Journal Donnerstag, 9. Mai 2019 – Arbeitsrückkehr

Freitag, 10. Mai 2019 um 6:32

Der Wiedereinstieg in die Arbeit war ein harter Schnitt nach den kuschligen re:publica-Tagen in meiner Netzfamilie. Und ich war mit sehr unangenehmen Kopfschmerzen aufgewacht, die den ganzen Tag blieben.

Wetter kühl und sonnig. Nachmittags gemischte Wolken, hin und wieder Regengüsse.

Viel Arbeit in der Arbeit, allerdings angenehm wenig unterbrochen.

Auf dem Heimweg ein paar Lebensmitteleinkäufe, zu Hause Salat und Kresse aus frisch geholtem Ernteanteil mit zugekaufter Avocado, dazu reichte Herr Kaltmamsell Bruschetta. Ich traute mich sogar Alkohol und bat Herrn Kaltmamsell um einen Green Monkey.

Im Bett ein neues Buch: Neil Gaiman, Terry Pratchet, Good Omens. Nach dem langsamen Conrad, The Secret Agent (ein sehr seltsames Buch), wollte ich mal wieder etwas Schnelleres lesen.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 8. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Konferenztag 3 mit Rückreise

Donnerstag, 9. Mai 2019 um 7:03

Die erste re:publica, auf der ich Mit-Erfinder Johnny Häusler nicht begegnet bin. (Er kümmerte sich um die gleichzeitig laufende TINCON.)

Ich wachte früh auf, ging wieder auf einen mittelguten Cappuccino ins Café ums Eck, bloggte fertig, packte und rollkofferte dann zur Station. Kurzer Stopp unterwegs an einer türkischen Bäckerei, um eine Brotzeit zu kaufen (Frischkäse-gefüllter Kringel).

Auch ein Standard meiner re:publica: Gunter Dueck. Diesmal hieß sein Vortrag “Identifikation von Bullshit und Wert”. Damit begab sich Dueck ins Fachgebiet der Wahrnehmungstheorie – und da ist er nicht daheim. Kombiniert mit seiner Argumentation anhand persönlicher Anekdoten klang das kurz vor Lebenshilfebuch. Andererseits bringt ihn das vielleicht auf die große Lücke, die in seinen Hinweisen auf das widersinnige, unvernünftige Verhalten von Menschen im Management und auf bescheuerte Firmenstrategien klafft: Das damit implizite Ziele erreicht werden (z.B. Burgfrieden, Selbstbestätigung), die genauso wichtig sein können wie die vordergründig deklarierten.

Nette Details: Dueck verwies darauf, dass Menschen beim Lesen ihres Smartphones sehr oft lächeln, lachen oder einfach glücklich aussehen. Viel öfter als beim Lesen anderer Sachen.
Und sein Verweis auf ein Paper, mit dem er und sein Doktorvater 1989 Aufsehen erregt haben: “Identification via Channels”.

Ich holte mir einen weiteren Cappuccino und stellte mich damit plaudernd in die Sonne hinter den Hallen – gestern war es endlich warm genug dafür. Alte Bekannte wiedergetroffen, einander vorgestellt.

Alexandra Borchardt und Teresa Bücker zogen mich zum nächsten Panel: “The new abnormal: Hate, Fakes, Mobbing. Wie machen wir das Netz zu einem besseren Ort?” Mit auf der Bühne waren Markus Heidmeier, Marco Holtz, die ausgezeichnete Moderation machte Nadine Kreutzer. Borchardt präsentierte Forschungsergebnis ihres arbeitgebenden Reuters Institute zu Meinungsfreiheit in der digitalen Welt, basierend auf dem letztjährigen Digital News Report. Interessante Schlussfolgerungen:
– Das, was sie das “Ü60-Phänomen” nannte. Glaube an Verschwörungstheorien und mangelndes Wissen über Medienmechanismen sowie über Bewertung von medialen Informationen finden sich weltweit vor allem bei älteren Menschen. Borchardt appellierte dafür, sich nicht nur bei jungen Menschen um Medienbildung zu kümmern.
– Nie vergessen, dass auch im Internet die Guten und Anständigen die Mehrheit sind.
– “Unterschätzen Sie die Leser nicht”: Appell an die Info-Medien, sich zu überlegen, wie sie ihre Leser produktiv einbinden können.

