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Journal Mittwoch, 11. Dezember 2024 – Amerika / Der Verschollene an den Kammerspielen

Donnerstag, 12. Dezember 2024

Eigentlich gute Nacht, aber einmal weckte mich das Bauchzwicken, das mich bereits am Vortag im Büro geplagt hatte – vermutlich also nicht durch eine konkrete Speise ausgelöst.

Auf einem dunklen, gepflasterten Platz stehen einige geschlossene, aber Lichter-verzierte Christkindlmarkt-Buden, im Hintergrund die Gebäude des Verkehrsmuseums

Der Dezember behielt sein Dunkelgrau gleich an, was ich aber erst im Büro richtig sah, denn erst dort wurde es hell genug für Wettereinblick.

Arbeit gut machbar, Mittagscappuccino in der Nachbar-Cafeteria, Mittagessen Pumpernickel mit Butter sowie ein paar Mandarinen.

Ich machte gestern besonders früh Feierabend, denn ich hatte abends einen Theatertermin: Da ich den ersten meines Abos Anfang Oktober wegen zu viel Arbeit verfallen hatte lassen, stieg ich erst gestern in die aktuelle Saison ein.

Ich verließ das Büro also noch vor vier, draußen hatte der Tag alle Bemühungen um Tageslicht fahren lassen und sich bereits der Abenddämmerung ergeben. Die zusätzliche freie Zeit verwendete ich für Weihnachtsgeschenkeinkäufe, zunächst im Einkaufszentrum Schwanthalerhöhe (wo es die angesteuerten Läden bereits nicht mehr gab, der ständige Wechsel dort ist kein gutes Zeichen), dann in der Sendlinger Straße (Erfolg 1), Kaufhof am Marienplatz, in umliegenden Läden (Erfolg 2).

Daheim hatte ich sogar noch Zeit für etwas Yoga-Gymnastik, bevor Herr Kaltmamsell das vorgezogene Nachtmahl servierte: Krautwickel aus eingefrorenen Ernteanteil-Kohlblättern, Nachtisch Milchreis.

Marsch zu den Kammerspielen unter Umgehung der dichtesten Christinklmarkt-Menschenansammlungen. Gespielt wurde gestern Amerika / Der Verschollene “nach dem Romanfragment von Franz Kafka in einer Fassung von Charlotte Sprenger und Olivia Ebert”, 2 Stunden 40 Minuten mit einer Pause, ich wappnete mich für Durchhalten.

Auf einer dinklen Theaterbühne steht in einem Lichtkegel ein schwarzer Fügel, links daneben ein Schauspieler im Kostüm der Freiheitsstatue

Leider konnte ich mit dem Bühnengeschehen nichts anfangen. Ein wenig wurde die Geschichte von Karl Roßmann erzählt, das halt fragmentarisch expressionistisch, jaja: fremde Umgebung, amerikanischer Erfolgsgedanke, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse. Doch was war daran Kafka? Inhalte werden schon seit Jahren nicht-realistisch auf die Bühne gebracht, sondern mit grotesken, absurden Erzählmitteln, in grellbunten Schlaglichtern. Kafkas literarische Weltsicht ist längst die Basis aller Inszenierungen.

Wie immer sehenswert: Die Schauspielerinnen und Schauspieler, allen voran Katharina Marie Schubert in der Hauptrolle, die sensationell wandelbare Jelena Kuljić, Philipp Plessmann als Freiheitsstatue und am Piano, Maren Solty und Johanna Kappauf sehe ich immer gern. Lustige, kreative Kostüme und Perücken gab es auch (Aleksandra Pavlović), aber das reicht nicht für einen so langen Theaterabend. Abschließend trat Maren Solty an die Bühne und las einen Appell gegen die Streichungen im Münchner Kultur-Etat vor, forderte zum Unterzeichnen eines offenen Briefs auf.

