Essen & Trinken

Journal Mittwoch, 4. Juni 2025 – Aber schöne Füße

Donnerstag, 5. Juni 2025

Nacht mit vielen Träumen (unter anderem irgendeine Mischung aus “Bares für Rares” und “Kunst und Krempel”, der wertvolle antike Gegenstand hatte irgendwas mit Nasen zu tun), zu denen mein Körper sich unbequeme Armhaltungen ausdachte: Einmal wachte ich auf dem Rücken auf (ich werde über die vergangenen Jahre immer deutlicher von der Seiten- zur Rückenschläferin – vielleicht Auswirkung der Physio-Erklärung in der Reha 2019, das sei mit sehr flachem oder gar keinem Kissen die LWS-freundlichste Schlafhaltung) mit Händen hinterm Kopf, einmal mit den Unterarmen überm Bauch.

Ich wachte unwillig, aber zu blauem Himmel mit Sonnenschein auf, durchs offene Fenster kam milde Luft herein. Das passte mir gut, so konnte ich für den mittäglichen Pediküre-Termin frierfrei in Sandalen schlüpfen.

Sonniger Platz mit einer prächtigen Villa, davor Bäume

Bis zu diesem Termin war eine Menge zu tun, aber nichts Unangenehmes, und es drängelte auch niemand.

Mittagscappucino bei Nachbars, zu echter Mittagszeit marschierte ich ins östliche Westend zu meiner Kosmetikerin. Es war sehr warm geworden, ich suchte den Schatten. Allerdings passierte, was mir immer beim ersten Laufen in offenen Schuhen der Saison passiert: Ich lief mir sogar in den rundum bequemen Sandalen eine kleine Blase.

Blick von oben auf nackte Füße in weißen Sandalen, die Zehennägel dunkelpink lackiert

Eine Weile später marschierte ich mit schönen Füßen und lackierten Zehennägeln zurück, inklusive Wissen um den Namen des neuen Lack-Lieblings bereits vom letzten Mal – vielleicht komme ich ja doch noch ran und kann ihn auch daheim einsetzen.

Mittagessen über der Tastatur: Aprikosen, Quark mit Joghurt.

Am Nachmittag ordentlich was weggearbeitet, noch keinerlei Anzeichen für die angekündigten Umwetter.

Auf dem direkten Heimweg ein paar Regentropfen, es war sehr schwül. Zu Hause Yoga-Gymnastik und Häuslichkeiten: Unter anderem den schon wieder mehltauigen Waldmeister im Topf vor seinem sicheren Tod abgeernetet und in vier Bündeln eingefroren, im Vorjahr hatte ich ja belegt, dass Einfrieren dieselbe Wirkung wie Welken hat und den Duft freisetzt.

Auf einem Holztisch eine weite Pfanne mit Mohnnudeln, dahinter auf einem Bastset ein Glasteller

Zum Nachtmahl verwendete Herr Kaltmamsell Lagerkartoffeln aus Ernteanteil für köstliche Mohnnudeln. Danach ging aber noch Schokolade.

Jetzt gab es ein bisschen Hagel und Sturm, hörte bald wieder auf.

Früh ins Bett zum Lesen, Chloe Dalton, Raising Hare beendet – dazu später mehr.

Journal Dienstag, 3. Juni 2025 – Verschiedene Vergangenheiten zur selben Zeit

Mittwoch, 4. Juni 2025

Es regnete morgens genau den sanften Landregen, den der Boden gerade dringend benötigt. Total super, nur gestern ungeschickt getimet, weil ich auf dem Weg in die Arbeit beide Hände voller Tablett mit Nussbaierkuchen haben würde und keine frei für Regenschirm.

Hier das Rezept.
Ich schlüpfte in meinen Kapuzenmantel, und tatsächlich erwies sich dieser als genau richtig: Es ging nicht der geringste Wind, die weite Kapuze blieb schützend über meinem Kopf.

Diesmal war ich gerüstet für Nässe von unten, hatte Wechselfußkleidung eingesteckt – doch bei leicht trocknenden Schuhen und lediglich feuchten großen Zehen brauchte ich sie nicht.

Einen zweiten Bildschirm beantragt, weil ich
– beim Hantieren mit Kalendern, Listen, Websites für eine meiner zentralen Aufgaben davon wirklich profitieren könnte,
– Angst habe, zu der einen alten Kollegin zu werden, die sich störrisch an ihre veraltete Ausstattung klammert, weil MEHR BRAUCHT’S JA WOHL NICHT, IHR WEICHEIER!

Etwas tumultöser Vormittag, aber ich floh auf einen Mittagscappuccino ins Westend. Als ich zurückkam, standen alle vorm Bürogebäude: Feueralarm. (Nichts passiert, nach wenigen Minuten durften alle zurück.)

Später gab es zu Mittag eingeweichtes Muesli mit Joghurt, außerdem Aprikosen (überraschend gut). Mehr heftiges Arbeiten.

Nachmittags Kreislaufturbulenzen mit Schweißausbruch, anschließendem Frieren und Fressattacke: Zwei Stücke Kuchen in der Teeküche mussten dran glauben.

Insgesamt war ich zu Feierabend schon wieder so durch und erschöpft, dass ich es fast nicht auf den Heimweg schaffte.

Nach Hause über Einkäufe im Vollcorner, die Luft sehr schwül.

Kurz vor daheim fiel mich ein wundervoller Blütenduft an. Ich indentifizierte die Quelle.

Hellrosa offene Rosenblüte zwischen schmiedeeisernen Zaunstangen

Daheim Waschmaschine gefüllt, Erdbeeren geschnippelt, Brotzeit vorbereitet.

Ich lasse mich ja von Ihnen influencen, auf Empfehlung von Sylvia gingen wir also fürs Abendessen zur Slurp Nudelbar am Bahnhof.

Völlig kahle Litfaßsäule vor Straßenbahn und Bäumen

Anblick unterwegs – lasst die Litfaßsäule doch nicht so nackig rumstehen, zieht ihr doch wenigstens ein Röckchen an.

Holztischplatte mit zwei schwarzen Suppenschüsseln, darin Suppe mit reichhaltiger Einlage, Stäbchen, großer schwarzer Suppenlöffel

Baukastensystem mit sechs verschiedenen Zutaten-Zusammenstellungen: Für mich mit gebratenem Hühnchen, viel Gemüse, Glasnudeln. Schmeckte wirklich gut, die Spielkomponente des Zutaten-Buffets fehlte natürlich. Als Nachtisch gekamen wir eine Kugel Vanilleeis spendiert.