Letzteres war auch der Schwerpunkt der anschließenden Diskussion, Bücker konnte ihre Edition F als Beispiel anführen. (Abends allerdings die überraschende Nachricht, dass sie die Chefredaktion verlassen wird.)

Bei dieser Gelegenheit fiel mir wieder auf, dass zwar auch dieses Jahr die bedrohlich negativen Seiten der Internetmöglichkeiten zentrales Thema vieler Sessions waren, vor allem aber konkrete Lösungen diskutiert wurden.

“Die Akte Hannibal – ein Werkstattbericht” war der Abschluss meiner re:publica. Angestoßen von Redakteurin Christina Schmidt hat die taz ab 2017 Verflechtungen von Rechtsextremisten in der Bundeswehr und der Polizei recherchiert. Präsentiert und erzählt wurde ein spannender Werkstattbericht. (Running Gag: Wann wurde endlich daraus das Thema einer Talkshow?)

Es wurde Zeit für mich, meinen Koffer abzuholen (eigener Bereich am Eingang der re:publica) und zum Hauptbahnhof zu fahren. Dort aß ich ein wenig Backfisch und eine Streuselschnecke, setzte mich dann in den ICE nach München.

Blühende Landschaften, düsteres Wetter. Ich las in leidlich funktionierendem WLAN auf meinem Laptop Internet. Wie auf der Hinfahrt war der Platz neben mir entspannterweise frei.

Nach vier Stunden war ich wieder unter Bayern, Herr Kaltmamsell holte mich am Münchner Hauptbahnhof ab. Er hatte daheim auch ein warmes Abendessen vorbereitet: Auberginen Tikka Masala. Und er hatte die ersten heimischen Erdbeeren der Saison zum Nachtisch besorgt.

§

Wenn ich ihn nicht aus der Redaktion des Techniktagebuchs kennte (er war auch einer der Vorleser), hätte ich Felix Neumanns Hinweis auf diesen Teil der re:publica sehr wahrscheinlich gar nicht wahrgenommen. Dabei finde ich es hochinteressant, dass sich auch die Kirchennetzgemeinde auf der re:publica getroffen hat:
“Wo ‘gläubige Nerds’ über die digitale Zukunft der Kirche sprechen”.

§

Die Sache mit dem Ausdrucken des gesamten Techniktagebuchs ist jetzt endlich auch eine schöne Geschichte im Techniktagebuch geworden:
“20. März bis 8. Mai 2019
Wir drucken das Techniktagebuch aus und lesen alles vor”.

§

Vanessa Vu hatte ich erst am Montag auf einer re:publica-Bühne gesehen. Jetzt las ich ihre Reportage für die Zeit:
“Vietnamesen in Deutschland
Die neuen Ossis”.

Von einer vietnamesischen Münchnerin habe ich mir mal erzählen lassen, dass es auch in München eine recht große Gemeinde an Einwanderinnen (vor allem Frauen) aus Vietnam gebe. Wenn ich sie richtig verstanden habe, kamen sie als geschlossene Gruppe aus Ostdeutschland nach München, treffen sich immer noch fast an jedem Wochenende zum gemeinsamen Picknick oder anderen Unternehmungen, gedenken zusammen der Todestage ihrer Eltern in Vietnam. (Die ausführliche Geschichte läse ich gerne mal in der Süddeutschen.)

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 7. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Konferenztag 2 mit Twitterlesung

Mittwoch, 8. Mai 2019 um 8:39

Sehr gut geschlafen, der Wecker holte mich aus tiefen Schlaf. Gut schlafen mache ich wirklich sehr gerne.

