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Journal Samstag, 10. Mai 2025 – Von Wolfratshausen heimgegangen (fast)

Sonntag, 11. Mai 2025

Nach etwas unruhiger Nacht (schwieriges Atmen, weil meine Nasenschleimhäute geschwollen waren – ich werde mir doch nicht Heuschnupfen zugezogen haben?) wachte ich früh auf – gar nicht unwillig, den ich hatte Wanderpläne für diesen angekündigten Sonnentag mit kühler Luft (= ideales Wanderwetter).

Meine Wanderstiefel hatte ich am Vorabend frisch eingefettet – und zu meiner Überraschung und Enttäuschung festgestellt, dass sich nach nur zwei Jahren an diesen Meindl-Schuhen bereits eine Naht löste. Da es keine wichtige ist, trug ich die Stiefel trotzdem, muss sie aber bald zur Schusterin bringen.

Die Wanderpläne: Vergangenen Samstag hatte ich beim Wandern um Wolfratshausen ein Wanderschild des Isartalvereins entdeckt, das einen Weg nach München auswies – das fand ich auf angenehmste Weise abgefahren, den wollte ich gehen. Auch GPS-Daten hatte ich dazu gefunden (allerdings nicht vom Isartalverein), auf die ich zur Not zurückgreifen konnte, so nutzte ich die nächstmögliche Gelegenheit: gestern.

Da auf von dem Schild von 30 Kilometern die Rede war, die Wegbeschreibung zum GPS-Track acht Stunden veranschlagte, brach ich zeitiger auf als sonst und startete kurz nach zehn vom Bahnhof Wolfratshausen. Immer mit der Erinnerung, dass mein Vater vor über 20 Jahren (damals zwei Jahre älter als ich heute und wenige Wochen nach einer Knie-OP) mit seinem besten Freund den Camino de Santiago mit Tagesetappen von durchschnittlich 30 Kilometern gegangen war.

Selfie einer Person mit Schirmmütze und Sonnenbrille im Grünen, hinter ihr Wanderwegweiser, u.a. „München 30,0 km“

Start am ausschlaggebenden Schild im Norden von Wolfratshausen. Den ersten Abschnitt ging ich nach Erinnerung, ab Ebenhausen/Schäftlarn folgte ich der GPS-Route – die ich auch brauchte, denn die Ausschilderung war sehr wenig zuverlässig (mir ist sehr bewusst, wie komplex und aufwändig eine gute Wegbeschilderung ist).

Breiter Wanderweg durch sonnigen, lichten Laubwald, darüber blauer Himmel

Erhöhter Blick gerahmt von Bäumen auf eine weite Gläche mit Wald und Flussdelta, im Hintergrund dunstige Berge mit Wolkensaum

Blick vom Riemerschmidpark.

Durch eine Lücke zwischen Laubblätterkronen Blick hinunter auf ein verwachsenes Flusstal im Sonnenlicht

Pupplinger Au.

In der Sonne ein altes, hölzernes Wehrgebäude mit rotem Dach, das sich im Fluss spiegelt

Ickinger Wehr.

Zuwachsender Bachlauf im Sonnenschein

Oben in Icking fragte mich ein Wanderpaar, ob ich mich auskennte: Sie brauchten Entscheidungshilfe, ob sie an der Isar nach Kloster Schäftlarn oder nach Wolfratshausen gehen sollten. Ich erzählte vom eigenen Fehlversuch des vergangenen Jahres, einen Weg nach Kloster Schäftlarn zu schlagen und schickte die beiden Richtung Wolfratshausen – mit der Empfehlung, einmal durchs Ickinger Wehr und zurück zu gehen, weil das Holz in der Sonne so gut riecht (ihrer Miene nach war ihnen dieser Aspekt völlig neu – tut mir leid, dass sie ausgerechnet an mich gerieten).

Blick einen sanften Grashügel hinab auf Wald und Tal, darüber blauer Himmel mit wenigen weißen Wolken

Blick von Icking aus übers Isartal.

Vor sonnenbeschienener Weide zwei weiß-braun gefleckte Jungrinder im Schatten eines Baumes

Vor einer Wiese im Sonnenlicht eine mächtige alte Rosskastanie, links daneben eine junge rote Kastanie

Eine der schönen Kastanien-Alleen um Holzen. Die nachgepflanzten Bäume sind alle rote Kastanien – ich unterstelle als Grund deren Resistenz gegen die Miniermotte.

Holzwand von innen, links ein großer offener Bogen in hellgrüne, sonnige Bachlandschaft, rechts an der Wand ein Schild mit der Aufschrift "Maria Rast"

Kurz vor Kloster Schäftlarn – Inspiration für einen weiteren bayerischen Feiertag?

Links hinten ein barocker Kirchturm mit Uhr, rechts ein altes Wirtschaftsgebäude

Kloster Schäftlarn. Ich sah schon weitem, dass im Biergarten der Klostergaststätte Hochbetrieb herrschte, Menschen waren mit Autos, Motorrädern, Fahrrädern gekommen. Also ließ ich Mittagscappuccino aus und ging gleich weiter.

Die zwei Stunden zwischen Kloster Schäftlarn und Baierbrunn waren wenig abwechslungsreich, halt ein breiter Schotterweg im Laubwald, genau das richtige für die vielen Radler*innen (zu großer Mehrheit mit Bio-Antrieb). Und eigentlich waren das vermutlich eh anderthalb Stunden: Ich hatte wohl eine Abzweigung verpasst und ging einen Umweg.

Mittagspause deshalb später als eigentlich geplant: Ich wollte erst sicher sein, dass ich wieder auf dem richtigen Weg ging. Gerade in diesen Stunden kam ich an keinem Bankerl vorbei, also musste dieser halbwegs trockene Baumstamm als Sitzgelegenheit dienen.

Im Sonnenlicht zwischen Laubbäumen ein umgestürzter Baumstamm, bereits fast kahlgebleicht

Es gab Äpfel und eine Nussschnecke (2,80 Euro – irgendwie habe ich bislang den Augenblick verpasst, in dem Kleingebäck so viel kostete, wie ich es von einem Stück Torte erwartet hätte) (ich will gar nicht wissen, wie viel ein Stück Torte inzwischen kostet).

Meine Kleidung erwies sich als perfekt für die kühle Luft: Ich hatte kein einziges Mal das Bedürfnis, die Fleecejacke über dem T-Shirt abzulegen.

Breiter, leicht abschüssiger Schotterweg zwischen Laubbäume, darüber blauer Himmel

Irre Farben, aber auf die Dauer langweiliger Weg (außer für schnelle Radler*innen).

Blick durch Baumstämme auf nahen Fluss, im Vordergrund gemauerte Stufen für einen Zufluss

Doch dann kam ich wieder nah an die Isar. Um den Preis, dass ich den Menschenlärm (nur männliche Stimmen), der das Tal die ganze Zeit emporgeschallt war, einordnen konnte: Floß-Party.

