf Litlington – die Orte heißen hier im Grunde so geradeaus wie im Oberbayerischen, aus dem ich komme (Manching, Gaimersheim, Lippertshofen). Nur halt auf Englisch. In Alfriston hätte es schon auch zahlreiche Lokale gegeben, aber zum Plough & Harrow in Litlington hatte er ergänzt, man brauche auch gestern am Freitagabend keine Reservierung. Und Dorfpub fand ich ohnehin sehr attraktiv.

Die 15 Minuten Fußweg dorthin waren die Entscheidung allein schon wert.

Verwunschener Weg quer durchs Tal.

Bach Cuckmere (tihihi) im Abendlicht – die Farben waren genau so.

Witzelvorlage am Wegesrand.

Im Pub erkundigte ich mich:
“Do you have any local ales on tap?”
“All of them.”
<3
Ich ließ mir eines empfehlen.

Nach nicht mal 15 Minuten hatte die eine Barmaid mich bereits “love” genannt, die andere über meinen blöden Witz gelacht – ich fühlte mich adoptiert. Mit mehr oder anderer sozialer Energie hätte ich einen denkwürdig geselligen Abend verbringen können: Ich bekam mit, dass es gestern ab spätestens acht live Musik gab.

Sehr wahrscheinlich die letzte Gelegenheit heuer für richtiges Pub Food: Ich bestellte, was Herr Kaltmamsell bestellt hätte, also Steak, Onion & Guiness Pie (den ich durchaus auch selber mag).

Kam mit einer ernst zu nehmenden Portion Brokkoli, hatte eine wundervoll blättrige Hülle und enthielt wie erwartet nur wenige Stücke Rindfleisch. Nachtisch:

Dreimal Sticky Toffee Pudding in drei Tagen – was aufs Jahr gerechnet einer alle vier Monate ist – finde ich in Ordnung. Und wenn’s als positive Verstärkung für die Anbieter dient. Dieser war der am wenigsten gute (aber immer noch deutlich besser als kein Sticky Toffee Pudding), dafür mochte ich das Eis dazu besonders.

Rückweg im fast Stockdunklen, jetzt verstand ich die Empfehlung in meinen Wanderunterlagen, fürs Abendessen eine Taschenlampe mitzunehmen. Ging schon, vor allem genoss ich die Nachtdüfte, in Dunkelheit bin ich sonst nie auf dem Land.

Zurück im Zimmer noch ein wenig Schokolade, Bildbearbeitung, Lesen.

VG Wort hat den Ausschüttunngsbrief für 2024 geschickt: Mittlerweile gibt es pro Post (zur Erinnerung: Geld gibt es, wenn eine bestimmte Textlänge und ein Mindestzugriffszahl erreicht ist – hier habe ich das mit der VG Wort genauer erklärt) nur noch 19,73 Euro, vergangenes Jahr waren es noch 25 Euro. Damit werde ich meine Rente also auch nicht wirklich aufbessern können.

  1. These: Das eher früher geläufige “alter Dep” ist ein heutiger Alter Weißer Mann mit gleichem Anspruchsdenken, nur ohne Machtposition. []

Journal Mittwoch, 24. September 2025 – South Downs Way 4: Amberley nach Upper Beeding

Donnerstag, 25. September 2025

(Amberley war doch dieser eine Song von Roger Whittaker?)

Nach guter Nacht etwas zu weit vor Weckerklingeln aufgewacht. Eigentlich lag dieses Pub/B&B am hintersten Ende des Dorfes in der kompletten Stille, wegen der Stadtleute Urlaub auf dem Land machen – doch irgendein Stück Haustechnik brummte durchgehend, ich verdächtige eine Bad-Lüftung.

Aussicht!

Gestiefelt und gepackt setzte ich mich sogar in den Frühstücksraum auf eine Tasse Tee, plauderte mit einer vierköpfigen Wandergruppe in meinem Alter, die mich am Vortag beim Ankommen angesprochen hatte (Ich so: “So are you from around here?” “We‘re from Australia.” “Well it doesn‘t get any further from around here than that, does it.” Smalltalk kann ich.) Keine Bitte um Sandwich, unter anderem weil ich schnell dem Raum mit dem dauerkläffenden Hund eines Übernachtungsgasts entkommen wollte.

Außerdem telefonierte ich tapfer: Heute werde ich am Ende meiner Etappe in Kingston von einem Taxi abgeholt und zur Unterkunft in Lewes (kenne ich bereits von Brighton-Urlauben) gefahren, die Unterlagen der Agentur betonten, dass ich diese Abholung rechtzeitig telefonisch bestätigen müsse. Ich nutzte die Gelegenheit, die Zeit des Treffpunkts um eine halbe Stunde nach hinten zu schieben: Die Tagesetappe umfasst sportliche 29 Kilometer, ich möchte mich nicht hetzen müssen.