Der Zuschauerraum war anfangs nicht mal zur Hälfte gefüllt, nach der Pause nur noch zu einem Drittel – was mir immer ungemein für die Truppe auf der Bühne leid tut (weswegen es sehr viel mehr braucht als eine Inszenierung, die an mir vorbeigeht, um mich zum Aufgeben zu bringen).

Zackiger Marsch durch die dunkle Innenstadt mit überraschend viel Unterwegs-Volk, damit ich nicht allzu spät ins Bett kam.

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“Umwelthilfe geht wegen Straßenlärm gegen 21 Städte vor”.
Wollen wir raten, wie die Boulevard-Schlagzeilen dazu aussehen? Ich fange an:
MAULKORB FÜR PKW
SCHLUSS MIT ‘JETZT RÖHR I’
MOTORVERBOT FÜR MÜNCHEN

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Kirsten Fuchs slamt über Hitzewallungen, und es sollte viel mehr wütend über diesen Scheiß geslamt werden.

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https://youtu.be/EB-6ZDVcqq4?si=-wUkQuHGc9DsjrYr

via @maske_katja

Journal Montag, 9. Dezember 2024 – Frische Arbeitshölle

Dienstag, 10. Dezember 2024

Bloggen über Morgenkaffee untermalt von vielerlei Krähen-Geräuschen: Die mächtigen kahlen Bäume um den Balkon fungieren derzeit als Schlafbäume, und am Morgen gibt es wohl viel zu erzählen.

Vor einem hellen, städtischen Nachthimmel kahle Bäume voller Krähen

Marsch in die Arbeit in dunkelgrauem, kalten Wetter knapp über Null, aber zumindest regnete es nicht. Nicht nur vor unserem Balkon gab es viele Krähen, über Ludwigsvorstadt und Theresienwiese murmurierten riesige Schwärme.

Nach Hochfahren des Rechners und Öffnen des Postfachs die inzwischem Montagmorgen-übliche Hektik, bis ich die Entwicklungen des Wochenendes nachvollzogen und die sich daraus ergebenden Aufgaben umgesetzt hatte. Noch zwei volle Arbeitswochen bis Weihnachten, es ist noch sehr, sehr weit bis zur erleichternden Aussicht auf Ferien.

Über den Vormittag schlugen wieder die Wellen unvorhergesehener Jobs über mir zusammen. Eine Aufgabe, die ich mir auf diesen Montag verhältnismäßig knapp vor Deadline geschoben hatte inklusive auch nur Nachdenken darüber, einfach weil ich vorher keinerlei Kapazitäten dafür hatte – stellte sich in dieser Zeitknappheit als gar nicht erledigbar heraus, ich hatte die falsche Rolle dafür. Das und die damit einhergehende Panik hinderten mich am Mittagscappuccino, doch Koffein wäre bei meiner Grund-Zittrigkeit ohnehin verheerend gewesen. Und in dem dunkelgrauen Regen hätte ich nicht mal aus dem Marsch an frischer Luft Genuss gezogen.

Montag 12 Uhr, und ich war eigentlich bereits durch mit der Woche, hatte bereits Denkaussetzer, bei denen ich vor dem Bildschirm sitzend nicht mehr wusste, was ich auf dem Dokument vor mir eigentlich tun wollte.

Querschüsse, Abrufbereitschaft für Einspringen – es wurde zwei, bis ich wenigstens etwas essen konnte: Apfel, Mango mit Sojajoghurt.

Nachmittags bekam ich ein wenig Luft durch die Absage eines Termins von jemandem, der noch mehr um die Ohren hatte als ich.

Nicht allzu später Feierabend, Heimweg in Nieselregen über Lebensmitteleinkäufe und erste Weihnachtsgeschenkkaufversuche (wie können Menschen ihre Weihnachtsgeschenke schon vor Advent beisammen haben, wenn man doch erst im Advent die Briefe ans Christkind schreibt?).

