Journal Dienstag, 26. April 2022 – Viel Arbeit, kühle Regenschauer

Mittwoch, 27. April 2022 um 6:31

Sehn Sie: Doch mal wieder eine Nacht mit Loch, ab drei Uhr ging erst mal gar nichts mehr. Ich war bereit, auf “dann ruhe ich mich halt einfach so aus” zu schalten, aber mich überfielen lächerliche Sorgen bis zum Herzklopfen. Die letzte Stunde vor Weckerklingeln schlief ich aber nochmal ein, träumte dann, das Haus in Augsburg mit der schönsten Wohnung der Welt, meiner geliebten Studentenwohnung hinterm Rathaus, sei abgerissen worden.

Draußen war es nasskühl, doch für den Weg in die Arbeit brauchte ich keinen Schirm.

Arbeit in der Arbeit eher tumultös, ich kam erst spät zu meinem Mittagessen (Rote-Bete-Heringsalat, Brot, Orange).

Konzentriertes Abstimmen und Wegackern am Nachmittag, nach (vorerstigen) Abschließen eines Jobs holte mich dann doch das Schlafloch der Nacht ein: Ich wäre gerne kopfüber in die Tastatur gekippt. Ging nicht, weil noch mehr Arbeit da.

Aufregung auf Twitter, weil der zwielichtige Geschäftsmann Elon Musk dabei ist, Twitter zu kaufen – der Mann hat erfolreich einen Personenkult um sich geschaffen wie sonst Rockstars und Diktatoren.

Nach Feierabend war es draußen weiterhin kalt. Ich spazierte am Hauptbahnhof vorbei, um in einem dortigen Untergeschoß-Fotoautomaten eine weitere regelmäßige Aufnahme zu machen – ich hatte ja herausgefunden, dass diese nicht überbelichten wie die Automaten unterm Josephs-, Goethe- und Odeonsplatz.

Während es draußen nochmal eine Runde regnete, turnte ich daheim die letzte Folge Adriene Yoga Revolution – wie alle letzten Folgen ihrer Programme ohne Ansagen. Da ich noch lange nicht so weit bin, mir selbst eine halbe Stunde Yoga auszudenken, musste ich mich also ständig so verrenken, dass ich den Fernsehschirm sehen konnte. Jetzt probiere ich aber mal wieder andere Yoga-Vorturnerinnen auf YouTube durch.

Zum Abendessen gab es Reste – feudale Reste: Hähnchensalat, Rote-Bete-Hering-Salat, Käse, die restlichen Ernteanteil-Karotten garte Herr Kaltmamsell mit ein wenig Käse drübergerieben im Ofen. Danach viel Osterschokolade.

Im Bett las ich Hildegard Knefs Geschenkten Gaul aus, darüber später mehr.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 25. April 2022 – Kokosjoghurt

Dienstag, 26. April 2022 um 6:16

Eine weitere Nacht mit genügend Schlaf und wenig Unruhe, ich traue dem Frieden noch nicht ganz.

Nach zwei Wochen Ferien stand Herr Kaltmamsell gestern wieder kurz nach mir auf. Die Draußentemperatur war aprilhaft kühl, doch immer noch gab es keinen echten Regen.

Das Test- und Impfzentrum auf der Theresienwiese verschwindet nach zwei Jahren Aktivität weiter.

In der Arbeit Geschäftigkeit, und zwar fast ausschließlich konstruktive, produktive – das fühlte sich sehr gut an.

Mittags gab es ein Stück Brot vom Selbstgebackenen, Apfel, Orange – und Kokosjoghurt, wenn ich ihn schon für die Tarte von Herrn Kaltmamsell gesucht hatte, wollte ich ihn auch mal so probieren: Inhaltsliste sah ok aus, die Geschmacksmischung aus leichtem Kokos und Joghurt-Säure mochte ich, war trotz zweifacher Energiedichte eines Vollmilch-Joghurts auch nicht zu mächtig. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass er mir schwer im Magen lag – wie ich bereits seit einigen Jahren merke, dass ich Kokosraspeln nicht gut vertrage. Altwerden ist SO spannend!