Blick durch Laub auf sonnigen Fluss mit wenig Wasser, darauf ein Holzfloß mit vielen Menschen und einem roten Regenschirm

Gerade als ich dachte: “Wenigstens haben sie keine Musik”, stimmte ein Party-Quartett auf dem Floß “Rosamunde” an. Die größte Enttäuschung war aber, dass ich durch genaueres Hinschauen die Quelle eines eigenartiges Brumm-Geräuschs erkannte: Das Floß hatte einen kleinen Außenbord-Motor. Ich nehme an, dass nur so ein Zeitplan eingehalten werden kann.

Selbst hätte ich durchaus mal Lust auf eine Floßfahrt von Wolfratshausen nach Thalkirchen: Mit Biolog*innen/Naturschützer*innen, die mir Flora und Fauna von dort aus erklären. Wir können gerne auch Brotzeit machen und einen Kanon zusammen singen.

Auf einem Fluss vor grünen Auen türmt sich Schwemmholz, rechts schieben sich Floßruder und zwei Flößer ins Bild

Schmaler Pfad, der sich durch Läubbäume zu einem FLussufer windet, durch die Bäume leuchtet blau das Wasser

Moderne, hohe Brücke vom Flussufer aus gesehen, sie führt auf einen hoch gelegenen Ort zu

Nächste Wegmarke: Die Grünwalder Brücke.

In einem Laubwald führt eine steinerne Treppe mit Eisen-Handlauf nach oben

Treppe zurück zum Hochufer.

Tempel-artige Kapelle in sonigem Laubwald, davor zwei Spaziergängerinnen

Ich lernte, dass Grünwald direkt in Pullach übergeht. Zweite Pause auf DER Bank mit DER Aussicht, jetzt befand ich mich bereits auf meiner gewohnten Laufstrecke.

Sehr erhöhter, sehr weiter Blick über bewaldete Flusslandschaft, darin ein gemauertes Wehr-Gebäude

Ich setzte mich zu zwei Herrschaften, plauderte sogar.

In dieser Pause beschloss ich, tatsächlich die ganze Strecke bis nach Hause gehen. Doch als ich aufstand und mich auf den Weg machte, merkte ich schnell, dass es genug war: Ich fühlte mich erschöpft, mein Beine waren schwer, ich ging langsam.

Sehr erhöhter Blick auf Flussbett in Sonne

Blick von der Großhesseloher Brücke.

Blick übers Wasser auf ein großes Wehrgebäude mit rotem Dach, davor zwei Schwäne und mittem im Wasser aus Zweigen ein Nest

Isarwerk mit rechts brütendem Blesshuhn.

Also war ich vernünftig (wo es doch so cool gewesen wäre sagen zu können, dass ich von Wolfratshausen aus heim gegangen bin) und ließ es bei Thalkirchen gut sein: Ich kürzte die restlichen fünf Kilometer ab und nahm die U-Bahn nach Hause. Siebeneinhalb Stunden und gut 29 Kilometer reichten.

Was mich beim Gehen am meisten beschäftigte (was es eh seit Lektüre getan hatte): Die Erkenntnisse von Historiker Daniel Blatman über Grausamkeiten der deutschen Zivilbevölkerung am Ende des Zweiten Weltkriegs. Nicht nur bin ich erschüttert über diesen neuen Beleg unfassbarer Rohheit. Sondern er legt nahe: So ist die menschliche Natur. Was in Konsequenz bedeutet: Auch ich wäre dazu in der Lage.

Auch wenn ich in der Kühle nicht wirklich verschwitzt war, hatte ich zuhause große Sehnsucht nach einer heißen Dusche – also gönnte ich sie mir.

Gestern hatte die Post auch das Büchl des Isartalvereins gebracht, das ich eine Woche zuvor für die gestrige Wanderung bestellt hatte, Das Isartal – nein auch das Buch verlinkt keinen GPS-Track (z.B. per QR-Code). Schaue ich fürs nächste Mal durch.

Zum Nachtmahl hatte ich mir Shakshuka gewünscht, Herr Kaltmamsell machte uns eines.

Aufsicht auf einen gedeckten Tisch, in der Mitte eine weite Pfanne mit roter Sauce, darin vier gestockte Eier

Dazu tranken wir die restliche Maibowle. Nachtisch Schokolade aus der sich bedrohlich leerenden Süßigkeitenkiste.

§

Wir lieben Eulen. Wir lieben Asterix. Zum besten bei Asterix gehören die Eulen, hier eine Zusammenfassung.

Journal Freitag, 9. Mai 2025 – Kühle Sonne, Abschied von Margot Friedländer

Samstag, 10. Mai 2025

Nach dem Weckerklingeln noch ein wenig besinnlich im Bett gelegen, alles gut.

Meine Zeitung lag nicht vor der Wohnungstür, steckte nicht im Briefkasten bei der Haustür – aber als ich am Hoftor nachsah, stand davor das Radl mit Anhänger des Zeitungsboten – er kam gerade mit dem Aufzug wieder herunter. Ich freute mich, ihn mal persönlich zu treffen und wechselte ein paar Worte mit dem Herrn: Er sorgte sich sehr, ob mich meine Exemplare auch erreicht hätten.

Es war weiterhin kühl, doch die Wolken am Himmel lockerten wie angekündigt auf.

Am Straßenrand vor Bäumen und einer großen freien Fläche stehen über ein Dutzend Elektroroller und Leihräder, die die Zufahrt verstellen

Theresienwiese zu Zeiten des Frühlingsfests.

Jetzt aber wirklich und eindeutig: Die Mauersegler sind da, ich sah sie über mein Wohnviertel flitzen und übers Westend.

Emsiger Arbeitsvormittag, während es draußen immer sonniger wurde.

Mittagscappuccino im Westend, auf dem Weg saukalt im Schatten, richtig warm im Sonnenschein.

Nahaufnahme einer Kastanienblüte vor unscharfem Blätterhintergrund

Verzaubert von der Opulenz der Kastanienblüte.

Aufsicht auf eine dunkle Holzfläche, sonnenbeschienen, auf der ein Cappuccino steht, links daneben angeschnitten weißes Jeansbein, das in einem weiß-blauen Turnschuh endet

Guter Cappuccino.

Auf einer ockerfarbenen Hauswand zwischen zwei Fenstern ein minimalistisches Graffiti: wenige schwarze Linien deuten ein Gesicht an und einen erhobenen Zeigefinger

Zu Mittag heimische Bio-Lageräpfel, überraschend aromatisch, ein dickes selbstgebackenes Roggenmischbrot mit Frischkäse.

Planen, Organisieren, Lesen am Nachmittag.

Ich sah, dass meine weiße Jeans nach fünfmal Tragen doch in die Wäsche musste: Ich hatte sie so lange ohne Befleckung getragen, dass sie einen leisen Graubeige-Schleier entwickelte. Vielleicht hat mich unversehens doch dieses Erwachsensein erwischt. (Liebe kleine Krummelus, niemals will ich werden gruß.)

