Journal Mittwoch, 1. Mai 2019 – Beifang aus dem Internetz mit Benimm in Spanien

Donnerstag, 2. Mai 2019 um 7:02

Nach einer Pause um 5 Uhr doch noch ausgeschlafen.

Draußen ein überraschend schöner Tag. Ich genoss, wie beim Bloggen die Sonnenreflexion am Haus gegenüber durch die Kastanienblätter blinzelte.

Kühl war es immer noch. Ich radelte ins Olympiabad und schwamm meine 3000 Meter in überraschend vollem Becken. Wer hätte gedacht, dass die Einmal-im-Jahr-Schwimmer das ausgerechnet am 1. Mai tun?

Semmelkauf auf dem Heimweg, Frühstück.

Den Nachmittag mit Vorbereitungen des re:publica-Auftritts verbracht, dazwischen Zeitungen von Dienstag und Mittwoch aufgelesen, das Sonnenlicht bewundert.

Zum Abendessen gab’s aufgetautes Gulasch mit Böhmischen Knödeln.

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Die Besprechung von Avengers: Endgame aus der Süddeutschen hatte ich mir für nach dem Film aufgehoben (gute Idee: voller Spoiler), jetzt amüsierte ich mich laut lachend über die Rezension von Juliane Liebert (sie mochte den Film!):
“Superhelden sind die neuen Socken”.

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Einer der bescheuertsten Stammtischsprüche mit wechselnder Quellenangabe lautet: “Glaube keiner Studie, die du nicht selbst gefälscht hast.” Bescheuert, denn die Fälschung von Studien ist extrem selten, unter anderem weil sehr aufwändig (zu viele Menschen beteiligt, Prüfungsmechanismen). Was allerdings erschreckend häufig ist: Unsauberes Studiendesign, Fehlinterpretationen von Studiendaten, falsche und manipulative Vermittlung von Studienergebnissen.

Juliane Wiedemeier beschreibt in Übermedien, wie all diese Fehler bei der Studie „Verlorene Mitte“ der Friedrich-Ebert-Stiftung passiert sind:
“Darf’s ein bisschen rechtsextremer sein?”

1. Fragwürdige Indikatorfragen.
2. Einseitige Interpretation durch die Projekt-Verantwortliche.
3. Reißerische Medienberichte.
4. Manipulative Berichterstattung über kritische Überprüfung.

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Niemals vergessen:

Danzig, 1930: ein Mädchen auf dem Weg zur Einschulung. Mira Ryczke-Kimmelman wird dieses Foto immer bei sich tragen, im Warschauer Getto, in den Konzentrationslagern Majdanek, Auschwitz, Bergen-Belsen. Jetzt ist sie gestorben, mit 95 Jahren.

Katja Petrowskaja schreibt über
“Das Mädchen und ihr Foto”.

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Nettes Filmchen für Einwanderer: Was man in Spanien besser mal nicht macht. (Für mich interessant, weil: Mein Vater kommt aus Spanien, ich habe die meisten meiner Kindheitsurlaube in Spanien verbracht.)

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https://youtu.be/aoG8Iqq802U

11. Das mit der Seltenheit von “gracias” und “por favor” war mir nicht so klar – habe ich möglicherweise automatisch richtig gemacht.

10. Brotstück auf dem Tisch, nicht auf dem Teller – hat man mir früh beigebracht.

9. Beim Essen Hände immer überm Tisch ist für uns Deutsche einfach, das ist auch hier gutes Benehmen.

8. Kein Bier um fünf anbieten – na ja, spätere Essenszeiten. Aber in einer Bar würde man schon eines bestellen.

7. Nach Einladungen als Gast nicht anbieten, beim Aufräumen zu helfen. Das kommt mir entgegen, ist mir auch fremd.

6. Im Smalltalk nicht zuerst nach dem Job fragen – in diese Situation bin ich wohl nie gekommen, war mir bislang nicht aufgefallen.

5. Nicht erschrecken, wenn alle sehr laut sprechen – das klingt nur wie Streit, ist aber keiner. Sofort denke ich an die Nachbarin meiner Eltern, die am Tag nach dem Frühschoppen meines Vaters mit seinen drei besten spanischen Freunden fragte, ob sie sich wieder vertragen. Allerdings glaube ich nicht, dass das mit der erhobenen Stimme für alle Regionen Spaniens gilt (Galicien?).

4. Keine Verallgemeinerungen über Spanien. Hihi, siehe meinen Schlusssatz zu 5. Spanien ist sehr regional strukturiert und stolz auf die Unterschiede. (Wie alle anderen europäischen Staaten auch? Aber vielleicht muss man das dem Neuseeländer im Filmchen erklären?)