Ein weiteres Stockwerk für den Neubau am Heimeranplatz.

Zu Feierabend setzte dann ernsthafter Regen ein, wie wir ihn für mindestens zwei Wochen bräuchten, ich griff zum Notschirm in der Schreibtischschublade. Heimweg über Einkäufe beim Vollcorner.

Zu Hause eine Runde Yoga, ich fühlte mich angenehm durchbewegt.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell eine große Rote Bete und einen Apfel aus Ernteanteil in Heringsalat verwendet, briet dazu Bratkartoffeln, ebenfalls aus Ernteanteil.

Als Nachtisch teilten wir uns das letzte Stückchen Tahini-Tarte, ich ergänzte mit reichlich Osterschokolade.

Früh ins Bett zum Lesen, ich wollte den Tag hinter mich bringen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 24. April 2022 – Auf der Spur des Ranunculus monacensis

Montag, 25. April 2022 um 6:15

Guter Nachtschlaf mit wenigen Unterbrechungen, bis fast halb acht!

Das Wetter war weiter trübe und kühl, doch selbst als der Himmel ein wenig aufriss, hatte ich keine Lust auf eine Schwimmrunde. Statt dessen gab es Hanteltraining, ich probierte eine bislang ungeturnte Einheit Fitnessblender für den Oberkörper aus, die mir ausgesprochen gut gefiel (und mich wieder mal mehr als ein Set Hanteln herbeisehnen ließ, zumindest eine 3-Kilo-Version sollte noch Platz im Schrank haben).

Vorher hatte ich eine Stunde in der Küche mit dem gekochten Huhn verbracht, das Brustfleisch in Hähnchensalat verwandelt (mit Pfirsich aus dem Glas, Curry und Salatcreme), das restliche Fleisch sorgfältigst abgefieselt und in die Brühe geschnippelt. Ich wünschte, ich hätte eine Quelle, an ausrangierte Bio-Legehennen zu kommen, um sie für Suppe zu verwenden – also an das alte Suppenhuhn-System. Und an das Fleisch ausgemusterter Bio-Milchkühe. Am Wochenende schrieb die Süddeutsche in einem Artikel mit ausgesprochen unglücklichem Ansatz und Tonfall gegen Veganismus und Vegetarismus (€): “Wer Tiere liebt, sollte sie essen”. Meiner Überzeugung nach hingegen ist Nutztierhaltung schlicht Teil einer ganzheitlichen und nachhaltigen Landwirtschaft (in der Massentierhaltung ebenso unsinnig und verwerflich ist wie Monokultur und Bodenausbeutung). Doch dann sollten sie auch so viel Nahrung wie möglich hergeben.

Frühstück noch vor eins: selbst gebackenes Brot mit gekauftem Aufstrich, ein Stückchen Tahini-Tarte, Orangen.

Wochenend-Süddeutsche gelesen, dann wollte ich aber doch eine Runde raus. Der Himmel hatte sich sehr verdüstert, doch es tröpfelte lediglich auf meinen knapp zwei Stunden über Südfriedhof und an der Innenstadt-Isar.

Grab des Malers Leonhard Faustner, der solche Sachen gemalt hat.

Beim Passieren dieses weggedrängelten Grabsteins muss ich immer an Deep Thought aus der Hitchhiker’s Guide Through the Galaxy-Verfilmung von 2005 denken.

Auch dieses Jahr blüht der endemische Ranunculus monacensis, Goldhahnenfuß. Sonst sah ich neben den blühenden Bäumen viel Löwenzahn und Bärlauch.

Corona ist noch nicht vorbei (Familie auf dem Weg der Besserung).

Unter der Ludwigsbrücke.

Unter der Maximiliansbrücke.

Auf der Maximiliansbrücke.