Pünktlicher Feierabend, um in kühler Sonne auf Besorgung und Lebensmitteleinkauf zu gehen. Erfolg im kleinen Teeladen gleich hinterm Sendlinger Tor: Habemus Blechdosem!

Auf einer schwarzen Cerankochplatte stehen eine Herdkanne aus Edelstahl eine mattmetallene Dose, ein mit Einmachgummi umwickeltes angebrochenes Paket Espressopulver

Schlichtes Design, gut einrastender Deckel, ohne ganz luftdicht zu schließen: Behälter für das gemahlene Espressopulver von ein paar Tagen.

Daheim war Herr Kaltmamsell noch in einer beruflichen Telefonkonferenz, ich turnte eine halbe Stunde Yoga-Gymnastik – nachdem ich den angetrockneten Waldmeister in eine Flasche Weißwein gesteckt hatte, der ihn eine gute Stunde lang aromatisierte.

Als wir beide bereit dafür waren, gab es Maibowle, diesmal aufgegossen mit halbtrockenem Sekt, den guten süßen Moscato hatte ich diesmal nicht bekommen.

Balkontisch in schräger Abendsonne, die sich in zwei gefüllten Sektschalen bricht, links daneben ein Blumentöpfchen mit Waldmeister, hinter der Balkonbrüstung Bäume in hellem Licht

Reines Schmuckbild, auf dem Balkon war es deutlich zu kühl fürs Draußensitzen.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Entrecôte wieder nach der neuen Garmethode (erst langsam im Ofen bei niedriger Temperatur, dann in der Pfanne gebraten), dazu gab es reichlich Brokkoli mit Mandelblättern. Zum Nachtisch die ersten Erdbeeren der Saison, die ich in Bio-Qualität und wunderbar duftend für horrendes Geld gekauft hatte. Sie waren es wert. Danach noch Schokolade.

Über die oberee rechte Ecke eines weißen Schranks ranken sich grüne Zweige und große Blätter, die die drei Kabel und Lampenschirme einer Hängelampe verschieben

Die Efeutute rangelt seit vielen Monaten mit einer Deckenleuchte – ich lasse sie und verfolge das Ausbreiten gespannt.

§

Margot Friedländer ist gestorben. (Aufmacher der gestrigen 20-Uhr-Tagesschau, das begrüße ich.) Es gibt hin und wieder Momente, in denen ich sogar als zutiefst Ungläubige wünsche, ich könnte einen Segen aussprechen – dieser war einer. Friedländers menschliche Größe war so selten.
“Man muss es doch wenigstens versuchen” ist, was mir besonders von ihr bleibt.

Erst kürzlich las ich eine Folge zum 80. Jahretag des Kriegsendes in der Süddeutschen über ein Kapitel des Grauens, das ich bis dahin noch nicht so gut kannte (die Süddeutsche hatte und hat in allen Ressorts viele ausführlich und tief recherchierte Artikel zum Jahrestag der Befreiung, markiert mit eigenem Logo): Ein doppelseitiger Artikel berichtete über die Todesmärsche aus KZ in Bayern (€ – wieder bin ich der Meinung, dass bei manchen Themen die möglichst große Reichweite wichtiger ist als die Gegenfinanzierung; in diesem Fall ist der Artikel das Geld eines Tages-Abos wert).
“Bayerns dunkelstes Kapitel”

Ein Interview mit dem Historiker Daniel Blatman nahm mir die Illusion, dass die bayerische Bevölkerung spätestens beim Anblick der Todesmärsche mit ihren elenden, verhungernden Gestalten vor ihrer Haustür zu Bewusstsein kam, endlich umdachte und Erbarmen zeigte (€).
“‘Die Todesmärsche brachten den Völkermord direkt vor die Haustür gewöhnlicher Deutscher'”.

Dabei hätte mir klar sein müssen, wie tief und lang die Nazi-Propaganda von “Abschaum” und “Ungeziefer” wirkte, das ausgemerzt werden müsse.

Diese Situation löste eine schreckliche Welle der Gewalt von Zivilisten aus, die bis dahin nicht aktiv am Genozid beteiligt waren. Getrieben von der Angst vor den „Untermenschen“ aus dem Osten, ausgemergelten, verhungernden und sterbenden Menschen, und besorgt wegen der bevorstehenden Besetzung durch die Alliierten organisierten sie brutale Jagden nach geflüchteten Gefangenen. Sie töteten viele an Ort und Stelle und verübten in einigen Fällen regelrechte Massaker. Es gab zwar viele Fälle, in denen empathische Zivilisten Gefangene versteckten, bis die Alliierten kamen. Wie viele das waren, ist schwer zu ermitteln. Aber feststeht, dass Zurückweisung, Verrat und sogar Mord an geflüchteten Gefangenen durch Zivilisten charakteristisch waren in diesen chaotischen letzten Monaten und Tagen vor dem Ende des Reiches.

(…)

Die Todesmärsche zu erforschen erfordert, sich mit der dunklen und unbequemen Wahrheit auseinanderzusetzen, dass ganz gewöhnliche Deutsche, Feuerwehrleute, Polizisten, Bürgermeister, ältere Menschen und Angehörige der Hitlerjugend zu Tätern wurden. Sie waren aber keine Massenmörder und wurden nie vor Gericht gestellt wie KZ-Kommandanten. Auch lokale Beamte und Parteifunktionäre, die die Ermordung von Dutzenden Menschen in den Wäldern begleiteten, wurden nie zur Verantwortung gezogen. Selbst Historiker haben sich nicht sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt, weil diese letzten Monate des NS-Regimes immer unter dem Blickwinkel des allgemeinen Kollapses betrachtet wurden.

Margot Friedländers Appell “Seid Menschen” ist alles andere als banal.

Journal Donnerstag, 8. Mai 2025 – Lerchenlauf, neue Folgen

Freitag, 9. Mai 2025

Guter Nachtschlaf – aber nur bis kurz vor vier. Dann ging nichts mehr, doch gerade als ich mich geschlagen geben wollte und aufstehen, klingelte der eh frühere Wecker: Ich wollte vor der Arbeit eine Laufrunde drehen.

Trotz dieser Schlafabkürzung und trotz düsterem Himmel fühlte ich mich munter, geradezu aufgekratzt, ich kam früh los. Nach wenigen Minuten begann es zu tröpfeln – jetzt fiel mir ein, warum ich am Vorabend die Schirmmütze herausgelegt hatte, die ich nicht trug, weil warum? Der Regen war nämlich bereits am Vorabend vorhergesagt worden, ich hätte mal besser meinem Vorabend-Ich vertraut. War dann aber nicht schlimm, der Regen blieb beim Tröpfeln, und ansonsten war ich mit langer Laufhose, Windbreaker überm kurzärmligen Laufshirt und Halstuch richtig angezogen.

Das düstere Wetter belohnte mich mit einsamen Wegen, auch gestern begann der Lauf-Betrieb an der Isar erst kurz vor sieben. Ich kam auf meine Kosten, und keine einzige Wade zickte rum (ich achtete aber wieder von Anfang an auf nicht zu steilen Vorfuß).