Da die gestrige Strecke mit nur 21 Kilometern angekündigt war, nahm ich mir in deutlicher Morgenfrische Zeit, mich in Amberley umzusehen und den überall empfohlenen Dorfladen zu besuchen. Ersteres tatsächlich entzückend (und offensichtlich teuer), letzteres enttäuschend: Angeboten wurde in verwinkelten Regalen lediglich Supermarkt-Ware (ich fragte vergeblich nach lokalen Äpfeln: Die würden alle für Cider verwendet), manche davon (Schokonüsse und weitere Süßigketen) halt umverpackt in Tütchen mit hübsch gestalteten Etiketten “Amberley”.

Die typischen Stroh-gedeckte Häuser der Gegend – in anderen Gebieten Englands werden verschiedene andere Materialien fürs thatching verwendet.

Am spannendsten fand ich in den Unterstand der Gemeinde mit Schwarzem Brett (dort erfuhr ich, dass das Pub/B&B The Sportsman Inn, in dem ich untergekommen war, verkauft wird: Um es als unabhängiges Community Pub zu erhalten und selbst zu kaufen, wird Geld in Form von Anteilen gesammelt, “Own a piece of the pub!”), Büchertauschkiste – und dem Pendant zur deutschen Tafel: Eine Kühlbox für Lebensmittelspenden für Bedürftige. (Für Herrn Kaltmamsell machte ich noch Fotos von vielen weiteren Details und Plakaten im Häusl. Große Vermissung, England ohne ihn ist seltsam – ich habe das Gefühl, die Hälfte an Interessantem zu verpassen, weil sein doch anderer zusätzlicher Blick fehlt.)

Amberley von oben.

Die gestrige Etappe führte mich mal unter dunklen Wolken, mal in Sonne vor allem Hügelrücken entlang, mit weiten Ausblicken in beide Richtungen – und ordentlich Wind (vierter Tag in Folge ohne Regen! so ein Scheißglück!). Sonne naturgemäß bei einer Wanderung Richtung Osten nur von einer Seite – auch wenn ich mich täglich mit LSF 50 eincreme, fürchte ich am Ende des Wegs etwas einseitige Braunfärbung meines Gesichts.

Ich kam unter anderem durch das Weingut Wiston Estate, von dem am Vorabend die Rede gewesen war, kreuzte zweimal die Wege mit dem australischen Wander-Quartett (lachender banter). Das Highlight aber war gegen Ende die piggery: Frei gehaltene Schweine in einer Form, die ich aus Deutschland überhaupt nicht kenne.

Weit vor dem Weingut der ersten Weinberg am Wegesrand auf sehr Kalk-haltigem Boden – das edle Restaurant zum Weingut heißt Chalk.

Päuschen nach zweieinhalb Stunden auf einer recht gemütlichen Wiese.

Die Unterlagen der Agentur legten dringend nahe, etwa in der Mitte der Wanderung einen Umweg zu machen, um das gefährliche Kreuzen von und Entlangehen an einer mehrspurigen verkehrsreichen Straße zu vermeiden. Dem folgte ich gerne, zumal ich dadurch durch ein weiteres Dorf kam: Washington.

Vor dem Übergang über die schlimme große Straße: Pferde bitte schieben.

Kirche von Washington: Ich ging hinein um herauszufinden, ob sie so alt war, wie sie tat – nee, Imitation aus dem 19. Jahrhundert.

Typischer hiesiger Stein.

Brotzeitpause mit ersten Ausblick auf Brighton: Äpfelchen, Nüsse, Trockenfeigen und -plaumen (schmeckt mir weiterhin richtig gut).

Und dann kamen die Schweine, mindestens 500 Meter lang links und rechts des South Downs Way, laut quiekend und riechend. (Viele Schilder “Don’t feed the pigs!”)

Bei den Ferkeln (alle mit Ringelschwanz) massenhaft Vögel: Krähen und Dohlen, die vielen Stare kletterten sogar auf den Schweinderln herum. Neuzugang bei der Vogelsichtung: Bachstelze. Außerdem neben Schwalben besoners viele Falken gesehen, im Wind rüttelnd.

Menschen: Gestern vor allem Mountainbiker mit Motor, allein und in Gruppen. Aber insgesamt immer noch ein Bruchteil der Begegnungen von vergangenem Jahr auf Mallorca!

Zurück am river Arun.

Die Weißdorne, die ich ja schon mal blühend auf unserer ersten Wanderung in den Cotwolds erlebt habe, tragen reiche Frucht, ebenso Schlehen und (seltenere) Kornelkirschen.

Diesmal lag meine Unterkunft in Upper Beeding nur zehn Minuten vom Wanderweg entfernt: Ankunft nach gut 20 Kilometern in knapp sechseinhalb Stunden. Füße mittelmüde, mein Körper verlangte insgesamt nach Erholung. Mal sehen, wie fit er auf der heutigen zweitlängsten Etappe ist. Äuglein leicht gerötet nach all dem Wind.

Im zugehörigen Pub (am Wochenende mit live Musik) mit gemütlichen locals bekam ich wieder gutes Abendessen: Ich musste kein Fleisch bestellen, sondern konnte zwischen verschiedenen Gemüse-Optionen wählen. Das Veggie-Chilli stellte sich als bunter Gemüseeintopf mit Bohnen auf Reis heraus, super. Dazu ein Pint Ale, danach noch ein Apple Crumble (fast so gut wie meiner).