Bügeln, dank dem Spotify-pro-Zugang der Bruderfamilie den Oscar-bepreisten Soundtrack Dune angehört. Mit allem außer dem Frühwerk vom Zimmer Hans habe ich ja eh ein Problem und frage jetzt: Hätte man ihm nicht einfach gleich den Oscar für Soundeffekte geben können und den Musik-Oscar jemandem für Musik?

Fürs Abendessen ergänzte ich den Hühnereintopf mit einer weiteren dicken Karotte und Emmer-Vollkornnudeln, die ebenfalls im Ernteanteil gekommen waren. Nachtisch war reichlich Osterschokolade.

Während mein Twitter über die Wiederwahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten in der gestrigen Stichwahl jubelte, war ich fassungslos, dass über 41 Prozent der französischen Wähler*innen die rechtsradikale Marine Le Pen wollten.

§

Barbra Streisand ist gerade 80 geworden, unglaublich. So klang sie mit 19 – bereits unverkennbar sie.

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https://youtu.be/Q87WlUf5AoQ?t=34

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 23. April 2022 – Isarlauf statt Wandern

Sonntag, 24. April 2022 um 9:15

Nur mittelunruhig geschlafen, mittellang.

Noch vor dem Kaffeekochen knetete ich den Teig fürs 7-Pfünder Hausbrot. Es gelang hervorragend.

Auf Theresienwiesen-Flohmarkt hatte wir keine Lust. Korrektur: Er findet erst am 30. April statt! (Geplant war gestern trotz angekündigt trübem Wetter eine Wanderung, bevor Herr Kaltmamsell von Arbeit, darunter Abiturkorrekturen, wochenlang verschlungen würde. Doch der Herr fühlte sich nicht recht: Erst bat er um eine kürzere Tour als die geplante, und als ich das nächste Mal nach ihm sah, lag er in seinem Bett. Das ist unerhört, auch bei negativem Coronatest sah das sehr nach Krankheit aus. Wir bliesen das Wandern ab, ich versorgte ihn mit Tee sowie Wärmflasche und ließ ihn schlafen (dass er sich so von mir pflegen und umsorgen ließ, beunruhigte mich fast am meisten).

Ich plante um auf einen Isarlauf und nahm eine U-Bahn zum Theatinerplatz. Zeichen einer Rückkehr zu Prä-Seuchen-Zeit (die wir nicht haben, laut RKI-Wochenbericht von 21.4.2022 sind in Deutschland “etwa 900.000 bis 1,7 Millionen Menschen (…) in KW 15/2022 neu an einer COVID-19-bedingten ARE erkrankt”, saublöderweise gehören dazu vier Personen aus meiner engsten Familie): alkoholisierte Fußballfans in der U-Bahn, Wege blockierende Touristengruppe.

Vom Odeonsplatz lief ich über Hofgarten, Englischer Garten an die Isar nach Norden und zurück. Trotz bedecktem Himmel ein schöner Lauf, ich trabte leicht und unbeschwert – und erstmals seit langer Zeit die ganzen anderthalb Stunden ohne Schmerzen in der den Waden.

Neues zur Vogelschau: Ich verifizierte, dass der schnarrende Laut, der typisch für die Isarauen ist, von Wacholderdrosseln stammt, sah sie auf Wiesen und in Bäumen. Vor der Kennedybrücke viele Schalben in der Luft, Rauch- und Mehl, dazwischen flitzte ein rotbrauner Turmfalke nach Osten. Dominierende Blüte: Felsenbirne.

Laufkleidung gestern: Winterlaufhose, lange Ärmel und hoher Reißverschluss am Hals, drüber Weste; anfangs sehnte ich mich nach Handschuhen. Doch ich bekomme (im Gegensatz zu Buchautorin Jen Gunter laut ihrem Menopause Manifesto) auch beim Sport Glutattacken, und eine davon wärmte mich bis in die Fingerspitzen.