Auf dem Heimweg immer wieder Regentropfen, zu Hause gab es als zweiten Nachtisch Erdbeeren und Mini-Schokoküsse.

§

Bereits am Montag bloggte Maximilian Buddenbohm:
“Entscheidungsfragen”.

Ich habe die Vermutung, aber das ist nur ein vollkommen unbelegter Gedanke ohne jede empirische Grundlage, dass in den Jahrgängen der Söhne Zufallsverbindungen eine größere Rolle bei der Berufswahl spielen werden als bei denen, die vor ihnen dran waren. Etwa im Sinne von: „Ein Kumpel macht gerade was in einer Werbeagentur, dann sehe ich mir das da auch einmal an.“ Was dann eine eher lapidar anmutende Art wäre, zu großen Entscheidungen zu kommen. Aber vielleicht ist es auch die genau passende Art für eine Generation, die sich jederzeit umentscheiden kann. Nach aller Voraussicht sogar für lange Zeit, vielleicht lebenslang. Denn sie wissen natürlich, dass dies so ist.

Nun, man wird sehen. Die furchtbare Grundangst jedenfalls, bei der Richtungswahl schwere und folgenreiche, kaum jemals wiedergutzumachende Fehler zu begehen, die meiner Generation noch so vertraut war, die uns auch von den damals wirtschaftswundergeprägten Erwachsenen so gründlich eingeimpft wurde, die nehme ich bei dem, was mir an Jugend zur Beobachtung gelegentlich zur Verfügung steht, bisher jedenfalls nicht wahr.

Und wieder fällt mir auf, dass man zur selben Zeit im selben Alter und in derselben Kultur komplett verschiedene Vergangenheiten haben kann (soviel zur Abgrenzbarkeit von Generationen, in diesem Fall der Generation X). Denn mein eigenes Gefühl am Ende der Gymnasialzeit 1986 war: Ich kann ALLES machen, was nehm ich nur? Mich damit für alle Zeit und Ewigkeit zu etwas zu verpflichten, gehörte überhaupt nicht dazu. Um ein Zeitungs-Volontariat bewarb ich mich nicht nach sorgfältiger Recherche und Überlegung oder weil ich dort vorher bereits tätig gewesen wäre, sondern weil mein hoch geschätzter Griechischlehrer diese Ratlosigkeit kommentierte mit: “Sie sind so vielseitig interessiert – warum gehen Sie nicht in den Journalismus?”

Was unterschied mich wohl?
1. Meine Eltern (“Gastarbeiter” und Zwangsarbeiter-Tochter – deutlicher Unterschied zur gebürtig deutschen Nachkriegsgeneration) erzeugten eher Druck mit: Wir haben dir alle Möglichkeiten verschafft, die uns selbst nicht zur Verfügung standen, und der Hergott hat dir Talent geschenkt – das MUSST du zu Großartigem nutzen. (Unter anderem kam das von meiner Mutter als Empowerment gemeinte “Du kann alles werden, was du willst” bei mir so an.) Sie unterstützten alle meine Ideen: Ich erinnere mich, wie mein Vater nach Verlautbarung meiner Journalismus-Pläne Broschüren aus der Audi-Presseabteilung als Infomaterial heimbrachte – <3.
2. Meine impulsive und wissbegierige Persönlichkeit: Ich fand SO viel spannend und versuchenswert.
Meine Zuversicht, dass ich spannende Dinge ausprobieren konnte, ohne mich damit für alle Zeit festzulegen, mag auch eher an Persönlichkeitsstruktur liegen.
3. Ich hatte keinerlei Familienpläne, im Gegenteil war mein Nichtkinderwunsch von klein auf ausgeprägt (erste bezeugte Äußerung “Also ich will mal KEINE Kinder haben!”, als ich sieben war). Das verschaffte mir enorme Freiheit, weil ich in meiner Lebensplanung (welcher junge Mensch hat die wirklich?) nicht einkalkulieren musste, irgendwann eine Familie zu versorgen / zu betreuen.

Gleichzeitig gab es in meinem Abiturjahrgang (nur 49-köpfig, weil altsprachliches Gymnasium) viele, die BWL oder Maschinenbau studierten: Das versprach in der Audi-Stadt Ingolstadt Job-Sicherheit – ein Irrtum, wie sich erwies, viele mussten mit diesem Studienabschluss Anderes tun.

Über die Jahrzehnte Berufstätigkeit erlebte ich dann unter anderem im ca. ersten Jahrzehnt des Jahrtausend (komplett nicht repräsentativ natürlich) eine Generation, die als Studierende ungemein zielgerichtet und erfolgsorientiert war, unter anderem jedes Praktikum auf Wirkung im Lebenslauf abklopfte, das Auslandssemester lieber bleiben ließ, um schneller den Abschluss zu schaffen – und dann mit 22 und einem Uni-Abschluss auf der Straße stand, weil sie den Unternehmen trotz aller schicker Praktika einfach zu jung und unerfahren waren.

Derzeit erlebe ich wieder eher Azubis und Studierende, die mir offen für Vieles vorkommen, und nicht alles muss gleich gelingen.

Journal Sonntag, 1. Juni 2025 – Geschäftigkeit vor Arbeitsstart

Montag, 2. Juni 2025

Mai schon rum, dieses Jahr habe ich das Gefühl, nichts davon mitbekommen zu haben.

Der Morgen war wie angekündigt düster, aber mild genug für Balkonkaffee.

Für meinen Isarlauf setzte ich lieber eine Schirmmütze gegen potenzielle Regentropfen auf Brille auf, nahm auch statt Fahrrad die U-Bahn raus nach Thalkirchen, lief von dort Richtung Süden. Es wurde ein schöner Lauf, die wenigen Phasen Sprühregen beeinträchtigten ihn nicht. Ich bekam Blüten in vielen Farben und Formen zu sehen und zu riechen, die Pflanzenwelt barst vor Saft. Und ich begegnete Küken (bairisch Biberl) – es ist Flausch-Time! Der alte Körper spielte problemlos mit, ich achtete wieder darauf, nicht zu sehr auf dem Vorfuß zu federn; erst ganz am Ende zwickte die böse Wade ein wenig.

Blesshuhnnest im Hintergrund.

Regentropfen auf dem Hinterbrühler See.

Der Isarstand nicht ganz so elend niedrig wie auch schon.

Düsterer Himmel und Regen sorgten für Menschenarmut, herrlich.

Akelei mit Sinn für Location.

Bei Pullach.

