Journal Montag, 11. April 2022 – Auch mal keine Meinung

Dienstag, 12. April 2022 um 6:16

Wieder eine ordentliche Nacht, ich bekam genug Schlaf.

Das Draußen war knackig frostig und sonnig.

Frühlingsfest im Aufbau. Die Corona-Infektionszahlen in München sinken, allerdings frage ich mich, ob sich nicht einfach immer mehr Menschen die Verifizierung ihrer Covid-19-Erkrankungen durch PCR-Test schenken (und sei es, um Quarantäne zu umgehen). Ob das Aufheben aller offiziellen Pademie-Eindämmung Auswirkungen hat, schlägt sich ja erfahrungsgemäß erst nach 14 Tagen in den Zahlen nieder (erfasste Infektionen, Hospitalisierung). Die Ausfälle in meiner Arbeitsumgebung sind gleichbleibend hoch.

In der Arbeit den Vormittag nahezu durchbesprochen, parallel Anfragen-Jonglieren.

Mittags gab es Äpfel sowie Pumpernickel mit Butter – mit besonders wenig Appetit, diesmal weil mein Bauch den ganzen Tag schon seltsam rumpelte.

Aufgeregtheiten in meiner Twitter-Timeline, vor allem um Waffenlieferungen in die Ukraine und den Rücktritt von Familienministerin Spiegel. Es mehren sich die komplexen Themen, zu denen ich mir leiste, einfach keine Meinung zu haben – in diesem Fall wegen fehlender Fachkenntnis zu Ersterem und flimmerndem Bezugssystem (framing) der Diskussion zu Letzterem. Sehr entspannend, Meinungs-Shavasana.

Kleinteiliger Arbeitsnachmittag, ich kam gründlich erledigt raus und mit Bauchweh. Gestern zwischen Glutattacken immer wieder heftiges Frieren. Ich bin es leid.

Auf dem Heimweg (es war mild geworden) wollte ich nach kurzer Lebensmittelbesorgung meine angepassten Sommerröcke aus der Änderungsschneiderei abholen, das Datum war vereinbart. Nur dass sie noch nicht fertig waren, es wird dann doch bis nach Ostern dauern. Na gut, lieber mit der Sorgfalt, für die ich diesen Schneider bisher so schätze.

Zu Hause eine Einheit Yoga, diese tat endlich mal wieder richtig gut mit ihren zügigen, aber unhektischen Bewegungen.

Das Nachtmahl bestand fast komplett aus Ernteanteil vom Kartoffelkombinat (serviert von Herrn Kaltmamsell): Pastinaken aus dem Ofen nach Ottolenghi, fast schon fruchtig, Perldinkel mit Zwiebel und Petersilie.

Danach noch einen der Hot Cross Buns, die Herr Kaltmamsell vormittags nach neuem Rezept gebacken hatte (Osterferien!), und Schokolade.

Wäsche aufgehängt, früh ins Bett zum Lesen.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 10. April 2022 – Palmsonntag mit Schnee und entlang der Würm

Montag, 11. April 2022 um 6:22

Zwischen den Unterbrechungen gut und tief geschlafen, bis fast sieben.

Gemütlicher Morgen, zu unserer Wanderung wollten wir erst am späten Vormittag aufbrechen. Also hatte ich vorher noch Zeit für eine Runde Yoga. Doch als sich abzeichnete, dass es erst mal wieder ausführlich ums Schnaufen gehen würde, ließ ich das Video weiterlaufen, Adriene vor sich hin schaufen, und machte meine Bankstütz- und Seitstützübungen. Erst als sie nach zehn Minuten vom Schnaufen zu table top position wechselte, stieg ich wieder ein.

Das Wetter draußen hatte sich nicht an die Abmachung gehalten, es war genauso wechselhaft wie am Samstag. Egal, ich zog mich warm an mit einer Strumpfhose unter der Wanderhose und meinem dicksten Pulli unter der Wanderjacke, Mütze und Handschuhe eh.