Auf dem Heimweg machte ich einen Abstechter beim Basitsch: Die Maladität von Herrn Kaltmamsell rief nach Hienebriehe, ich besorgte ein glückliches Huhn. (FFP2-Maskentragen in den Läden, in denen ich einkaufe, bei ca. 80-90 Prozent, unter den Angestellten nahezu 100 Prozent, manche allerdings mit OP-Masken.)

Zu Hause Körperpflege. Zum wiederholten Mal der innige Wunsch, man könnte auf Vorrat Nägelschneiden und Rasieren. Zum Beispiel an einem trüben, kühlen Samstag wie gestern für die nächsten vier Wochen vorarbeiten.

Frühstück um halb drei: Frisches Brot mit Butter und der letzten Scheibe Osterschinken. Noch immer schmeckt das selbst gebackene Brot enorm viel besser als alles gekaufte Brot, das ich in den vergangenen Back-losen Monaten gekauft habe. Dazu die Verwunderung, dass Bäckereien Brotteige dunkelbraun färben, ich nehme an mit Zuckercouleur – so wie da oben sieht ein Roggenmischbrot ohne aus, das ist doch hübsch genug? Ebenfalls Frühstück: Zwei Orangen vom adoptierten Baum.

Herrn Kaltmamsell versorgte ich mit Butterbroten und mehr Tee, er lag immer noch im Bett.

In der gestrigen Post waren zwei Briefe vom Amtsgericht München. Im ersten stand, dass ich “wegen Bildung eines weiteren Spruchkörpers nach § 46 GVG” aus der Ersatzschöffenliste zur Hauptschöffin gewählt wurde. Es folgte die Liste von Sitzungstagen für das laufende Jahr. Aus dem angeführten und verlinkten Paragraphen wurde ich nicht schlau: Ist das vergleichbar mit der Einrichtung einer weiteren Abteilung in einem Unternehmen?

Der zweite Brief vom Amtsgericht sagte gleich mal den Mai-Termin von der Sitzungsliste ab. Ich wiederum entschuldigte mich per E-Mail für den September-Termin: Da bin ich im Urlaub, Unterkunft ist bereits gebucht.

Zeit für eine Siesta, die ich sehr genoss, dann setzte ich die Hühnersuppe auf – wie von Oma gelernt mit Zwiebel, Lorbeerblatt, Pfeffer- und Wacholderkörnern, außerdem kamen Ernteanteil-Karotten rein.

Vor dem Nachtmahl gab es als Aperitif Grasshoppers (ein Rest Sahne musste weg). Abendessen war dann Hienebriehe (Herr Kaltmamsell nahm einen zweiten Teller, “Das tut mir richtig gut.”, Sonntag gibt es Hühnereintopf), zudem frisches Brot mit Käse und Aufstrichen, zum Nachtisch ein Stück Schoko-Tahini-Tarte vom Vorabend.

§

Der Ukraine-Krieg droht wie schon vorher die Corona-Seuche das global größte Problem zu verdrängen: Den Klimawandel und seine bedrohlichen Folgen. Oder hatten Sie auf dem Schirm, was ein Artikel im National Geographic aufdröselt:
“Hydrologen warnen: Deutschland trocknet aus”.

Deutschland gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust pro Jahr weltweit. Um eine positive Kehrtwende einzuläuten, müsste sofort gehandelt werden.

Lange Zeit hat man die Wasserthematik in Deutschland vernachlässigt, sagt Pahl-Wostl [Leiterin des Instituts für Umweltsystemwissenschaft und Experte für Water Governance an der Uni Osnabrück und Co-Chair des GIWS]: „Man ist davon ausgegangen, dass die Qualitätsprobleme gelöst sind und Mengenprobleme in Deutschland keine große Rolle spielen. Das hat sich aber letztes Jahr geändert, als erstmals eine nationale Wasserstrategie von Ministerin Schulze der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.” Diese stelle erstmals einen systemischen Ansatz dar. Zwar könnten Dinge konkreter benannt werden, es sei aber ein Schritt in die richtige Richtung, so Pahl-Wostl.