Auf einer grünen Wiese zwei Fußpfade, die auf einen blühenden Weißdorn zulaufen, darüber grauer Himmel

Blick einen breiten hölzernen Steg entlang mit hölzernem Geländer, auf beiden Seiten Bäume

Wunderbarer Duft nach frischem, nassem Holz.

Schmaler betonierter Kanal, der auf einen Fluss zuführt, Bäume auf beiden Seiten, ein umgestürzter Ast liegt quer

Zackige Körperreinigung. Alterserscheinung: Der Körper wird knochig und schwabblig zugleich. Bisschen wie ideales Suppenfleisch.

Zackiges Anziehen (Outfit beim Laufen überlegt), zackiger Marsch in die Arbeit. Im Westend hörte ich ganz sicher ein Mauerseglerschrillen, nachdem ich am Mittwochabend bei Yoga aus dem Augenwinkel einen lediglich möglichen Mauersegler gesehen hatte.

In der Arbeit holte mich im Verlauf des Vormittags dann doch der Schlafmangel ein, ich fühlte mich benommen.

Mittagscappuccino bei Nachbars, kurzer Abstecher zur Apotheke: Unser Ibu war alle, ich hatte nicht gesehen, dass der halbe Blister für die Arbeit der letzte gewesen war und bei der Suche nach einer Tablette gegen Morgenkopfweh ins Leere gegriffen.

Nachmittags müde und langsam noch Dinge weggeschafft. Auf dem Heimweg tröpfelte es wieder, Lebensmitteleinkäufe beim Edeka.

Daheim Blumengießen, Pediküre (gna), aus dem Ernteanteilsalat, den Herr Kaltmamsell eben geholt hatte, bereitete ich das Abendessen mit Haselnussmusdressing zu, außerdem gab es selbstgebackenes Brot aus der Gefriere mit Frischkäse und Bruder-geriebenem Meerrettich (der zog noch ganz schön!).

Überraschung beim Start der Tagesschau: Einmal kurz nicht hingeschaut, schon gab’s einen frischen Papst. Was 2/3 der Tagesschau einnahm und einen “Brennpunkt” im Anschluss rechtfertigte, Papst ist halt Popstar.

Nachtisch Schokolade.

§

Gerade in Zeiten, in denen Scheiße sich überschlägt, will ich nichts über Detailscheiße wissen, schon gar nicht inklusive atemloser Detailempörung. Zum Beispiel beim Thema Täglicher Trump.

Aber Zusammenfassungen sind super, und mit die besten zur aktuellen Trump-Regierung gibt es von Rachel Maddow, hier bei Stephen Colbert.

Teil 1

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https://youtu.be/PmDxy_RDrQA?si=f4rBotcdPmsYxI4s

Teil 2 (unter anderem mit Lobgesang auf lokale Medien)

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https://youtu.be/Ov4IQ5D8ysM?si=u_FQfl5AyudkQexH

Teil 3

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https://youtu.be/ZydcNDRTsUI?si=yELW_-GqmWD4NQ7-

via @stedtenhopp

Journal Dienstag, 6. Mai 2025 – Mehr Arbeitsdruck

Mittwoch, 7. Mai 2025

Recht gute Nacht, nur wenig Unruhe und Wirres. Gedanke bei Weckerklingeln: “Two down, three to go.”

Wetter weiter düster und regnerisch, auf meinem kühlen Weg in die Arbeit war Regenschirm aber eher Ermessenssache, denn es tröpfelte nur.

Großes Plakat in Hochformat an einer Veranstaltungshalle in Gelb- und Orange, darauf die Zeichnung von drei altmodischen Glühbirnen an Kabeln. Der Text: „Branchengipfel. Der Weg ins Zuhause von morgen“

Beim Passieren der Alten Kongresshalle gelernt: Die Zukunft liegt in der Glühbirne.

Im Büro wurde es wegen eines Personalausfalls unerwartet druckvoll, über den Vormittag sah ich mich meist gezwungen, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen (manches davon durch meine Konfliktscheu selbst verschuldet, weil die Alternative Streit gewesen wäre). Durch mein Beharren auf Mittagscappuccino im Westend stieg der Druck zusätzlich, ich fetzte wie auf der Flucht durch die Straßen, ebenfalls selbst schuld. Jetzt war der Himmel zwar weiterhin düster, doch der Boden bereits trocken; ich brauchte keinen Schirm.

Zu späterem Mittag gab es Apfel, Muesli mit Joghurt (ich hatte versehentlich dem mit 3,8 Prozent Fett erwischt, der ist mir derzeit tatsächlich zu schwer fürs eingeweichte Muesli).

Der Nachmittag wurde wild, viele Probleme, vor den meisten davon hatte ich seit Jahren gewarnt, aber sie machen halt vor allem meine Jobs schwer bis unmöglich. Es naht der Moment, in dem ich mir nicht mehr den Arsch aufreiße, trotzdem irgenwie eine Lösung zu schaffen – einfach weil ich in meinem jetzigen Tätigkeitsprofil keine Zeit mehr dafür habe. Es läuft auf ein ekliges “Nein, das ist nicht meine Aufgabe” heraus (“Sounds very much like a you-problem.” darf ich ja auch nicht sagen).

Diesmal war ich erst kurz vor Feierabend fix und fertig, davor hatte der Adrenalinpegel Erschöpfung verhindert. Jetzt hätte ich gern jemanden geschlagen, da ich meine Aggressionen aber im Griff habe, wendete ich sie doch wieder nur gegen mich.

Mit sehr hängendem Kopf nach Hause gegangen, ein weiterer Einkaufsversuch einer kleinen Blechdose gescheitert – nein, der Tchibo hat auch keine (war ein Tipp gewesen).

Daheim eine Einheit Yoga-Gymnastik (Arbeitsärger lenkte mich auch jetzt ab), Häuslichkeiten.

Herr Kaltmamsell servierte als Nachtmahl Linsen (!) mit Karotten und Labneh, ausgezeichnet. Nachtisch Osterschokolade – wir sind am Boden des Körbchens angelangt.

Früh ins Bett zum Lesen. Als ich davor die Balkontür zum abendlichen Lüften öffnete und es sehr kalt reinkam, rief Herr Kaltmamsell was von “Los santos helados!” – ich brauchte eine Weile.

§

“Lieblingskleidung Rock” – eine kurze Doku über Markus Muth, der sich mit seiner Frau einen Kleiderschrank teilt (sie hat dieselbe Größe, wie superpraktisch).

Er bezeichnet sich als “Omnivestit” und “Freedresser”, das gefällt mir.

via @stadtneurotikr

Röcke und Kleider trage ich ja wirklich gern – es will mir nicht eingehen, warum Männer das nicht auch genießen sollen. (Erinnern Sie sich, dass Hosentragen bei Frauen bis vor kurzem ja auch noch als “sich wie ein Mann anziehen” galt, so ein Schmarrn.)