Nach gut 100 Minuten Lauf nahm ich die U-Bahn zurück nach Hause.

Gestern kochte Herr Kaltmamsell schon mittags, denn zum Abendessen war ich anderweitig eingeladen.

Es gab die Agretti aus Ernteanteil als Pastagericht mit Pinienkernen und Parmesan, so schmeckte das Grüne so herb intensiv wie möglich.

Durchgetakteter Nachmittag bis Abendverabredung. Am Dienstag bin ich beruflich dran mit Kuchenmitbringen, da ich am Montagabend nicht zu Kuchenbacken gezwungen sein wollte, backte ich vor: Dieser klassische Nussbaiserkuchen (ein Rezept, das vermutlich auf handgeschriebenen oder Schreibmaschine-getippten Zetteln in vielen Küchen meiner Generation und der meiner Mutter herumliegt) schmeckt erfahrungsgemäß nach dem einen oder Tag sogar eh besser.

Wenn ich ein Foto vom angeschnittenen Kuchen machen kann, verblogge ich das Rezept in meiner jetzigen Version.

Nächster Programmpunkt Bügeln. Ich nutzte es für das Aufräumen eines lang offenen Podcast-Tabs:
Marina Weisband fragt in ihrem Podcast Wind und Wurzeln:
“Lohnt sich Fairness in der Politik?”
Wie erwartet mit vielen interessanten Gedanken (die zum Teil von Jeanette Hofmann in ihrem re:publica-Talk unterfüttert wurden), auch wenn ich nicht in jedem Detail mitgehe.

Während meiner Bügelstunden war es draußen wieder sonnig geworden, und sofort kam es durch die offene Balkontür sehr warm herein. Ich ließ es zu, da die kommenden Tage kühler werden sollen.

Brotzeitvorbereitung. Montagmorgen würde dem Arbeitsweg gehören, ich musste also wieder wie im Arbeitsrhythmus vorbloggen, abends war ich ja verabredet. Gleichzeitig sonntägliches Back-up. Nur ganz kurz ins Arbeitspostfach geblinzelt, keine Stinkbomben. (Nein, ich weiß auch nicht, was ich bei Auffinden von ebensolchen getan hätte.)

Dann aber aufbrezeln und ab in die Brasserie Colette. Dort gab es Cremant, Garnele Marocain (die ich in sehr guter Erinnerung hatte – zurecht), Cannelloni (die sich als ein aufrechtes Stück gefüllte Teigrolle erwies) in sehr feiner Erbsensuppe mit einem Glas Sauvignon Blanc, vor allem aber Erzählungen von einer Konferenz in Florenz samt ausgesprochen hochklassiger Unterbringung, von einem Stadtetripp nach Prag (der allerdings meine Trauer verstärkte, dass ich diese komplett überrannte Stadt niemals besuchen werde, Spuren Friedrich Torbergs würde ich ohnhin in diesen Touristenzirkus nicht finden – Prag vor 30 Jahren ist weit oben auf meiner Zeitreise-Liste). Heimweg durch eine warme und schwüle Nacht.

§

Edmund de Waal kündigt in einem instagram-Post sein neues Buch an, an archive. Und erwähnt:

‘there is an element, in any archive, of trespass. Am I allowed in? What is my responsibility to the people who have been here before? How do I respect the dead and their integrity, their individuality and separateness from me? What is excluded, suppressed, forgotten?’

Meine Übersetzung:
Jedes Archiv hat etwas von Grenzüberschreitung. Darf ich hereinkommen? Worin besteht meine Verantwortung den Menschen gegenüber, die vorher hier waren? Wie respektiere ich die Toten und ihre Integrität, ihre Individualität und ihre Unterschiedlichkeit zu mir? Was ist ausgespart, unterdrückt, vergessen?

Wieder eine sehr kluge Perspektive (oft überblättere ich Edmund de Waals Posts auf instagram, weil sie mich in dieser Situation überfordern mit ihrer Tiefe und Intensität): Selbst beim Klick auf Archiveinträge zu mutmaßlichen Verwandten fühlte ich dieses möglicherweise Unerlaubte.

Journal Samstag, 31. Mai 2025 – Freibadsommertag

Sonntag, 1. Juni 2025

Früh aufgewacht, zu meiner großen Freude war es am letzten Tag im Mai warm genug für den ersten Balkonkaffee der Saison (mit Strickjacke).

Blick über Balkonbrüstung in morgensonnigen Park, im Vordergrund auf Balkontisch aufgeklappter Laptop, gefüllte Kaffeetasse, Wasserglas

Balkonblick nach oben in sonnenbeschienenes grünes Laub und blauen Himmel

Und hoch am Himmel ganz viele Mauersegler (falsche Kamera dafür, müssen Sie mir halt glauben).

Herr Kaltmamsell verbrachte den Vormittag vor dem Fernseher: Die Sender mussten nach Pflicht-Providerwechsel neu eingestellt werden, ich bin ihm zutiefst dankbar, dass er das übernahm.

In echtem Sommerlicht mit dazu passenden Temperaturen radelte ich zum Dantebad für meine Schwimmrunde, auf die ich mich sehr freute. Noch bekam ich problemlos einen Parkplatz, die Warteschlange an der Kasse passierte ich mit meiner gut geladenen Bäderkarte.

Im Becken dann sogar überraschend wenige Schwimmer*innen, alle zivilisiert. Wie erhofft befassten sich meine Gedanken mit den Erlebnissen der vergangenen Berlin-Woche, das nahm allerdings ein wenig Konzentration beim Bahnenzählen: Laut Zeit war ich mehr als 3.000 Meter geschwommen.

Duschen, sonnencremen (Gesicht, Nacken, Rücken und Schultern hatte ich bereits daheim versorgt), Bikini-Wechsel, ich legte mich auf der Wiese ein Stündchen in die Sonne.

Jemand fotografiert sich im Liegen auf einem roten Handtuch in rosa Bikinihose, drumrum Freibad-Liegewiese und Bäume

Von Herr Kaltmamsell (echt nicht verfroren) muss die Heizung aufdrehen zu Freibadwetter mit „lange halte ich es nicht in der Sonne aus“ in 48 Stunden.

Als ich das Bad verließ, waren die Liegewiesen dicht belegt, es hatte ja auch richtiges Freibadwetter (Erinnerung an meine Schulzeit vor 40 bis 50 Jahren, als es die absolute Sensation war, wenn man schon in den Pfingstferien ins Freibad konnte).