Ich ging zum Morgenaffee wieder in das Café vom Montag, doch diesmal hatte ich keine Lust auf einen zweiten Cappuccino: Anderer Mensch an der Maschine, deutlich schlechterer Kaffee (zu große Hitze tötet Geschmack).

Auf den paar hundert Metern zurück ins Hotel hauten mir Sonnenlicht und Gerüche die schönsten Großstadtgefühle ums Herz. Ich begann zu summen: “Früüüüüüüh am Morgen…”

Es war gestern minimal wärmer, doch Radlerinnen sah ich weiterhin in Wintermantel und mit Handschuhen.

Nachahmenswert: Im Gleisdreieckspark gibt es Trinkwasserbrunnen.

Zurück auf der re:publica freute ich mich wieder an der dieses Jahr besonders gelungenen Gestaltung. Das Motto lautet tl;dr, also too long, didn’t read, und das wird umgesetzt mit Wörtern, Wörtern, Wörtern. Dazu gehört der mächtige Ausdruck des gesamten Moby Dick, der einmal längs durch den gesamten Veranstaltungsort zieht; @tknuewer hat ein Filmchen davon zusammengeschnitten.

“Überall Wissen, aber was wissen wir wirklich?” hieß die Session, in der Tom Buhrow und Mai Thi Nguyen-Kim diskutierten (und erst mal die Maus bejubeln ließen). Zunächst war mir ein wenig müde, als Buhrow meinte, er sei aufgeregt, weil er normalerweise nicht vor so viel jüngeren Menschen spreche – er hatte sich offensichtlich nicht im Publikum umgesehen. Und als erkennbar war, dass er ein ausgesprochen überholtes und eh noch nie treffendes Bild von uns Menschen im Internet hatte. (Und als Nguyen-Kim nicht erstaunt genug war, dass auf ihre Frage, wer im Publikum wünsche, sie würden ihr Smartphone weniger nutzen, nicht mal ein Viertel sich meldeten.)

Doch das Gespräch wurde noch interessant, nämlich als Buhrow und Nguyen-Kim herausarbeiteten, dass heute die Informationen, das Wissen immer stärker fragmentiert wird und wie das die Fliehkräfte in der Gesellschaft verstärkt: Immer mehr suchen Menschen sich ausschließlich die Details an Informationen heraus, die ihre eigenen Ansichten bestätigen. Zudem sind neben Expertinnen und Experten weitere Sprecher getreten, die durch Appelle an Gefühle die Fragmentierung der Gesellschaft weiter vorantreiben. Auch das abschließende leidenschaftliche Plädoyer für Öffentlich-Rechtliche Medien von beiden (Buhrow verwies aufs Grundgesetz, Nguyen-Kim führte auf, dass nirgends weniger abhängiger und fachlich tiefer professioneller TV-Journalismus möglich sei) lohnte sich.

Jetzt wollte ich aber doch einen guten Cappuccino. Ich hatte meinen Bambusbecher dabei und holte mir einen an einem der zahlreichen Expressostände.

Das Techniktagebuch wurde weiter vorgelesen, jetzt übernahm auch ich mal eine Runde.

Weitere Vorlesende:

Tillmann Otter

@cupidissimo

Thomas Wiegold

Kathrin Passig

Nachtrag: Solche ernsthafte Kunst bezieht sich ja immer auf noch viel ernsthaftere Kunst.

Da ich gestern Abend selbst Speakerin war, hatte ich Zugang zur Business Lounge und wurde verpflegt. Ich nutzte das für einen gewaltigen Teller Antipasti.

Gefolgt von einer ordentlichen Portion Spargel – wunderbar auf den Punkt knackig gekocht.

Nachdem ich die Chance genutzt hatte, nach vielen Jahren mal wieder Katrin Scheib in Echt zu sehen und zu sprechen, sah ich mir die zweite Wunsch-Session des Tages an: “Best of DSGVO-Armageddon”.

