Journal Samstag, 23. Januar 2021 – Auf den Spuren des schwulen 80er-Pop

Sonntag, 24. Januar 2021 um 8:44

Ausgeschlafen – nach zerstückelter Nacht war die Stunde morgens zwischen 6.45 und 7.45 Uhr die beste.

Auf dem Sportplan stand Cardio mit Crosstrainer. Bereits in Sportkleidung, aber mit Winter drüber ging ich vorher noch zur Post: Wieder ein paar Bücher losgeworden. (Das Angebot steht weiterhin: Große Mengen Belletristik auf Deutsch und Englisch gegen Porto abzugeben.)

Auf dem Crosstrainer stellte ich fest, dass sich meine In-Ear-Kabelkopfhörer endgültig verabschieden: Immer wieder ist ein Kanal unhörbar, zudem fallen sie trotz Kabelführung übers Ohr raus, ich schwitze sie weg. Ich werde für heftiges Gehoppel ein Modell mit Klammer/Bügel ums Ohr brauchen.

Noch nassgeschwitzt buk ich den Wochenendkuchen: Amerikanische Apfeltorte. Wurde gut, allerdings waren mir die Äpfel noch ein wenig zu knackig.

Das Wetter war recht konsequent greislig: Düstere Wolken, hin und wieder Regen, hin und wieder ein paar Schneeflocken. Ich blieb den Rest des Tages drin, las, hörte, guckte, im Dunklen noch eine Runde Yoga.

Zum Frühstück gab es ein Stück Hartweizling vom Vorabend.

Dazu versuchte ich den Schimmelkäse Sorte Seife-mit-Reißnägeln zu retten, indem ich ein paar Stücke mit Mascarpone verknetete, salzte und mit etwas Ahornsirup süßte. Wurde essbar. Nachmittags gab es Apfelkuchen und die Kerne eines Granatapfels.

Bis zum Abendessen packte ich die diesjährige Meldung von Blogposts bei der VG Wort an, auf dass es wieder reichlich Ausschüttung (GELD!) geben möge.

Nachtmahl war Gockel, Teil 2: Hühnerschenkel mit Paprika-Tomaten-Sauerrahmsoße.

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Den Morgen hatte ich mit “Tainted Love” und Soft Cell verbracht (vielen Dank für die Tipps!). Mir wurde klar, wie schwul die 80er waren, musikalisch und ästhetisch – wobei die Definierbarkeit einer schwulen Ästhetik und Szene natürlich Ergebnis der Ausgrenzung und Diskriminierung von Homosexualität ist, die sich in geschützten Nischen verstecken musste. (Nein, Schwule kommen nicht mit einer Federboa / mit einem Nietenhalsband auf die Welt.) (Oder? Was weiß denn ich Vanilla-Hete schon…)

Auch Erscheinungen wie Madonna kamen ja aus der Schwulenszene, in diesem Fall der in New York. Die Londoner Kajal-Schwulen wie Boy George, die Herren Synthie-Pop und androgyne Ästhetik wie die der Eurythmics gehörten ebenfalls zusammen. Waren Lesben damals überhaupt schon erfunden? Ich meine im popkulturellen Sinn. (Wobei mir dazu “Mujer contra mujer” der spanischen Pop-Band Mecano einfällt, das kam 1988 raus.) Blühte lesbische Kultur erst im Grunge der 90er auf? Ist hier eine Kulturwissenschaftlerin im Publikum, die sagen kann, ob es dazu Forschung gibt?

Einer der Tipps war dieses Guardian-Interview von 2016:
“Marc Almond: ‘I’ve had the chance to be subversive in the mainstream’”.

Wobei der Soft Cell-Gründer Marc Almond darauf hinweist, dass wir als Gesellschaft noch einen langen Weg vor uns haben:

Being a gay artist back then was tough, Almond says, and although things are better now, they’re not as good as they should be. “The less mainstream press are a lot more accepting, but in other areas there’s still a tendency to accept the gay stereotype – I call it the gay clown – who’s prepared to do a gay performance for straight people, and that bothers me.” He rails at The X Factor’s treatment of gay contestants particularly. “There’s this homophobic side to it – they pick a gay person who’s going to be super-super-camp. What they’re saying is ‘Let’s just have a bit of a laugh at them’, really.” He is visibly riled. “I would never have got through these auditions. I’d be one of the quirky ones they’d stick in as a novelty act.”