Journal Samstag, 3. Mai 2025 – Wandern entlang Loisach und Isar in wechselndem Frühlingswetter

Sonntag, 4. Mai 2025

Wunderbar früh aufgewacht, genau richtig für meine Pläne. Denn als Erstes machte ich mich gestern ans Brotbacken. Wie angekündigt war das Wetter am Umschlagen, der Himmel bedeckt, die Luft kühl.

Bald Abschied von unserem Übernachtungsgast, ich setzte mich über Milchkaffee zum Bloggen.

Weiterer Plan des Tages: Nach Fertigbacken des Brotes (eines der schnelleren Rezepte) Wandern mit Herr Kaltmamsell, das Wetter sollte gestern perfekt dafür sein.

Sehr großer Brotlaib mit leichten Rissen in der Oberfläche auf schwarzer Kochfläche

Brot gelungen.

Herr Kaltmamsell war vor ein paar Tagen recht schnell für einen Wander-Samstag zu begeistern gewesen (als Lehrer ist er ja alles andere als spontan und hat seine Wochenenden gewöhnlich bereits mit Arbeit verplant), er bat allerdings um eine eher kürzere Strecke. Die Wahl fiel auf die vertraute Route Icking-Wolfratshausen-Ickinger Wehr.

In mitteldüsterem Wetter brachten uns U-Bahn und S-Bahn nach Icking, wo wir Richtung Süden starteten. Wie vorhergesagt war es kühl und düster – schon nach wenigen Minuten holte ich meine Wanderjacke aus dem Rucksack, weil ich in Hemdsärmeln auch bei Bewegung fror. Schnell stellten wir fest, dass der Weg, den wir vergangenes Jahr zum Teil suchen mussten, jetzt besser gepflegt war, dass der Isartalverein ihn neu ausgeschildert hatte. Besonders angenehm: Es waren sehr wenige Menschen unterwegs, wir begegneten nur zweimal anderen Wandersleuten und gar keinen Radler*innen.

Rechts Pfad zwischen Wiese und großen, hellgrün belaubten Bäumen, links ein rotes Holzhaus

Nahaufnahme von Maiglöckchen, rechts eingegrenzt von grauen Pflastersteinen

Schlederloh mit Maiglöckchen.

Blick zwischen Zweigen von oben über ein weites Flussdelta mit Kies und viel Grün

Blick über die Pupplinger Au: Hier bahnt sich der Zusammenfluss von Loisach und Isar an.

Altes Dorfhaus mit ockerfarbener Fassade, leich verfallen, hinter pflanzenreichem Garten und hölzernem Gartenzaun, um den sich die Straße nach oben biegt

Dorfen

Im Laubwald führen Metallstufen mit Holzgeländer einen Hang nach oben, im Vordergrund ein Wanderer von hinten mit blauer Jacke und rot-grünem Wanderrucksack

Weg hinüber nach Wolfratshausen.

Im Vordergrund niedriges Tischchen mit zwei gefüllten Kuchentellern und zwei Cappuccinotassen, dahinter eine Ladenfläche mit Regalen voller Cafeteras, Kaffeepackungen, Süßigkeiten

Dort ließen wir uns wie geplant im Museums-Café Velvet auf Mittagscappuccino nieder, und weil es gerade passte, auch auf Frühstück mit einem Stück Torta dela nonna für mich (sehr gut!). Das nächste Mal plane ich auch einen Besuch des Museums ein.

Als wir an der Loisach entlang weiterzogen, trafen uns Regentropfen, aber genau dafür hatten wir ja unsere Wanderjacken.

Blick einen schmalen Fluss entlang, gesäumt von Bäumen, auf der Wasseroberfläche Regentropfen, im Hintergrund erahnt man eine dunkel überdachte Holzbrücke

Blick über Fluss auf gegenüberliegendes Ufer, dort moderne Häuser, dahinter bewaldete Anhöhe, rechts angeschnitten eine überdachte Holzbrücke

Durch die Metallstreben einer Brücke Blick auf ein funktionales hohes Gebäude, oben die Aufschrift "Waidachmühle"

Blick von unten einen Maibaum hinauf. Auf dem ersten Schild unten steht "Auf Waidachs grünen Auen, soll dieser Baum hier schauen. Ein Symbol für Einigkeit und Kraft, die der gute Wille schafft. 2023"

Hinauf zum Riemerschmidpark wurde der Weg schlechter (allerdings warnt jetzt endlich ein Schild Radler*innen vor der Weiterfahrt – sie mündet in einen sehr steilen und wenig wegsamen Abstieg zum Fluss), ermöglichte am Ziel aber wieder eine schöne Aussicht.

Der Regen hatte bald aufgehört, ein wenig kam die Sonne heraus – und wärmte sofort sehr.

Unter einer dunklen Bretterwand mit Fenstern, durch die man grüne Flussauen sieht, eine Mauer mit Graffiti aus Fischen

Ickinger Wehr von innen.

Am Ickinger Wehr außen sahen wir Bauarbeiten, hohe Kiesberge standen bereit, womöglich die Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses von 2023, eine Radbrücke zu bauen. Bislang müssen Fahrräder sich durch den engen Wehr-Durchgang fädeln, gestern mussten wir wegen zweier solcher auf dem Rückweg umkehren und sie erstmal durchlassen.

Schon kurz nach Wolfratshausen hatte ich gestern Wanderwegweiser nach München entdeckt, die ab dort 30 Kilometer anzeigten. Sie standen auch oben in Icking, wo wir beschlossen, im jetzt warmen und sonnigen Wetter doch noch einen S-Bahnhof weiter bis nach Schäftlarn zu gehen. Zu Fuß von Wolfratshausen nach München zu laufen, idealerweise immer nah an der Isar, erscheint mir ausgesprochen reizvoll. Wenn ich GPS-Daten dazu finde, mache ich das bald.

Eine weite Weide in der Sonne, auf der im Vordergrund einige Jungkühe liegen, weiter hinten einige stehen, links ein landwirtschaftlicher Weg, im Hintergrund Bäume

Auf diesem Zusatzstück gab es Ausblicke über Felder und blühende Bäume.

Zwischen zwei Tannenstämmen ein Wegkreuz, dahinter sonnige Felder und ein Feldrain

In sonniger Landschaft führt ein heller Schotterweg auf hohe Bäume zu, links ein Rapsfeld

Tiersichtungen unter anderem: Greifvögel, Wasservögel, keine Schwalben oder Mauersegler, einen Kuckuck hörten wir, vom Biber sahen wir deutliche Nagespuren, aber das Highlight war ein Fuchs, rot und mit mächtig buschigem Schwanz, den wir im Sonnenlicht in einem Feldrain verschwinden sahen.

In Schäftlarn kam eine verspätete S-Bahn gerade passend und brachte uns zur U-Bahn ab Obersendling, diese uns nach Hause.

Wand aus grob gehauenen Säulen, alle rostrot bis auf eine in Grau, quer darüber ein blauer Metallstreifen, darauf "Obersendling"

Wir waren knapp 16 Kilometer in vier Stunden mit einer Pause unterwegs gewesen.