Nach stundenlangem Zusammenreißen im Büro zeigte sich meine wahre Laune, als ich daheim beim Öffnen des Wintermantels kurz davor war, den sich sperrenden Knopf durch brutales Reißen zu öffnen. Häuslichkeiten, dann eine Runde sportliche Yoga-Gymnastik.

Als Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell die Ernteanteil-Pastinaken nach einem englischen Rezept zu: Eine Kasserole mit Chorizo und Lauch (und Sherry und Petersilie und Zitronenschale), ganz überraschend gut. Nachtisch Panettone UND Schokolade. Herr Kaltmamsell merkte an, dass er sich auch an anderen als dem Freitagabend nach ersten Alkohol ganz gerne mit mir unterhalten würde, ich war mal wieder zu keinem Gespräch fähig.

Beim Fernseherlaufenlassen stolperte ich in die WDR-Doku “Hape Kerkeling: Total normal” und blieb hängen. Zwar hatte ich live von dem Komiker gerade mal in den 1980ern die Hannilein-Figur mitbekommen, doch er ist ja Kanon und so wusste ich von seinen Shows, dem Outing, den Liedern, der Wanderung, den Filmen, den größten Sensationen (“Hurz!”) – der Mann und sein Werk sind (west-)deutsches Kulturgut. Der Junge muss an die frische Luft hatte ich sogar im Kino gesehen und gemocht. Und so sah ich seine Biografie wirklich interessiert – dass jemand bereits zu seinem 60. Geburtstag so viel und laut geehrt wird, macht allein schon seine Bedeutung klar.

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Eine schöne Folge “Sachverstand” in den Übermedien: Bestatterin Sarah Benz kritisiert die Darstellung von Tod, Abschied und Trauer in Medien:
“‘Im Film ist Trauer immer etwas, das gemanagt werden muss”‘.

Journal Samstag, 7. Dezember 2024 – Geburtstag gefeiert in der Schweiz

Sonntag, 8. Dezember 2024

Dieses Wochenende gehört einer Geburtstagsfeier in der Schweiz. Diesmal aber echt ehrlich wirklich: 2023 hätten Herr Kaltmamsell und ich diesen Geburtstag auch sehr gerne gefeiert, wurden aber durch Schnee an der Reise gehindert. (Wie sehr mich dieses Erlebnis geprägt hat, merkte ich dieses Jahr im Sommer, als ich jemandem beibringen musste, dass die Überschwemmungen jede Art von Bahnreise nach und von München unmöglich machten: Ich bemerkte dasselbe langsame Begreifen gegen die Widerstände “aber vielleicht so?” und “ach komm, irgendwas wird doch gehen!”.)

Ich wachte noch vor Wecker auf, also kein zusätzlicher Schlaf, auf den ich mich gefreut hatte.

Vor einem flammend pinken Morgenhimmel: Ein moderner Kirchturm

Dafür ein Bomben-Sonnenaufgang.

Wir spazierten in angenehmer Luft zu unserem spätmorgentlichen Zug. Bis auf die Schweizer Seite hatten wir nur sieben Minuten Verspätung eigefahren, doch dann ging es bergab: Statt uns bis nach Zürich zu transportieren, warf uns dieser Zug (wegen Baustelle) schon in Winthertur raus, die letzte halbe Stunde dorthin zuckelten wir sehr langsam (allerdings Bonus: sehr viele Greifvögel in der Luft vorm Fenster und auf dem Boden, ein Reiher am Bach). Zu nichts davon übrigens eine Handy-Nachricht von der SBB, die mich am Freitag noch an meine Abfahrt am Samstagmorgen erinnert hatte und agekündigt, sie werde mich über allfällige Änderungen auf dem Laufenden halten. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass wir von Zürich aus problemlos weiterkommen würden, machten wir nach Fahrt in anderer Bahn dorthin Kaffeepause.