Auch gestern auf meinem Lauf entlang der sehr niedrigen Isar staubte es bei jedem Windhauch, weil die Wege und Wiesen so trocken sind. Dieses Jahr sah ich auch keine Schneeschmelze, die die Isar milchig färben würde: Es hat in den Bergen viel zu wenig geschneit.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 22. April 2022 – Herausgeforderte Professionalität

Samstag, 23. April 2022 um 8:31

Wieder eine Nacht mit nur zweimal Aufwachen und dazwischen gutem Schlaf – das darf bitte so bleiben.

Gestern trug ich einen der angepassten Röcke. Leider fielen der Änderung die beiden geschätzten Taschen zum Opfer – wäre vermutlich noch mehr Arbeit als eh schon bei einem Faltenrock gewesen. (Hier zum Vergleich das Vorher-Foto 2018.) Mir wurde klar, dass das Ändern eines Rocks um zwei Kleidergrößen im Grunde ein neues Kleidungsstück erzeugt.

Stand des Frühlings im Bavariapark. Es war auf meinem Weg in die Arbeit wieder zapfig kalt, ich hätte eine Mütze vertragen.

Arbeit in der Arbeit gestern ohne Druck. Außer dem, dass die Jobs nicht von allein weggehen, sondern weggearbeitet werden müssen.

Mittags Sahnequark mit Joghurt, Orangen.

Nachmittags verschärfte sich der Telefonterror aus UK: Auf der Hotline, die ich betreute, riefen eine Stunde lang von verschiedenen Nummern pausenlos Maschinen an, nach Abheben folgte entweder eine Bandansage oder ein Besetzt-Zeichen. Die ersten beiden echten Menschen aus UK-Call-Centern bekamen die entsprechende Laune ab, bis dahin hatte ich immer versucht, so britisch wie möglich um Löschung der Nummer aus der Datenbank zu bitten. (Und wenn dann dazwischen jemand von der Botschaft einer befreundeten Nation – ebenfalls falsch, können die Leute nicht lesen? – auf dieser Nummer anruft, braucht es wirklich Professionalität für Fortgeschrittene, um rechtzeitig den Tonfall zu wechseln.)

Nach Feierabend spazierte ich in angenehmer, kühler Luft Richtung Marienplatz, um die Theresienwiese herum ballten sich Bayern-Cosplayer*innen auf dem Weg zum Frühlingsfest, Männer interessanterweise konsequenter verkleidet als Frauen. Im Hofbräuhausmühlenladen besorgte ich Roggen- und Weizenmehl (letzteres auch in der Type 405 für Kuchen reichlich vorhanden), dann auf dem Viktualienmarkt Käse im Tölzer Kasladen fürs Abendessen, Feinkost-Brotaufstriche fürs Wochenende.

Daheim wartete ein Päckchen aus Spanien auf mich: Käse von meinem adoptierten Crowdfarming-Schaf des Betriebs Marqués de Mendiola, jung, semi-curado, curado sowie ein Stück in Olivenöl eingelegt. Außerdem hatte meine Mutter die Osterschokolade per Post nachgeschickt, die wir am Ostermontag vergessen hatten.

Erst noch eine kurze Runde Yoga, Vorteig fürs Brotbacken am Samstag angesetzt, dann machte ich das Abendessen an: Es gab den großen Salatkopf aus Ernteanteil mit Zitronen-Knoblauch-Vinaigrette, die schönen Blätter des Bundes Radieserl hatte ich ebenfalls verwendet. Außerdem gab es Käse. Als Aperitif Negronis, zu Salat und Käse Pouilly Fumé. Der Knaller des Abends aber war der Nachtisch, den Herr Kaltmamsell am Nachmittag zubereitet hatte:

Eine vegane Chocolate and Tahini Cream Tart mit Keksboden, darauf einer Schicht Schokolade und einer abgefahrenen Füllung aus Kokos-Kondensmilch, Kokos-Joghurt und Tahini. Ein wirklich neues Geschmackserlebnis. Herr Kaltmamsell war nicht ganz zufrieden – was leider die Gefahr birgt, dass er sie nie wieder macht.