Plan war, die Würm entlang von Pasing Richtung Starnberg zu gehen, so weit wir halt Lust hatten – Einzugsbereich MVV, also mit reichlich Möglichkeiten zur Rückfahrt. Brotzeit besorgten wir erst in Pasing, denn der Bäcker unterm Stachus war geschlossen. Wir zogen strammen Schrittes los, sahen viel Frühling, an der Würm Kanadagänse (LAUT!), Bachstelzen, Rotkehlchen, Buchfinken, Grasmücken, Stock- und Mandarinenten, Amseln,  Meisen, hörten unter anderem Wacholderdrosseln. Der seltsame Zweig oben auf dem kahlen Baum, der von der Weite wie ein Vogel ausgesehen hatte, stellte sich von Nahem tatsächlich als Vogel heraus: ein Turmfalke.

Es war nicht viel los, eine positive Folge der düsteren Wolken und regelmäßigen leichten Graupelschauer, die sich mit sonnigen Abschnitten abwechselten. Ich hatte diese Strecke ausgesucht, weil die Wege zum großen Teil gut befestigt sind und ich nach den Niederschlägen der letzten Wochen Matsch befürchtet hatte. Die Sorge war unberechtigt: Es hatte nicht genug für Matsch geregnet, leider.

Nach zwei Stunden machten wir Pause, es gab Nussschnecke und Apfel, außerdem heißen Tee aus der Thermoskanne.

Maibaumwerkstatt der Feuerwehr Gräfelfing, nicht im Bild die Bewachung (-> Maibaumstehlen).

In Gauting, nach gut drei Stunden Fußmarsch, machten wir Schluss. Herr Kaltmamsell fühlte sich nicht wirklich fit (morgens hatten wir uns beide auf Corona gestestet, aber es gibt ja auch noch andere Infekte), der nächste S-Bahn-Halt lag fast zwei Stunden entfernt. Also spazierten wir zum Gautinger Bahnhof und fuhren zurück.

Daheim holte ich über einer Tasse Tee das Süddeutsche Magazin vom Freitag nach, las unter anderem den Artikel von Catrin Lorch über ihr Handweben (€). Handwerklich Hergestelltes kostet Zeit, hohe Fertigkeit, Erfahrung – und doch empfinden viele den Endpreis als Abzocke. Lorchs Artikel liefert mir einen argumentativen Schlüssel:

Der kalifornische Handweber Travis Meinolf hat in einem Interview einmal die Rechnung umgedreht und vorgeschlagen, dass Kunden ihm für einen Schal, den er in dreitägiger Arbeit herstellt, doch bitte bezahlen mögen, was sie selbst in drei Tagen verdienen.

Abendessen war wieder der asturischer Bohneneintopf Fabada vom Vorabend – ist, wie fast alle Eintöpfe, schlecht in kleinen Mengen zu kochen. Am meisten genoss ich darin die weißen Bohnen.

§

Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin Hanna Engelmeier über ihr instagram-Gucken:
“Andere Leben als meines”.

Bei meinen Exerzitien in Fremdscham und Anteilnahme denke ich regelmäßig an den Aufsatz, den ich eines Tages über diese Storys schreiben möchte, und bastele an dem Argument, dass hier ein neuer Werkbegriff her muss, einer, bei dem Autorinnenschaft nicht mit dem Ziel der Erschaffung bleibender Artefakte, sondern dem Aufrechterhalten beständiger Aufmerksamkeit für das eigene Tun verknüpft ist.

§

Auf Empfehlung sah ich gestern eine 3sat-Doku über den Schauspieler Christoph Waltz – und empfehle sie hiermit weiter (noch bis 16.4. in der Mediathek).
“Christoph Waltz – Der Charme des Bösen”.