Hölzernes Café-Tischchen mit zwei Tassen Cappuccino, dahinter Glasfront in eine moderne Bahnhofshalle

Mittagscappuccino in einem Mövenpick-Café. Die Thekenfrau freute sich sehr über mich: „Lange nicht gesehen!“ Eine Verwechslung, und schon war ich befangen, wollte die eigentlich gemeinte Frau nicht in Verruf bringen.

Weiter nach Rheinfelden. Ich hatte mir vernünftig Brotzeit eingesteckt, obwohl ich meine Appetitlosigkeit vorhergesehen hatte (mal sehen, ob ich auf Bahnreisen je wieder die ordnungsgemäße innere Vollverklebung mit Keksen, Schokolade und vor allem Gummibärchen erleben werde). Vernünftig aß ich auch ohne Appetit um halb zwei einen Apfel und Hüttenkäse.

Mittlerweile regnete es kräftig, letzter Umstieg in Rheinfelden. Wir trafen mit einer Stunde Verspätung in unserer Unterkunft ein, wahrscheinlich wollte die SBB uns Deutsche-Bahn-Opfer nicht zu neidisch machen. (Morgens hatte ich mich bei Herrn Kaltmamsell noch für die frühe Abfahrt entschuldigt, die ich wohl ohne viel nachzudenken gebucht hatte. Doch es braucht auf Langstrecken einfach einen Puffer.)

Werbeplakat mit Bild eines flachen Burgers mit viel Käse und Schrift „Look who‘s back. Der McRaclette“

Hallo Schweiz!

Das Wetter war ausgesprochen unwirtlich, wir heizten also unser Zimmer warm und lasen dort.

Abends spazierten wir zur Gastgeberin ins bereits bekannte Haus, netterweise hatte der Regen aufgehört. Und dort bekamen nicht nur erfreutes Wiedersehen, sondern auch Salat mit Ernteanteil-Karotten und -Rote-Bete, Selleriesuppe, Flammkuchen zum Selbstbelegen und dreierlei selbstgemachtes Eis, dazu elsässer Crémant und Riesling aus Washington State – ein großes Schlemmen. Mit Gesprächen, Geplänkel, Geschichten, es war ein wunderbarer Abend. Zurück in unser Pensionszimmer kamen wir wieder trocken.

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Berlins Oberbürgermeister meint, Kassiererinnen würden eh nicht Opern besuchen und begründet so Einsparungen im Kulturbereich. Katja Kollmann hat für die taz Berliner Kassiererinnen gefragt (wenn auch nicht repräsentativ), ob das stimmt.
“Gehen Kassiererinnen in die Oper?”

(Spoiler: Immer mal lieber vorsichtig mit den Stereotypen.)

Journal Freitag, 6. Dezember 2024 – Regennikolaus

Samstag, 7. Dezember 2024

Jemand anders hatte Nikolaus keineswegs vergessen: Als ich völlig erschlagen (trotz guter Nacht) nach Weckerklingeln meine Schlafzimmertür öffnete, begrüßte mich davor ein wunderschöner Schoko-Nikolaus. Der Schenker amüsierte sich darüber, dass ich Nikolaus vergessen hatte.

Schon bei einem leichten Zwischen-Aufwachen hatte ich das Regenrauschen gehört – und diesmal war mir dabei eingefallen, dass ich Gummstiefel besitze: Ich saß im Büro also nicht wie am Regenmorgen der Vorwoche eine Stunde strumpfsockert am Schreibtisch, die nassen Turnschuh-Vorderteile mit Papiertüchern ausgestopft, damit Socken und Schuhe trocknen konnten. Aber Spaß machte der Weg in die Arbeit in prasselndem Regen, den Schirm gegen den Wind gestemmt, auch so nicht. Mein feuchter Wollmantel dominierte den ganzen Tag den Geruch meines Büros. (Ich kam erst nicht drauf, wieso es in dem Raum nach Schaf roch.)