The “acceptable face of gayness” in general culture gets him bristling too. “You’ve got to be good looking, chiselled, have a bit of Botox, and wear a designer outfit to be accepted – and you’ve got to be married, preferably. Where does the loner outsider in Castleford fit into all that? In the north, camp is still a weapon and a survival mechanism, but it’s still derided. At least the gay community was more unified back then. Parts of the gay community are not valued as much as other parts in 2016… It’s very divided these days.”

Wobei auch das frühere schwule Gemeinschaftsgefühl sehr wahrscheinlich Ergebnis der Diskriminierung und Verfolgung war. Je gesellschaftlich akzeptierter Homosexualität wird, desto individueller kann sie sein.

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Durch einen Hinweis im SZ-Feuilleton kam ich auf dieses Gespräch zwischen Jodie Foster und Anthony Hopkins zum Start von Silence of the Lambs vor 30 Jahren:

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https://youtu.be/u2QjdRaLfa8

Hier nachzulesen:
“Jodie Foster and Anthony Hopkins Reunite for ‘Silence of the Lambs’ 30th Anniversary”.

Eine faszinierende Unterhaltung zwischen zwei völlig verschiedenen Künstler*innen. Auf der einen Seite Hopkins als Vollblut-Schauspieler, der eisern behauptet, er täte doch gar nicht mehr als ans Set zu kommen und seinen Text zu sprechen. (Dann aber doch auf Nachbohren beschreibt, woraus sich die Ausgestaltung seines Hannibal Lecter speiste.) Auf der anderen Seite Foster als Intellektuelle, die plant, analysiert, reflektiert, strukturiert. Die vor der Kamera stand, seit sie drei war – weil das halt das Familiengeschäft war (und nebenher erzählt, wie sie sich als Kind am Set damit beschäftigte, mit welcher Linse was aufgenommen wurde und welchen Unterschied das machte). Die laut eigener Aussage wöchentlich beschließt, nie wieder zu schauspielen, weil sie eigentlich keine Schauspielerin sei, sondern Filmemacherin. Ihre Analyse der Figur Clarice Starling fand ich brillant.

Worin sich beide einig sind: Dass der Schlüssel zu einem außergewöhnlich guten Film ein außergewöhnlich gutes Drehbuch ist. Und dass Silence of the Lambs genau das hatte (von Ted Tally).

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 22. Januar 2021 – Gockel, erstes Kapitel

Samstag, 23. Januar 2021 um 8:58

Die Nacht war wieder kurz nach fünf zu Ende, doch sie hatte fünf durchgeschlafene Stunden enthalten – erfrischend. Ich spürte die ausführliche Gymnastik des Morgens davor (nach Langem mal wieder Liegestütz sowie Fliegende und Überzieher mit Hanteln).

Wie nach jedem Blumenkauf freue ich mich ganz arg, wenn mein Blick auf den Strauß fällt.

Die milden Temperaturen hielten an, mein Weg in die Arbeit war schneefrei und trittsicher. Unterwegs kaufte ich beim Bäcker Zöttl ein Humusbrot für die Brotzeit. Das gab es mittags vor einer Orange mit Hüttenkäse und sättigte aufs Angenehmste.

Im Büro Telefonate auf interessanter Flughöhe.

Ich machte pünktlich Schluss, um einen Feierabend zu bekommen. Auf dem Heimweg war Süßigkeitenkauf geplant. Ich steuerte dafür den Edeka Theresienhöhe an, weil es bei dem in einem Sonderaufsteller Trockenfrüchte und Nüsse in Schokolade von Meienburg gibt, die wir sehr mögen (ansonsten ist der Laden mir für eine Pandemie eigentlich zu eng). Jetzt sollten wir auf einige Wochen mit Süßkram versorgt sein.