Nebenbei hatte ich erfahren, dass ich der einzige Übernachtungsgast war. Ich dachte rechtzeitig daran, mich fürs Frühstück abzumelden (nicht dass jemand wegen mir umsonst früher aufstand) und um ein Sandwich zu bitten.

Früh zurück auf mein Zimmer – das sogar geheizt war! Die drei vorherigen Abende auf dem Zimmer musste ich zu den vorsichtshalber eingesteckten dicken Socken greifen und mich mit Jacke wärmen.

Das Zimmer lag der Geräuschkulisse nach direkt überm Pub, ich hörte dumpf Gesprächsgeräusche. Süße Erinnerungen an meine Studienzeit und die Wohnung über einer Kneipe. Zum Glück wurde es nicht lauter: Die Unterkunft liegt auch an der tagsüber vielbefahrenen Einfallskreuzung des Dorfs mit großer Tankstelle schräg gegenüber. Doch nachts verschwand hier der Verkehr.

Lichtaus sehr früh wegen großer Müdigkeit.

Journal Dienstag, 23. September 2025 – South Downs Way 3: FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! von South Harting nach Amberley

Mittwoch, 24. September 2025

Es waren dann doch nur 33,7 Kilometer, und ohne die zusätzliche halbe Stunde Fußweg von der Wanderstrecke zur Unterkunft wären es wahrscheinlich sogar nur 32 gewesen.

Wieder vor Wecker und nach guten Schlaf aufgewacht.

Zwar hatte ich wie immer keinen Frühstücks-Appetit, kostete aber die Luxus-Ausstattung zur Kaffee- und Tee-Zubereitung aus: Nespresso-Maschine – und die Milch stand in einem kleinen Kühlschrank darunter bereit. Außerdem machte ich mir eine große Tasse schwarzen Tee mit Zucker und Milch.

Wanderkleidung wie gehabt Shirt unter Fleecejacke. Gestern schlüpfte ich allerdings in mein älteres Paar Wanderschuhe: Sie haben einen einen höheren Schaft, von dem ich mir mehr Anstrengungsverteilung auf das ganze Bein und weg von den Füßen erhoffte.

Früh verabschiedete ich mich – bat allerdings nicht um ein Sandwich statt Frühstück: Das am Vortag hatte mich nach der Brotzeit müde gemacht, ist für mich (!) keine ideale Wanderbrotzeit.

Zum Start meiner Wanderung fühlte ich mich erstmal ein wenig verarscht.

Schon am Vorabend war ich an der ein Straße durchs Dorf hängengeblieben und am riesigen Schild “NO PEDESTRIAN ACCESS!”, also Fußgänger verboten – nachvollziehbar, wenn die ohnehin schmale Stelle ohne Fußweg auch noch durch eine Baustelle verengt wird. Auf die Schnelle hatte ich auf Google Maps aber keine alternative Route zu meiner Unterkunft gefunden und war kaltschnäuzig einfach trotzdem durchgegangen. Jetzt am nächsten Morgen für den Weg zurück zum Wanderweg wollte ich aber brav sein und setzte zu einem weeeeeiten Umweg an – der mich aber in die falsche Richtung führte. Ich kehrte um und fragte vorsichtig eine Fußgängerin mit Hund, wie ich bitte zu Fuß auf die andere Seite des Dorfs käme. Die greise Dame winkte ab: Gehen Sie einfach durch, es gibt keinen anderen Weg. Das machte ich also, mit einheimischem Segen.

Zurück hoch zum Wanderweg, die Sonne schien wieder herrlich.

Bankerl! Und zwar mit Blick auf South Harting, wo ich übernachtet hatte. Und warum Bankerl? Weil Autoparkplatz – der ebenfalls diesen wundervollen Ausblick bot. Und der mich daran erinnerte, was ich bereits in meinem Studienjahr in Wales Anfang der 90er gelernt hatte: Der Brite und die Britin fahren gern mit dem Auto auf Parkplätze mit schöner Aussicht und machen dort Picknick. Im Auto. Meine britischen Freundinnen erklärten das nachvollziehbar mit dem wechselhaften Wetter: Da es so oft regne, mache man halt im regengeschützten Auto Picknick.

Hier sah ich zwei Krähen, die zwei Falken ärgerten.

Man dekoriert hier kahle Bäume mit Paraglidern.

Die Wegführung war gestern schlichter als an den Tagen zuvor, über lange Strecken sah es gleich aus. Wie hier auf dem links und rechts abgesperrten Durchgang durch einen weitläufigen Estate.

Perfekter Sitzstamm für meine erste Pause nach zweieinhalb Stunden.

Gestern sah bekam ich sehr viele unterschiedliche Schafe geboten, unter anderem die Rasse Badger Face.