Waltz äußert sich ausschließlich über seinen Beruf und seine Karriere, aber das höchst interessant. Immer wieder betont er, dass er nie besser sein kann als das Drehbuch, und dass sein Job ist, die Tätigkeiten von Drehbuch, Regie (Kamera, Schnitt) zu komplettieren, damit ein Film daraus werden kann. Auch die (bescheuerte) Frage, wie viel von ihm als Person in seinen Rollen stecke, beantwortet er damit: Sein Beruf sei, eine Rolle zu spielen; die Rolle müsse gut geschrieben sein und er die richtige Besetzung dafür – dann werde das Ergebnis gut. Das freute mich vor allem vor dem Hintergrund meiner regelmäßigen Verwunderung, wenn Schauspieler*innen fachlich zu den Inhalten ihrer Rollen interviewt werden, wenn zum Beispiel eine Schauspielerin, die gerade die Leiterin einer Jugendpsychiatrie gespielt hat, zum Stand der deutschen Jugendpsyche befragt wird – und auch noch antwortet. Die Frau ist keine Psychaterin, sie ist Schauspielerin!

§

Eine sehr schöne, ungewöhnliche Tango-Filmszene.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 9. April 2022 – Sportvereinslabyrinth

Sonntag, 10. April 2022 um 8:32

Der Schlaf nach fünf ist bekanntlich der erholsamste, nach einer zerstückelten Nacht profitierte ich sehr davon, dass ich nach dem letzten Aufwachen um fünf bis fast acht schlafen konnte.

Das Wetter war etwa so scheiße wie angekündigt, wir schoben die Wanderpläne auf Sonntag. Auf einen Lauf hatte ich keine rechte Lust, auch schlechtes Wetter gibt es in interessant und uninteressant. Statt dessen ging ich nach Monaten wieder in den Verein auf den Crosstrainer – unter anderem um herauszufinden, wie weit der Renovierungsabschluss der historischen Sportanlagen an der Häberlstraße gediehen waren.

Ergebnis: Das Zugangssystem mit Mitgliedausweis ist in Betrieb, damit kommt man nur in die Räume, für die man berechtigt ist. Diese Räume zu finden, also Umkleide und den Weg zur Galerie mit den Fitnessgeräten, war ein echtes Abenteuer. Beschilderung gab es wenig, und der alte Bau ist auf eine Computerspiel-taugliche Art verwinkelt – nur halt ohne Umschaltmöglichkeit auf Grundriss-Ansicht. Letztendlich fand ich zum Crosstrainer, kann mir aber nicht vorstellen, dass mein Kreuzen diverser Trainingshallen der vorgesehene Weg war.

Strampeln in angenehm weniger Gesellschaft (es gibt keinerlei Zutrittsbegrenzung mehr in Form von Impfkontrolle, um Maskentragen wird lediglich gebeten), ich hörte dabei Musik von Lana del Rey. Draußen hatte der Regen aufgehört, das Wetter beruhigte sich und war lediglich kalt.

Drei Semmeln (ok, große) beim Bäcker: 4,20 Euro.
Sich privilegiert fühlen, weil man sich Semmeln vom Bäcker leisten kann. Die steil steigenden Lebenshaltungskosten sind seit einiger Zeit Medienthema (Energiepreise, Inflation, Lieferkettenprobleme der Pandemie jetzt verschärft durch Ukrainekrieg), für prekär lebende Menschen muss das eine echte Belastung sein.

Zu Hause Körperpflege, Frühstück mit Semmeln (aufs Laugenzöpferl probierte ich einen veganen Aufschnitt, den ich für die Ostertafel testete – gut! mit reichlich unveganer Butter drunter). Statt Wochenendkuchen kochte ich Arroz von leche mit dem bayerischen Reis. Mein Verdacht bestätigte sich, dass er sich dafür besser eignet denn als Beilage aus dem Reiskocher.

Ausführliches Zeitunglesen. Empfehlenswerter Artikel (gegen Abo €):
“Frau Hoffmann erinnert sich”.

Sie ist 91 und hat schon einmal einen Krieg miterlebt. Wenn sie jetzt im Fernsehen die Bilder aus der Ukraine sieht, ist da wieder Angst und Kälte.