§

Frau Casino erzählt von der Begegnung mit einem jungen Musiker aus Venezuela:
“caracas-berlin, einfach”.

Unvorstellbare Lebensumstände – aber halt auch Heimat.

§

Warum es eine gute Idee sein kann, die Pille danach auf Vorrat daheim zu haben – und was man sich beim Kauf in der Apotheke nicht gefallen lassen muss: ein Twitter-Thread.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 21. April 2022 – Yoga-Wirkung

Freitag, 22. April 2022 um 6:30

Der Wecker klingelte zu früh fürs Ausgeschlafensein, aber die Nacht davor war gut gewesen.

Weiterhin sonnig und kühl, ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass das die richtige Temperatur für April in unseren Breiten ist. Auf der Theresienwiese sah ich aufgesprühte Bodenmarkierungen: Der Flohmarkt am Samstag findet nach zwei Jahren Pause wirklich statt.

Arbeit sehr kleinteilig, aber große Brocken wären eh nicht zu schaffen gewesen: Ich betreue turnusmäßig eine Hotline, deren Telefonnummer wohl in diverse britische Callcenter-Datenbanken geraten ist; täglich rufen dort mehrere Dutzend Menschen an und wollen irgendwelche random Namen sprechen, gerne nur Vornamen, “May I speak to Sarah?”. (Gibt es DDos per Telefon?)

Mittags gab es Kürbiskernbrot mit Butter und eine große Orange.

Nachmittags Abstimmungen, Schulung (ich parallel, sagen Sie’s nicht weiter, bis über beide Ellenbogen in einer Datenbank), manuelles Basteln.

Ich beendete den Arbeitstag mit dem Gefühl, dass ich nie mehr im Leben entspannt sein werde. Der sonnige Tag hatte sich nur wenig erwärmt, ich brauchte neben der Jacke auch mein Halstuch.

Daheim meine fast tägliche Runde Yoga, mittelanstrengend.

Jetzt, nach über zwei Jahren Yoga, kann ich nicht umhin zu gestehen: Doch, ich merke eine Wirkung. Schnaufen und Besinnlichkeit sind zwar immer noch nicht angekommen – andererseits hatte ich Schnaufen bereits als Teenager im Chor gelernt, inklusive Hecheln und anderen Zwerchfell-Übungen; ich vergesse gerne, dass viele Menschen erst in spätem Erwachsenenalter Bauchatmung kennenlernen. Doch als ich mich vergangenen Samstag auf der Rückfahrt vom Wandern im überfüllten Zug einfach im Schneidersitz auf dem Boden niederließ und in dieser Haltung gemütlich las, als ich auf den Boden und wieder ins Stehen schnell und nahezu elegant kam – da war mir klar, dass ich das mit 55 Jahren und meiner Hüft-Vorbelastung ziemlich sicher ohne Yoga nicht könnte. Zumal ich von Natur aus wirklich nicht gelenkig bin. Ebenso wenig könnte ich mein halb spaßig gemeintes Trainingsziel “Socken im Stehen anziehen” nicht so weit übertreffen: Ich kann auch Hosen und sogar Strumpfhosen im Stehen anziehen, langsam und sorgfältig. Der kindliche Stolz, etwas “schon” zu können, wiederholt sich halt seit einigen Jahren rückwärts: etwas “noch” können. Gleichzeitig ist mir sehr bewusst, dass das meiste davon Veranlagung und Glück ist, keineswegs eigene Leistung.

Zum Nachtmahl kombinierte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch aus Ernteanteil Sauerkraut, Kartoffel, Äpfel mit zugekauften Leber- und Blutwürsten (mit Speckwürfeln) zu einer Art Himmel und Äd. Nachtisch sehr viel Osterschokolade.