Auf dem Rückweg noch mehr Männer in Profifußball-Shirts (zu 90 Prozent Italo-Hablantes) auf den Straßen und Wegen (denen das Konzept Radweg offensichtlich komplett fremd war). Zweimal für Ohrenzuhalten wegen LALÜ! vom Rad gesprungen.

Beim Heimkommen war es schon drei, weil mir bereits schwach war, machte ich mir noch vor Aufräumen und Selbstsäuberung Frühstück: Mango und Kiwi mit Sojajoghurt, darin auch Leinsamenschrot und Kürbiskerne.

Die Süddeutsche erinnerte mich per E-Mail daran, dass gestern der letzte Tag meiner Urlaubs-Umstellung auf Online-Abo war. Ich hatte aber keine Lust auf Wochenend-Zeitung (oder die aller Tage der Vorwoche bis auf Mittwoch – ich hatte nur eine geschafft), sondern las lieber meine Mastodon-Timeline und stellte Lieblings-Kurzposts zusammen.

Dazu setzte ich mich auf den verschatteten Balkon, wurde überrascht, dass der leichte Wind eher zusätzlich heizte statt zu kühlen.

Jetzt fühlte ich mich endlich urlaublich träge und entspannt, die Teufelchen auf der rechten Schulter flüsterten nur ganz leise, welche eingebildeten Pflichten ich gerade vernachlässigte (u.a. Bügeln).

Orange Markisenwand lässt nur einen Spalt zum Balkonsims, dadurch sieht man eine Wasserschale, in die gerade eine Amsel ihren Schnabel taucht

Amsel an der Wasserschale.

Yoga-Gymnastik mit viel eagle arms, genau das Richtige nach dem Schwimmen.

Auf einem Balkonsims steht eine hohe schlanke Flasche mit dunklem Inhalt und der Aufschrift "PALO", auf beiden Seiten Longdrinkgläser mit Eiswärfeln und dunkler Flüssigkeit, dahinter Laubbäume in Abendsonne

Als Aperitif endlich ein Gastgeschenk geöffnet, das wir mit der Spielanleitung “mit Mineralwasser aufgegossen abends auf dem Balkon trinken” bekommen hatten: Mallorquinischer Johannisbrot-Kräuter-Likör, gut! Und wenn ich die katalanische Beschriftung der Flasche richtig verstanden habe, dient er auch noch der Malaria-Prophylaxe und verhilft zu ewiger Jugend.

Als Nachtmahl erfüllte mir Herr Kaltmamsell einen weiteren Wunsch: Perfektes Paprikahendl. Unser Traditionsrezept stammt aus dem Blog einer Ungarn-stämmigen Ur-Foodbloggerindem damaligen Rezept-Blog der Zeit und wird sehr gemocht, aber Herr Kaltmamsell probiert ja gerne Neues aus.

Sehr saucenreich und klassisch mit Spätzle serviert, schmeckte gut, aber die kräftigere alte Variante mögen wir lieber. Dazu gab es den Rest Weißwein vom Vorabend.

Nachtisch Schokolade, während draußen der Himmel zuzog, es waren Gewitter angekündigt.

§

Gute verständliche Analyse von Emily Kossak bei den Krautreportern:
“Darum wollen China und die USA die Globalisierung abschaffen
Aber vor allem die Tech-Unternehmen untergraben diese Pläne.”

Der US-chinesische Handelskrieg macht nur Sinn, weil beide glauben, sie kämpfen ein Nullsummenspiel. The winner takes it all, das Techwettrennen kann nur ein Land gewinnen. Aber stimmt das überhaupt? Tim Rühlig hat eine klare Meinung dazu: „Nein, das sind geopolitische Fantasien von Politiker:innen, die keine Ahnung von Techentwicklung haben.“

Journal Freitag, 30. Mai 2025 – Fahrt von Berlin nach München in die Wärme

Samstag, 31. Mai 2025

Vor Weckerklingeln aufgewacht, Wetter unwirtlich.

Erhöhter Blick auf eine regnerische Großstadtkreuzung, umgeben von sachlichen Gebäuden

Bis zum Aufbruch zu meinem Zug zurück nach München hatte ich lediglich Sortieren und Benamsen der Fotos vom Vortag einkalkuliert, Bloggen würde ich auf der Reise.

Nur dass mir so viele bereits ausformulierte Gedanken zum Museumsbesuch am Vortag durch den Kopf gingen, dass ich bei Morgentoilette, beim Anziehen und beim Packen immer wieder an den Rechner springen musste, um sie aufzuschreiben.

Auschecken und Fahrt zum Hauptbahnhof (S-Bahn, damit ich noch ein bisschen gucken konnte) verliefen so flugs, dass ich viel zu früh dran war. Setzte ich mich halt noch lesend an den Bahnsteig. Dort stand abfahrbereit ein ungarischer Zug nach Budapest, ich sah im Speisewagen Passagiere frühstücken, so richtig frisch zubereitetes Frühstück an gedeckten Tischen mit Tischdecken – noch ist die Zivilisation nicht überall untergegangen.

Eine Hand hält einen kurzen blauen Papierstreifen, am Handgelenk ein Band, auf dem man erkennt „blica25“, im Hintergrund unscharf ein Bahnwagon von außen

Fundstück in meiner Handtasche zum Abschied aus Berlin, ein Rest des Konfettiregens bei der Abschiedssause der re:publica (Bändel wurde erst daheim abgeschnitten, sonst sieben Jahre Online-Pech). Auf instagram DM1-Austausch mit einem langjährigen Internet-Kontakt, jetzt stehe ich auf einer Gästeliste Anfang Dezember (ICH WAR NOCH NIE AUF EINER GÄSTELISTE!!1!111).

Im ICE packte ich umgehend meinen Laptop aus und machte mich an die Blog-Arbeit. Mit mir war eine Schulklasse in den Wagen gestiegen, doch wie schon früher in solchen Situationen erwiesen sich die jungen Leute als unauffällige Reisegefährten. (Wenn nicht sogar niedliche: “Ey, kannst du mir a Gummibärli ge’m, Bro?”)

Ganz direkt hatte ich drei Sitznachbarn aus Italien. Die Dame neben mir fragte bald unterwegs, ob wir uns jetzt in der ehemaligen DDR befanden: Der Bildschirm an der Decke zeigte praktischerweise gerade eine Landkarte mit Fahrtverlauf, ich konnte daran die Lage der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze zeigen. Und ergänzte Infos zur chemischen Industrie um Bitterfeld, die man vom Zug aus sehen würde. Später fragten die Herrschaften nach den gelb blühenden Feldern – ich lernte, dass man in Italien Raps nicht kennt (sie recherchierten auf ihren Handys sofort Details). Wir tauschten uns in einer Mischung aus Deutsch und Italienisch aus, ich lernte ein wenig über die Herkunft und Familie dieser Nachbarn.