3. Catalán nicht als Dialekt bezeichnen, sondern als Sprache. Ahem. Überlasssen wir die fachliche Unterscheidung den Linguistinnen, halten wir fest, dass es unhöflich wäre.

2. Vorsicht beim Siezen mit “usted” – mein Endgegner im sozialen Umgang in Spanien. Die Handhabung macht mich völlig wahnsinnig, u.a. weil nicht reziprok. Zum Beispiel kann Alter Status schlagen, also kann es sein, dass eine ältere Verkäuferin eine deutlich jüngere Kundin duzt, aber erwartet, dass sie von ihr gesiezt wird.

1. Don’t mention the war. Hochinteressant, dass eine Spanierin Fragen nach dem Bürgerkrieg für den schlimmsten Fauxpas hält. Ihre Erklärung ist genau die, mit der auch ich auf die Besonderheit hinweise: Ein Bürgerkrieg spaltet ein Land von innen, es gibt keinen vereinenden äußeren Feind. In meiner spanischen Familie wurde der Bürgerkrieg in all den Jahren nicht mal erwähnt.

Eine Ergänzung von mir, bei der ich allerdings nicht einschätzen kann, wie schwer die Verletzung wahrgenommen wird: Wenn einem etwas zu essen oder trinken angeboten wird, erst mal ablehnen, bei der dritten Wiederholung annehmen. Das lernte ich erst über die Umkehrung, als eine spanische Freundin in Deutschland fast hungrig und durstig geblieben wäre, weil sie jedes Angebot ablehnte – sie bekam dann auch nichts. Irgendwann erklärte sie mir, dass sie das halt aus Spanien so gewohnt sei. Schlagartig fielen mir mit hochrotem Kopf all die Unerzogenheiten ein, die ich also seit Kindertagen begangen hatte. Als ich meinen spanischen Vater fragte, warum er mir das nie beigebracht hatte (wo er doch sonst meinen Bruder und mich vor allem bei Tisch auf Manieren gedrillt hatte), meinte er nur achselzuckend, er habe das halt schon immer blöd gefunden. (Der alte Lausbub <3).

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 30. April 2019 – Sakura und Beifang aus dem Internetz

Mittwoch, 1. Mai 2019 um 9:15

Es fühlte sich wieder nach nicht genug Schlaf an. Bin mal gespannt, wann ich wirklich runterkomme – ich fange an, die Reha im Juli als Ruhekarotte vor der Hochtourennase anzusehen.

Was ich morgens sehr genoss: Das Gehen ging viel, viel besser, ich fühlte mich nur wenig unter Normalnull (was ja inzwischen gelegentliche Aussetzer des Beins einrechnet).

Es regnete immer noch und war kalt geblieben, ich machte mich mit einem Schirm auf den Weg in die Arbeit. In einer Bäckerei holte ich mir zur Brotzeit ein Laugenzöpferl – und glitt bei Verlassen des Ladens auf einem nassen Metallgitter aus. Ich scheine bereits den Umgang mit Regenfolgen verlernt zu haben. Zum Glück ging der Fall nicht auf die Bandscheibe, doch nach 200 Metern schmerzte mich die rechte untere Wade wie nach einem heftigen Krampf – ich humpelt also den Tag über wieder, nur anders.

Zum Zöpferl gab es mittags Bergkäse und Birne, Nachmittagssnack war eine Banane und dunkle Schokolade.

Auf dem trockenen Heimweg holte ich mir zum Abendessen Rahmspinat (Herr Kaltmamsell war bis spät in Besprechungen).

Es erschien mir naheliegend, dass in der japanischen Kunst Sakura eine besonders starke Allegorie ist.

Nach einem ausführlichen Telefonat mit dem Projektmanagement des großen Festes (es ging um den Aspekt Deko, darin bin ich ja am allerunbrauchbarsten) machte ich mir Spinatsuppe mit verlorenen Eiern. Zum Nachtisch gab’s restlichen Flan vom Sonntag, mittlerweile war Herr Kaltmamsell heimgekommen (unter anderem mit der Info, dass im gestern geschriebenen Deutschabitur ein Text von Sascha Lobo verwendet wurde) (und auf der re:publica spricht der Bundespräsident – wann bitte sind wir people aus dem Internet da hingeraten?).