Im Alnatura besorgte ich noch schnell Pflanzen für die nächsten beiden Abendessen (ich einigte mich mit Herrn Kaltmamsell auf diese Bezeichnung, weil er Salat nicht als “Gemüse” gelten ließ, das ich mir im Grunde wünschte).

Restlicher Nachmittag weiterhin warm genug für offene Balkontür, ich las die Wochenend-Zeitung aus. Eine Runde Yoga-Gymnastik, ich probierte mal die von Gabi Fastner.

Als Abendessen gab es geräuchterte Forelle von mir daheim mit Meerrettichsahne und selbstgebackenem Brot, als Salat Ruccola mit roter Paprika. Nachtisch Tiramisu.

Früh ins Bett zum Lesen, ich startete als neue Lektüre Stephan Thome, Pflaumenregen aus der Bibliothek.

Journal Donnerstag, 1. Mai 2025 – Vormittags Isarlauf, abends Sterneküche

Freitag, 2. Mai 2025

Gut geschlafen, früh aufgewacht. Das Draußen sah nach Sommermorgen aus, doch es war zunächst noch angemessen kühl.

Ich wünschte mir sehr einen Lauf an der Isar, fürchtete aber, dass die böse linke Wade nicht mitspielen würde. Dem arbeitete ich mit allem gegen, was mir einfiel: Dehnen, Massieren, Aufwärmen durch erstmal 15 Minuten strammem Marsch rüber an die Isar. Und ich versuchte, meinen Vorfußlauf abzuflachen: Nachdem die Wade replizierbar bei den Pilates-Übungen zwickte, die mit Zehenstand verbunden waren, kam ich auf die Idee, dass meine Beschwerden mit meinem (ganz natürlichen, schon immer dagewesenen) Vorfußlaufen zu tun haben könnten.

Und das klappte! Ich hatte meine Route Richtung Thalkirchen gelegt, hier verliefen genug Buslinien, die mir jederzeit Abbruch und Heimfahrt ermöglichten – doch ich brauchte sie nicht. Nach einer Weile konzentriertem Ferseuntenhalten konnte ich meine Gedanken fließen lassen. Zwar meldete sich die Wade allersachtest mit Existenzinfo, doch weder nach 45 Minuten noch nach einer Stunde blockierte sie, ich kam auf die ersehnten anderthalb Stunden – und freute mich sehr.

Alter, parkähnlicher Friedhof in Sonne und Frühlingsgrün

Alter, parkähnlicher Friedhof im Sonnenlicht, links die hohe Friedhofsmauer mit Grabmälern, die in leichtem Schwung nach rechts biegt

Alter Südfriedhof

Blick aus einem Fußgängertunnel hinaus ins Frühlingsgrün

Blick zwischen Bäumen über Brückengeländer auf Flussbett, am Ufer sitzen auf einer Mauer zwei Menschen

Blick einen breiten Holzsteg mit Holzgeländer entlang, sonnenbeschienen

Erneuerter Flauchersteg – hier roch es herrlich nach Schreinerei (und bereits nach Holzkohlefeuer, aber noch nicht nach Grillgut).

Schmale, sehr hohe Brücke von unten vor knallblauem Himmel

Großhesseloher Brücke von unten, ich war auf der östlichen Seite gelaufen.

Sonniges Kiesufer eines Flusses vor grünen Bäumen, einige Menschen stehen in Badekleidung mit den Füßen im Wasser

An der Marienklausenbrücke, Badeversuche scheiterten an mangelnder Wassertiefe.

Selfie einer Frau mit kurzen weißen Haaren und Sonnenbrille, schwarzes Oberteil vor Flussauen

Glückliche Läuferin.

Als ich den Westermühlbach entlang heimwärts lief, hörte ich deutlich Blasmusik vom schwulen Maibaum herübertönen. Abschließender Semmelkauf beim Bäcker.

Zu Hause verlangte mein iphone nach einem Betriebssystem-Update – mache ich ja brav immer, wegen Sicherheit. Mitinstalliert wurde “KI”; da ich nicht wollte, dass Apple dafür meine Daten abgreift, schaltete ich für alle Apps das “Lernen” aus – einzeln, anders geht das nicht.

Nach Frühstück (Apfel, Körnersemmeln mit Butter und Marmelade) beglich ich eine kulinarische Rechnung: Nach dem jüngsten Fehlschlag (Löffelbiskuitsuppe) bereitete ich nochmal Tiramisu zu.

Dann war ich sehr müde und hätte gerne Siesta gemacht, aber es war bereits zu spät dafür: Herr Kaltmamsell und ich würden bald zu unserem Abendessen-Termin aufbrechen. Weil nämlich.

Vom Augsburger Restaurant August in der Inkarnation, als Herr Kaltmamsell und ich noch in Augsburg lebten, habe ich nach meinem letzten Besuch 2004 in einem Blogpost bereits geschwärmt. Schon lang ist das Lokal umgezogen, schon lang hat es sich Sterne erkocht. Und seit einigen Jahren spielen wir mit dem Gedanken, noch einmal dort zu essen, um die Geschichte abzurunden (-> closure). Jetzt machten wir ernst.

Das Lokal öffnet nur drei Abende die Woche, man kann nur für 18:30 Uhr reservieren, bereits vor zwei Monaten hatte ich das für gestern gemacht. Eine Website gibt es zwar inzwischen, doch die wirkt höchstens pflichtschuldig, bietet auch lediglich Fotos und Kontaktinformation. Zusätzliche Info zu Parkmöglichkeiten und zur Lage des Restaurants bekam ich in einer E-Mail vor einer Woche.

So machten wir uns gestern fein, ließen uns von einer Regionalbahn nach Augsburg fahren, von einer Tram zum Rathausplatz, spazierten von dort in warmer Sonne über Erinnerungsumwege (hier hatte ich acht Jahre gewohnt) Richtung Jakobertor und zur Villa Haag.

Durch spiegelnde Scheibe Blick auf Sonnenlandschaft mit Gleisen, Rapsfeld, Wald

Unterwegs Raps.

Seitenmauer eines vierstöckigen Wohnblocks mit detaillreicher Bemalung in Grüntönen, Dschungel- und Tiermotive

Kurz vor Villa Haag ein Mural, das ich auf den ersten Blick als von Video SCKRE erkannte.

Prächtige Gründerzeit-Villa aus Sandstein, umgeben von Bäumen, Blickwinkel vom Fuß der Anfahrt

Die Villa Haag. Wir mussten klingeln, im Restaurant im ersten Stock begrüßte uns Wirt und Koch Christian Grünwald. Auch die Maitre war uns von unserer früheren August-Geschichte vertraut.

Unter einem großen roten Sonnenschirm ein Tisch mit Metallfüßen und Glasplatte, rechts sitzt daran im Sonnenlicht ein Mann in grünem Hemd, der nach hinten in die Weite blickt

Gedeckt war zunächst auf der Terrasse rechts an der Villa (als es in der Dämmerung kühler wurde, bat man uns in den wunderschönen Salon), und dann begann ein viereinhalb-stündiger Reigen an Lukullitäten. Der Tisch, an dem wir aßen, hatte eine Schublade unter der Glasplatte, die nicht nur unterschiedlich leuchtete, sondern auch für die Vorbereitung folgender Gänge eingesetzt wurde.