Blick durch leicht spiegelndes Zugfenster auf Gleise, Bahnleitung, dahinter Robinienwald

Verblühende Robinienwälder.

Allerdings ertappte ich mich, wie ich mich schnell zuständig (und kompetent) für die Erklärung von ALLEM fühlte, bloß weil ich die Einheimische war und sie nicht. Dabei bin ich recht stolz, dass ich meinen angeborenen Hang zum Mansplainen (ist leider nicht zwangsläufig an einen bestimmten Chromosomensatz gekoppelt) mit viel Mühe und Sorgfalt in den Griff bekommen habe (unter anderem durch Vermeiden von Menschenkontakt, aber da trafen sich wohl zwei Ziele besonders günstig). Dass ich mit Bloggen beschäftigt war, half mich zu bremsen.

Keine Lust auf Mittagscappuccino – unter anderem wegen eh Überdrehtheit (oder ich habe mir durch einen Tag nasse Füße doch was geholt?).

“Aanesibzig bis achdeachzig”: In Bamberch gab’s frische Passagiere. Die sich schon wieder als Fußballfans erwiesen, deutlich ungehobelter und alkoholisierter als auf der Hinreise, ich hätte sie gern gegen eine weitere Schulklasse getauscht. Was allerdings schnell dadurch aufgewogen wurde, dass das italienische Trio total begeistert über dieses authentische Erlebnis war (“allegri!”), den Dialekt bemerkte und offensichtlich Geschichten für daheim sammelte. Da freute ich mich für sie.

In Berlin hatte ich eine Kürbiskernbreze als Brotzeit gekauft, beim Warten am Bahnsteig meinen Apfel an eine Bettlerin verschenkt, unterwegs dann aber trotz kneifendem Magen überhaupt keinen Appetit.

Wenig verspätete Ankunft im sonnigen und überraschend warmen München, daheim Herzen und Küssen des Herrn Kaltmamsell. Jetzt musste ich kurz vor drei aber wirklich was essen, es wurde die Breze mit Butter sowie Joghurt mit Resten Zitronat/Orangeat aus der Backkiste (besser wenn länger im Joghurt eingeweicht, aber immer überraschend gut).

Verschiedene Häuslichkeiten, Kofferauspacken, auf meiner Einkaufsrunde für Lebensmittel (u.a. wegen Backplänen) war es noch wärmer geworden.

Yoga-Gymnastik endlich wieder auf einer vernünftigen Matte, die Reisematte (um die ich für die beiden Einsätze sehr froh war) ist halt doch recht glitschig.

Balkonholztisch, darauf zwei Ballongläser mit durchsichtigerEiskugel, leicht rose Drink mit Erdbeerstücken, dahinter über der Balkonbrüstung sonniger Park, vor der Brüstung eine völlig runtergeschnittene große Pflanze

Ernsthaft Balkon (die Pflanzen, Hakenlilien, sahen derart armselig aus, dass ich sie mal wieder abschnitt – braucht also noch eine Weile bis Balkongrün). Wir brauchten den restlichen Erdbeer-Gin vom Vorjahr mit Tonic Water auf.

Dunkle Weinflasche mit schlichtem Etikett vor weißer Wand, zu beiden Seiten gefüllte Weißweingläser

Zum Nachtmahl begleitete ich uns mit einem Schweizer Wein, Direktimport als Gastgeschenk vor fast zwei Jahren: Ein Marsanne Blanche Wittwer aus dem Wallis, kräftig und mit deutlicher Holznote, wenig Säure – passte gut zum Hüftsteak, das Herr Kaltmamsell servierte. (Doch beim Anrichten des Fotos oben ging nach Langem mal wieder ein Glas kaputt; zum Glück nur großer Sprung, ich musste keine Sauerei beseitigen.)

Gedeckter Tisch mit Stroh-Sets, Glasteller mit aufgeschnittenem Fleisch, Gemüse, daziwschen eine Glasschüssel Blatsalat, gegenüber sitzt ein Mann in rötlichem T-Shirt, der auf seinem Teller schneidet

Es beginnt wieder die Zeit mit sommerlichen Stroh-Tischsets und besonders unattraktiv forografierten Glastellern.

Nachtisch: Erdbeeren, Schokolade, schöner Urlaubsabschluss.

  1. Direct Message []

Journal Donnerstag, 29. Mai 2025 – Berlin, Tag 6: Nochmal Yoko Ono, diesmal mit “Ach so!”-Effekt

Freitag, 30. Mai 2025

Ausgeschlafen, Pläne für die Stunden bis Nachmittagsverabredungen nur ohne Uhrzeit-Etikett zugelassen.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren in gelbem Pulli, darunter dunkelblau-weißes Ringel-Short, an den Füßen beige Socken

Die Bloggerin in Hotelzimmer-Schlumpf.

Erhöhter Blick auf sonnige Großstadt-Straßenkreuzung, darüber Wolken

Das Wetter deutlich freundlicher, nach spätem Abschluss des Blogposts wollte ich raus. Ich ging auf einen Mittagscappuccino in das bereits vertraute Eck-Café, nahm mir ein Sandwich für spätere Brotzeit mit, spazierte ein Stündchen durch Mitte und Prenzlauer Berg.

Während ich beim Verlassen des Hotels noch überrascht über die zapfige Frische gewesen war, wurde es in dieser Spaziergangsstunde steil wärmer, bis ich eigentlich nicht mal mehr eine Jacke brauchte, der Kreislauf sandte Fragezeichen.

Altbau-Hausfront, über dem Ladenlokal im Erdgeschoß Leuchtschrift "Are you sure about this place?"

Sonnige, gepflasterte Straßenecke, darauf ein rostiges, altertümliches Straßenschild "Granseer Straße" und "Swinemünder Straße" im Hintergrund grüner Park

Mural an einer fensterlosen Hauswand: Snoopy sieht nach oben in einen herzförmigen Silberballon, in dem er sich spiegelt

Blick in ein geöffnetes Altbaufenster, man sieht ein Küchenbuffet mit Flaschen darauf

Überlebensgroße Bronzefigur eines Bauarbeiters von der Seite, er zeigt in die Richtung eines Hochhaus-Neubauskeletts im Hintergrund

Meine Gefühlspolizei ahndet ja Trauer über Veränderungen und belehrt mich, dass nichts gleich bleibt und Veränderung Leben ist, doch mir wurde halt doch weh beim Spaziergang durch all die neuen Protzbauten und geschniegelten Renovierungen (nicht abgebildet). Berlin wird in meinen Augen von einer Stadt der Geschichte und der Möglichkeiten zu einer Ansammlung von undiskutierbaren Fakten.