Daheim schaltete ich sofort den Backofen ein, um die Hartweizlinge zu backen, die seit 24 Stunden im Kühlschrank garten. (Vorteil des Arbeitens von daheim: Ich konnte am Vortag den Teig ansetzen.) Wie es mir meist geht: Eine Zeit lang stieß ich fast nur auf Brotrezepte mit Hartweizenmehl, doch nachdem ich ein Kilo in der Hofbräumühle gekauft hatte, waren sie alle verschwunden. Nach diesem hatte ich gezielt suchen müssen.

Anstoßen aufs Wochenende mit Schaumwein.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell den ersten Teil von viererlei Gerichten, die aus einem Bio-Gockel werden: Die Hühnerbrüste a la Kim. Mit Erbsen und einem Stück frisch gebackenem Hartweizenbrot. (Die anderen werden Paprikahuhn aus den Keulen, Hühnerbrühe mit Tortellini, aus dem Suppenfleisch Sandwich-Füllung.)

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“«Wir befehlen Ihnen, die sieben Bundesräte in Gefängnisse einzusperren»”

Ein Gastro-Unternehmer fordert die Nummer zwei der Armee in einem Einschreiben dazu auf, die Schweizer Regierung zu verhaften und vor ein Kriegsgericht zu stellen. Und hält in einem Keller seiner Restaurant-Kette ein Treffen ab, an dem der Systemumsturz besprochen wird. Was geht da genau vor?

Zunächst schwankte ich, ob mich vielleicht sogar beruhigen soll, dass es selbst in der Basisdemokratie Schweiz Demokratie-feindliche Realitätsverdreher gibt. Doch leider verstärkte es doch nur den Eindruck, dass die ganze Welt immer weiter aus den Fugen gerät. Erst kürzlich unterhielt ich mich darüber, welche Pendants zur deutschen Reichsbürgerbewegung es wohl in anderen Staaten gibt.
(Nebenbei: Drehbuchschreiber*innen von Katastrophenfilmen haben sowas von ausgeschissen. Letzthin lief mein Favorit Arrival im Fernsehen, und obwohl sich hier die Darstellung apokalyptischer Vorgänge angenehm vom Genre-Stereotyp unterscheidet, gab es auch hier das Versatzstück der Fernsehmeldung über einbrechende Börsenkurse. Schallendes Gelächter, denn es hat sich mittlerweile erwiesen, dass gewissenlose Gier auch die Apokalypse in erster Linie als Möglichkeit zur Kapitalanhäufung sieht.)

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Wahrscheinlich eine Ausnahme, aber eine interessante: Im Techniktagebuch schildert Vater Georg Passig seinen Homeoffice-Alltag mit fünf distanzbeschulten Kindern (1. bis 12. Klasse, Grundschule, Realschule, 2x Gymnasium, Fachoberschule – alle Bayern). Und was er dadurch über die tatsächliche Funktion von Präsenzunterricht gelernt zu haben meint.
“Entspanntes Familienleben dank Homeschooling”.

Mir bricht ja der Schweiß aus allein schon bei dem Gedanken, diese fünf Kinder-Tagesrhythmen zusätzlich zu meiner Arbeit im Blick zu behalten zu müssen.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 21. Januar 2021 – Esstischbüro

Freitag, 22. Januar 2021 um 6:22

Gestern also Arbeiten daheim, sehr unbequem (kleiner Laptopbildschirm, Laptoptastatur, Esstisch, Esstischstuhl).

Die gewonnene Zeit ohne Arbeitsweg nutzte ich morgens für eine Runde Reha-Übungen.

Gelernt: Wenn man mit Laptop und Ausdrucken arbeiten muss, ist ein runder Tisch ganz besonders blöd.

Draußen leuchtete ein sonniger Tag.

Mittags rote Paprika und ein Stück Käse, Grapefruit und Orange. Später eine Schüssel Haferflocken mit Milch (weil kein Brot im Haus war).

