Journal Freitag, 9. Februar 2018 – Deborah Feldman, Unorthodox / Freundinnenbesuch

Samstag, 10. Februar 2018 um 10:59

Gestern traf sich unsere kleine Leserunde, um über Deborah Feldmans Unorthodox zu sprechen; eine Mitleserin hatte die Autorin auch kürzlich bei einer Podiumsdiskussion erlebt. Ich war diesmal besonders auf die Urteile und Leseerlebnisse der anderen gespannt, um sie mit meiner sehr gemischten Sicht abzugleichen. Denn ich hatte durch diese Autobiografie zwar viel über die Ideologie und Ursprünge der Hassidim gelernt, auch über die oft haarsträubenden Details der konkreten beschriebenen Spielart. Und ich erkannte das Muster, das sie mit allen radikalreligiösen Sekten und Esoteriken verbindet: Je absurder der Glauben, je weiter weg von Ratio und sonstigem gesellschaftlichem Konsens, desto inniger und richtiger fühlt er sich für die Mitglieder der Gemeinschaft an.

Doch, und jetzt kommt das große Aber: Ich fühlte mich beim Lesen unwohl. Feldman schreibt ja nicht nur intime Details über sich selbst, sondern entblößt bis ins Intimste andere Menschen von Verwandten bis Ehepartner – echte Menschen, die sich nicht wehren konnten. Das ist in meinen Augen unanständig und gemein. Ihre eigene Befreiung ist durchaus interessant und sei ihr unbenommen; schließlich zeigt sich Deborah Feldman überzeugt, dass sie von Kindesbeinen an nicht wirklich dazu passte. Doch dass sie die Privatsphäre so vieler anderer Menschen für ihre Geschichte ausschlachtet, kann ich nicht gut heißen.

Gleichzeitig hatte ich ständig ein Gegenbeispiel im Hinterkopf, wie man die Mechanismen einer hassidischen Gemeinschaft interessant vermitteln kann, ohne jemanden zu bloß zu stellen: Naomi Aldermans Disobedience fiktionialisiert und literarisiert das Thema. Der Roman spielt im Norden Londons unter den dortigen ultraorthodoxen Juden und erzählt die Geschichte einer Rabbinertochter, die einst ausbrach und nun anlässlich des Todes ihres Vaters zurück kommt.

In unserer Leserunde hatten fast alle Feldmans Buch mit ähnlichem Unbehagen gelesen wie ich. Es wurde auch Kritik laut über die große Selbstzentriertheit der Autorin, die sich auf Kosten aller anderen Beschriebenen in möglichst gutem Licht darstelle. Nur eine Mitleserin stand ganz auf Feldmans Seite und fand ihre öffentliche Rache nachvollziehbar und berechtigt.

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Sonst ein ruhiger Arbeitstag, auf dem frostigen Heimweg ging ich im Westend bei einem Laden mit Feinkost und Wein aus Griechenland vorbei, um für den Abend Weißwein zu besorgen. Es wurde ein Nykteri aus Santorini (mineralisch, etwas Holz), der gut zu den beiden Currys passte (Palak Paneer, Auberginen-Kichererbsen-Tomaten-Curry), die wir servierten. Dass daheim beim Mantelablegen die Tasche mit den Einkäufen vom Fenstersims fiel und eine der drei Weinflaschen darin zerbrach, hätte es allerdings nicht gebraucht. (Herr Kaltmamsell hörte mein verzweifeltes “NEIN!”, eilte herbei, schickte mich sofort weg von der Unglücksstelle – “Geh kochen” – und kümmerte sich um die Sauerei.)

Der Übernachtungsbesuch kam erst nachts von seinem Münchenbesuchsanlass zurück, hatte aber schon vorher für herzhaftes Gelächter und für Freude gesorgt. Wir hatten die Freundin darauf hinweisen müssen, dass derzeit das Wasser in unserer Dusch-/Badewanne sehr langsam abläuft (Rohrfrei hatte nichts verbessert) – wir aber noch keine Zeit gefunden hatten, den Spengler kommen zu lassen. Bei meiner Heimkehr lag dieser Zettel im Wohnzimmer:

Große Liebe für diese Freundin. Genau so erlebe ich sie, seit wir uns im ersten Semester kennenlernten: Hinschauen, zupacken, machen – und gleichzeitig genau abschätzen, bei wem sie wie weit gehen kann. Und nachts brachte sie dann auch noch neue Zahnbürsten als Geschenk mit. DARF WIEDERKOMMEN! (*winkt*)

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Interview mit Alexander Gerst, der Anfang Juni zum zweiten Mal zur Internationalen Raumstation ISS fliegt:
“‘Und dann ist es wirklich schön, die Milchstraße zu sehen'”.

Interessant, wie oft Gerst die zwischenmenschliche Komponente betont, wie wichtig es ist, dass die Mitglieder einander wirklich verstehen und wissen, was der oder die andere meint. Zudem die Antwort auf eine Frage, die auch ich mir gestellt habe: Geht man sich auf der ISS nicht zwangsläufig irgendwann auf die Nerven?