Geordneter Start des Arbeitstags, ich unterbrach das Abarbeiten nur hin und wieder nach innerem Hochschrecken für Nachfragen zur Beruhigung, es schoss nur wenig quer dazwischen.

Draußen wurde das Wetter graubunt, es regnete aber nur vereinzelt.

Sehr erhöhter Blick auf Vorstadt mit Bürogebäuden, mehrspurige Straßen, S-Bahn-Gleise, im Hintergrund die Stadt-Silhouette von München

Also wagte ich mich nach dem Check des Regenradars in Turnschuhen und Mantel, ohne Regenschirm auf einen Mittagscappuccino ins Westend, kam trocken hin und zurück. Danach Weiterarbeiten, allerdings mit der Erschwernis schwankender Konzentrationsfähigkeit.

Mittagessen wieder sehr spät, aber gestern wegen Appetitlosigkeit (my old Stress-friend): Apfel, Granatapfelkerne mit Sojajoghurt.

Nachmittag weiter geackert mit wenig Durchschnaufen dazwischen, ich brauchte fast durchgehend Kunstlicht.

Feierabend nur wenig in die Überstunden gezogen. Auf dem Heimweg Edeka-Einkäufe: Es war spannend, auf dem Weg dorthin in der Einkaufslisten-App zu beobachten, was Herr Kaltmamsell wegbesorgte. Wetter halbwegs trocken.

Zu Hause erstmal Geschäftigkeit (Wäsche, Pflanzen, Reisevorbereitungen) und Yoga-Gymnastik, dann war endlich wirklich Feierabend. Herr Kaltmamsell hing ebenfalls sehr in den Seilen, sorgte dennoch für Nachtmahl. Ich reichte vorher Negronis an, dann gab es den Ernteanteil-Kürbis als DEN Salat.

Mit Postelein statt Ruccola, weil der halt im Ernteanteil war. Dazu den Rest Rosé von der Vorwoche (vakuumiert verplöppelt im Kühlschrank frisch gehalten), der überraschend gut zu Kürbis und Apfel passte. Nachtisch Schokolade, vor Bauchkneifen aufgehört.

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In der SZ-Reihe “Reden wir über Geld” gestern Gonzalo Ùrculo, Gründer und Geschäftsführer von Crowdfarming (bin treue und überzeugte Kundin) – viel interessanter Hintergrund zu Vertriebswegen von Obst, u.a. wie Restaurants in Juni an Orangen kommen (€):
“‘Wenn der Kunde Orangen im Juni möchte, können wir sie ihm nicht liefern'”.

Wir verkaufen nur saisonal und ernten immer schrittweise auf den Feldern, nach Bedarf. Die meisten Früchte halten sich sehr gut am Baum. Wenn du bei einem unserer Landwirte etwas bestellst, hängen deine Früchte noch am Baum. Damit wenden wir uns gegen den Trend, die Produkte innerhalb kürzester Zeit zu liefern. Das hat hohe Umweltkosten, weil das Obst dann überall in Europa zwischengelagert werden muss. Unsere schnellste Lieferung beträgt ab dem Zeitpunkt der Bestellung vier Tage. So lange dauert es mindestens, bis die Früchte gepflückt, verpackt und verschickt werden.

Hin und wieder werde ich hier nach konkreten Crowdfarming-Anbauern und der Qualität der Früchte gefragt. Ich nenne gerne die Standorte meiner Baum-“Adoptionen”, doch was die Qualität angeht: Kommt drauf an, nämlich auf die konkrete Saison. Jede und jeder, die mit Obstanbau zu tun hatten, weiß, wie stark der Einfluss des Wetters auf die Ernte ist. Genau das ist der Unterschied zum Supermarkt-Obst: Dort wird nur die schönste, standardisierte Ware angeboten, und wenn der Lieferant sie nicht liefern kann, wird ihm nichts abgenommen. Und schon sind Lebensmittel zu Müll verwandelt. Bei Crowdfarming kauft man einen Ernteanteil, große und kleine Früchte, viele davon nicht ebenmäßig. Wie sie halt am Baum hingen.