Das Park Inn, in dem ich untergebracht war, bot am Spiegel überm Waschbecken einen eigenen Knopf, mit dem man die Zimmerreinigung für den Folgetag abbestellen konnte (begrüßenswerte Idee). Den hatte ich für gestern gedrückt, weil ich vormittags Ruhe wollte und keine Reinigung nötig war. Doch als ich zurück in mein Zimmer kam, stellte ich fest, dass der abbestellte Zimmerservice doch da war – wo ich doch wegen Abbestellt nicht ordentlich aufgeräumt hatte: Unter anderem trockneten mein gesamtes Milchkaffee-Equipment in Einzelteilen und das Geschirrtuch über die spärlichen Möbel verteilt. Auch die Bad-Ablage räume ich sonst auf. Das tat mir leid.

Frühstück um halb zwei waren ein Apfel und ein Ruccola-Käse-Sandwich – nicht so gut wie das Sprossen-Karotten-Tofu-Sandwich aus derselben Quelle. Ich machte mich so rechtzeitig zu meiner Verabredung auf, dass ich zu Fuß gehen konnte: Im Gropiusbau wollte ich die eigentliche Yoko-Ono-Ausstellung sehen, “Music of the Mind”, nachdem mich der Teil in der Neuen Nationalgallerie enttäuscht hatte. Dafür hatte ich mich mit einer weiteren weit zurückreichenden Blog-Freundin verabredet.

Straße mit zwei Radler*innen von hinten, links hinter einer Mauer ein großer rötlicher klassizistischer Prachtbau

Der Gropiusbau, den ich immer in zeitgenössischer Architektur im Kopf hatte (der Name weckte Assoziationen zu 60er-Beton – können Sie mir erklären, warum?), bis ich ihn Ende 2024 beim Besuch des benachbarten Dokumentationszentrums Topografie des Terrors zum ersten Mal sah.

Begrüßungsschwatz mit Freundin, ab in die Yoko-Ono-Ausstellung.

Erhöhter Blick in einen großen, prächtigen Lichthof, darin ein großes Plakat gespannt: "Peace is Power"

Um es kurz zu machen: Ich war begeistert. Onos Kunstansatz, der das Publikum vor allem in den ersten Jahrzehnten ihres Schaffens immer einschließt, mitdenkt, herausfordert, kommt meiner Grundhaltung als hardcore Rezeptionsäthetikerin entgegen: Kunst erhält durch die Betrachterin Bedeutung , wenn sie sich nicht sogar erst in der Rezeption manifestiert. Weshalb sich ein Kunstwerk auch über die Jahrhunderte verändert: Unterschiedlicher Zeithintergrund in der Rezeption erzeugt unterschiedliche Kunstwerke – da mag die Stofflichkeit durchaus dieselbe bleiben (was sie ja genau betrachtet auch nicht tut) und eine eigene Untersuchung wert sein.

Ist es noch Kunst, wenn niemand hinguckt? Und: Wenn jemand hinguckt, kann dann auch ein besonderer Stein, eine Sandformation Kunst werden?

Yoko Ono macht die Betrachterin sogar zur Kunsterzeugerin, in verschiedensten Variationen über die vielen Jahrzehnte ihres Schaffens.

Am reinsten überfiel mich diese Erkenntnis gleich im ersten Raum der Ausstellung: An den großen, leeren Wänden, auf dem Boden, an der Decke, sogar an den Fenstern stehen kurze, handschriftliche Sätze wie „This room gets as wide as the ocean on the other end.“

Weiße Wand, auf der klein in schwarzer Handschrift steht „This room gets as wide as the ocean on the other end.“

Die Umsetzung bleibt der Vorstellungskraft der Leserin überlassen.

Oder ihre Anleitungen für Kunst:

“Des kannt’ mei 4-jährige Tochter aa!”? Wahrscheinlich, aber sie wäre halt nie auf die Idee gekommen. Yoko Ono hält hier nur die Idee fest – zu einem KunstWERK kann sie jeder und jede machen, dennoch bleibt Yoko Ono die Schöpferin, Künstlerin. Brillant.

Großer Museumsraum, auf enem weißen Teppich-Rechteck auf Holzboden eine unförmige Zwei-Menschen-Große Figur in schwarzem Stoff, dahinter zwei fotografierende Menschen, rechts daneben drei weitere stehend, eine dreht sich gerade lachend zur Skulptur um

Schwarze Umhänge, in die Besucher*innen schlüpfen sollen und Skulpturen formen. (Viel Heiterkeit bei den Betrachterinnen.)

<3
Widmung des Yoko-Ono-Buchs Grapefruit von 1964.

An einer weißen Museumswand ein großes Bild mit vagen, verschiedenen Schatten und Kritzeleien, zwei Frauen fügen gerade weitere hinzu

An diesem Kunstwerk (Shadow Piece) beteiligte ich mich auch und malte wie angewiesen die Silhouette meines Schattens mit einer der bereitgestellten Wachsmalkreiden nach.

Eine Frau in blauer Jeans und hellgrünem Oberteil schlägt gerade einen Nagel in ein weißes Bild voller Nägel

Meine Begleitung wiederum trug zu diesem Nagelstück bei.

Eine Hand hält ein blaues Puzzle-Teil mit der Aufschrift "y.o. Berlin '25", im Hintergrund unscharf schwarze Objekte vor weißer Wand

Und was zum Mitnehmen: Von der Decke hingen Stahlhelme in verschiedener Höhe, alle gefüllt mit Puzzlestücken – die zusammen blauen Himmel ergeben sollen.

Ja, eine sehr textlastige Ausstellung, wie meine Begleitung zurecht mehrfach bemerkte, und eigentlich beharre ich ja bockig darauf, dass Kunst keine Erklärung benötigen müssen darf.1 Doch in diesem ganz speziellen Fall akzeptiere ich die Unerlässlichkeit.

Blick nach oben in einen Türrahmen, der prächtig mit bunter Keramik gestaltet ist, darin lesbar der Markenname "Villeroy&Broch"

Keramik-Sponsoring.