Während ich im Nebenzimmer Herrn Kaltmamsell unterrichten und konferieren hörte, hatte ich Telefonate, Meetings, viel Datenbankarbeit – ich war bei Feierabend erledigt.

Vor allem wollte ich dringend raus an die berühmte frische Luft. Im bereits Dunklen marschierte ich um die Theresienwiese herum, das tat sehr gut (einmal aus der angehenden Entspannung gerissen, als neben mir ein Krankenwagen das Martinhorn einschaltete und ich vor Schreck schrie, sprang, und mir schlagartig übel wurde). Daheim eine Runde Yoga mit Adriene, dann war ich wiederhergestellt. Doch ich wundere mich, dass ich zum ersten Mal im Leben unter ganzflächigen Rückenschmerzen leide (nicht schlimm, aber vorhanden) – an genau denen, die immer mit mangelnder Bewegung erklärt werden und gegen die genau die Gymnastik empfohlen wird, die ich seit Monaten in meinem Programm habe. Derzeit erkläre ich mir das noch mit der Ganzkörperumstellung durch das neue Hüftgelenk, in der sich alle Muskeln zurechtjuckeln müssen.

Zum Abenessen machte ich Salat: Radicchio, rote Paprika – und ein bemerkenswerter Bio-Blauschimmelkäse. Er schmeckte zunächst mild, weil fast salzlos, doch dann biss er zu wie ein Stück Seife mit Reißnägeln. Wir pickten ihn beide aus dem Salat und legten ihn zur Seite (zum Glück hatte ich große Stücke geschnitten), vielleicht kann man ihn mit viel Mascarpone noch zu einem Brotaufstrich/Dip retten. Wir aßen uns an Süßigkeiten satt.

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“Tainted Love” von Soft Cell war ein Lieblingslied meiner Jugend, sogar eines der Hand voll, die ich mir als Single auf Platte kaufte. Hier noch jemand mit dieser großen Liebe. Und genug Nerdtum.
via @misscaro

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 20. Januar 2021 – Gegen Rückenzwicken

Donnerstag, 21. Januar 2021 um 6:36

Der zerstückelte Nachtschlaf endete kurz nach fünf, als mich ein Rumpeln im Müllkammerl unter meinem Schlafzimmer weckte.

Weg in die Arbeit unter leuchtend blauem Morgenhimmel mit rosa Rand. Es hatte weiter getaut, was viele Wege frei, manche sogar trocken machte, doch die vorher nicht geräumten, festgetretenen Abschnitte waren superglatt und rutschig.

In der Arbeit viel Sekretariats-Jonglieren. Mittags Käse mit Birne, dazu eine Breze, ein Apfel, nachmittags Hüttenkäse.

Ein sonniger Tag, mittags drehte ich eine Runde im Hof mit milder Luft. Zu Feierabend packte ich Rechner und ein wenig Zeug ein, da ich am Donnerstag daheim arbeiten würde – ein bisschen Kontakte reduzieren.

Auf dem Heimweg Einkäufe im Supermarkt. Ich kam nicht an den Blumen vorbei (sehr wahrscheinlich Ausbeuterblumen, ich weiß) und nahm gelbe Rosen mit, außerdem kaufte ich von unserer Liste, was ich fand.

Daheim gönnte ich mir wieder Yoga, allerdings nicht das Programm von Adriene: Da es weiterhin in meinem Rücken zwickt und zwackt, erinnerte ich mich an ein Rücken-Special von Mady. Das funktionierte viel besser als vor der Hüft-OP und tat sehr gut.

Abendessen: schlechte Pizza. Zumindest war das die Ansage von Herrn Kaltmamsell. Es hilft zu wissen, dass Herr Kaltmamsell sehr gerne Pizza isst, auch kalt, sogar sagt: “Schlechte Pizza ist immer noch besser als keine Pizza.” (Das geht mir nicht so.) Zu der Ansage kam es, weil er Pizza von einer Pizzeria holen wollte, bei der wir seit vielen Jahren keine gute bekommen hatten. Im vorletzten Moment bot er mir noch an, auf Vietnamesisch zu wechseln, doch ich kniff nicht.

