Journal Sonntag, 11. Dezember 2022 – Schneelicht und zwei Stunden mit Paula Bosch

Montag, 12. Dezember 2022 um 6:31

Nachts hörte ich bei jedem leichten Aufwachen draußen den Lärm von Schneeräumen und Streufahrzeugen – vor allem ersteres unwahrscheinlich, denn es lag kein Schnee.

Das Kartoffelbrot war gut geworden, ich muss nur noch irgendwann das Einschneiden lernen. Diesmal traute ich mich mal wieder nicht mangels geeignetem Werkzeug, statt dessen riss das Brot seitlich auf (Stückgare mit Schluss nach oben, der also nach Kippen auf Backstein unten lag, auch hier keine Reißmöglichkeit).

Ich freute mich auf eine Laufrunde. Nach langem Überlegen entschied ich mich gegen den ursprünglichen Plan, mit der U-Bahn zum Odeonsplatz zu fahren, über Hofgarten und Chinesischen Turm zur Isar zu laufen, zur Emmeramsbrücke und zurück, vom Tivoli eine Tram nach Hause zu nehmen: Es sah draußen frostig aus, jedes Warten auf Rückfahrt hätte mich (schon wieder) zum Frieren gebracht.

Statt dessen lief ich direkt von der Haustür über Alten Südfriedhof, Wittelsbacherbrücke nach Thalkirchen und zurück. Über Nacht hatte es richtig gefroren, die Wege waren eisglatt. Ich lief mal besser mit kleineren Schritten und erhöhter Grundspannung (soforte Adriene im Ohr “from your core”). Fotografieren war umständlich, weil ich erst die Handschuhe ausziehen und das Smartphone aus der Jackentasche holen musste, doch ich dachte an die vielen, vielen Fotos, die ich schon von Isarläufen mit Schnee gemacht hatte – da brauchte es ja wirklich keine weiteren.
Wie schlecht ich mich kenne: Es gibt immer einen weiteren Blickwinkel, ein neues Licht, das ich unbedingt einfangen muss.

Alter Südfriedhof.

Besuch bei der Buchenkönigin.

Flaucher.

Unter der Brücke Maria Einsiedel wurde gepaddelt.

Immer wieder anders, immer wieder ein besonderer Blick: Unter der Braunauer Eisenbahnbrücke durch nach St. Max.

Das Laufen war ganz wunderbar. Innerlich warm wurde mir davon schnell, bis die Wärme auch in die Finger und die Fingerspitzen gelangte, brauchte es allerdings einige Zeit.

Die letzten Foto-Stopps (erste Stufe des Cooldowns) auf dem Alten Südfriedhof. Auf den letzten Metern im Nußbaumpark sah ich ein sehr kleines Vögelchen mit gelben Bauch und langem, wippenden Schwanz – eine Gebirgstelze?

Nach Duschen (mit anner Heizung!) gab’s zum Frühstück kurz vor zwei Apfel, dann zwei mächtige Scheiben selbst gebackenes Kartoffelbrot, eine mit Butter und letzter Blaubeermarmelade aus Oldenburg, eine mit Truthahnschmalz (von dem werden wir noch lange haben). Noch ein paar Ingwerröllchen aus schwiegermütterlicher Produktion.

Schöne Überraschung vor dem Wohnzimmerfenster: Ein (der?) Falke.

Im letzten Tageslicht erledigte ich am Fenster ein paar Flick-Arbeiten, schon da begann ich einen Podcast zu hören, auf den @ankegroener hingewiesen hatte: Ein zweistündiges Interview mit Paula Bosch bei Terroir & Adiletten. Es reichte auch für eine Runde Bügeln (davon wurde mir schön warm) sowie Bilderbearbeiten fürs Blog. Paula Bosch hatte ich seinerzeit durch ihre Weinkolumne im SZ-Magazin 1996 bis 2003 kennengelernt, dadurch Zugang zu einer für mich bis dahin unbekannten Weinwelt bekommen – und zu einer faszinierenden Persönlichkeit.

Ich hörte Paula Bosch sehr gern zu – und erfuhr viel über ihre Laufbahn. Unter anderem, dass sie heute an der VHS in Starnberg Wein-Kurse gibt. Oder über die finanziellen Hintergründe des Weinkaufs und -verkaufs in der Spitzengastronomie. Der Schmerz nach dem Hören: Das Interview hatte mich auf so viele Wein-Ideen gebracht, aber wenn schon diese hauptberuflichen Weintrinker*innen beklagen, dass sie nicht hinterherkommen mit Probieren und Trinken, muss ich mit den wenigen Abenden, an denen ich überhaupt Alkohol trinken mag, und bei den geringen Mengen, die ich vertrage, komplett verzweifeln.

Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell den Butternuss-Kürbis aus Ernteanteil zu Curry aus Katharina Seisers Immer schon vegan.

Da wir das Roti aus dem Rezept nicht recht mögen, gab es statt dessen Aloo Paratha, kartoffelgefülltes Pfannenbrot. Hervorragendes Abendessen. Nachtisch Plätzchen.

§

Jetzt auch hier: Weihnachtlich Biblisches. Und zwar über die anderen Gäste der Herberge.

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https://youtube.com/shorts/lB1CPPuQTlI?feature=share

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 10. Dezember 2022 – Erster ernsthafter Schneetag mit Schwumm und uigurischem Essen

Sonntag, 11. Dezember 2022 um 9:04

Der viele Alkohol hatte die Nacht nur ein wenig unruhig gemacht, die Migräne blieb zum Glück aus.

Ein Schneemorgen. Den ganzen Tag über schneite es leicht bis mittel in verschiedenen Größen und Nassheiten der Flocken.

Nach gemütlichem Bloggen machte ich mich fertig für eine Schwimmrunde im Olympiabad. Hinradeln durch sehr leichten Schneefall.

Diesmal fror ich im Wasser leider schon ab 1400 Metern, die ich gestern sogar ganz besonders genossen hatte im wenig beschwommenen Becken, während denen ich auf Ideen gekommen war. Ich schaffte insgesamt nur 2500 Meter, davon die letzten 300 mit Gänsehaut und Zähnezusammenbeißen.

Unter der Dusche brauchte ich eine Weile, bis ich wieder warm war.

Draußen wurde es immer weißer – gestern wäre die perfekte Gelegenheit für einen Schneeschwumm in Dante-Winterfreibad gewesen, geschlossen wegen Energiesparen. Diesen Winter halt nicht.

Zurückradeln in mitteldichten, nassen Flocken. Kurzer Semmelstopp beim Bäcker Wimmer, die Verkäuferin bot mir für meine blindgeschneite Brille – ich musste auswendig bestellen – lachend eine Serviette an (wie nachhaltig solche unerwarteten freundlichen Gesten mein Herz wärmen können).

Daheim machte ich mich nach dem Auspacken erst mal ans Brotbacken: Ich hatte am Vorabend die Zubereitung eines schwäbischen Kartoffelbrots begonnen, das sollte es am Sonntag als Frühstück ff geben.

Frühstück kurz vor zwei: Semmeln, Mango mit Joghurt.

Den Nachmittag verbrachte ich mit Lesen (Internet, Wochenend-Süddeutsche), auf die Empfehlung von Maximilian Buddenbohm klickte ich auf eine arte-Doku über die französische Schriftstellerin Françoise Sagan:
“Bonjour tristesse – Kult und Skandal”.

Zu dem Roman habe ich ja ein besonderes Verhältnis, in dieser Doku mit vielen Bildern und Filmaufnahmen aus der Zeit und mit Interview-Ausschnitten mit Sagan aus mehreren Jahrzehnten wurde mir die Autorin sehr sympathisch: Sie war so komplett anders als ich mit ihrer Lebenslust, ihrem unbefangenen und gleichzeitig klarsichtigen Freiheitsdrang – wie sie schon als ganz junge Frau selbstsicher auf Journalistenfragen reagierte! Und wie bei mancher Bloggerin, bei manchem Blogger freue ich mich ungemein, dass Menschen sich so sehr von mir unterscheiden, dass sie ein völlig anderes Leben führen – und davon erzählen, so dass ich daran teilhaben kann.

Abends waren Herr Kaltmamsell und ich mit Freunden zum Essen verabredet. Das Wetter machte alle Kleidungspläne zunichte, ich musste mir etwas Wärmendes und Schneeschuh-Kompatibles einfallen lassen. Wir spazierten im anhaltenden Schneetreiben zum Isartor, es gab uigurisches Essen im Taklamakan. Die Speisekarte, so entdeckten wir, ist inzwischen stark reduziert, von der exotischen Vielfalt des Vorgänger-Lokals am Hauptbahnhof ist wenig geblieben (u.a. keine Innereien, keine Hühnerteile). Doch was wir bekamen, war wunderbar frisch und schmeckte sehr gut.