Netzaktivistin Katharina Nocun und Lars Hohl stellten eine großartige Stunde auf die Beine: Mit dem roten Faden der vier Reiter der Apokalypse führten sie faktenreich und unterhaltsam durch die Vorbereitung, das Ereignis und die Folgen der DSGVO – Flughöhe etwa Anstalt. Kernpunkt: So groß waren die Neuerungen gar nicht, außerdem ist die DSGVO nüchtern betrachtet für Enduserinnen zum weitaus größten Teil ausgesprochen begrüßenswert.

Nachdem ich noch eine Weile mit Mitgliedern der Techniktagebuchredaktion geplaudert hatte, ging es in die letzten Vorbereitung meiner Abendveranstaltung: Twitterlesungs-Revival. In den beiden Stunden davor bekam das Ganze dann doch eine Endform, wurde alles einmal durchgeprobt, ich fühlte mich gut und sicher. Und in den Minuten vor dem Start um 20 Uhr verflog auch die weitere Furcht, nämlich die vor einem möglicherweise leeren Publikumsraum. Es war gut voll – und es wurde gelacht.

Hier zwei Fotos von unserer Lesung von @antischokke.

Es freute mich sehr, @annalist mal wieder zu sehen und zu sprechen, @diktator kennenzulernen, es machte viel Spaß, mit @mspro, @PickiHH und @Björngrau auf der Bühne zu stehen.

Danach recht direkt ins Hotelzimmer.

Nachtrag: Hier unsere Lesung zum Nachgucken.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/azXfNBRF2Z8

die Kaltmamsell

Journal Montag, 6. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Konferenztag 1

Dienstag, 7. Mai 2019 um 8:36

Aufwachen ohne Matschbirne – so schön!

Das Café des Hotels wird gerade renoviert, also machte ich erst mal Morgentoilette, kleidete mich an und ging raus, um mir in einem naheliegenden Café meinen morgentlichen Cappuccino zu holen. Und dann noch einen.

Zurück im Hotelzimmer bloggte ich, machte nochmal was für unsere eigene Show. Dann endlich ging ich rüber zur Station und damit zur re:publica 2019.

Gleich im Hof traf ich die ersten Internet-Herzmenschen, drinnen am Affenfelsen die nächsten aus der Techniktagebuchredaktion.

Als auch 20 Minuten nach dem offiziellen Beginn der Begrüßung auf Stage 1 immer noch kein Zugang zu Stage 1 war und die Schlange davor bis hinaus in den Hof stand, ging ich gleich zum Ort der Anschlussveranstaltung, die ich mir notiert hatte. (Später erfuhr ich, dass der Zugang sehr wohl schon möglich war, allerdings wegen des Kommens von Bundespräsident Steinmeier genau gefilzt wurde, unter anderem keine Laptops mit rein genommen werden durften – BKA trifft auf re:publica-Realität. Vielleicht hat das einfach nicht zusammengepasst?)

“Heimat my ass … Migration is us” – Es diskutierten Ferda Ataman (Journalistin, hat gerade das Buch Ich bin von hier. Hört auf zu fragen! veröffentlicht), Naika Foroutan (Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik), Daniel Schulz (Co-Leiter Ressort Reportage und Recherche in der taz), moderiert von René Aguigah (Deutschlandfunk). Ich lernte eine Menge. Unter anderem nahm Ataman die Kategorie “Migrationshintergrund” auseinander, die zwar für Menschen wie mich gilt, weil ich mit einer anderen als der deutschen Staatsbürgerschaft auf die Welt gekommen bin, auch wenn ich selbst nie in meinem Leben migriert bin. Die aber nicht für Menschen gilt, die mit deutscher Staatsbürgerschaft auf die Welt kamen, selbst wenn sie ihre ersten 18 Lebensjahre auf den Kanaren verbracht haben und erst dann nach Deutschland migrierten. Foroutan vertrat die Perspektive der Sozialwissenschaft und wägte fundiert und wohlformulierte die Spannungen innerhalb von Identitätspolitik ab: Sehnsucht nach Gleichheit (Bekämpfung von Kategorien) vs. Sehnsucht nach Benennung von Ungleichheit (erfordert Kategorien). Schulz wiederum erklärte, wie wichtig es für Ostdeutsche wie ihn war, dass die Ausgrenzung und Abminderung von Ostdeutschen durch Forschung belegt wurde.