Frau Hoffmanns Erinnerungen passten sehr gut zu meiner derzeitigen Lektüre, Hilde Knefs Geschenktem Gaul, die ja auch viele Erinnerungen an Kriegsgräueln enthalten; Knef wurde 1925 geboren.

Die Pflegerin aus dem Stuttgarter Altenheim erzählt am Telefon, wie die Bewohner seit Butscha verstummt sind. Wie es stiller wird im Gemeinschaftsraum. Wie zu Beginn des Krieges erst alles wieder hochkam und die Alten plötzlich erzählten: vom toten Bruder, von den Soldaten, die die Menschen vom Acker trieben wie Vieh. Von der Angst. Nie haben sie so viel von sich erzählt wie in den ersten Kriegstagen, sagt die Pflegerin. Dann kam Butscha.

Im Altenheim stellen sie jetzt das Programm um im Fernsehen, wenn Nachrichten kommen, sie zeigen lieber Heimatfilme, sie singen „Tulpen aus Amsterdam“, sie richten alles hübsch her, für den Osterhasen.

Als speziellen Leserinnenservice für mich empfand ich diese ausführliche Feature (€):
“Im Glashaus”.

Seit 175 Jahren entstehen in der Mayerschen Hofkunstanstalt in München spektakuläre Glasarbeiten und Mosaiken, oft zusammen mit Weltkünstlern. Der jüngste Großauftrag ist gerade fertig geworden. Destination: New York.

Ich wusste sofort, von welchem Hinterhof die Rede ist: Die schöne Fassade mit der Aufschrift “Mayer’sche Hofkunstanstalt” war mir immer wieder beim Radeln durch die Seidlstraße aufgefallen. Ich hatte vermutet, dass sie der dekorative Rest einer längst verblichenen Firma ist, jetzt weiß: Nein, dahinter steckt wirklich, was vorne draufsteht.

In München gibt es nur wenige Meyer’sche Werke zu sehen, zum Beispiel in den Fünf Höfen. Oh – und ein paar der Glaskunstwerke könnte man sogar kaufen.

Aperitif fürs Abendessen wurden Green Monkeys, Herr Kaltmamsell servierte den spanischen Bohneneintopf Fabada, den er über den späten Nachmittag gekocht hatte.

Dazu gab es den restlichen Gemischten Satz aus Niederösterreich, der sehr gut passte. Zum Nachtisch spanischer Milchreis. Im Fernsehen ließen wir Sissi laufen, Teil 3 (“Non compro librusch!”)

§

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (die ich seit vielen Jahren als Internet-Fachfrau und Aktivistin für digitale Bürgerrechte kenne) weist darauf hin:

Und beschreibt dann in einem Thread, wie diese Bearbeitung aussah. Daraus kann man unter anderem lernen, wie wirkungsvoller Aktivismus funktioniert. (Und warum der Bundestag gegen die Impflicht stimmte, obwohl aus allen Umfragen hervorgeht, dass die Bevölkerung sie mehrheitlich will.)

§

Laurie Penny ist derzeit auf Buchtour in Europa – wo sie DIE junge Starfeministin ist, vor allem in deutschsprachigen Ländern, und entsprechend behandelt wird. Doch in ihrem Herkunftsland UK ist das sehr anders, auf Twitter bekomme ich vor allem Pennys Reaktion auf Angriffe aus der untersten Schublade mit. Hier schreibt sie darüber, wie sie diesen Gegensatz in der vergangenen Woche erlebt hat:
“So far, it’s been a strange holiday.”

I’ve got a part to play, and the part seems to be sort of Feminist ratbag rockstar. Which was a thing I always secretly hoped it might be possible for someone to be. But I’m trying to relax and play the part. Feminist rockstar. This was a thing I always secretly hoped it might be possible for someone to be.