Wir ließen uns im Museumscafé nieder und stürzten uns in den eigentlichen Zweck unseres Treffens: Reden. Das setzten wir Stunden später in einer Pizzeria in Schöneberg fort (dorthin lange Autofahrt, weil meine Begleitung eigentlich ein anderes Lokal ganz woanders ansteuerte – das allerdings mittlerweile geschlossen ist): Nach langen Jahren komplett ohne bekam ich diesmal reichlich Berlin-Ansichten durch Autofenster (unter anderem auf einen fliegenden Kormoran).

Tisch mitzwei Pizzen, dahinter sitzt mit Besteck in der Hand eine demonstrativ strahlende Frau mit kruzen weißen Haaren und orangem Oberteil

Foto: @uteschirmack

Gute Pizza, mehr Reden, nach fast zwanzig gemeinsamen Jahren im Web auch Austausch von Informationen über den Verbleib gemeinsamer Online-Bekannter.

Rückweg zum Hotel nur bis Friedrichstraße mit der S-Bahn: Ich fühlte mich noch unterbewegt und wollte Abschied von Berlin nehmen können. (Nachdem allerdings exakt gestern Verwandtschaft nach Berlin zog, plane ich baldige Rückkehr.)

Es war dann meine Begleitung, die daheim merkte, dass wir es nie zu Influencerinnentum bringen werden: Wir hatten kein gemeinsames Selfie gemacht. Sie hat übrigens auch den Ausstellungsbesuch als instagram-Story gepostet.

  1. Für diese Konstruktion hat Wolf Schneider in der Hölle wahrscheinlich eine eigene Abteilung einrichten lassen. []

Journal Mittwoch, 28. Mai 2025 – Berlin Tag 5: Nasse Füße und re:publica bis Singen

Donnerstag, 29. Mai 2025

Weckerwecken weil Bloggen, trotz der Vorarbeit am Dienstag kam ich unter Zeitdruck.

Erhöhte Perspektive auf große Großstadtkreuzung im Regen

Draußen war es regnerisch und wirklich greislich, fast wäre ich eingeknickt und hätte die U-Bahn zur Station genommen. Doch dank der Berliner Freundin hatte ich ja einen Schirm, bockig bestand ich auf Fußweg zur re:publica.

Und hatte (ich bin jetzt 58 und lerne es wohl nie) auch diesmal vergessen, dass ernsthafter Regen nicht nur Nässe von oben bedeutet: In der Station (Schlange am dritten und letzten Tag vor allem vor der Kofferabgabe: all die Abend-Heimreiser*innen) trocknete ich Turnschuhe und Socken auf dem Klo notdürftig mit Papiertüchern. Doch ich bekam meine Füße bis kurz vor Ende der Veranstaltung nicht trocken und vor allem nicht wirklich warm; zwischendurch sorgte ich mich dann doch, ob ich davon krank werden könnte.

Ganzkörper-Spiegelselfie einer Frau mit Brille, kurzen weißen Haaren, schwarzer Hose, buntem T-Shirt, überm Arm hält sie eine weiße Jacke

Wie schon am Vortag postete ich ein Spiegelselfie meines Outfits, um von denen, die mit mir Kontakt aufnehmen wollten, erkannt zu werden. Nachdem die eine oder andere erwähnt hatten, sie hätten sich nicht getraut mich anzusprechen, lächelte ich gestern jede an, deren Blick meinen irgendwie streifte. (So entstehen “Alle-irre!”-Situationen.)

Einstieg in den Konferenztag:

Blick von links auf eine große Bühne, auf der entfernt zwei Personen sitzen, hinter ihnen auf einer Leinwand "re:publica25", links davon große die Übertragung des Gesichts der Referentin, vor der Bühne die Silhouette von zwei Fotograf*innen

Prof. Hedwig Richter, interviewt von Geraldine de Bastion zu “Das eherne Gehäuse der Geschlechterordnung: Hausfrauen und Krise”. Thema und Autorin (Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München) kannte ich schon von einem ausführlichen Artikel dazu in der Süddeutschen (€), wollte sie aber mal in Echt sehen (Hedwig Richter war mir nicht nur mit diesem Artikel positiv aufgefallen) und hörte dann auch einige zusätzliche Details über manche kontra-intuitiven Aspekte, zum Beispiel dass die Nachkriegs-Hausfrau die zentrale Figur der sich neu formierenden Konsum-Gesellschaft war und dass diese Familienform kein typisch deutsches Phänomen war, sondern ein gesamt-westliches. Auffallend in dieser Session: Superspannende Zuschauerinnen-Fragen.

Blick von rechts auf eine niedrige Bühne, auf der voert Menschen sitzen, ganz links steht ein Sprecher mit Mikrofon, auf der Leinwand hinter der Bühne "True history: Was, wenn alles ganz anders war?"

Wechsel zu einer anderen Bühne: “True history: Was, wenn alles ganz anders war?” Thema waren zwei unterhaltende Geschichts-Formate: Von arte gibt es demnächst (nur im Web) das Magazin „Stimmt es, dass …?“, Autorin Madeleine Dallmeyer und Produzent Jannis Funk erklärten das Konzept, mit dem sie von scheinbar gesetztem historischen Wissen ausgehend zeigen, dass es nie so einfach ist, Vieles davon schlicht nicht stimmt oder einfach nicht zu verifizieren ist. Klingt hochspannend. An den Erklärungen von Historiker/Journalist Joachim Telgenbüscher zu seinem Podcast “Was bisher geschah” fand ich besonders die Details einer professioniellen Podcast-Produktion und -Vermarktung interessant.

Mittagscappuccino mit einigen meiner kleinen Internet-Freund*innen.

Von links Blick auf mittelgroße Bühne, darauf sitzen vier Personen, auf der Leinwand dahinter Weiß auf Rot "MONITOR"

Vom “MONITOR-Forum: Social Media regiert die Welt – Brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Plattform?” erhoffte ich mir genau das: Reflexionen zum künftigen Anspruch der Öffentlich Rechtlichen an sich selbst. Georg Restle (Redaktionsleiter MONITOR) beleuchtete das im Gespräch mit Constanze Kurz (<3), Annika Brockschmidt und Nadia Zaboura von vielen hochspannenden Seiten und durchaus mit verschiedenen Schwerpunkten. Unter anderem wies Constanze Kurz darauf hin, dass das Fediverse (Szenenapplaus bei Erwähnung, dass die Öffentlich Rechlichen verpflichtet sein sollten, auch dort zu posten, “Ich habe schon gemerkt, dass es beim Stichwort ‘Mastodon’ immer Applaus gibt”) nicht das Allheilmittel sei: Zu viele Menschen seien auf die Monetarisierung ihrer Inhalte über die Giganto-Plattformen wie YouTube angewiesen, doch diese müssten gesetzlich von der EU reguliert werden: “Keine Tracking-basierten Geschäftsmodelle”.