Als Vorspeisen hatten wir geprügelte Gurken gehabt, außerdem gedämpfte Teigtaschen, dazu Granatapfel-Sprizz und Hollunder-Basil-Sprizz.

Als Hauptgerichte bedienten wir uns an (von oben im Uhrzeigersinn):
Din Din (kleingeschnittene hausgemachte Nudeln mit Rindfleisch und Gemüse, der Klassiker), gebratene Breitbohnen mit Paprika, Zwiebel, Ingwer und Knoblauch (sehr gut), Läghmen (hausgemachte Weizennudeln mit Rindfleisch und Gemüse, der andere Klassiker), gebratenes Lammfleisch mit Kreuzkümmel und Chili (sehr gut), gebratenes Hähnchenfilet mit Erdnüssen und Gemüse (ebenfalls). Dazu gab es einen Weißwein Helle Freude vom Würzburger Weingut am Stein. Und fröhliche Unterhaltung.

Spaziergang nach Hause durch die mitternächtlich überraschend belebte Innenstadt, der Scheefall hatte aufgehört.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 9. Dezember 2022 – Von Schnee bis Rakija

Samstag, 10. Dezember 2022 um 7:58

Start in den Tag mit Freude auf den Freitagabend, der Donnerstag hatte sich bis zum Schlafengehen gehetzt angefühlt – und ins Bett war ich (für meine Verhältnisse) so spät gekommen, dass ich nicht mehr so viel Romanlesen konnte, wie ich gerne hätte.

Allerdickster Pullover und dicke Socken in Stiefeln: Im Büro war mir immer wieder warm inkl. warme Hände, doch es handelte sich jedesmal um eine vorübergehende Entspannung. Vorm Bürofenster Dezember-düsterer Himmel, am frühen Nachmittag die ersten ernsthaften Schneeflocken dieses Winters, klein und beharrlich. Erst gegen (frühen, freitäglichen) Feierabend blieb der Schnee ein wenig auf Bäumen und Dächern liegen.
Doch jeder Blick in diese scheinhelle Dunkelheit erinnert mich lediglich daran, dass das jetzt die nächsten vier Monate so bleibt.

Mittags gab es Apfel, Orangen, Dickmilch, Banane.

Ein wenig misstrauisch macht mich, dass mich der Dezember noch nicht würgt. Ja, hin und wieder kommen Erinnerungen, doch keine runterziehenden. Gestern dachte ich bei einem bestimmten Geruch an die Küche meiner polnischen Oma. Wenn ich als Kind bei ihr zur Übernachtung abgegeben wurde, z.B. weil meine Eltern zu einem Fest eingeladen waren, selbst eine Party veranstalteten oder zum Tanzen in die Ingolstädter Hochalm gingen, gab es in meiner Erinnerung abends Schinkenwurst-Semmel: Eine glatte Semmel (die hieß so, hier ein Beispielfoto), die so hoch war, dass sie zweimal durchgeschnitten wurde, darauf jeweils dick Butter und Schinkenwurst. Klassisch dazu Schwarztee, polnisch mit Zitrone, doch da muss meine Erinnerung trügen: Man hätte doch einem Kind nicht abends schwarzen Tee gegeben? (Andererseits holte sich mein sechs Jahre jüngerer Bruder als Kind seinen ersten Rausch, weil er von dieser Oma Cognacbohnen bekam – die sie als ganz normale Süßigkeiten eingestuft hatte, “was zu Lecke”. Meine Mutter bekam einen sehr blassen, kodderigen Buben zurück.)

Heim ging ich in mitteldichtem Schneefall über ein paar Besorgungen: Abendessen und Weihnachtliches.

Zu Hause erst mal Yoga, eine 15-Minuten-Folge ohne Längen, die gefiel mir.

Erste Handgriffe fürs Brotbacken am Samstag (Sauerteig, Vorteig). Das Abendessen bereitete ich zusammen mit Herrn Kaltmamsell zu: Er kochte syrische Linsensuppe, von mir kamen Artischocken mit Knoblauchmajo. Die restlichen Orangen aus der Crowdfarming-Kiste (10 Kilo sind echt viel) wurden ausgepresst die Basis des Aperitifs Tequila Sunrise.

Köstliche Suppe, aber mei: Linsensuppe, auch aus roten Linsen, sieht halt so aus, ich habe nicht extra fürs Foto noch ein dekoratives Gewürzchen oder Kräutlein drübergestreut, wir sind ja hier nicht bei instagram.