Neben den beiden genannten Personen tauchten im Service zwei weitere auf (eine davon wohl auch in der Küche unterstützend), die Erklärung der Teller und die Anweisungen für die Ess-Reihenfolge gab meist Christian Grünwald selbst.

Wir starteten mit einer langen Folge abgefahrener Kleinigkeiten, die “Snack’s” genannt wurden, und einem Glas Champagner, ließen uns danach mit Weinen begleiten.

Abgefahren war alles an allen Tellern, die jeweils aus mindestens zehn Geschmacksquellen komponiert waren. Zum Teil heimische und jahrezeitliche Zutaten (u.a. Fichtenspitzen, getrocknete Erbeerscheiben, Morcheln, Spargel, Blüten von der eigenen Terrasse), zum Teil selbst konserviert (u.a. Tomate, Blütenparfüm), zum Teil von weiter her (u.a. Iberico-Schwein, Lamm, Aubergine). Jeder Gang und jedes Detail ein Abenteuer.

(Ich bitte Sehbehinderte um Entschuldigung für fehlende Alt-Texte der folgenden Bilder – heute und bei der Fülle von Fotos sind sie mir zu mühsam. Soll eine Ausnahme bleiben, versprochen.)

Feuchte Tücher zum Händewaschen.

Foto: Herr Kaltmamsell

Lassen Sie sich nicht verwirren: Sie sehen Durchsichtiges auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel den nächsten Snack zwischen Deko-Scherben unter der Glasplatte des Tisches.

Jetzt begann das Menü, das wir auf einer Karte mitnehmen konnten. Jeder Gang hatte einen Titel wie ein Gemälde.

“Mit den Füßen im Sand”: Links im Glas heißer Spargelsud mit Butter.

Unter dem Löcherteller versteckte sich “Mit den Füßen im Sand” 2.

“Wenn das Meer das Land verdeckt” – der Schaum war mal eine Auster.

Der Salon mit Aussicht auf einen Balkon.

“Samt” – die Kombination Mohn/rote Paprika gefiel mir besonders gut.

“Holzgereift” – u.a. Pata-negra-Schwein.

“French classic” – mit u.a. einer Apfel-gefüllten Morchel und Foie aus Aubergine.

“Terroir mon amour” – Maibock und unter anderem Kornelkirsche.

Zum Nachtisch Kopfsalat mit Erdbeeren.

Außer uns war den Abend über nur ein weiterer Tisch besetzt, mit einem weiteren Paar. Wir hörten mit, wie Christian Grünwald im Abschiedsgespräch mit diesen beiden erzählte, dass er nur drei Abende öffne, weil er die anderen vier Tage der Woche zur Vorbereitung benötige.

Kurz nach elf baten wir um ein Taxi, das uns zum Augsburger Hauptbahnhof brachte, wo wir die letzte Regionalbahn nach München nahmen – trotz des vielen Weins lediglich angetrunken, aber sehr müde.

Daheim auf direktestem Weg ins Bett, Herr Kaltmamsell muss ja am heutigen Freitag arbeiten – auch wenn er sich einen deutlich späteren Arbeitsbeginn als sonst genehmigte.

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Das Wunder moderner Medizin hört nicht auf mich zu faszinieren (das wird auch nicht durch unfassbare Fehlschläge gemindert). katatonik beschreibt ihr jüngstes Erlebnis:
“Prosecco und Disko für frisch Operierte”.

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Seit gestern gelten in Deutschland neue Namensregeln. Ich hoffe mal wieder, dass damit der Druck auf Frauen sinkt, bei Eheschließung mit einem Mann hinter seinem Nachnamen zu verschwinden (Männer verspüren diesen Druck umgekehrt statistisch erheblich seltener):

Auch Kinder, deren Eltern sich gegen einen Doppelnamen entscheiden, können nach dem neuen Namensrecht einen Doppelnamen bekommen. Wenn die Eltern nach der Geburt ihres Kindes keinen Familiennamen bestimmen, bekommt das Kind sogar automatisch einen Doppelnamen.

(Quelle)

Um auch den Wunsch nach Loswerden eines verhassten Nachnamens von der Übernahme des Ehepartner-Namens zu entkoppeln (auch das eine regelmäßig gehörte Erklärung von Frauen), wünsche ich mir jetzt noch eine Erleichterung der Nachnamensänderung ohne Eheschließung.

Journal Mittwoch, 30. April 2025 – Balkoneröffnung

Donnerstag, 1. Mai 2025

Nach tiefem Schlaf hätte ich bei Weckerklingeln sehr gern weitergeschlafen, auch wenn der Himmel draußen bereits hell leuchtete, wolkenlos.

Trotz deutlicher Morgenkälte marschierte ich jackenlos in die Arbeit: Dann fror ich halt eine halbe Stunde ein wenig, aber beim Heimweg würde mir so keine Jacke im Rucksack Platz für Einkäufe wegnehmen.

Große begrünte Straßenkreuzung in Morgensonne unter blauem Himmel mit weißen Wolken, gegenüber im Sonnenlicht ein Gründerzeitbau mit Backstein und Türmchen

Von oben aufgenommene hellblaue Turnschuhe an Füßen, die auf sonnigen Pflastersteinen stehen

Waren: Alte Aerobicschuhe. Sind: Meine neuen Sommersneakers. Und schaun Sie mal, WIE SAUBER die sind!

Am Schreibtisch nach Öffnen des Postfachs gleich mal beherzt losgearbeitet, gut vorangekommen.

Schon um halb elf traf die SMS des Radlschraubers ein, dass ich ab 12 Uhr mein Rad abholen könne und es 99,95 Euro koste – bitte bar mitbringen.

Im Vordergrund Cappuccino auf weißer Tischplatte, im Hintergrund Glaswand mit offener Tür, die auf eine Terrasse führt, darauf sitzen unscharf zu sehen zwei Personen mit hellem Oberteil unter einem Sonnenschirm

Mittagscappuccino bei Nachbars, aber dann noch eine Runde um den Block (Westendstraße, Trappentreustraße) – Wetter und Luft waren zu herrlich.

Mittagessen Apfel, Granatapfelkerne, Eiweißriegel.

Knackiger Arbeitsnachmittag, ich hatte einen Feierabendtermin anzuzielen: Beinenthaarung. Nach Lebensmitteleinkäufen unterwegs erzählte die Enthaarungsfachfrau wieder eine Menge, und ich bekam Beine wie Delphin. Beflügelter Heimweg mit Freude auf vier freie Tage am Stück (1. Mai, St. Brück, Wochenende).