Schon seit einiger Zeit würde ich ja auf die Frage, welches Studienfach mich im Moment am meisten reizt, Soziologie nennen. Seit dieser Diskussion umso mehr.

Ein Check meiner Mails schmiss mir weitere Aufgaben zu. Schlagartig kehrte die Überforderung zurück, ich war kurz davor, nach dem nächsten Arbeitstreffen meine Zuhörerschaft abzubrechen. Zum Glück wurde ich von den richtigen Menschen in die Arme genommen und bekam doch wieder Lust zum Zuhören. Ein kleines Mittagessen (gefüllte Tapiokatasche) half ebenfalls.

Also eines meiner re:publica-Rituale: Mir von Markus Beckedahl das vergangene Jahr Netzpolitik zusammenfassen zu lassen. “tl;dr – Digital war mal besser”. Wieder hatte er fast ausschließlich schlechte Nachrichten für uns Netzgemeinde, wieder plädierte Markus für Optimismus.

Auch auf diese Podiumsdiskussion hatte ich mich gefreut: “Ist das gerade wirklich das Thema?! Relevanz in digitalen Zeiten” mit Georg Restle, Florian Klenk, Marietta Slomka, Vanessa Vu. Alle erzählten aus ihrem journalistischen Alltag, richtig deprimierend dabei der österreichische Falter-Chefredakteur Klenk (“Sie sehen, österreichische Journalisten dürfen das Land noch verlassen.“).

Eva Horn fasste zusammen “Wie Populisten uns auf Social Media vor sich hertreiben – und was wir dagegen tun können”.

Vor der nächsten Veranstaltung, die ich mir rausgeschrieben hatte, war ein wenig Zeit. Ich holte mir eine Breze und besuchte das Dauerevent des Techniktagebuchs: Das Vorlesen des gesamten, auf eigens dafür angeschafftem Nadeldrucker eigens dafür ausgedruckten, Techniktagebuchs.
“Techniktagebuch – Too long, DID read”.

Ich zitiere aus der Ankündigung:

Das wird natürlich niemandem Spaß machen, weder uns noch euch. Aber macht es etwa Spaß, sich in der Halberstädter Sankt-Burchardi-Kirche 639 Jahre lang “As Slow As Possible” von John Cage anzuhören? War es ein Vergnügen, sich 2011 im ehemaligen Untersuchungsgefängnis von Mittweida 55 Tage lang das Gesamtwerk von Karl May vorlesen zu lassen? Ist es interessant, sich Roman Opalkas Bilderserie “1–∞” anzuschauen? Und doch muss es sein, so ist das eben mit der Kunst.

Hier im Leseeinsatz ist gerade Esther Seyffarth.

Mein letzter Live-Programmpunkt war “Aufräumen im Trollhaus: Hetze und Gegenrede in Kommentarbereichen”, unter anderem weil ich die geschätzte Twitterin Nicole Diekmann mal in Echt sehen wollte. Neben ihr diskutierten Gregor Mayer (Einblicke in den Kommentarmoderationsalltag beim Fernsehsender phoenix), Marc Ziegele (der an seiner Uni Düsseldorf gerade zwei sehr interessante Studien zur Auswirkung von Moderationsarten auf Online-Diskussionen durchgeführt hat – und die Ergebnisse kurz präsentierte), Sonja Boddin (aus dem Vorstand von ichbinhier, einem Verein, der vor allem auf Facebook moderierend in diffamierende Diskussionen eingreift). Angenehm unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen, grundsätzliche Einigkeit, dass überlegte Moderation nützt.

Jetzt war meine soziale Energie wirklich aufgebraucht, außerdem hatte ich Hunger. Ich spazierte in der Nähe meiner Unterkunft in ein Lokal, das ich noch nicht kannte. (Mittlerweile düsterer Himmel, ein paar Regentropfen.)