War dann auch gar nicht schlimm. Sicher keine gute, aber auch keine grauslige Pizza (Rätsel: woraus war der Teig gemacht, der etwas von durchweichtem Knäckebrot hatte?). Herr Kaltmamsell war ganz konsequent pervers und holte eine Pizza Hawaii, ich hatte eine mit Parmesan und Rucola.

Im Fernsehen ließen wir auf arte einen Wes-Anderson-Film laufen, den wir noch nicht gesehen hatten: Die Tiefseetaucher. Sehr schön Wes Anderson (Willem Dafoe schwäbisch synchronisiert, warum nicht; ansonsten typisch: die Schauspieler*innen lächeln praktisch nie), leider war ich zu müde, um ihn ganz zu sehen.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 19. Januar 2021 – Coronagestrüpp

Mittwoch, 20. Januar 2021 um 6:38

Besser geschlafen!

Nach Duschen und Haarewaschen legte ich den Scheitel des wuchernden Haupthaars auf die andere Seite – in der Hoffnung, damit einen Inspector-Columbo-Look zu erzielen, etwa so.

So sehe ich mich.

So sehen Sie mich.

Doch Scheitel rechts bringt lediglich meine inneren 1980er zum Vorschein und damit eine Frisurenmischung aus Princess Di und Miranda Priestly.

Auf dem Weg in die Arbeit war der Boden jetzt wieder frostig, es krachte und knirschte unter meinen alten Schneestiefeln (die sich nach nur ca. 15 Jahren und einmal Reparieren beim Schuster auflösen: Das Kunstfell zerschleißt und löst sich vom Sohlenteil).

Morgenrosa über Theresienwiese mit Bavaria und Corona-Drive-in-Teststation.

Am Schlittenhügel auf der Westseite der Theresienwiese sah ich schon im fahlen ersten Licht vor acht ein Kind in rotem Schneeanzug Schlittenfahren.

Der Tag wurde grau und windig, am Nachmittag setzte Regen ein.

Mittags Karottensalat mit viel Koriander, ein Apfel. Nachmittagssnack Quark.

Auf meinem Heimweg regnete es leicht, aber ich hatte keine Lust auf Regenschirm und ließ statt dessen Mütze und Mantel durchfeuchten.

Daheim die ersehnte Yoga-Runde, die mich wieder zu einem halbwegs pünktlichen Feierabend gebracht hatte.

Nachtmahl aus der Küche von Herrn Kaltmamsell: Sellerieschnitzel, eines davon gefüllt mit Schinken und Käse – sehr gutes Winteressen.

Abendunterhaltung war eine Zufallsentdeckung vor ein paar Wochen: Die Ärzteserie Atlanta Medical (im Original The Resident). Ich mag ja eigentlich Ärzteserien, interessiere mich allerdings vor allem für den medizinischen Teil und weniger für das Privatleben der Mediziner*innen, deshalb bin ich im Grunde immer noch auf der Suche nach einem Ersatz für Emergency Room. In Atlanta Medical (derzeit in Wiederholung auf Sixx) geht es zwar für meinen Geschmack auch zu viel um das Privatleben des Personals, aber auch reichlich um Medizin; der Schwerpunkt scheint aber (ich kenne ja nur die ersten sechs Folgen) der Wirtschaftsaspekt am US-amerikanischen Krankenhauswesen zu sein – ohne dass ich mir ausgerechnet davon Realismus erwarte, auch hier sieht man die Ärzt*innen nie Papierkram machen, schon gar nicht stundenlang. Vieles daran ist sehr spezifisch US-amerikanisch, vielleicht aber durch die Wende in der deutschen Gesundheitspolitik zur Profitorientierung schlicht unsere gar nicht so ferne Zukunft.

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Bis vor ein paar Jahren wäre das mein Traum gewesen, seither wurde es immer mehr ein Albtraum: Umberto Eco sucht ein Buch in seiner Bibliothek.