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Wenn wir schon bei Lebensmitteln sind: Chris Kurbjuhn erzählt eine Familiengeschichte damit.
“Mutters Essen: Knödel mit Geschichte”.

Journal Donnerstag, 5. Dezember 2024 – Dementor Erwerbsarbeit

Freitag, 6. Dezember 2024

Gut geschlafen, hätte mehr sein dürfen. In der letzten Stunde vor Weckerklingeln ließ mich die Erinnerung an zwei Dinge, die ich nicht vergessen durfte, nicht mehr ganz einschlafen (Plastikkiste für Ernteanteil mitnehmen / Maschine helle Wäsche programmieren – meine Probleme möchten Sie haben).

Zu meiner Überraschung wurde es zu klarem Himmel hell, ich genoss den Marsch in die Arbeit.

Am Schreibtisch legte ich umgehend los – mit einem nahezu fröhlichen Chopchop. Doch dann musste ich schon wieder schöne Spontanjobs ablehnen, weil ich bis Freitagabend durchgebucht war.

Am späten Vormittag war ich noch so gut im Plan, dass ich für Markteinkäufe (Äpfel) und Mittagscappucino ausstempelte.

Doch zurück im Büro erwischte mich ein massiver Querschuss, der mich ungeplante anderthalb Stunden beschäftigte. Das war’s mit Mittagspause, kurz vor zwei zwang ich mich zumindest, den mitgebrachten Linsen-Bete-Salat zu essen.

Der Nachmittag war brutal, und ich leide derzeit unter Schwierigkeiten, für die ich nichts kann, die ich auch nicht beseitigen kann, die aber mittelfristig desaströs verlaufen. Mir dämmerte immer mehr (nicht erst seit gestern), dass das so auf Dauer nicht weitergehen kann. Wenn die Erwerbsarbeit wie so ein Dementor wirkt, der allen (ohnehin eher spärlichen) Lebenswillen, alle Kreativität und Energie absaugt, stimmt doch was nicht? Wobei mir ja inzwischen klar ist, dass auf mich jede Erwerbsarbeit ein wenig diese Wirkung hat – was es schwierig macht zu erkennen, ab wann ich Alarm schlagen muss.

Zu spät durfte es gestern nicht werden, ich war dran mit Ernteanteilabholung. Und davor musste ich Milchnachschub besorgen.

Auf dem Heimweg war ich so erledigt, dass ich eigentlich nur “So kann das nicht weitergehen” in Variationen dachte. Milch und Ernteanteil heimgebracht, Herrn Kaltmamsell angeschnaubt, dass ich möglicherweise unfreundlich zu ihm sein würde. Dabei gibt es bei ultra-grottiger Laune doch nur einen Menschen, an dem man sie auslassen kann, der keine Chance hat davor wegzulaufen: Man selbst.

Eine halbe Stunde Yoga-Gymnastik wirkte schon mal besänftigend – obwohl einige Übungen dabei waren, die mein Körpervermögen weit überschritten (so weit, dass ich es lustig fand).

Für die Brotzeizvorbereitung hatte ich zwei Sorten Sojajoghurt in der Hand (ich musste einmal umständhalber von meiner üblichen Marke abweichen).

Zutatenliste der Ausweichmarke (10 Posten).

Zutatenliste von Sojade, das ich am liebsten kaufe (2 Posten). Einer von diesen beiden Herstellern scheint handwerkliche Probleme zu haben. Preis übrigens identisch.

Herr Kaltmamsell hatte bereits Spannung aufs Nachtmahl aufgebaut: Es werde etwas ganz Besonderes um den Ernteanteil-Lauch geben.