War in Ordnung, die Garnelen schmeckten sogar ausgezeichnet. Auf dem Rückweg holte ich mir noch ein Eis zum Nachtisch.

Zurück im Hotelzimmer machte ich mir warm (der Tag war wieder sehr kalt geworden, ich behielt auch in die Konferenzhallen fast durchgehend meine Jacke an) und besah mir per Live-Stream die alljährliche Gesellschaftsanalyse von Sascha Lobo auf der re:publica, diesmal betitelt “Realitätsschock”.

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 5. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Vorbereitungen und Freundinnenfrühstück

Montag, 6. Mai 2019 um 9:00

Mit Kopfweh aufgewacht, das in den Stunden darauf immer migränoider wurde. Nach dem Bloggen ging’s mir eigentlich richtig schlecht, ich hoffte, dass mir der Spaziergang zu meiner Frühstücksverabredung gut tun würde.

Herrlich waren auf jeden Fall wieder die Farben in der fast eisig kalten, aber strahlenden Sonne.

Das Frühstück im schwedisch geprägten Café war sehr gut, die Gespräche dazu intensiv und bereichernd – ich war wunderbar abgelenkt von meinen Körperlichkeiten. Und freue mich mit großer Aufregung noch viel mehr auf einen entstehenden Roman, der in geschätzt zwei Jahren veröffentlicht wird.

Migräneschwindliger Spaziergang zurück zum Hotel, zum Bewundern einiger Mauersegler am Himmel blieb ich lieber stehen.

Im Hotelzimmer arbeitete ich noch ein paar Stunden an der Dienstabendshow auf der re:publica, bevor ich mich dann doch zu einer Runde Schlaf ins Bett legte.

Telefonat mit Herrn Kaltmamsell, Vermissensgeständnisse (die der Herr mit ausführlichen Details seiner Verwahrlosung ohne mich unterstrich). Zum Abendessen ging ich in einen vertrauten Italiener ums Eck, der sich mit rot-weiß-karierten Tischdecken in eine belastbare Tradition von Exiltrattorien stellt. Lieber kein Wein zu Salat und etwas arg neutralen Sacchettini (die angekündigte Lammfüllung konnte ich beim besten Willen nicht erschmecken).

Ich spazierte weiter zur Station und nutzte das Angebot, mir schon am Vorabend der re:publica mein Zugangsbändel abzuholen. Rundgang über den Hof, erster Schwatz mit einer Internetbekanntschaft.


Blick von der Anhalter Brücke.

Für den Rückweg wählte ich Umwege durch die Anlage am Gleisdreieck.

Zurück im Hotelzimmer stellte sich heraus, dass weitere Arbeit an der Show anstand, also nochmal ein paar Stunden. Um elf hatte ich keine Lust mehr (ich bin so spät wirklich nicht leistungsfähig, wenig überraschend unterscheidet sich da unbezahlte Arbeit nicht von beruflicher), las noch eine Runde.

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 4. Mai 2019 – Berlin zur re:publica 2019: Die Anfahrt

Sonntag, 5. Mai 2019 um 9:03

Obwohl ich mit ein wenig Zackigkeit vor dem Aufbruch nach Berlin eine Runde Crosstrainern hätte unterbringen können, ließ ich das zugunsten von Ruhe und Muße. Das war eine gute Idee.

Vor der mittäglichen Abfahrt kaufte ich mir noch eine Brotzeit und warf einen letzten Blick in die vertraute Bahnhofshalle: Am Montag wird sie für den Abbruch gesperrt, München bekommt einen neuen Bahnhof.

Der Zugchef schlug gleich mal einen Stein ins Brett, als er uns mit “Meine Damen und Herren, liebe Kinder” begrüßte; das behielt er bei allen Durchsagen bei.

Vor dem Zugfenster jahreszeitliche bayerische Landschaft.

In Thüringen dagegen ein für Mai eher ungewöhnlicher Anblick.