Eine herrlich fleischige Artischocke, sie machte richtig satt. Dazu hatte ich uns eine Flasche toskanischen Vermentino aufgemacht.

Zum Nachtisch schnitten wir einen Panettone vom Eataly an, einen mit Orange und Schokolade. Wir waren uns einig, dass die Schokoladenstücke zu sehr den Geschmack dominierten, der nächste wird wieder ein klassischer (nach dem ich beim jüngsten Einkauf den ganzen Laden absuchen musste, angeboten wurden vor allem Sondersorten).

Und dann gab’s noch ein Schnapserl. Ich hatte schon mal von einer kroatischen Kollegin Selbstgebrannten aus ihrer Familie geschenkt bekommen, der mir ausgezeichnet schmeckte. Als kürzlich die Kolumne “Getränkemarkt” des SZ-Magazins Rakija behandelte (“Befehl vom Drink-Sergeant”), legte ich ihr den Artikel auf den Schreibtisch. Und bekam daraufhin wieder eine Flasche, versehen mit einer für mich als Korrekturleserin der Abteilung zentralen Korrektur des Artikels.

Wir heulten einander etwas zu schiefen Eindeutschungen vor, ich steuerte Chorizo (DER) und Gazpacho (DER) bei. Diese Rakija schmeckte ganz hervorragend. Und dann mussten wir schnell ins Bett.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 8. Dezember 2022 – Wachs-Glück

Freitag, 9. Dezember 2022 um 6:32

Auf Twitter gibt es den schönen Foto-Account U-Bahn Berlin, der Bilder aus Berliner U-Bahnhöfen zeigt, immer wieder interessant.

An den dachte ich, als ich morgens auf dem Weg zur Arbeit die Abkürzung durch den U-Bahnhof Heimeranplatz nahm.

(Jaja, gibt auch schöne U-Bahnhöfe in München.)

Das Wetter bemühte sich um Freundlichkeit, das rechnete ich ihm hoch an. Zumal immer wieder ein paar Sonnenstrahlen mein Büro wärmten. Gestern hatte ich bereits vormittags mehrfach warme Hände (dickster Norwegerpulli mit Shirt drunter, dickste Wollsocken – die waren wohl ein wichtiger Faktor).

Hochspannung vor 11 Uhr: Würde die Testwarnung des bundesweiten Warntags auf meinem Handy erscheinen? Ich hatte bei nicht-amtlichen Stellen gelesen, dass man dafür möglicherweise erst die Testwarnmöglichkeit freischalten müsse, die als Voreinstellung aus ist.

Da mir das gesamte Warnsystem unsinnig erschien, wenn es Voreinstellungen nicht überstimmen kann, ließ ich sie extra aus. Ergebnis: Ich erhielt keine Testwarnung. Die Info zu notwendigen Einstellungen hätte also dringend Teil der Kampagne sein müssen. (War aber sehr niedlich, wie es aus allen Büros ums Atrium und in allen Stockwerken brummte und rasselte.)
Dass es nicht laut werden würde, wusste ich: In München gibt es schon lange keine Sirenen mehr. Wenn Sie als Feedback an der Umfrage zum Warntag teilnehmen wollen, hier der Link.

Mittags hatte ich große Lust auf Bewegung in fast richtig Hellem und ging auf einen guten Cappuccino zum Emilo.

Schönes Hausnummernschild unterwegs.

Diesmal nahm ich für Herrn Kaltmamsell auch eine der dort hergestellten Nusseckerln mit, auf die sie besonders stolz sind (sein Urteil abends: besonders fein).

Zurück im Büro gab’s als Mittagessen Orange, Hüttenkäse, Banane.

Arbeitsdruck gestern sehr hoch, doch einige Dinge gingen nach einigem Hin und Her endlich voran, und ich hatte Unterstützung.

Gestern lernte ich zudem, dass wir in einer Welt leben, die Büroklammern in Schweineform enthält. Ich finde, Sie sollten das wissen.

Nach Feierabend hatte ich wieder einen Termin zum Wachsenthaaren meiner Beine. Diesmal hatte ich ihn in einem kleinen Laden vereinbart, an dem ich regelmäßig vorbeikomme und den ich erst mal angesehen hatte: Sympathische Menschen, es wurde Italienisch gesprochen, und die Website wies darauf hin, dass nur mit Wachs gearbeitet werde, ohne Vliesstreifen – so hatte ich es in Spanien einst kennengelernt.