Vor allem aber sah ich sehr, sehr viele Fasane, fast so viele wie Krähen (auf dem Feld oben zählte ich 24 – halt, 25). Kann es sein, dass Fasane ein bissl blöd sind? Oft hätte ich sie gar nicht bemerkt in Buschwerk am Wegesrand oder in Maisfeldern – wären sie nicht bei meinem Passieren laut kakelnd aufgeflogen. Ein paar Mal erschrak ich davon und dachte mir: Wenn ich Jägerin wäre, hätte ich innerhalb einer Stunde reichlich Abendessen geschossen. Wegducken und Verstecken ist wohl nicht Fasanen-Art. Zudem liefen sie einige Male in Gruppen auf dem Weg vor mir her, immer wieder versuchte einer irgendwie durch die zu kleinen Maschen im Zaun zur Weide zu kommen. Hin und wieder fiel dann einem oder einer der Gruppe ein, dass sie ja fliegen konnten.

Diese neue Wanderhose (Tchibo) wurde umgehend meine Lieblingswanderhose: Sie passt perfekt, vor allem aber ist sie die paar Zentimeter länger, die es braucht, um über den Schaft meiner Wanderstiefel zu reichen. Meine anderen Wanderhosen sind dafür alle zu kurz: Meine Wanderstiefel sammeln also immer Pflanzenteile und Steinchen – keine Wanderung ohne mindestens einmal Stiefelausziehen und Ausleeren.

Um halb zwei nutzte ich eine sonnenbeschienene Wiese zur Brotzeit, fand sogar wieder einen Baumstamm zum Sitzen. In der Sonne saß ich jackenlos, machte auf der weichen Wiese ein paar Dehnübungen.

Es gab Äpfelchen, restlichen Kefir, Trockenpflaumen und Nüsse – genau das richtige zur Stärkung ohne zu belasten.

Auch solche Abschnitte waren gestern dabei – in industrieller Landwirtschaft sind Feldwege echt nicht interessant.

Blick auf die Isle of Wight; nach links sah ich am Horizont Portsmouth.

Alte Römerstraße. Dunkle Wolken auf meinem letzten Wanderabschnitt, doch es blieb trocken.

Vor meinem Zielort Amberley kreuzte ich den Fluss Arun.

Die letzte Stunde zog sich: Zum einen musste ich lange eine Feierabendverkehr-befahrene Straße in Abgasen entlanggehen (E-Autos gibt’s hier wohl nicht), zum anderen eine zusätzliche halbe Stunde bis hinter den Dorfrand zu meiner Unterkunft in Amberley – die machte mich grantig.

Nachher-Foto. Der Körper spielte super mit, die Entscheidung für die hochschaftigen Stiefel war richtig gewesen: Darin schrumpfte sogar die Blase an dem Prinzessinen-Zeh, der am Montag dringend zusätzliche Polsterung gegen den bösen flachen Stiefelboden bauen musste.

Leider war das nicht die ideale Unterkunft für Entspannung nach solch einer körperlichen Anstrengung: Kleines Zimmer ohne Schreibtisch, keine Badewanne (aber hey! heißes Wasser in der winzigen Eck-Dusche!), Föhn fand ich keinen.

Doch nach Duschen und Umziehen aß ich ein wirklich gutes Abendessen von ausgesprochen herzlicher Bedienung zu meinem Pint Real Ale: Die Tagessuppe war aus gerösteten Pastinaken und Birnen zubereitet und sah wirklich hausgemacht aus, ich bekam einen großen Teller Salat (gemischter Salat mit Oliven und Feta heißt hier “griechisch”) – und dann stand auch noch Sticky Toffee Pudding auf der Dessertkarte.

Meine Unterhaltung war das Gespräch zwischen zwei anderen Tischen: Ein Gast stellte sich als örtliche Winzerin heraus, die von der gerade laufenden Weinlese berichtete und welche Sorten es gibt. Später kam ich ins Gespräch mit anderen Einheimischen (sie sprachen mich auf meine Wanderung an, wir tauschten Wander- und Anreiseerfahrung mit dem Zug durch ganz Europa aus), die mir von diesem Weingut erzählten: Wiston Estate. Vorsatz in Brighton bei dem Weinladen von vor zwei Jahren mt vielen heimischem Produkten danach suchen.

Ich schaffte es dann doch nicht, einfach ein zweites Pint zu bestellten und Bloggen Bloggen sein zu lassen, sondern zog mich zu eben diesem in mein Zimmer zurück. Zumindest die Fotobearbeitung verschob ich auf den nächsten Morgen: Es steht ein kürzerer Wandertag an (21 km), ich kann mir Zeit lassen.

Journal Montag, 22. September 2025 – South Downs Way 2: Von Exton nach South Harting

Dienstag, 23. September 2025

Lang geschlafen, vor Weckerklingeln aufgewacht. Für die gestrigen 27 angekündigten Kilometer wollte ich zeitig los, noch konnte ich mein Tempo auf der Strecke nicht einschätzen – und ich wollte mir genug Zeit geben für Gucken, Staunen, Fotografieren, Umwege, Pausen.

Das fragwürdig originelle Waschbecken erwies sich als unpraktisch: Natürlich pritschelte ich beim Zähneputzen und Händewaschen rundum wie Sau, und meine Wasserflaschen passten zum Auffüllen nicht darunter, ich behalf mich mit einem Wasserglas.

Wie vereinbart hatte man mir statt Frühstück ein Sandwich zum Mitnehmen vorbereitet, ich dankte herzlich. Und dann startete ich kurz nach acht in sonnigen – laut Wetter-App – sechs Grad.