Nebengedanken:
1. SO kann eine Podiumsdiskussion aussehen, die die bessere TV-Talkshow wäre. Nein, es waren keineswegs alle einer Meinung, aber alle waren interessiert an Erkenntnisgewinn.
2. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr es mein Feministinnenherz zum Leuchten bringt, so viele atemberaubend kluge Frauen auf den Bühnen zu erleben.

Weiße Seitenwand einer riesigen Halle, daran sitzen auf dem Boden mehrere Menschen mit Laptops

Generisches re:publica-Foto.

Zeit für meine Brotzeit auf dem Affenfelsen: Apfel, Hüttenkäse.

Blick von vorn auf eine Bühne, darauf ein Mann, hinter ihm auf blauer Leinwand in Weiß "Share & Conquer"

Überraschendes in Patrick Stegemanns Vortrag “Share & Conquer: Wie Influencer*innen plötzlich Weltpolitik machen”: Nicht nur zeichnete er nach, wie viele Mitglieder des aktuellen Kabinetts von Donald Trump vorher ihr Geld (auch) als Web-Influencer und mit der Persönlichkeits-gebundenen Vermarktung von Zeug im Internet verdienten. Ich wusste auch nicht, dass drei Abgeordnete des aktuellen Europa-Parlaments davor Influencer waren und sich über Web-Kampagnen auf ihren Kanälen durch ihre Web-Follower dorthin haben wählen lassen. Sehr gruslig.

Große Bühne von vorn, rechts am Rednerpult eine Frau, lins große Leinwand, darauf Weiß auf Schwarz "Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!"

“Unterschätze niemals die Macht der Verdrängung!” lautete der Titel des diesjährigen Vortrags von Verschwörungs-Mythen-Forscherin Katharina Nocun aka @kattascha. Unter anderem ein Appell, Faschismus als Faschismus zu benennen und der sachliche, historisch unterfütterte Hinweis: Schweigen ist Zustimmung.

Nochmal eine Pause auf dem Affenfelsen, jetzt lernte ich einige langjährige Online-Kontakte auch persönlich kennen, das war schön.

Blick von rechts auf eine Bühne, links eine Frau am Rednerpult, auf der Leinwand hinter ihr "Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung"

Von Jeanette Hofmann, Direktorin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ließ ich mir in “Unmaking sense: Desinformation als Gegenerzählung” ihre Perspektive auf Mechanismen der Desinformation erklären. Zentrale These: Es geht nicht um Wahrheit, sondern um die Personalisierung vertrauenswürdiger Weltdeutungen (im Gegensatz zu wissenschaftlichen Belegen). Menschen verbreiten Desinformation weiter aus Loyalität und Beleg ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft – Fact Checking mag also schon für die Akten nützlich sein, wird aber diesen Mechanismus nicht beeinflussen. (Ich notierte mir als Lektüre-Tipp A Social History of Thruth von Steven Shapin.)

Das letzte Panel, das ich mir als interessant notiert hatte, stellte sich als (für mich) langweilig heraus, ich spazierte schonmal zu Stage 1, um mir für die große Abschiedssause einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Was mich als Web-Seniorin entlarvte, ich traf dort einige besonders langjährige Online-Mitmenschen.

Wie immer Zahlen und Fakten zu den vergangenen drei Tagen:

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Programmpunkte auf den Bühnen 663"

Große Bühne, bunt beleuchtet, auf der Leinwand "Sprecher*innen eher weiblich 531, eher männlich 427, non-binär 21, keine Aussage 237"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "Sprecher*innen nach Generationen, Boomer 2%, X 26%, Y 60%, Z 11%"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, auf der Leinwand "App Installatioin auf iPods: 2"

Große Bühne, bunt beleuchtet, rechts ein Mann mit Mikrofon, die Silhouette eines Kameramanns, auf der Leinwand "AfD-Politiker*innen auf der Bühne 0"

Die Gründer*innen auf die Bühne!

Große Bühne, auf der sich stehend vier Personen bewegen, hinter ihnen auf der Leinwand ein QR-Code und "Feedback"

Feiern der Mitarbeiter*innen auf der Bühne, gemeinsames Singen von Queens “Bohemian Rhapsody” (das muss so), aus.

Abschiedsgruß auch heute noch: “Wir lesen uns.” Das hier startete ja mal als Bloggerkonferenz. (Es gibt erste Ideen der Ursuppe, zur 20. re:publica 2027 eine historische Blog-Rückschau auf die Beine zu stellen.)

Ich wusste seit Tagen, wo ich abendessen wollte: Am Samstag hatte ich bei meinem Spaziergang durch Mitte einen Laden gesehen, vor und in dem Menschen asiatische Suppe aus großen gelben Schüsseln aßen, das wollte ich auch. U-Bahn bis Stadtmitte, von dort Marsch im Trockenen und sogar mit ein wenig Sonne bis hoch zu Sanku Maots’ai. Es stellte sich heraus, dass das Lokal ein Baukastensystem wie Subway hatte: Ich holte mir aus einem reichhaltigen Buffet Suppeneinlagen, gab sie an einer Theke ab und wählte eine Brühe, zahlte und bekam einen numerierten Abhol-Dongle, der brummte, als meine Bestellung abholbar war.

Kleiner Restauranttisch mit Schüssel asiatischer Suppe auf Tablett,  dahinter minimalistisches Lokal

Durch ein grobmaschiges Netz fotografiert Leuchtschrift über einem bleuchteten Buffet, davor die Silhouetten von Menschen

Schmeckte genau so erfreulich, wie ich mir das erhofft hatte. UND! Ich stellte fest, dass meine Füße endlich richtig warm und trocken waren.

Blick eine Straße hinunter auf Berliner Fernsehturm vor blauem Himmel

Spaziergang ins Hotel, dort zum Nachtisch Schokolade.

Diesmal hatte ich wegen meiner Teilnahme an einer Digital- und Gesellschaftskonferenz in den drei Tagen fast null vom Weltgeschehen mitbekommen, ein bisschen paradox. Im Hotelzimmer war ich aber zu erledigt für ein Nachholen, las nur ein wenig Internet, genoss den Ausblick.

Hotelzimmerfenster, hinter dem die Sonne über einer Großstadt untergeht

Blick hinunter auf nächtliche Großstadtkreuzung