Die Entscheidung stellte sich als goldrichtig heraus: Es wurde sehr sorgfältig gearbeitet, inklusive Pinzette, abschließend blieb nahezu kein Wachs an den Beinen (das blau eingefärbt und deshalb leicht zu entdecken war). Und ich lernte eine herzerfrischende Frau kennen, erfuhr in der halben Stunde auf der Liege ihre gesamte Familiengeschichte, angefangen in Sardinien, sie holte parallel meine gesamte Familiengeschichte über mehrere Generationen aus mir heraus, inklusive Sternzeichen und Weihnachtsplänen. Jetzt sind meine Beine so gründlich enthaart, dass die sardische Münchnerin prognostizierte, ich würde fürs nächste Mal erst im Mai einen Termin brauchen, zwinkerzwinker. Wenn Sie eine Empfehlung möchten: Schicke ich Ihnen gerne per E-Mail.

Ein paar Einkäufe im Vollcorner, daheim erst mal Yoga. Leider genau die falsche Folge für meine gestrige Stimmung nach zwei Abenden ohne: Die 20 Minuten starteten mit 8 Minuten Stehen und Schnaufen – ja, ich fing irgendwann an nachzusehen, weil ich es nicht fassen konnte. Rumstehen und Schnaufen war mir dann doch zu nah dran an so manchem MS-Teams-Meeting (ich habe einen höhenverstellbaren Tisch und stehe dabei gern).

Herr Kaltmamsell war aushäusig, ich machte mir als Nachtmahl den Portulak aus Ernteanteil mit Orangensaft-Olivenöl-Dressing an, außerdem kochte ich mir den Rosenkohl aus Ernteanteil, schwenkte ihn in Butter. Nachtisch Weihnachtsplätzchen.

§

Katharina Seiser erzählt in ihrem Blog, wie dieses Jahr die so prägenden Gewürz- und Kräuterhandlungen ihrer Mutter aufgelöst wurden – und welche Folgen das hat.
“der letzte safran meiner mama”.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 7. Dezember 2022 – #Lindwurmessen bei der freundlichen Nachbarschafts-Vietnamesin

Donnerstag, 8. Dezember 2022 um 6:14

Morgens kehrte das Wetter zurück zu Dunkelgrau, allerdings mit etwas bunterem Himmel in verschiedenen Grautönen. Kurz vor Mittag aber bekam ich echten Sonnenschein – den ich vor allem begrüßte, weil er mein Büro wärmte.

Mittags gab’s ein wenig Kimchi, Pumpernickel mit Butter (war ja noch vom Dienstag übrig), Orange, Banane.

Den ganzen Tag mitteleng getaktete Arbeit, viel davon Recherche und Sortieren. Ich hatte kein einziges Mal warme Hände, muss also weiter umdenken: Dickere Pullover, und die Schneestiefel für den Arbeitsweg lasse ich einfach im Büro an, nehme kein zweites Paar Drinnen-Schuhe mit.

Nach Feierabend stieg ich in eine U-Bahn zum Ostbahnhof: Einkauf spanischer Spezereien im MitteMeer. Daheim nur kurzes Kruschen, dann brach ich mit Herrn Kaltmamsell zu unserem nächsten #Lindwurmessen auf,1 dem vietnamesischen Restaurant Jasmin.

Ich hatte sicherheitshalber reserviert: Im Dezember wird viel Essen gegangen. Und da ich eh eine MVV-Tageskarte hatte, fuhren wir zwei Stationen mit der U-Bahn hin.

Wir gehörten zu den ersten Gästen, ich fühlte mich sofort sehr wohl: Das kleine Lokal (laut Website 2003 eröffnet und ein Familienbetrieb) wirkte wohnlich und war liebevoll dekoriert, unter anderem mit offensichtlich viel benutzten Kochbüchern vietnamesischer Küche – aber eben nicht durchgestylt. Aufmerksam war auch der Service, sehr angenehm.

Zu trinken bestellten wir den alkoholfreien Cocktail Yuzu Sprizz: Ganz ausgezeichnet; zunächst war ich überraschte, weil er fast nicht süß war, doch dadurch kam das Aroma dieser besonderen Zitrusfrucht richtig gut zum Tragen.

Herr Kaltmamsell aß Tintenfisch mit Gemüse und Reis, ich hatte Reisbandnudeln mit Garnelen, Knoblauch, Erdnüssen und Gemüse – ganz besonders fein gewürzt, frisch und köstlich.

Auch zurück nahmen wir die U-Bahn, daheim gab’s zum Nachtisch Süßigkeiten.