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Sicher keine Empfehlung (als ich den Artikel gestern auf Twitter teilte, folgten detaillierte Hinweise auf die gefährliche Unzuverlässigkeit der Methode), doch eine interessante Beschreibung einer Hackkultur individuellen Medizingeräts:
“People Are Clamoring to Buy Old Insulin Pumps”.

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Hedwig Richter vom Hamburger Institut für Sozialforschung räumt in der Süddeutschen mit ein paar Irrtümern über Demokratie auf:
“Auch mal mühsam”.

Es wäre ein Missverständnis, Demokratie als die Regierungsform zu verstehen, die den Mehrheits- und Volkswillen möglichst direkt zum Ausdruck bringt. Solche Ideen hatten nicht zuletzt die Nazis mit ihrem “gesunden Volksempfinden”. Tatsächlich ist die Geschichte der liberalen Demokratie zugleich die Geschichte ihrer Einhegung. Die Verfassung weist im Rechtsstaat nicht nur den Regierenden klare Schranken, sondern auch den Regierten: Keine Mehrheit, kein Volkszorn darf die Würde des Menschen antasten. Der Minderheitenschutz ist fundamental für die eingehegten Demokratien, ebenso die Gewaltenteilung. Besonders stark beschränkt das Repräsentationsprinzip den Mehrheitswillen. Das Volk wählt alle paar Jahre, und das ist gut so. Nicht das Volk regiert, sondern die gewählten Profis. Sie beraten sich in langen Prozeduren, ziehen Experten hinzu und finden Kompromisse.

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Kathrin Passig hat drei Vorlesungen als Büchlein veröffentlicht. Stephan Porombka nutzt seine Besprechung im Freitag dazu, Kathrins selbstkritische Grundhaltung zur Gegenwart und zu Veränderungen zu rühmen:
“Das Jetzt ist super”.

die Kaltmamsell

Twitterlieblinge April 2019

Dienstag, 30. April 2019 um 19:08

Dieser Tweet muss hier auftauche, weil darauf @lyssaslounge als Leia zu sehen ist (rechts) – ein Anblick für die Ewigkeit. Und wo sollte ich denn sonst damit hin?

die Kaltmamsell

Journal Montag, 29. April 2019 – Müder Regentag mit Avengers: Endgame

Dienstag, 30. April 2019 um 7:03

Eine (für meine Verhältnisse) wirklich kurze Nacht, da ich nach dem späten Zu-Bett-Gehen auch noch schlecht einschlief, der Wecker aber trotzdem um sechs klingelte. Die Folge: Den ganzen Tag fühlte ich mich erschlagen und müde.

Frühmorgens ein Rezept bei meiner Hausärztin geholt. Mit Fahrrad in die Arbeit, weil ich nach Feierabend schnell daheim sein wollte. Es tröpfelte.

In der Arbeit mittags eine lange angekündigte große Einladung zum Essen – die ich völlig vergessen hatte; ich löffelte halt neben den Kolleginnen und Kollegen meine mitgebrachte Brotzeit (Graupensalat mit Tomaten und Feta vom Vortag), sie hätte sich nicht gut gehalten. Nachmittagssnack: Granatapfel mit Joghurt.

Emsiger und intensiver Arbeitstag, den ich pünktlich abschloss: Herr Kaltmamsell hatte Kinokarten für die Abendvorstellung Avengers: Endgame besorgt. Ich radelte durch leichten Regen (endlich) heim, wo Herr Kaltmamsell Abendessen servierte: Weizentortillas mit gebratenem Karotten-Lauch-Gemüse, scharfer Tomatensoße, Avocado, Spiegelei.

Ins Kino nahmen wir bei fortgesetztem Regen die U-Bahn zum Stiglmaierplatz. Dann drei Stunden Marvel, von denen mich die ersten beiden mit vielen netten Details gut unterhielten (allein das ungewohnte Tempo in der ersten Stunde), die letzte wurde mir leider doch fad. Jetzt ist wirklich mal gut. (Mag natürlich an meiner Müdigkeit gelegen haben.)

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Das Münchner NS-Dokumentationszentrum gewährt bis zur Europawahl freien Eintritt – eine schöne, kluge Geste. Nie wieder.

Ich kann einen Besuch sehr empfehlen, auch wenn er nicht einfach ist.

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Stephen Greenblatt war schon zu meiner Studienzeit der renommierteste Shakespeare-Forscher der englischsprachigen Welt; seine Schriften haben mir viele Türen zu Shakespeare-Stücken und zur Elisabethanik aufgeschlagen. In einem Interview des Philosophie Magazins wird er gebeten, Parallenen zwischen heutigen politischen Entwicklungen und den Dramen von Shakespeare herzustellen.
“‘Sobald man Teil der Lüge wird, ist man nicht ihr Opfer'”.