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 8. April 2022 – Abschluss der Arbeitswoche in Regen und Schnee

Samstag, 9. April 2022 um 9:06

Unruhige Nacht, aber ohne Löcher.

Ich wachte zu Regen auf, der blieb dann auch bis Mittag. (Die Bäurin freut sich, die Städterin hatte für Samstag Wandern geplant und fand das nicht so toll.)
Unterm Schirm in die Arbeit, der Sturm hatte sich gelegt.

Dumpfhirniges Werkeln, für volle Leistungsfähigkeit bräuchte ich dann doch mal wieder eine ganze Nacht Schlaf. Für einen Freitag überraschend kurz getaktete Arbeit, ordentlich was weggeschafft.

Mittags gab es Ernteanteil-Apfel (wieder SO gut), Pumpernickel mit Butter, Hüttenkäse.

Ah, dings, positiv sein, blessings counten und so: Ich möchte hier mal festhalten, dass ich keine Krampfadern habe, trotz erheblicher familiärer Vorbelastung und trotz Alter. Und zwar überhaupt keine, null, nada, nicht mal eine Ahnung davon. Dafür kann ich genauso wenig wie für hormonelle Schlafstörungen oder die gestrigen Glutattacken im Stundentakt, finde es aber sehr prima und freue mich darüber.

Pünktlicher Feierabend, der Regen machte Pause, dafür ging wieder heftiger Wind. Ich ging über Lebensmitteleinkäufe heim, außerdem setzte ich eine Geschenkidee um (es kann so schön sein, Ideen zu haben!).

Daheim eine lange Einheit Yoga, aber auch Folge 19 von Adrienes “Revolution” macht mir keine Lust auf Wiederholung.

Jetzt gingen wir das Feiern des Wochenendes an, ich machte Cosmopolitans.

Nach dem hochprozentigen Aperitif war ich so gelockert, dass ich uns für die nächste Woche einen Restauranttisch buchte, trotz Abschaffung des Impfungsfilters.

Zum Abendessen hatte Herr Kaltmamsell italienischen Polenta-Auflauf gemacht, mit Sojahack statt Hackfleisch – und zum ersten Mal erwies sich dieser Tausch als Verschlechterung: Das Sojahack machte das Gericht trocken und fad . Allerdings gilt der Versuch nicht wirklich, weil Herr Kaltmamsell ein anderes Produkt als die sonst immer verwendeten Sojabröckerl genommen hatte.

Dazu gab es einen Wein, den ich im Vorbeigehen beim Basitsch mitgenommen hatte (Wein ist meine Quengelware).

Feinstrick gemischter Satz aus Niederösterreich. Sehr schöne Grafik-Idee, der Gemischte Satz moussierte leicht, schmeckte säuerlich frisch nach Zitrusfrüchten und ein wenig Apfel.

Früh ins Bett zum Lesen, draußen war der Regen zurückgekehrt und hatte ein paar Schneeflocken mitgebracht – es sah schlecht aus für die Wanderpläne.

§

Trailer für The Lost city entdeckt. Welche ein Staraufgebot! Und eine Drehbuchidee, die sehr lustig werden kann – oder fürchterlich daneben gehen.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/nfKO9rYDmE8

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 7. April 2022 – Ernteanteilpflichten

Freitag, 8. April 2022 um 6:29

Viel bessere Nacht: Nur einmal aufgewacht, bis kurz nach fünf geschlafen.

Der Tag begann mild und sonnig. Erst am Vormittag wurde es sehr windig.

Arbeit war viel gleichzeitig (wenn man bei einem Online-Meeting eh nur zuhört, kann man ja gleichzeitig Anderes arbeiten und ist ansprechbar für Kolleg*innenfragen, oder?). Spaß mit haarsträubenden Abkürzungen für Forschungsprojekte.

Mittags gab es Pumpernickel mit Butter, ein Schälchen Physalis.