Meine Unterkunft, The Bucks Head, in Morgensonne.

Waren mir schon am Sonntag reichlich am Wegesrand begegnet: Die sehen aus wie die Alpenveilchen, die bei uns im Topf verkauft werden, nur sehr klein – kann das sein?

Wunderschöner erster Streckenabschnitt entlang einem trockenen Bachbett (links).

Dann ging es hoch: Damit der South Downs Way Aussichten bieten kann, muss er oft obenrum führen.

Endlich Schafe! Auch schwarzbunte Kühe hatte man mir gestern in die Aussicht gestellt.

Wenn man eine Sehenswürdigkeit angeboten bekommt, muss man auch gucken – zumal diese Festung aus der Eisenzeit keinen großen Umweg bedeutete. Das Old Winchester Hill hillfort wurde interessanterweise nie ausgegraben: Aus meiner jüngsten Lektüre, Jens Notroffs Staub, Steine, Scherben, weiß ich, dass das eine valide archäologische Option ist: Jede Ausgrabung zerstört unweigerlich die historische Stätte und was darin liegt; am sichersten sind Funde unausgegraben.
(Wenn man den Fundort allerdings eh zerstören muss, weil etwas anderes dort gebaut werden soll, können Archäolog*innen natürlich aus dem Vollen schöpfen. Schaufeln. Spitzhackeln. Graben. Frau Brüllen hilft zum Beispiel diese Woche wieder als citizen scientist bei einer solchen Grabung, gestern ging’s los.)

An diesem Hohlweg machte ich nach zweieinhalb Stunden die erste Pause – auch wenn ich weit und breit keinen windgeschützten und wirklich angenehmen Platz dafür fand; ich zwang mich zu kurzem Sitzen und Ausruhen.

Andere Schafe.

Mein Wanderbüchl hatte auf das Sustainablility Center mit Beech Café hingewiesen: Das lag genau richtig auf meiner Strecke für Mittagscappuccino und Klo. Aber.

Mist, Montag und Dienstag geschlossen. Also wieder Pinkeln im Wald (große Blätter von Bäumen statt Klopapier, ich wiederhole den Tipp).

Nach einer Weile ging es recht steil bergab.

Ich bekam meinen ersten Meerblick – plus Aussicht auf die Autobahn A3, die schon seit einiger Zeit den Soundtrack meiner Wanderung dominiert hatte.

Um halb zwei war es wirklich Zeit für Brotzeit – ich hatte sie so lange hinausgezögert, weil die Karte des Wanderbüchls “benches with good views” angekündigt hatte. Und da war tatsächlich eine! Es gab ein Äpfelchen, etwas Kefir (am Samstag bei Tesco’s besorgt) sowie das mächtige Ham and cheese sandwich. Ich blieb nicht so lange sitzen, wie ich mir gewünscht hätte, denn in Schatten und Wind war mir kalt.

Von diesen Schilden standen einige am Weg – ich möchte nicht wissen, wie viele verunfallte Mountainbiker hier jährlich zusammengefegt werden müssen.

Sehr schöner Anblick – aber eine von zwei falschen Abzweigungen, die mir gestern durch nicht ganz eindeutige Ausschilderung unterliefen. Kamen mir jeweils rechtzeitig komisch vor, der GPS-Track brachte mich auf die richtige Spur.

Wie ich einmal sehr bedauerte, keine heimischem Münzen bei mir zu haben: Die Äpfel hätte ich gerne gekostet.

Tier-Show des Tages: Wieder viele Fasane, öfter gehört als gesehen, wie schon am Sonntag Schwalben, aber auch viele andere Vögelchen (u.a. Distelfinken, Rotschwänze), die morgens für die Jahreszeit erstaunlich variantenreich sangen. Ein paar LBBs (little brown birds – sagen angeblich Ornitholog*innen, wenn sie auch nicht wissen) sah ich eine Weile beim Baden in Pfützen zu. Am Himmel Möwen, Krähen, Greifvögel.

Menschen: Am seltensten Wander*innen, aber viele Jogger, Bergläufer, Hundegassiführer*innen, Mountainbiker, kurz vor Ende auch eine Mountainbikerin – das Gelände diente zumindest gestern vor allem als Sportgerät.

Straßen: Gestern war der Anteil an frequentierten Landstraßen, die ich entlang gehen musste, nicht ganz so hoch wie am Sonntag (mir immer sehr unangenehm), doch dreimal waren sie so eng von dichten Hecken eingegrenzt, dass ich bei entgegenkommendem Lieferwagen, Quad, Schulbus ein ganzes Stück zurückgehen musste bis zu einer Möglichkeit, den Wagen vorbeizulassen (und dann eine Weile flach atmen, weil Abgase und Staub).

Im rechten Winkel bog ich weg vom South Downs Way und nahm diesen Pfad zu meinem Ziel South Harting.

Sehr freundlicher Empfang, das zugehörige Lokal sah besonders einladend aus, ich bat um einen Tisch fürs Abendessen.