§

Auf Mastodon von @wondi geteilt mit dem Hinweis: “Falls ihr heute Morgen ungewollt gute Laune habt, kann ich diesen Beitrag über rumänische Bauarbeiter in Frankfurt nur empfehlen.”
“Ganz unten im System”.

Länder, in denen migrantische Arbeiter auf Baustellen prekär beschäftigt werden, müssen boykottiert werden? Am besten fängt man mit Deutschland an.

(…)

Im deutschen Baugewerbe ist ein krakenartiges Geflecht aus teils kriminellen Firmen entstanden; eine Schattenwelt, in der die Grenze zwischen Legalität und Illegalität verschwimmt. Die taz hat für diesen Artikel mit Gewerkschaftsvertretern, Sozialarbeitern, Arbeitgebern und mehreren osteuropäischen Arbeitern gesprochen. Sie geben Einblicke in ein System, das über Abhängigkeit und Angst funktioniert; ein System, bei dem die Leidtragenden ganz unten stehen.

§

Ein weiteres Schlaglicht auf die wissenschaftliche Seite von Intersexualität – aber mit Bezug zu gesellschaftlichen Gefühlen.
“Trans athletes in women’s sports: Is this fair?”

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https://youtu.be/cZ9YAFYIBOU

via @afelia

Mit ein paar für mich unerwarteten Argumenten.

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []
die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 6. Dezember 2022 – Meine Nikolaus-Geschenke

Mittwoch, 7. Dezember 2022 um 6:11

1. Geschenk
Als ich Herrn Kaltmamsell am Montagmorgen bei Verlassen der Wohnung darauf hinwies, dass am Dienstag FEI Nikolaus sei, nannte er das “geradezu beleidigend”. Ich wollte lediglich ganz sicher gehen, dass sich gestern Morgen niemand würde grämen müssen, weil er vergessen hatte, mir einen Schokoladennikolaus vor die Tür zu stellen. Komplett grämungsfreier Morgen, zwei Schokoladennikoläuse hatten vor den respektiven Türen pünktlich ihren Auftritt.

2. Geschenk
Einen seltenen Auftritt hatten Sterne am Himmel: Die Wolkendecke lichtete sich genug, dass ich beim Fensterschließen ihr Funkeln am morgentlichen Nachthimmel sah.

3. Geschenk
Mir selbst diesen irischen Tweedrock geschenkt:

Er ist eine Größe zu groß – weil ich besonders sorgfältig war: Da ich den Hersteller noch nicht kannte, verließ ich mich nicht auf die vertraute Konfektionsgröße, sondern maß meine Taille aus und glich das Ergebnis mit der Tabelle des Anbieters ab. Sie ergab eine Konfektionsgröße höher als sonst, sogar am oberen Ende. Leider passte das aus Irland gelieferte edle Stück trotzdem nicht (wozu dann diese Maßtabelle bitte?), meine gewohnte Größe wäre richtig gewesen. Da es genau dieses Modell in dieser aber nicht mehr gibt und mir zudem der Umstand der Rücksendung zu groß ist, behalte ich ihn. So kann ich halt auch einen dicken Wollpulli reinstecken. Und vielleicht lasse ich ihn ja irgendwann vom Schneider enger machen.

4. Geschenk
Auf dem Weg in die Arbeit hatte ich einem Radler zu danken: Er rutsche gleich in der ersten Kurve meiner Route weg und legte sich flach: So musste ich nicht selbst durch einen Sturz herausfinden, dass es eisglatt war und trippelte vorsichtig ins Büro.

Beim Auspacken merkte ich dort: Ich hatte statt meinem Butterbrot versehentlich das Reststück spanischen Schafskäse als Brotzeit aus dem Kühlschrank gegriffen. Und mich beim Öffnen meines Rucksacks ein wenig über den Stallgeruch gewundert.

Der Morgenhimmel entwickelte sich zu Sonnenschein, der bis fast halb zehn erfreute. Dann Rückkehr zu Bleihimmel. (Um fair zu sein, blieb den ganzen Tag ein heller Streifen am Horizont – den die Sonne für einen schüchternen Untergangs-Auftritt nutzte.)

Zu Mittag also kein Pumpernickel, sondern zwei Brezen aus der Cafeteria, vorgeschnittene Orangen.

Nachmittags schaffte ich sogar warme Hände. Irgendwann lerne ich auch noch, dass “ah, dann kann ich die Heizung ja runterdrehen” keine gewinnbringende Reaktion darauf ist.