Ein durchgehetzter Arbeitstag, was einerseits damit zusammenhing, dass Krankheit mir fest einkalkulierte Unterstützung entzog, andererseits damit, dass ich früher gehen musste: Herr Kaltmamsell war beruflich am Abholen des Ernteanteils gehindert, ich musste nach Langem mal wieder einspringen. Was nach Murphy’s Law die Arbeitslast sprunghaft steigen lässt.

Um halb fünf warf ich alles hin oder fuhr es runter und ging hinaus in den Sturm. Der Ernteanteil war schnell abgeholt, so sieht er diese Woche aus. Wegen Herrn Kaltmamsells Terminen war ich auch für das Abendessen zuständig. Der Ernteanteil enthielt dafür Salat (Asiasalat und Portulak) sowie Radieserl-Blätter – die arg lätschert und mitgenommen aussahen. Daheim zupfte ich sie ab und gab sie in eine Schüssel Wasser.

Ich plante Linguine mit Champignon-Rahm und frischem Basilikum, für die Zutaten marschierte ich zum Basitsch. Wo es weder Champignons gab noch frischen Basilikum. Also plante ich um auf Kräutersaitlinge und die krause Petersilie aus dem Ernteanteil.

Zurück daheim aber erst mal eine Runde Yoga (Herr Kaltmamsell war erst für acht Uhr angekündigt), diesmal endlich wieder mit ordentlich Bewegung. Dieses “Revolution”-Programm turne ich noch durch, dann vielleicht doch mal wieder eine Yoga-Phase mit Mady. Ich habe nämlich gemerkt, wie mir eine von Adrienes besinnlichen Bemerkungen ungut nachgeht, die auf abstoßende Weise Richtung “positives Denken” als Allheilmittel tendierte: Sie erwähnte eine Freundin mit offensichtlich chronischen Rückenschmerzen, die sie nach einer weiteren Klage über diese Schmerzen darauf hinwies, dass die Schmerzen ja nie besser werden könnten, wenn sie sich so sehr selbst darüber definiere, “just saying.” (Erinnerte mich an den einen oder anderen Selbst-schuld-Kommentar hier im Blog zu meinen jahrelangen und bösen Hüftschmerzen, bevor ich die Diagnose Arthrose hatte.)

Jetzt hatten sich 70 Prozent der Radieserlblätter erholt, sie kamen zum Salat. Insgesamt produzierte ich ein gutes Abendessen.

Es passten nur wenige Süßigkeiten hinterher.

§

Anne Wizorek schreibt im Hauptstadtbrief darüber, was Putins Frauenfeindlichkeit und seine systematische Verfolgung von LGTBQI mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben.
“Patriarchat auf Speed”.

Sich selbst und Russland als Verfechter der einzig richtigen gesellschaftlichen Werte zu inszenieren, daran arbeitet Putin seit gut zehn Jahren. In dieser binären patriarchalen Denkordnung gilt der Westen mit seinem Einsatz für Frauen- und LGBTQI+-Rechte als schwach und dekadent – als „das verweiblichte Gayropa“. Dagegen stemmt sich Russland, der quasi „letzte starke Mann“. Mutig wehrt er sich – sicher mit nacktem Oberkörper durch die Gegend reitend – gegen sämtliche Emanzipationsbemühungen marginalisierter Menschen, da sie einer vermeintlich „natürlichen Ordnung“ widersprechen und diese demnach gefährden. Es ist da kaum verwunderlich, dass auch Putins Kriegserklärung vom 24. Februar 2022 diese Töne anschlug, die nicht nur misogyn und queerfeindlich, sondern in ihrer Verschwörungserzählung ebenso antisemitisch sind.

Die Sehnsucht nach einer Männlichkeit hart wie Kruppstahl und Militarisierung durch und durch, schwillt uns seitdem auch wieder verstärkt aus deutschen Kommentarspalten, Talkshowsesseln und Meinungsartikeln entgegen. Krieg, das ist das Patriarchat auf Speed. Angesichts rollender Panzer lässt sich eben viel leichter zu den bekannten, rigiden Geschlechterrollen zurückkehren, statt sie infrage zu stellen.