Gemütliches Zimmer, wenn mich auch leise Trauer über den Abstieg von Bücherwänden zu Tapeten überkam – ich bin ja mit schuld. (Gibt es ein Fachwort für diese Erscheinung: Dass etwas noch eine Aura transportiert, aber statt dem eigentlichen Gegenstand ein Bild davon reicht, um sie zu vermitteln?)

Das waren gut 27 Kilometer in knapp acht Stunden mit zwei Pausen: Die heutigen FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! sollten in zehn Stunden zu schaffen sein.

Körper weiterhin ok-ish: Er meldete sich unterwegs mal mit diesem (linkes Knie! Hüftbeuger!), mal mit jenem (hinterer rechter Oberschenkel!), das hörte aber jeweils von selbst wieder auf. Eher beunruhigte mich die riesige Blase an der Unterseite des linken Ringzehs, von nichts weiter verursacht als von der faltenfreien, glatten Fläche darunter. Ich beschloss, die Blase einfach Blase sein zu lassen, an dieser Stelle stört sie ja nicht sehr und kann kaum schlimmer werden (WEIL DA NICHTS IST!) – für alle Fälle aber Blasenpflaster in meinen Tagesrucksack einzustecken.

Wieder verwendete ich sofort viel Zeit fürs Bloggen (diesmal auf dem Bett: ich hatte das Bedürfnis, die Beine hochzulegen) – mit etwas schlechtem Gewissen, dass ich sie nicht für anderes NÜTZTE bei dem herrlichen Wetter. Ich musste mir aktiv klarmachen, dass acht Stunden draußen bereits reichlich NÜTZEN gewesen war.

In der Ferne übte jemand Horn – auf sehr hohem Niveau.

Das Abendessen war dann wirklich erfreulich.

Zum alkoholfreien Bier (Fitness-Erhalt durch möglichst wenig Gifte) bestellte ich das Gericht, das am meisten Gemüse versprach: Gegrillte Hühnerbrust mit Gemüse-Orzo – und zur Sicherheit noch Brokkoli als Beilage. Das schmeckte sehr gut, enthielt tatsächlich viel Gemüse, unter anderem zwei ganze Knoblauchzehen – und war ganz sicher frisch zubereitet von jemandem, der oder die das beruflich macht. Ja, dafür zahlte ich ein wenig mehr als für die vorherigen beiden Abendessen, und das gern.

Der Zugang zu meinem Zimmer, dort gab’s als Dessert die restliche Schokolade.

§

John Oliver hat Bernd das Brot entdeckt.

Journal Samstag, 20. September 2025 – Start der Oktoberfestflucht nach England

Sonntag, 21. September 2025

Noch ein Glück (!) sah ich beim Check meines Zugtickets auf dem Handy am Abend zuvor die Warnung “Keine Livedaten verfügbar” und recherchierte meine Verbindung München-Paris: Der Zug ging 20 Minuten früher, als bei der Buchung Anfang Mai eingetragen wurde, statt um 3:31 Uhr um 3:10 Uhr. Ich stellte den Wecker also noch früher.

Herr Kaltmamsell stand extra auf, um mich zu verabschieden.

Es wurde dann halt ein Reisetag, an dem ich nicht viel zu tun hatte außer mich fahren zu lassen und umzusteigen.

Ähnlich benommen wie nach dem wenigen Schlaf für die Oscarnacht saß ich im ICE von München nach Stuttgart. Dabei gelernt: Morgens um halb vier ist es in einem ICE keineswegs still. Wenn nämlich erst das eine Quartett Partygängerinnen (die in Augsburg ausstiegen), dann ein anderes Großraumwagen-beschallend die Begegnungen der Nacht bekakeln müssen, „weißt was ich mein?“. Ich döste dennoch ein wenig.

Stuttgart hat sich auf die Jahrzehnte ohne Bahnhof mittlerweile ganz gut eingerichtet (Auge, München!), für meine Stunde Wartezeit auf den Zug nach Frankreich konnte ich mir den Morgen-Cappuccino bei verschiedenen Anbietern aussuchen, die ihre Stände mangels Bahnhof zwischen den Gleisenden haben. Und SO WACH UND MUNTER hat mich noch nie im Leben ein Morgenkaffee gemacht.

Im TGV saß ich diesmal oben, sah einen wunderschönen Frühherbstmorgen anbrechen.

Wir kamen pünktlich in einem verregneten, aber milden Paris an, ich eilte die 200 gut ausgeschilderten Meter vom Gare de’l Est zum Gare du Nord und zum Eurostar-Terminal. Schnell verstand ich, warum eigentlich auf einen früheren Check-in gedrängt wird: Gestern kam noch ein medizinischer Notfall hinzu, Sanitäter*innen kümmerten sich um einen Passagier an der Passkontrolle, aber das ist schon ein besonders großes Durcheinander mit vielen Kontrollschritten. Das Personal war gefasst, aber es macht halt einen Unterschied zu den Flughafenkontrollen, dass hier alle ihr Gepäck dabei haben. Zudem stellte sich der Wartebereich hinter den Kontrollen als ausgesprochen gemütlich und von viel interessanter Gastro versorgt heraus: Es lohnt sich also doppelt, mehr Zeit für Umsteigen einzukalkulieren.