Auf gedecktem Tisch eine gestürzte Tarte mit Lauchscheiben und Salbeiblättern

Eine Ottolenghi-Rezept: Leek nut roast tatin. Sehr gut, lauchig-nussig-pilzig-fruchtig – über die letzte Geschmackskomponente rätselten wir, tippten als Ursache auf Granatapfel-Melasse sowie die Pastinake, die Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil zusätzlich reingeraspelt hatte.

Nachtisch Schokolade.

Mit neuem Buch ins Bett: Matt Haig, The Midnight Library, fing einladend an. Doch dann fiel mir ein, dass ich Nikolaus vergessen hatte und Herr Kaltmamsell am nächsten Morgen mit bebender Lippe vor keinem Schokoladennikolaus stehen würde – ach Männo.

Journal Dienstag, 3. Dezember 2024 – Die Zukunft des Online-Kaufens

Mittwoch, 4. Dezember 2024

Aufgewacht zu Regenrauschen, Arbeitsweg im Regen unter Schirm und im Finsteren.

Turbulenter Arbeitsvormittag, ich musste Jobs abgeben, die ich eigentlich am liebsten mache, aber sie waren für mich nicht mit dieser Deadline zu schaffen.

Dennoch rannte ich auf einen Mittagscappuccino raus an die Theresienhöhe, der Regen hatte aufgehört.

Im Vordergrund eine Capuccino-Tasse auf einem Holztisch, dahinter ein kleines goldenes Weihnachtbäumchen, im Hintergrund Café-Szene, an einem Tisch sitzen zwei Menschen, hinter ihnen die Glasfront mit Blick auf einen gepflasterten Platz

Spätes Mittagessen waren dann der Rest Körnerbrot sowie Granatapfelkerne mit Joghurt.

Der Nachmittag wurde sehr arbeitsreich und anstrengend (aber ich sah, dass draußen sogar die Sonne herausgekommen war), ich musste am Ende die eigentlich nicht mehr vorhandene Konzentration mit aller Kraft zusammenkratzen.

Da der Arbeitstag am Mittwoch bis in die Nacht dauern würde, hatte ich eigentlich geplant, am nächsten Morgen eine Stunde später anzutreten – doch es zeichnete sich ab, dass das schwierig werden könnte.

Irgendwann machte ich mit Gewalt Feierabend: Ich wollte in der Innenstadt eine Click-and-collect-Bestellung abholen – wenn ich schon in der Innenstadt wohne, konnte ich mir ja das Porto nach Hause sparen.

U-Bahn zum Odeonsplatz, von dort aus ging ich zum Kosmetik-Laden in der Kaufingerstraße, ich hatte ein sehr spezielles, kleines Pflegeprodukt bestellt (dass es dieses im Laden selbst nicht gab, sondern nur im Online-Shop der Kette, hatte ich schon vor Monaten herausgefunden). Im mehrgeschoßigen Laden lief ich ein wenig irr, der Click-and-collect-Ort war kaum ausgewiesen.

In einem Laden, links hinten die Schrift "Click & Collect Abholstation", davor bis direkt davor hohe Stapel schwarze Paletten in Folie

Als ich ihn gefunden hatte, half mir das allerdings auch nicht. Mehr Herumirren, bis ich eine Angestellte um Hilfe bitten konnte. Sie suchte dann eine Weile an verschiedenen Stellen hinter der Kasse und hinter Türen, bis ich in einer völlig überdimensionierten Postverpackung meine Bestellung bekam und zahlen konnte. So hatte ich mir die Zukunft des Online-Kaufens auch nicht vorgestellt.

Schnelle Lebensmittel-Vorratseinkäufe, daheim holte ich lediglich Herrn Kaltmamsell ab, denn Abendessen sollte es auf dem Christkindlmarkt geben. Es wurde für uns beide je eine Rengschburger spezial und eine Portion Pommes.

Nachtischschokolade zu Hause.