§

Hakan Tanriverdi ist Münchner, und ich habe ihn vor vielen Jahren mit seinen wundervollen Texten im Online-Magazin Kleinerdrei kennengelernt, unter anderem über seine Kindheit und Jugend bei mir ums Eck. Inzwischen wird er so eingeführt:

Hakan Tanriverdi ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule. Er hat fünf Jahre für die Süddeutsche Zeitung geschrieben und war Korrespondent in New York. Aktuell ist er Reporter für Cyber- und IT-Sicherheit beim Bayerischen Rundfunk.

WOW.

Zwischen dem einen und dem anderen gibt es viele Verbindungen. Deshalb finde ich diesen Text aus journalist ganz besonders interessant:
“Fünf Dinge, die ich gerne früher verstanden hätte”.

via Draußen nur Kännchen

Besonders aufgefallen ist mir Hakans Aussage:

Wenn Leute sich vorstellen, was investigativer Journalismus ist, dann heißt es oft: Geheime Dokumente besorgen. Ich finde, das ist eine sehr einengende Sicht. Ein großer Teil meiner Arbeit besteht darin, öffentliche Berichte zu lesen und Dinge zu suchen, die jede:r finden könnte.

Genau das habe ich mir nämlich schon oft zu Geschäftsberichten von Unternehmen gedacht, auch von richtig großen Unternehmen. Mit denen beschäftigte ich mich ein paar Jahre beruflich und fand darin immer wieder überraschende und wirklich wichtige Informationen (zwar nicht superspannend geschrieben, aber verständlich im Lagebericht, einem Pflichtteil von Geschäftsberichten), fragte mich dann, warum die Medien diese nicht aufgriffen.

§

Eine großartige Tanzszene aus Sweet Charitiy von 1969, Regie Bob Fosse, die schön zeigt, wie klar zeitgebunden die meiste Choreografie ist (von Bob Fosse kommen unter anderem die ikonischen “Jazz Hands”).

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 6. April 2022 – Suche nach Kindheitsfisch

Donnerstag, 7. April 2022 um 6:29

Das war dann wieder eine beschissene Nacht: Nach dem ersten Aufwachen um halb zwei schlief ich nicht mehr ein. Das wurde mir nach einer knappen Stunde klar, ich stand auf, las ein Stündchen Der geschenkte Gaul im Wohnzimmer, fröstelnd in Hausanzug plus Bademantel. Zum Ausgleich stellte ich meinen Wecker zehn Minuten vor. Das Buch ist noch viel besser, als ich es in Erinnerung hatte, kein Wunder, dass es seit Erscheinen 1970 durchgehend im Druck blieb.

Morgens beim Bloggen erstmals in diesem Frühling bewusst eine Grasmücke singen hören.

Auf der Theresienwiese wurde weiter Frühlingsfest aufgebaut, ich entdeckte eine ganz neue Alligatorenart: Caimaninae Cowboyu.

Die Magnolie beim Hotel Augustin hatte es ordentlich angefroren.

In der Arbeit erst viel Menschliches, dann bis Feierabend Datenbankarbeiten von der fiesligsten Sorte.

Zu Mittag gab es nun wirklich den Rest Buchweizen mit Karotten und eine Orange. Der Schlafmangel führte ganztägig zu Benommenheit und dumpfem Kopfweh, Leistungsfähigkeit ist was Anderes.

Auf dem Heimweg Einkauf fürs Abendessen beim Lidl: Ich suchte nach dem Backfisch meiner Kindheit, trapezförmige Stücke mit glatter und dicker Panade, fand ich damals noch besser als die eh superen Fischstäbchen. In dieser erinnerten Form gibt es die natürlich nicht mehr, wer nicht erst mit Jahrzehnten Abstand danach sucht, wusste das längst. Also kaufte ich etwas, auf dem zumindest “Backfisch” stand, dessen Form und Panade aber wahrscheinlich den “Fish” von “Fish and Chips” imitieren sollte. (80 Prozent der Kund*innen trugen Maske.)