Wie schon im TGV döste ich auch im Eurostar immer wieder, schlief sogar ein, las dazwischen die Wochenend-Süddeutsche: Anders als befürchtet wurde mir nie langweilig. Brotzeit machte ich gleich nach der Abfahrt in Paris kurz nach elf, denn ich hatte großen Hunger: Apfel, Nüsse, Trockenfeigen.

Pünktliche Ankunft in London St. Pancras. Mittlerweile hatte ich mir eine ganze Reihe Apps aufs Handy geladen, mit denen ich mich per U-Bahn zum Bahnhof Waterloo lotsten ließ (und einfach irgendein Tagesticket dafür kaufte) und mir einen Zug nach Winchester vorschlagen, Ticketkauf am Bahnhofsautomaten (fast 40 Pfund Superspar-Tarif für die einstündige Fahrt). Unterwegs sah ich neben den Gleisen einen mächtigen Fasan, Ankunft in Winchestert pünktlich und in milder Luft, geschafft!

Die kleinen Nickerchen im Zug hatten außerdem dazu geführt, dass ich mich nahezu frisch und keineswegs übernächtigt fühlte. Wie Sie alle, alle beteuert haben, war die Anreise also gar nicht so schlimm, ich hätte vorher gar nicht zetern müssen, warum Heldinnentum (denn so fühlte es sich an) bitteschön so anstrengend sein muss.

Schon in den Reiseunterlagen hatte mich das überrascht: Meine erste Unterkunft in Winchester war ein Ketten-Premier-Inn im Industriegebiet. Von diesem Veranstalter war ich von den bisherigen beiden Wanderungen eher positive Übernachtungsüberraschungen gewohnt gewesen. Erst mal egal, ich rollte mit dem schweren Koffer eine halbe Stunde zu Fuß dorthin, brauchte dringend Bewegung. (Außerdem versuche ich um die Umstände des Tarifrecherchierens und Bezahlens im Öffentlichen Nahverkehr rumzukommen – das Deutschlandticket hat mich derart verwöhnt!)

Joah, halt ein nicht mehr taufrisches Kettenhotel. Die Fenster meines Zimmers lassen sich nicht öffnen, ABER! Echtes Fernsehen! Auf den Reisen der jüngeren Vergangenheit war der Fernsehbildschirm immer auf Streaming ausgelegt gewesen. Ich lernte gleich mal (Werbung im Ausland ist SO aufschlussreich): Hier nimmt man gegen Reizdarm Silizium-Gel statt Bakterien! Ebenfalls aus Chronistinnenpflicht festgehalten sei hiermit: Langsame Interet-Verbindung – aber für Geld könnte ich eine schnellere kaufen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Hotel zuletzt versucht hat, für Internet-Zugang Geld zu verlangen, weiß aber noch gut, dass die kleinen, privat geführten Hotels, Pensionen, B&Bs deutlich früher kostenlosen Zugang anboten als die Konzerne.

Wie geplant suchte ich nach dem nächstgelegenen Supermarkt: Wie man in einem Industriegebiet erwarten kann, gab es ums Eck einen riesigen Tesco’s. Dessen Zugang natürlich nur auf Autos ausgelegt war, ich bewegte mich sehr vorsichtig dorthin. Auf meinem Einkaufszettel standen ganz oben Äpfel als Wanderbrotzeit (gleich darunter Schokolade für abendlichen Nachtisch): Ich musste eine bestürzend lange Weile suchen, bis ich unter all den Äpfeln aus Südafrika, Neuseeland, Frankreich (immerhin) heimische Mini-Äpfelchen fand – die müssten doch hier auch gerade Saison haben? Zwar sah ich mich nicht gründlich um, doch ein erster Eindruck war, dass die Verschiebung des Gewichts von unverarbeiteten zu verarbeiteten Lebensmitteln noch weiter fortgeschritten ist. (Es gab ein Kühlregal “butter and ingredients”.)

Bei meiner Rückkehr entdeckte ich, dass ich, Schraddelhotel hin oder her, die besten Nachbarn hatte: FEUERWEHR!

(Auf den Backsteinen steht in Metallbuchstaben “City of Winchester Fire Station”.)

Obwohl mir klar war, dass hier nicht selbst gekocht wird, hatte ich im Hotel fürs Abendessen reserviert. Das hungrige Warten darauf wurde mir lang (die eine zusätzliche Stunde Zeitverschiebung), ich legte eine Runde Yoga-Gymnastik ein, dafür war der Hotelzimmerteppich griffig genug.

Dann aß ich im Hotelrestaurant mit Käse überbackene Hähnchenbrust mit Pommes und Salaten (mei), zum Nachtisch einen sehr guten Sticky Toffee Pudding mit Custard.

Auf dem Hotelzimmer gab es noch Schokolade.

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Das Loblied auf RSS-Feeds und Feedreader wird viel zu selten gesungen – ohne könnte ich nicht so viele Blogs lesen und auf dem Schirm behalten, wie ich will (ich lese und sammle seit Tod des Google Readers mit Feedly, auch wenn die ständig wegzuklickenden Overlays den Eindruck erwecken, dass es mittlerweile für anderes gedacht ist – story of my online life). Mit diesem ungefähr nützlichsten Feature des Webs ist halt kein Geld zu machen.