Festgestellt, dass nicht alle Menschen mit Freude an deutscher Sprache meine Allergie gegen die Arbeitsweltbegriffe “zeitnah” und “im Nachgang” nachvollziehen können. Die Alterserscheinung Sprach-Überempfindlichkeit scheint bei mir früh und heftig zuzuschlagen. (Dafür habe ich kein Problem mit Gluten oder Laktose.)

Journal Montag, 2. Dezember 2024 – Noch so ein Arbeitsmontag

Dienstag, 3. Dezember 2024

Eigentlich eine gute Nacht, aber mit mehrfachem leichten Aufwachen.

Wetter war kalt mit buntem Sonnenaufgangshimmel, die Temperatur in der Innenstadt lag leicht über Null.

Häuser-Silhouette vor Morgenrosa

Blick zurück auf der Theresienwiese.

Im Büro die gewohnte Montagshektik nach Öffnen des Postfachs, weil andere am Wochenende gearbeitet hatten. Das Wetter verdüsterte sich, es regnete auch mal, der Rest des Tages war gemischt.

Für meinen Mittagscappuccino ging ich nach durchgehender Emsigkeit rüber zu Nachbars, schloss Einkäufe im nahen Lidl an.

Weitere Besprechungen und Tätigkeiten, bevor ich zu Mittag Rote-Bete-Salat aus Ernteanteil (super) und etwas Körnerbrot (ist mir vielleicht schlicht zu salzig) aß.

Arbeitsreicher Nachmittag, musste halt. Der anstrengendste Tag der Woche wird aber Mittwoch, mit Ansage und lange vorbereitet.

Nach Feierabend Einkäufe: Granatäpfel im Obst- und Gemüseladen, die zweite Crowdfarming-Lieferung fällt ja aus (Fachsimpeln mit dem Verkäufer über das Entkernen, wir waren uns über die Methode einig), im Vollcorner Lebensmittel, im Drogeriemarkt Dorgeriemarktprodukte.

Daheim Häuslichkeiten, Yoga-Gymnastik (nur Dehnen und Schnaufen, war gestern aber ok), Brotzeitvorbereitung. Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil-Wirsing und -Kartoffeln Eintopf gekocht, auf meinen Wunsch Wurst (Kabanossi) reingeschnippelt, gut und nährend. Nachtisch die beste Entwicklung auf dem Weihnachtsgebäckmarkt der vergangenen Jahre: Stollen-Konfekt.

Zum ersten Mal wollte ich etwas auf der Second-Hand-Kleidungs-Plattform Vinted kaufen, seit Jahren bekannt über die Nifften, einen altmodischen roten Damen-Janker. Doch ich schaffte es nicht, ein Konto mit E-Mail und Passwort anzulegen: In drei Browsern, über zwei IPs, an mehreren Tagen wurde ich in dem Prozess gesperrt, “irgendwas an dem Browser kommt uns komisch vor”. Aber auch nach drei Tagen wollte ich diesen Janker: Ich bat also Herrn Kaltmamsell, ein Konto anzulegen und den Janker für mich zu kaufen. Er schaffte es mit seinem Google-Konto. (Die Zukunft des Online-Handels hatte ich mir anders vorgestellt.)

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Gestern lernte ich den Begriff “Entsorgungssicherheit”: Die Garantie, den eigenen Müll loszuwerden. Das ist überhaupt nicht trivial: Stellen Sie sich mal vor, es gäbe keine Müllabfuhr und Sie müssten selbst sehen, wohin mit Ihren Abfällen. Ich erinnere mich ans kastlilische Dorf meiner spanischen Oma in den frühen 70ern: Da gab es halt auf dem Weg zum Bach einen Platz, an den alle ihren Müll brachten, vor allem Plastik, und hin und wieder fackelte den jemand ab.

Dieser Artikel von Lucretia Gather auf tagesschau.de brachte mich drauf:
“Zahl der Deponien geht zurück
Wohin mit den Bauabfällen?”