§

Über Soziologie von Nahrungsmittel-Hierarchien und warum auch die Unterscheidung von “gesundem” und “ungesundem” Essen in den vergangenen Jahrzehnten Moden unterworfen war:
“There Is No Such Thing as ‘Junk’ Food”.

Many people’s reaction to this confusion is to refine the category of “healthy” until it’s full of foods essentially available only to people who live on a farm, as well as close to other farms, with the ability to spend every day prepping fresh farm-sourced food for themselves. They also boast no limits on expenditures, no health conditions that would limit what they can consume, and no picky eaters on the premises. The number of people who can live this way is vanishingly small, which means that actually adhering to the Platonic healthy diet becomes entirely aspirational.

(…)

Whatever the reason you eat what you eat—and no reason is more valid than any other, including and especially deliciousness—it has no correlation with your value as a person. It does not make you a worse person to eat “junk food,” and it certainly doesn’t make you a better person to eat whole grains. Contrary to what those worksheets might tell us, food does not have moral character, and consuming it does not influence or infect our own character. Food is delightful, and food is fuel, and food is culture.

§

@miriam_vollmer war im Zug langweilig.

Die Ergebnisse will ich praktisch durchgehend nachkochen (zumindest nachessen, Augenzwinkern Richtung Herrn Kaltmamsell), alles unkomplizierte, traditionelle Gerichte aus der Generation deutscher großbürgerlicher Großmütter.

§

Michelle Yeoh, in die ich mich 2000 in Crouching Tiger, Hidden Dragon verliebte (dabei hatte ich sie vorher schon als völlig anderes Bond-Girl in Tomorrow never dies bewundert), ist eine der wenigen weiblichen Action-Weltstars und möglicherweise die einzige mit einer gleichzeitigen ernsthaften Schauspiel-Karriere in Drama und Komödie. Hier erzählt sie aus ihrem Berufsleben.

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https://youtu.be/DHOSiFzcHJ8

Superspannende Einblicke, unter anderem wie ein (Hongkong) Stunt-Team denkt und arbeitet, wie eine gute Kampfszene funktioniert. Ich bin sehr beeindruckt von ihrem Selbstbewusstsein – und ihrer Schönheit. Allein schon auf Basis des Trailers erkenne ich, dass ihre Rolle im anstehenden Everything Everywhere All At Once niemand andere auch nur spielen könnte als Michelle Yeoh.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 20. April 2022 – Seltener Kinobesuch: The Lost City

Donnerstag, 21. April 2022 um 6:39

Wieder eine Nacht genug Schlaf bekommen, beim Aufwachen lachte mich schief der Dreiviertel-Mond an.

Auch gestern war ein zackiges Tempo beim Fußweg in die Arbeit nötig, um nicht zu frieren.

Frühlingsfest auf der Theresienwiese so gut wie startklar, am Freitag geht’s los.

Arbeit in der Arbeit, viel Gezicke von außen.

Mittags gab es Hüttenkäse mit Dickmilch, viel Orange.

Nachmittags musste ich mich noch ein paar Mal von Fremden anblaffen lassen. Ich weiß ja, dass die nicht mich meinten, es war trotzdem unangenehm.

Nach Feierabend erledigte ich im Vollcorner die dringendsten Einkäufe, dann holte ich endlich beim Schneider vier geänderte Sommerröcke ab.

Daheim nahm ich mir nicht mal die Zeit zum Aufhängen der Röcke, denn wir hatten Abendpläne: Kino. Davor passte noch eine Runde Yoga, zum Abendessen hatte Herr Kaltmamsell eine wunderbare Tomatensoße gekocht, die es mit apulischen Cicatelli gab. Nach dem letzten Bissen schnelles Anziehen, U-Bahn zum Stiglmaierplatz.