Bücher und Bibliotheken finde ich weiterhin großartig, aber ich will sie nicht mehr besitzen oder gar darin wohnen – sondern halt Zugang dazu haben. Allerdings arbeite ich ja auch nicht wissenschaftlich.

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Ja, wir1 beschäftigen uns immer noch mit der Shanty-Sensation des Monats. Hier der Ursprung und die Geschichte des Wellerman:
“The true story behind the viral TikTok sea shanty hit”.
(Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich: Wer mir einen Artikel mit “The true story behind…” verkaufen möchte, muss schon ein sehr attraktives Thema haben, dass ich ihn trotzdem lese.)

  1. Whatever that means to you – ich bin bereits völlig Adriene-veryogat. []
die Kaltmamsell

Journal Montag, 18. Januar 2021 – Angetaut

Dienstag, 19. Januar 2021 um 6:25

Nächte gibt’s derzeit halt nur zerhackt, was soll’s.

Schon beim Lüften des Schlafzimmers merkte ich, dass es ein paar Grad milder geworden war. Entsprechend matschte und suppte es unter meinen Schuhen auf dem Weg in die Arbeit.

Bavariapark und Verkehrsmuseum immer noch von Schnee verschönt.

Der Bürotag glich bis nachmittags einem Wirbelsturm, dann beruhigte sich die Lage. Zum späten Mittagessen gab es Radicchio aus Ernteanteil mit roter Paprika und Balsamico-Dressing, dann Grapefruit und Orange mit Joghurt.

Auf dem Heimweg war es immer noch nicht frostig, aber auch nicht zu warm. Auf die Yoga-Runde daheim hatte ich mich schon gefreut, sie war mittelfordernd (immer wieder lustig, wie weit meine eigene Biegsamkeit von der der Vorturnerin abweicht und Work-arounds erfordert – und Adriene ist wirklich kein atemberaubender Schlangenmensch) und tat gut.

Für die Brotzeit am nächsten Tag verarbeitete ich Ernteanteil-Karotten zu Salat mit Koriander. Beim Suchen im Küchenschrank nach dem Crispy Chilli Oil entdeckte ich, dass das Glas ganz hinten umgefallen und zum Teil ausgelaufen war – eine ordentliche Sauerei. Ich räumte also das Schrankfach aus und putzte.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell Chorizo und Spiegeleier gebraten, serviert mit selbstgebackenem Brot.

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Geheimnis gelüftet: Wie Spitzenpolitiker Körpersprache für Reden trainieren.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 17. Januar 2021 – Schneetag drinnen

Montag, 18. Januar 2021 um 6:50

Zerstückelte Nacht, dennoch fühlte ich mich beim Aufwachen kurz vor sieben erfrischt.

Ich meldete mich online zur Covid-19-Impfung an, für Bayern geht das auf dieser Website. Dazu muss man sich erst mal registrieren, dann mit diesen Daten einloggen, Online-Formular ausfüllen (der Risikofaktor Bluthochdruck verbirgt sich hinter dem Fachbegriff “arterielle Hypertension” – ich hatte den Verdacht, das sollte ein aktives Verstecken sein, weil der wohl auf viele zutrifft), abschicken.
Bestätigungsmail: “Ihre Anmeldung zur COVID-19 Impfung wurde erfolgreich entgegengenommen.”
Jetzt heißt es warten, bis ich in ein paar Monaten dran bin. Doch sehr wahrscheinlich komme ich durch aktive Anmeldung schneller an eine Impfung als durch Warten, dass man mich findet.

Sport war gestern eine Stunde Reha-Kraftsport. Ich hoffe, es wirft mich nicht in der Heilung zurück, wenn ich ihn nur einmal die Woche schaffe.

Draußen schneite es ein wenig, eigentlich den ganzen Tag über.

Gegen Mittag machte ich einen vereinbarten Abstecher zu den Mietern unserer künftigten Wohnung, um ein paar Wände auszumessen (einmal für den Schreiner, der den Einbauschrank anfertigen soll, zum anderen für Herrn Kaltmamsells Buchregalplanung). Der Ausblick aus meinem künftigen Schlafzimmer:

Zum Frühstück gab’s Brot aus eigener Fertigung (auch am Tag nach Backen sehr gut) mit Butter und Schinken, eine Schüssel Granatapfelkerne.