5. Geschenk
Auf dem Heimweg (kalt) sah ich auf der Theresienhöhe vorm Tor der Villa Wagner ein Mäuschen huschen. Ich blieb still stehen, da traute es sich vor. Und dann sah ich ein paar Minuten im Licht der Straßenlaterne diesem ultraniedlichen Tierchen zu: ganz rund und höchstens vier Zentimeter lang, mit großen, zarten Öhrchen, großen Knopfaugen, langem, dünnen Schwanz tat es Mäuschendinge – schnupperte, huschte, guckte. Hachz.

6. Geschenk
Und DANN sah ich beim Kreuzen des Kaiser-Ludwig-Platzes auch noch einen Nikolaus: In Weiß, mit Bischofsmütze, halb gefüllten Sack über der Schulter – vielleicht der mietbare Pfarrei-Nikolaus?

Herrn Kaltmamsell holte ich nur ab: Wir gingen zum Abendessen auf den (wegen Baustelle reduzierten) Christkindlmarkt am Sendlinger Tor, es gab Regensburger spezial (gut – für die Chronik: 5 Euro) und dann Pommes (mittelgut – 4 Euro). Daheim zum Nachtisch Früchtebrot und Schokolade.

Am Montag waren meine Schöffinnentermine für 2023 eingetroffen: Ich hatte es nicht geschafft, beide für das Jahr geplante Urlaube bereits zu buchen, um bei eventuellen Kollisionen meine Verhinderung belegen zu können. Glück gehabt (noch ein Geschenk): Der Großfamilienurlaub über die Osterferien ist nicht betroffen.

§

Nach der Lektüre eines Artikel im Guardian über geraubte Kunstschätze aus der Antike gibt ein Mann 19 Antiquitäten, die er – ohne Nachweis rechtmäßigen Erwerbs – von seiner Großmutter geerbt hat, an die Ursprungsländer zurück.
“Man repatriates 19 antiquities after reading Guardian article”.

Gelernt: Dazu muss man erst mal jemanden finden, der die Ursprungsländer benennen kann, und dann geht man damit zur jeweiligen Botschaft.

§

Swissmiss hat handgemalte Plakate fotografiert, die am Rand des New-York-Marathons hochgehalten wurden.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 5. Dezember 2022 – Janker-Schnäppchen

Dienstag, 6. Dezember 2022 um 6:34

Eine weitere Nacht mit gutem Schlaf, ich hätte ihn gern noch länger gehabt.

Das nebelig trübe Wetter hielt an, keine Aussicht auf einen Sonnenstrahl diese Woche – vielleicht gibt es wenigstens ein paar Flocken Schnee.

Arbeitsweg im fast komplett Dunklen, auch das bleibt noch für ein paar Wochen so. Aber hey! Im Büro konnte ich um die Mittagszeit fast zwei Stunden lang auf künstliches Deckenlicht verzichten!

Mittagessen Pumpernickel mit Butter, zwei Orangen.

Emsiger Nachmittag, manches musste ich nochmal von vorn anfangen, weil moving target.

Nach Feierabend zog ich zu ein paar Einkäufen los: Ich genoss den Marsch, auch wenn es beim Verlassen des Bürohauses zu regnen begann, erst mal nicht mehr aufhörte und ich langsam durchfeuchtete.

Besorgungen beim Vollcorner, dann marschierte ich zum Kaufhof am Stachus, also zur verbliebenen Hälfte des Hertie am Bahnhof, das andere Kaufhaus direkt an der Sonnenstraße wurde mittlerweile komplett geschlossen (nur der große Asia-Supermarkt im Keller ist weiter in Betrieb). Ich brauchte Strumpfhosen und weiß erstmal nicht, wo ich die außerhalb der Socken- und Strumpfabteilung eines Kaufhauses offline bekomme; das immer glaubwürdiger angekündigte Aussterben von Kaufhäusern stellt mich vor echte Probleme.

Daheim freute ich mich sehr auf eine Runde Yoga; sie war ok, ohne Adrienes Geschnatter hätte sie mir noch besser getan. In der Post eine herzerwärmende Postkarte: Ich hatte mir eine von diesem Foto gewünscht – und der bezaubernde Wiener Fotograf hatte tatsächlich eine gedruckt und geschickt.

Herr Kaltmamsell servierte wieder das Nachtmahl.