Im nicht sehr vollen Kino sahen wir The Lost City. Nette Komödie, Erinnerungen an all die Indiana-Jones-Abklatsche der 1980er. Sehr abgelenkt war ich allerdings durchgehend vom tot-operierten Gesicht der so geschätzten Sandra Bullock. Ich hatte mich für vorbereitet gehalten, weil ich es vor ein paar Monaten schon mal in einer Talk-Show gesehen hatte. Doch der Schaden geht weit darüber hinaus, dass ich mich um die Erfahrung gebracht fühle, sie altern zu sehen: Komikerin Sandy kann dieses einst so effektvoll eingesetzte Gesicht nicht mehr bewegen als Mundöffnen und -schließen (mit starr breitgezogenen Lippen), sie kann nicht mal mehr eine Augenbraue heben. Das muss ich erst einmal verarbeiten.

Lustig eingesetzt: Brad Pitt. Und wie schrieben die Fugly-Damen:

Channing is very good in the movie; he is excellent at the Hot Doofus With a Heart of Gold — and of course he is excellent at physical comedy; they also briefly let him dance because when you have Channing Tatum, you let him dance.

Vor dem Film ein paar interessante Trailer:

Everything Everywhere All At Once sieht aus, als machte endlich mal jemand was Gutes aus dem Multiverse-Konzept (Michelle Yeoh! Jamie Lee Curtis!)

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https://youtu.be/wxN1T1uxQ2g

Und beim Trailer von The Unbearable Weight of Massive Talent musste ich laut auflachen: Nicolas Cage spielt sein eigenes Image:

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https://youtu.be/x2YHPZMj8r4

§

Seit Tagen ein offener Tab, jetzt endlich gelesen. Constantin Seibt schreibt in republik.ch sehr lang und ausführlich:
“Russisches Kriegsschiff, fick dich!”

Der russische Präsident Wladimir Putin hat zumindest ein Ziel erreicht: eine neue Weltordnung. Der Kampf der Systeme ist zurück. Und es ist Zeit, das Lager zu wählen.

Detail- und faktenreiche Analyse der russischen Autokratie Putins, sehr spannend zu lesen.

Auch deshalb ist Putin der Held: Er hat die autoritäre Propaganda perfektioniert und weltweit finanziert.

Die neue Propaganda funktioniert sehr anders als im 20. Jahrhundert, als es vor allem darum ging, den Gegner von seinem System zu überzeugen. Sie ist weitgehend von jeder Substanz abgekoppelt: eine Mutation, die sie extrem automatisierbar, extrem anpassungs­fähig, kurz: extrem viral macht.

Ihre Rezepte sind im Groben:
– Sie ist laut. Sie läuft auf möglichst vielen Kanälen – von Social Media bis zum eigenen News­sender bis hin zu Studien und Kongressen. Was zählt, ist die Quantität. Je öfter jemand dieselbe Aussage hört, desto plausibler wird sie.
– Sie ist schnell. Menschen tendieren dazu, an der ersten Information festzuhalten, die sie zum Thema gehört haben.
– Sie ist unabhängig von Fakten. Der Verzicht auf Recherche, sogar auf Plausibilität, ist ein entscheidender Vorteil, wenn es um Quantität und Tempo geht. (Und nie ist man schneller, als wenn man das Ereignis selbst erfunden hat.) Wobei auch Fakten nicht verschmäht werden. Wichtig ist nur, im Publikum permanent Zweifel zu säen. Und seine Feinde andauernd mit den eigenen Dingen zu beschäftigen.
– Sie pfeift auf Konsistenz. Was heisst, dass man unbelastet von den eigenen Argumenten losschlagen kann. (Etwa die Weltverschwörung der Juden beklagen und zehn Minuten später jemandem Antisemitismus vorwerfen.) Sodass man jede Beliebige mit jedem beliebigen Vorwurf vor sich hertreiben kann.

Steve Bannon, der ehemalige Trump-Wahlkampfleiter, fasste seine Strategie so zusammen: «To flood the zone with shit.»

die Kaltmamsell