Einen unangenehmen Brief geschrieben, um den ich mich seit Wochen drücke (es geht um die Einforderung einer ausstehenden Rückzahlung). Ehrlich gesagt seit Monaten. Wenn das nicht funktioniert, muss ich mich nach professioneller Unterstützung umsehen.

Im Sessel die Wochenend-Zeitung gelesen, immer wieder raus in den Schnee geschaut. Ich beschloss, dass mir das so gefiel: aus dem gemütlichen Drinnen rauszuschaun. Und nach Langem mal einen Tag nicht rauszugehen.

Statt dessen bügelte ich ein Stündchen, mehr hatte sich in den vergangenen Wochen nicht gesammelt. Dabei hörte ich ein Stück Podcast Plötzlich Bäcker von Lutz Geißler mit Holger Klein, es ging um “Faule Brote für faule Bäcker”.

Im bereits Dunkeln gönnte ich mir eine Runde Yoga, die Einheit 8 bestand aus purer Sanftheit (mache ich nicht ein zweites Mal, hebe ich mir für Bedarf nach Entspannung auf).

Als Nachmittagssnack ein Schüsselchen Zwetschgen – ohne Teig, ganzganz ausnahmsweise warfen wir gestern ein Lebensmittel weg.

Ich las weiter in Bernardine Evaristo, Girl, Woman, Other, das mir sehr viel Vergnügen bereitet. Passend dazu stand anlässlich des Erscheinens der deutschen Übersetzung im jüngsten SZ-Magazin ein Interview mit ihr (€):
“‘Ältere Frauen sind viel interessanter als junge Leute'”.
Unglücklich gewählte Überschrift, dass ist sicher nicht die zentrale Aussage des Interviews: Evaristo geht es viel mehr um das Sichtbarmachen nicht-weißer Menschen in der britischen Gesellschaft – wie sie schon nach der Auszeichnung mit dem Booker Price 2019 betonte.

Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell die spanischen Wurstwaren aufgebraucht, die ich vor Monaten gekauft hatte und dann im Kühlschrank vergessen: Es gab Kutteln auf Madrider Art (Callos a la Madrileña).

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Antje Schrupp dröselt auf, wie wir so tief ins Pandemie-Schlamassel geraten konnten:
“Warum Corona tödlicher ist als Ebola”.

Bei einem Virus wie Corona haben Chefs ein persönliches Interesse, ihre 100 Mitarbeiter:innen ins Büro zu holen. Denn selbst wenn dort Corona zirkuliert und sich die Hälfte der Leute ansteckt, stirbt statistisch nur einer oder zwei. Ein Risiko, das viele bereit sind, einzugehen. Würde es sich hingegen um Ebola handeln, müsste der Arbeitgeber damit rechnen, dass im Fall eines Ausbruchs die Hälfte der Belegschaft hinterher tot wäre – dieses Risiko wird er nicht eingehen, nicht nur aus Menschenfreundlichkeit, sondern aus reinem betrieblichem Eigeninteresse. Wäre Corona Ebola, wären längst alle im Homeoffice, die das nur irgend könnten.

(…)

In Europa herrscht eine Art Common Sense darüber, dass es falsch ist, moralische Ansprüche an Menschen (also zum Beispiel auch sich selbst) zu stellen, dass es in ethischer Hinsicht völlig okay ist, egoistisch zu handeln, solange man nichts Illegales tut. Aus diesem illusionären Traum wurden wir nun von Corona unsanft geweckt. Corona hat uns gezeigt, dass unsere Kultur, in der es als moralisch legitim gilt, in erster Linie die eigenen Interessen zu verfolgen, solange es im Rahmen einer formal-demokratischen Rechtsstaatlichkeit geschieht, nicht in der Lage ist, externe Herausforderungen zu bewältigen.

die Kaltmamsell