Im Zentrum Kimchi (inzwischen sauer fermentiert und weiterhin köstlich) mit Udon – die fleischreiche Woche hatte somit ein Ende. Ich möchte jetzt bitte eine Weile kein Fleisch mehr, aus Umweltgründen, aber auch aus Gemüse-Gelüsten. (Was problemlos mit dem Wunsch nach einer Bratwurst vom Christkindlmarkt zusammengeht.) Auf dem Teller gestern zudem gebratener Seidentofu und Gyoza.

Und Herr Kaltmamsell hatte eine gemeinsame Idee umgesetzt:

Wackelpudding aus selbstgemachtem Waldmeistersirup, Gelatine und Lebensmittelfarbe. Schmeckte halt nach echtem Waldmeister und nicht nach künstlichem, aber gut! (Mit flüssiger Schlagsahne.) Danach noch reichlich Weihnachtsplätzchen.

Am Nachmittag war ein Paket eingetroffen:

(Die Bluse habe ich extra fürs Foto angezogen.)

EINMAL hatte die Online-Werbung exakt meinen Bedarf getroffen und einen schlichten, grauen Giesswein-Janker in gewünschter Größe angeboten, noch dazu von Best Secret und damit für die Hälfte des Original-Preises.

Echt ist für mich ein Janker, wenn er in Grau- oder Brauntönen kommt, aus Walk gemacht ist, mit Knöpfen geschlossen wird, kragen- und kapuzenlos. Außerdem muss es ein Herren-Modell sein, denn in dem Moment, in dem jemand versucht, Abnäher für Brüste einzunähen, verfärbt sich der Stoff in Pastell-Töne, die Einfassungen bekommen neckische Muster und/oder es erscheinen Stickblümchen auf dem Walkstoff. In Extremfällen formieren sich sogar Schößchen an der Rückseite. Der Zusammenhang ist noch nicht abschließend wissenschaftlich geklärt.

Mein neuer auf dem Foto ist ein eher leichter, nicht so richtig wintertauglich.

§

Lesenswerte Gedanken von Katharina Riehl in der Süddeutschen zur Frage, ob der Aktivismus von “Letzte Generation” der Klimabewegung nutzt (€):
“Der Ärger gehört dazu”.

§

Endlich eine inhaltlich-feministische Auseinandersetzung mit Alice Schwarzer zu ihrem 80. Geburtstag und zwar von Antje Schrupp.
“Zum 80. Geburtstag von Alice Schwarzer”.

Sie hat nicht verstanden, dass die Gleichberechtigung im Westen die weißen bürgerlichen, einheimischen cis Frauen zu einem stärkenden Faktor der weißen bürgerlichen antimigrantischen symbolischen Ordnung macht und damit die Grenzen, die das Patriarchat zwischen Männern und Frauen zieht, einfach nur anderswo hin verlagert. Sie hat nicht verstanden, dass die eurozentrischste patriarchale koloniale Norm durch die Emanzipation der Frauen nicht etwa untergraben wird, sondern glaubwürdiger! Und dass aus genau diesem Grund sie NIEMALS von einer Kritik anderer Diskriminierungsformen getrennt werden darf.

In den späten 80ern und frühen 90ern holte ich Schwarzers Feminismus nach, indem ich mehrere Jahrgänge Emma hinterherlas, die es bei Zweitausendeins billig als Sammelbände gab – hochinteressant und lehrreich. Doch eine wirkliche Identifikationsmöglichkeit bot mir der third wave feminism, den ich um die Jahrtausendwende zunächst in US-amerikanischen Blogs entdeckte, allen voran Jessica Valenti und das mittlerweile eingestellte Blog feministing.com (das aber weiterhin zum Nachlesen online steht).

Gleichzeitig kam ich immer weniger mit Alice Schwarzers Dogmatik zurecht, mit ihrem absoluten Anspruch auf die einzig wahre und akzeptable Haltung: Sie beteiligte sich nicht am feministischen Diskurs, verkündete lediglich weiterhin ihre apodiktischen Aussagen, alles war und ist in Stein gemeißelt. Ich kann mich an keinen einzigen Aspekt erinnern, in dem sie ihre Haltung weiterentwickelt hätte – im Gegenteil: Ihr Tonfall wurde immer menschenfeindlicher und ausgrenzender. Und das, wo ich den Feminismus in den vergangenen 30 Jahren gerade wegen seiner Veränderungen und Weiterentwicklungen so spannend fand, wo ich immer weitere unterschiedliche Perspektiven kennenlernte und nachvollziehen konnte.

die Kaltmamsell