Darin auch: Interessante Gedanken über die Funktion von Theater.

Herr Greenblatt, wenn Sie Zeitung lesen oder Nachrichten schauen, denken Sie dann manchmal: „Das ist ja wie bei Shakespeare“?

Manchmal passiert das tatsächlich, ja. Als herauskam, dass der Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet und in Stücke gehackt wurde, war das so ein Shakespeare-Moment.

(…)

Der Vergleich zwischen Shakespeares Tyrannen und unserer heutigen Zeit stößt aber auch an Grenzen. Allein schon deshalb, weil die Diktatur der Zukunft anders funktioniert als die der Vergangenheit. Die Herrschaft Xi Jinpings in China ist zwar ebenfalls brutal, aber durch den totalen Einsatz digitaler Überwachungstechnologien gleichzeitig auch „leise“ und effizient.

Was mich an Xi Jinping fasziniert, fasziniert mich im Grunde auch an Trump, auch wenn sie so komplett unterschiedlich wirken: Sie haben beide verstanden, dass die Zukunft der Tyrannei nicht im shakespeareschen Weg liegt, nicht darin, Menschen in ein Konsulat zu locken und dort mit einer Knochensäge zu zerteilen. Die Tyrannei der Zukunft besteht eher darin, Medien und Menschen auf neue Art zu kontrollieren. Die chinesische Variante ist dabei „eleganter“, sie zeigt sich etwa in dem allumfassenden Social-Credit-System. Trumps Variante besteht hingegen darin, konstant so viel Lärm zu machen, dass man am Ende taub wird und nichts mehr hört. Beides ist ziemlich erfolgreich.

(Leider habe ich mir nicht notiert, wer mir diesen Hinweis in die Twitter-Timeline retweetet hat. Unbekannter Dank!)

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 28. April 2019 – Gästezicklein und Videokonferenz

Montag, 29. April 2019 um 6:27

Ausgeschlafen, gebloggt und Milchkaffee getrunken, Wohnung für lieben Besuch fein gemacht.

Die Gäste kamen zu Mittag, Herr Kaltmamsell hatte Zicklein am Viktualienmarkt besorgt, garte es schlicht mit Salz und Pfeffer gewürzt im Ofen und servierte es mit Graupen-Tomate-Feta-Beilage. Als Vorspeise hatte er Auberginen mit Safranjoghurt zubereitet, zum Nachtisch gab es Flan aus meiner Hand. Und ich habe jetzt eine sich öffnende Pfingstrose im Wohnzimmer, gewürzte Butter zum Kochen sowie edlen Pfirsichschaumwein im Kühlschrank.

Nach dem Essen gingen wir noch eine Runde spazieren über den Alten Südfriedhof (Wetter: trocken, wolkig und kalt), sahen viele Eichhörnchen.

Zurück daheim Vorbereitungen für meinen re:publica-Einsatz und Lektüre der Wochendendzeitung. Nach der Tagesschau Videokonferenz bis Mitternacht zur Vorbereitung der re:publica-Show.

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Wäre das also auch endlich geklärt:

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 27. April 2019 – Schwimmen, Radeln nach Haar

Sonntag, 28. April 2019 um 8:54

Gestern war eigentlich Theresienwiesenflohmarkt – aber dieses Jahr hatte ich überhaupt kein Interesse. Das lag nicht mal daran, dass es morgens regnete (endlich! aber viel zu wenig), ich mochte einfach nicht.

Statt dessen radelte ich ins Olympiabad (um 10 Uhr war der Regen bereits vorbei), denn am schwimmfreundlicheren Sonntag würde ich keine Zeit haben. Diesmal war ich darauf vorbereitet, dass nur zwei der fünf Bahnen im Trainingsbecken beschwimmbar sein würden, weil die anderen drei bis 12 Uhr von Sportturmspringern gebraucht wurden. Doch diese beiden Bahnen waren wirklich elend voll.

Ich schwamm 3300 Meter – vielleicht, denn ich wechselte so oft die Schwimmrichtung in der Bahn, um Pulken von Langsamschwimmenden auszuweichen, dass das Bahnenzählen sehr vage wurde. Erst am Ende meiner Strecke lichtete sich die Bahn, weil nun alle fünf geöffnet waren; jetzt legte ich noch einige Runden drauf.