Gestern kam ich endlich dazu, den eingemerkten Fachartikel von Nico darüber zulesen, der die Entstehung von RSS erklärt, ein paar technische Hintergründe und warum es ohne RSS keinen Siegeszug von Podcasts gegeben hätte. Ich empfehle Lektüre (wunderbarer Untertitel des Blogs: “Der Markt regelt einen Scheiß.”) und RSS:
“RSS”

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Schöne alte Frauen, Teil viele: Maren Kroymann im Urlaub.

Journal Donnerstag, 18. September 2025 – Sommerabend mit geteilten Tellern

Freitag, 19. September 2025

Gut geschlafen, erst eine Stunde vor Weckerklingeln in Unruhe geraten.

Nach dem Aufstehen Herrn Kaltmamsell zum Geburtstag geherzt und geküsst, Geschenk hatte ich nur ein kleines, nahezu symbolisches.

Schöner Marsch in die Arbeit.

Anspannung am Schreibtisch: Ich war für gestern und heute bei einem Dienst eingesprungen – und hatte auf die Bitte vor ein paar Wochen nicht ehrlich mit “das passt mir eigentlich gar nicht” reagiert, weil ich a) meinen Grund, Unruhe kurz vor Urlaub, für nicht valide hielt, b) die Überheblichkeit, mehr abzukönnen als andere, in diesem Leben wahrscheinlich nicht wegkriege. Selber schuld, musste ich halt leiden. Zudem war am Vortag noch ein unerwarteter Job reingekommen, den ich unterbringen musste.

Emsiger und ein wenig durcheinanderer Vormittag. Ich ging früh raus für Äpfeleinfkauf am Markt und meinen Mittagscappuccino: Jacke braucht ich schon keine mehr, das Wetter war sensationell herrlich. Es sind in München vier Spätsommertage angekündigt, für meine FÜNFUNDREISSIG KILOMETER! in England hingegen 15 Grad und 50 Prozent Regenwahrscheinlichkeit (allerdings ohne Oktoberfest, YAY!)

Zu Mittag gab es einen eben gekauften Apfel Elstar vom Bodensee (köstlich!), eine Banane, Hüttenkäse. Der Nachmittag wurde sehr anstrengend, vor allem wegen des unerwarteten Jobs, der höchste Konzentration erforderte.

Nach Feierabend, es war richtig warm geworden, kam ich gerade rechtzeitig heim, um Herrn Kaltmamsell für unsere Abendverabredung abzuholen: Ich hatte im Vorbeigehen am Platz Am Glockenbach ein Restaurant entdeckt, das attraktiv aussah, Avin, deren Website “wine & modern tapas” ankündigte und bei näherem Blick mit “tapas” sharing plates meinte. Das suchte sich Herr Kaltmamsell aus den drei Lokalen aus, die ich ihm für eine Geburtstagseinladung anbot.

Wir spazierten über den Alten Südfriedhof hin.

Engel mit besonders schöner Abendbeleuchtung.

Im Avin setzten wir uns trotz schönem Außenbereich nach innen: Ich wollte den Gastraum auskosten – direkt am Fenster bekamen wir aber auch den Sommerabend mit Glockenbachviertel-Passant*innen mit (viele Hunde).

Und wir aßen besonders gut, begleitet von spannenden Weinen – so habe ich es ja am liebsten. Herr Kaltmamsell und ich entschieden uns für das gemeinsame Menü “Waitor’s Choice” und bekamen sieben Gerichte in vier Gängen.

Unten Tatar vom Rind, Senfsaat, Gochujang, Chimichurri.
Oben (als “singnature dish” vorgestellt) Lauch im Ganzen, Kaffee Miso, Sesam.

Im Glas dazu ein Grüner Veltliner Salzl aus dem Burgenland, ungewöhnlich frisch und dennoch aromenreich.

Unten Zander mit Passionsfrucht in Beurre Blanc, darüber Rettich – das Sößchen schmeckte sensationell.
Oben Tomaten mit Miso-Dressing.

Wein dazu: Ein interessanter Weißburgunder aus der Pfalz: Aus den Lagen von Christmann.

Unten Ochsenbackerl (zum Löffeln zart) auf Selleriepüree.
Oben Spitzkohl mit Misobutter, Haselnuss, Petersilie – ein weiterer Knaller-Teller.

Dazu ein Merlot, der sich als mein bislang interessantester herausstellte: aus dem Burgenland von Michael Wenzel.

Zum Abschluss ein Tiramisu, dessen leicht säuerlicher Creme ich einen Anteil Frischkäse zur Mascarpone unterstellte (gut!), begleitet von einem Riesling mit Restsüße.

Unser Ausblick.

Schöner Spaziergang nach Hause, alle Außentische der Gastronomie besetzt, Sommerabendatmosphäre.

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Felix Schwenzel fasst seine ersten 50 Tage Abnehmen mit Semaglutid zusammen:
“se­maglut­id tag 51”.