Nochmal Kirschblütenpracht in der Lessingstraße. Es war milder geworden, ich brauchte weder Mütze noch Handschuhe.

Daheim eine Runde Yoga (immer noch aus Adrienes 31-Tage-Programm “Revolution” von 2017), die hauptsächlich aus Schnaufen bestand, die eigentliche Bewegung aus langem Halten. Jetzt wird’s mal wieder Zeit für eine Einheit Action.

Herr Kaltmamsell schob den gefrorenen Backfisch in den Ofen, ich machte dazu Gurkensalat mit Dill-Joghurt. Schmeckte schon gut, war halt nicht der Backfisch meiner Kindheit. (Und auch nicht der Fish von Fish’n Chips.) Nicht schlimm. Nachtisch viel Süßigkeiten.

Früh und erledigt ins Bett zum Lesen, ich schlief ein mit Knefs Bilder der brutalen letzten Bomben- und Kriegsnächte von Berlin.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 5. April 2022 – Wortloses Entsetzen

Mittwoch, 6. April 2022 um 6:37

Diese Nacht nicht mehr so gut: Oft aufgewacht, nur leicht geschlafen. Den Vormittag über entsprechend müde und kopfwehig.

Draußen leichter Regen, der auch noch von heftigen Wind begleitet – ich ließ den Schirm daheim und wurde feucht.

Der Arbeitstag war dicht und enthielt wenig Erfreuliches.

Mittags gab’s den Buchweizen mit Zwiebel und Karotten, den ich mir Montagabend gekocht hatte – zum Teil, so ein “Restl” Buchweizen wird gekocht eine überraschend große Menge. Außerdem eine Hand voll wunderbar aromatische Kumquats.

Der Nachmittag wurde nicht viel erfreulicher. (Wussten Sie schon: Jedesmal wenn jemand hochgestellte/tiefgestellte Ziffern oder Buchstaben in Produkt-/Projekt-/Unternehmensnamen integriert, stirbt irgendwo ein Suchmaschinenoptimierer.)

ABER! Glutattacken derzeit runter auf unter zehn am Tag!

Nach Feierabend marschierte ich durch leichten Regen (aber weniger Wind, Schirm lohnte sich) zum Stachus, im Kaufhaus suchte ich Gürtel. Als ich nach Suche in drei Stockwerken endlich jemanden fand, die ich danach fragen konnte, wies man mich vage in die Richtung von zwei schmalen Regalen mit Glitzergürteln in Schwarz und verschiedenen Grautönen – nichts für mich. Kaufte ich halt wieder bunte Socken und Strumpfhosen. (Wo kaufen Menschen Gürtel?)

Daheim eine Runde Yoga, wieder angenehm anstrengend. Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell eine Lamm-Nudelsuppe (Fleisch mitten unter der Woche!) nach Ottolenghi.

Mit Kreuzkümmel und Koriander, schmeckte sehr gut. Nachtisch Süßigkeiten.

Hier steht die große Lücke, in die mein fortdauerndes Entsetzen über den Ukraine-Krieg gehört und über die Verbrechen russischer Soldaten wie Befehlshaber mit gezielter Zerstörung und Morden in der Zivilbevölkerung. Auch wortloses Entsetzen darüber, wie die russische Propaganda diese Verbrechen dreht: Ich stecke viel Energie in das Vermeiden von Gräuel-Bildern, aber auch in das Lesen von offiziellen russischen Erklärungen/Kommentaren in vertrauenswürdigen Übersetzungen.

§

Zurück zu Heiterem (puh): Sie erinnern sich vielleicht an die drei singenden Georgierinnen? Hier nochmal was von ihnen, nicht den Auftritt der tanzenden Nachbarn im Hintergrund verpassen:

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/sHMJOK5jLnw

die Kaltmamsell