Auf dem Heimweg ein paar Einkäufe, zu Hause gab’s zum Frühstück Reste vom Vorabend (Kichererbsen und Spinat), Toast sowie Blutorangen mit Hüttenkäse. Ich bereitete als Nachtisch für Sonntagsgäste Flan de queso (habe die Variante einfach in meinem Flan-Rezept ergänzt) und bügelte den restlichen Wäscheberg nieder.

Auf Twitter der Hinweis, dass auch die Süddeutsche die Aktion und das Buch Kunstgeschichte als Brotbelag aufgriff. (Titus Arnu sieht das Blog Read on my Dear, read on. als “kuriose Kurzgeschichen”? Dass Bloggen in seiner ursprünglichen Form völlig an ihm vorbeigegangen ist, hatte ich nicht erwartet.)

Abends war ich bei einer Freundin in Haar eingeladen. Diese Gegend des Münchner Ostens kenne ich gar nicht, außerdem hatte ich Lust auf mehr frische Luft, also beschloss ich, die 14 Kilometer dort hinaus zu radeln (für den Rückweg konnte ich mein Rad ja bei Müdigkeit in die S-Bahn packen). Die lange Wasserburger Landstraße ist jetzt nicht gerade Sightseeing-tauglich, ich genoss die Fahrt dennoch – und ließ mir von meiner Gastgeberin den Tipp geben, das nächste Mal zwischen Ostbahnhof und Haar ein Stück des Isar-Inn-Panoramawegs zu radeln.

Ich bekam köstliche Empanada mit Thunfisch und schöne Gespräche bis in die Nacht. Dazwischen regnete es wieder ein bisschen, doch als ich den Heimweg antrat, war es schon wieder trocken, ich sah sogar Sterne am Himmel. Die Wasserburger Landstraße/Kreillerstraße war nicht aufregender geworden, doch wieder genoss ich die Bewegung.

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Was Abschiebung mit Menschen macht:
“Die Kinder des Bosnienkriegs – 23 Jahre später”.

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https://youtu.be/s53nwHYA3O0

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 26. April 2019 – Migräne, bitte nicht wecken

Samstag, 27. April 2019 um 8:02

Bis fünf Uhr morgens konnte ich bei gelegentlichem Aufwachen das Kopfweh ignorieren, doch dann wurde es böse, brachte weitere Symptome mit und machte klar: Migräne.

Also klebte ich einen Zettel “Migräne – bitte nicht wecken” an meine Schlafzimmertür, um den fürsorglichen Herrn Kaltmamsell davon abzuhalten, mich rechtzeitig für die Arbeit aus dem Bett zu holen, und setzte mein Triptan-Nasenspray ein.

Ich stellte den Wecker auf acht Uhr, stand dann kurz auf, um telefonisch einen morgentlichen Orthopädentermin abzusagen und mich in der Arbeit krank zu melden. Zurück ins Bett, wo ich bis kurz vor zwölf schlief. (Und dann so bald wie möglich bei meiner Hausärztin anrief, um ein neues Rezept für das Migränemittel zu bestellen; ich hatte morgens meine letzte Dosis aufgebraucht.)

Nach zwei Stunden mit blödem Geschau und etwas Kaffee war ich so weit auf der Höhe, dass ich mich duschen und anziehen konnte für einen Einkaufsgang ums Eck. Es war empfindlich kühl geworden, der Himmel versprach Regen. Als ich zurück kam, begann es zu tröpfeln, doch über ein paar ungeübte Spritzer kam der Regen bis abends nicht hinaus.

Gegen Abend hatte mich die Migräne genug von der Leine gelassen, dass ich mich an den Bügelberg machen konnte und ihn zu großen Teilen abtrug. Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Freitags-Entrecôte vom Herrmannsdorfer mit Ernteanteilspinatkichererbsen, zum Nachtisch gab’s frische Ananas mit Eiscreme.

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Genau das hatte ich in der vergangenen Sommerwoche gedacht: Passt bitte gerade jetzt auf die depressiven Menschen in eurer Nähe auf. Till Raether schreibt für die SZ auf:
“Frühling ist die grausamste Jahreszeit”.

Was Raether auslässt: Die meisten Suizide passieren eben nicht im November, auch nicht an einsamen Weihnachtstagen, sondern im Frühling. Die dunkle Jahreszeit und ein Weihnachen ohne Familie enthalten nämlich immer noch die Hoffnung, dass es besser werden könnte. Dann kommen Sonne, kommen Wärme, längere Tage – doch die Seele bleibt düster. Jetzt verlieren Depressive oft die letzte Hoffnung, es könnte jemals anders werden.

die Kaltmamsell