Zu Hause stellte ich nur kurz meine Einkäufe ab – und freute mich ungeheuer über Duft und Anblick:

Fliederstrauß in Glasvase vor weißer Wand auf dunklem Holztischchen

Fliederstrauß in Glasvase vor Fenster, durch das man sonnige grüne Laubbäume sieht

Nach Wochen vergeblicher Suche hatte Herr Kaltmamsell mir Flieder erkämpft, ich werde nie verstehen, wovon der Verkaufszeitpunkt abhängt: Vor Jahren hatte es geheißen, man bekomme ihn kurz bevor er in den Vorgärten sichtbar werde, aber dieses Jahr begann diese Sichtbarkeit ja schon vor zwei Wochen.

Das Radlabholen wurde durch ein unerwartetes Straßenfest erschwert: Der Teil der Hans-Sachs-Straße zwischen Müllerstraße und Ickstattstraße war gesperrt, dort wurde laut Plakaten “Maikönigin” gefeiert, und zwar mit Diskomusik und sehr viel Volk. Inklusive Zaun mit Taschenkontrolle, mein hilfloses “Ich will doch bloß mein Radl abholen” bewahrte mich nicht davor. Auch Herr Radlschrauber war davon überrascht worden und ungehalten. Als ich ihm nach Übergabe des Radls fröhlichen Tanz in den Mai wünschte, betonte er energisch: “Des is so gar net meine Welt.”

Daheim Pilates mit Gabi Fastner, die anstrengende 45-Minuten-Kraft-Folge (ich hatte schon wieder die abschließenden Bauchübungen mit gestreckt kreisenden Beinen vergessen). Mit immer wieder Fliederduft in der Nase.

Für den Abend war ich mit Herrn Kaltmamsell auf dem Balkon verabredet. Der war noch nicht grundgereinigt, weil vom frühen Sommereinbruch überrascht (außerdem: Faulheit) – ich fegte einmal durch und wischte die Möbel ein wenig ab, das musste reichen.

Balkon von innen und im Gegenlicht, darauf Holzbank und Holztisch, auf dem Tisch zwei große Gläser mit Aperol Spritz

Wie gewohnt Aperol Spritz als erster Balkondrink.

Herr Kaltmamsell bereitete auch das gewohnte erste Balkonabendessen vor: Salade niçoise. Allerdings hatten wir so lange auf dem Balkon aperitiviert, dass wir doch lieber drinnen aßen. Nachtisch Osterschokolade.

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Politischer Aktivismus leidet in den vergangenen Jahren immer wieder unter Polarisierung in Details – und davon abgeleiteten vehementen Hasskampagnen, die Menschen und Organisationen zerstören können. Feministin Kristina Lunz wurde Ziel einer solchen und analysiert die Mechanismen:
“Nichts darf jemals digitale Hetzjagden rechtfertigen: Wie digitale Lynchjustiz Menschen und Demokratien zerstört”.

(via Antje Schrupp, die hier schildert, wie sie selbst Ziel einer solchen Kampagne aus eigentlich eigenen Reihen wurde)

Ich will das an einer aktuellen Studie aus Großbritannien der Organisation More in Common verdeutlichen, die sich in mehreren Ländern für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stärkung demokratischer Kulturen engagiert. Darin wird gezeigt, dass sogenannte progressive activists dazu neigen, in ihren Kampagnen eine vollständige ideologische Übereinstimmung zu verlangen. Da die öffentliche Meinung selten entlang festgelegter ideologischer Linien verlaufe, fielen viele mögliche Allianzen in der Sache aus. Dieser Starrsinn führe dazu, dass progressive Bewegungen kaum anschlussfähig und oft durch interne Konflikte lahmgelegt seien. Oder, um es mit Rutger Bregman zu sagen: „Auf diese Weise erhalten Sie eine Bewegung, die zu 100 Prozent rein, aber zu 0 Prozent effektiv ist.“ Eine Organisation wird also so zur Zielscheibe, wenn sie nicht ausschließlich und exakt so arbeitet, wie es eine selbsternannte Führungsriege von progressive activists fordert.

Kristina Lunz schildert sorgfältig und detailliert, wie weit Menschen mit Vernichtungswillen zu gehen bereit sind – und welche Anstrengungen es erfordert, sich immer wieder gegen Falschbehauptungen zu wehren, vor allem wenn Sie auf Social-Media-Plattformen erhoben und verbreitet werden.

Das Steinewerfen gegen uns ging weiter: Immer neue, haltlose Anschuldigungen tauchten in Form nichtssagender Instagram-Kacheln auf. Wir hätten Angestellte wegen ihrer pro-palästinensischen Haltung entlassen. Investigative Journalist:innen, die diesen Vorwurf sowie einen vermeintlich „offenen“, tatsächlich aber anonymen, Brief prüften, recherchierten vermeintlich Betroffene. Doch es fand sich niemand. Im Rahmen der juristischen Auseinandersetzung habe ich diese neuen Behauptungen durch eidesstattliche Versicherung als auch Personal- und Vertragsunterlagen klar widerlegt. Doch all das hatte für die Anarchie von Social Media keine Relevanz. Der Mob zog einfach weiter, hin zu anderen Themen und Eskalationen. Einer der Hauptakteure, ein hasserfüllter, junger Mann hetzt(e) und postet(e) weiter, zu viele taten und tun es ihm gleich. Eine Handhabe gab und gibt es nicht. Der Hass schwappte von kleinen Accounts auf größere über, Personen mit zehntausenden Followern griffen die Diffamierungen auf, teilten sie in ihren Instagram-Stories. Organisationen riefen auf der Grundlage der Falschinformationen zum Boykott gegen uns auf, Geldgeber beendeten Projekte. Der substanzielle finanzielle Schaden war das Eine, das Andere noch schlimmer: Wir mussten sofort zwei Projektmanagerinnen entlassen, deren Gehalt vollständig über eines dieser Projekte finanziert war.

Lunz spricht auch einen Punkt an, der mir besonders große Angst macht:

Wenn Menschen erst einmal öffentlich „fertiggemacht“ wurden, beginnt ein weiterer Prozess: Je öfter falsche oder überzogene Anschuldigungen inszeniert werden, desto größer wird die Skepsis gegenüber tatsächlichen Fällen von Gewalt und Diskriminierung. Das schwächt nicht nur die demokratische Kultur, sondern trifft besonders feministische und antirassistische Bewegungen – jene, die auf Differenzierung, Glaubwürdigkeit und den Schutz von Betroffenen angewiesen sind. So droht eine gefährliche Verengung des demokratischen Spektrums.

(…)

Es stellt sich zunehmend heraus, dass Menschen nicht zwingend Wert darauf legen, ob die Informationen, die sie lesen und weiterverbreiten, tatsächlich richtig sind. Sie wollen bestimmten Quellen – so auch Influencer:innen – glauben. Und deren wünschenswerte Charakteristik ändert sich: Vertrauen wird in der Gegenwart oft nicht mehr durch journalistische Sorgfaltspflichten oder faktenbasierte Recherche definiert, sondern durch persönliche Bindung und emotionale Übereinstimmung.

tl;dr Beteiligen Sie sich nicht an Hass und Hetze, auch nicht wenn bestimmte Reizwörter heftige Gefühle bei Ihnen auslösen.