Von meiner Wohnungstür zur Hoteltür am Mehringdamm dauerte die Reise 4 Stunden 35 Minuten (zum einen: ICE pünktlich, zum anderen dachte ich endlich mal daran, schon am Südkreuz auszusteigen). Ein Flug hätte keinerlei Vorteile gehabt, auch den Preis von 91,30 Euro hin und zurück inklusive Reservierung finde ich angemessen. Sogar das WLAN funktionierte, vor Beigeisterung füllte ich das per QR-Code verlinkte Online-Formular aus: Man soll ja nicht immer nur meckern, sondern auch positiv verstärken.

In Berlin kurzes Ausruhen im kleinen Hotelzimmer (ich hatte mich entschieden, diesmal am Zimmer zu sparen und das Ersparte in Essen zu stecken), dann brach ich auf zu einer Verabredung am Wannsee. Wetter: Strahlend sonnig (die Farben!) und knackig kalt. Ich genoss die S-Bahnfahrt durch den alten Westen Berlins sehr.

Schöne Stunden mit Blogbekanntschaften der ersten Stunde, gemeinsames Nachdenken über die eigenartige Rolle, die wir Erwerbstätigkeit in unserem Leben spielen lassen.

§

Hannah Gadsby hält einen TED-Talk, den sie während des Vortrags analysiert – als Teil des Vortrags, nicht als zusätzliche Ebene. Sie ist eine große Meisterin. Hier die Filmaufnahme:
“Three ideas. Three contradictions. Or not.”

die Kaltmamsell

Journal Freitag, 3. Mai 2019 – Regen, Abschied, neue Technik

Samstag, 4. Mai 2019 um 8:28

Sportwünsche habe ich für diese Woche komplett gestrichen, vielleicht kann ich das Überforderungsgefühl so ein wenig eindämmen.

Düsterer Himmel, ich benötigte auf dem Weg in die Arbeit einen Schirm.

Heftiger Arbeitstag mit Hochkonzentrationsjobs unterbrochen von telefonischen Querschüssen, ich bekam wegen der vielen Störungen mittags nicht mal meine Zeitung durch. Zum Glück schaffte ich zumindest die großartige Seite 3, auf der Evelyn Roll die Dirigentin Joana Mallwitz porträtierte.

Online leider nur für 1,99 Euro zu lesen.1

Vormittags eine Hand voll Trockenpflaumen, mittags Sahnequark mit Joghurt (musste beides weg), nachmittags eine Hand voll Nüsse.

Die paar re:publica-Termine, die ich unbedingt wahrnehmen wollte, schrieb ich mir schnell raus – und vergaß den Zettel in der Arbeit. Auf Sonntagnachmittag im Berliner Hotelzimmer verschoben.

Pünktlicher Feierabend, weil ich daheim verabredet war. Bei Verlassen der Bürogebäudes noch traurige Nachrichten und Abschiede. Auch auf dem Heimweg brauchte ich meinen Schirm.

Zuhause zwei Stunden neue Technikabenteuer für das große Fest, die Aufregung möchte manchmal in Panik umschlagen.

Herr Kaltmamsell hatte für das passende Nachtmahl zum kalten Wetter gesorgt: Suppe mit ein wenig Rinder-Hochrippe und viel Gemüse aus Ernteanteil (Karotten, Kartoffeln, Kohlrabi incl. Grün, Petersilie, Gerstengraupen).

Ich wagte dazu ein Glas Rotwein (Blaufränkisch vom Heinrich).

Völlig erschlagenes Zu-Bett-Gehen. Herrn Kaltmamsell musste ich bald in sein Zimmer bitten, denn die Bandscheibe suchte sich diesen Moment aus, wieder Stufenlage nötig zu machen.

  1. Aber sicher finde ich es in Ordnung, für solchen aufwändigen und guten Journalismus zu zahlen, aber zwei Euro für eine Geschichte finde ich weiterhin viel zu viel. Wann werden deutsche Print-Abo-Medien endlich aufhören, auch online nur in Abos und Print-Abo-Preisen zu denken? Die sieben Euro im Monat für meinen New York Times-Zugang finde ich nämlich ok. []
die Kaltmamsell