Bei meinem letzten Flug gab es wirklich keine Situation, wo wir uns irgendwie richtig angenervt hätten. Das liegt daran, dass wir als Kollegen nicht einfach nur zusammengewürfelt werden. Wir trainieren so lange in den krassesten Situationen, beim Winter Survivaltraining, bei -30 Grad etwa, wo man ohne Schlafsack, ohne Zelt nachts draußen im Schnee sitzt. Da kommen diese Sachen vorher raus. Man lernt sich kennen und weiß, wo der andere vielleicht ein bisschen was für sich braucht. Und dann kommt noch das große Volumen der Raumstation dazu. Die ist ja fast so groß wie eine Boeing 747 – und man ist zu sechst da. Das heißt, es passiert tatsächlich öfter mal, dass man einen halben oder ganzen Tag in irgendeinem Modul arbeitet und fast niemanden sieht. Und da haben wir uns immer wieder auch mal so auf einen Kaffee getroffen, einfach nur, um mal wieder mit den Kollegen zu reden. Relativ wenige Aufgaben macht man zu zweit, und dadurch ist es wirklich schön, wenn man sich sieht.

Sich in einer Raumstation auf einen Kaffee treffen – neues Coolness-Level.

(Beim Lesen habe ich immer mein inneres kreischendes Fangirl im Hinterkopf – das stört tatsächlich manchmal ein bisschen die Konzentration.)

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Der Philosoph Konrad Paul Liessmann im Gespräch:
“Mensch und Arbeit
‘Wir binden alles an Lohnarbeit'”

Man könnte das ja auch so sehen, dass wir so besessen sind vom Paradigma der industriellen Arbeit, dass für uns Dinge nur dann einen Wert haben, oder besser gesagt Tätigkeiten nur dann einen Wert haben, wenn ich sie als Arbeit auffasse.

(…)

Es ist doch paradox, obwohl schon so viel automatisiert wird und in naher Zukunft noch automatisiert werden wird, dass wir nicht das Gefühl haben, wunderbar, da gibt es endlich Maschinen, die uns die Arbeit abnehmen. Ganz im Gegenteil. Wir haben größte Sorge, dass die uns nicht die Arbeit abnehmen, sondern uns die Arbeitsplätze wegnehmen, und da ist insgesamt, was die Rahmenbedingungen unserer Arbeitsorganisation betrifft, offensichtlich etwas schiefgelaufen.

Daran denke ich ja schon länger herum, zum Beispiel an dem Umstand, dass aller technischer Fortschritt keineswegs dazugeführt hat, dass wir weniger Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden. Notfalls erfinden wir Tätigkeiten und Berufsbilder, um einen Platz im Arbeitsleben zu finden, an dem wir Überstunden machen können.

Tatsächlich gelingt es mir, mich immer weniger über meine Erwerbsarbeit zu definieren. Erst kürzlich winkte ich wieder in einem angeregten Gespräch auf die Frage “Und was machst du beruflich?” ab: “Ach, Sekretärin.” Womit ich auf keinen Fall diese Tätigkeit abwerten will, sondern lediglich signalisiere, dass sie in meinem Leben keine bedeutende Rolle spielt und ich nicht weiter darauf eingehen werde.
Dummerweise hindert mich dieser Fortschritt nicht daran, mich dieser Erwerbstätigkeit sehr verpflichtet zu fühlen; zum Beispiel habe ich bis heute ein schlechtes Gewissen, wenn ich zuweilen andere Belange priorisiere.

die Kaltmamsell

Journal Donnerstag, 8.9. Februar 2018 – Müde im Schnee

Freitag, 9. Februar 2018 um 6:25

Erschlagen und sterbensmüde aufgewacht: Trotz Ibu hatten mich die Hüft- und Beinschmerzen über weite Teile der Nacht vom Schlafen abgehalten. Ich hatte bald ein paar Decken gestapelt, um meine Beine in LWS-entlastende Stufenlage zu bringen – was tatsächlich schnell die Schmerzen beseitigte, doch in dieser Haltung kann ich halt nicht schlafen. Also verbrachte ich die Nacht abwechselnd zwischen Stufenlage, bis ich schmerzfrei war, und Seitenlage fürs Schlafen, bis mich Schmerzen aufweckten.
Wird auch wieder besser.

Arbeitsweg durch Schnee und leichten Schneefall.

Den lustigen Muskelkater, der sich über den Tag vor allem im Bereich der Leisten entwickelte, führte ich auf die Anstrengung der rutschigen Arbeitswege zurück.

Auf dem Heimweg reichlich für Abendeinladung am Freitag eingekauft und heimgeschleppt. Zu Hause Vorbereitungen für Freitagabend, zum Abendessen Feldsalat aus Ernteanteil mit gekochten Eiern und gebratenen Champignons und Walnüssen. Gekruscht und geräumt, bis nachts Übernachtungsbesuch kam.

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Ein Wissenschaftsjournalist des Atlantic, Ed Yong, macht Ernst:
“I Spent Two Years Trying to Fix the Gender Imbalance in My Stories”.

via @fraeulein_tessa

Women in science face a gauntlet of well-documented systemic biases. They face long-standing stereotypes about their intelligence and scientific acumen. They need better college grades to get the same prestige as equally skilled men, they receive less mentoring, they’re rated as less competent and less employable than equally qualified men, they’re less likely to be invited to give talks, they earn less than their male peers, and they have to deal with significant levels of harassment and abuse.

Gender biases are also entrenched in the media, where, in the words of the sociologist Gaye Tuchman, women are being “symbolically annihilated.” As Adrienne noted in her piece, “both in newsrooms and in news articles, men are leaders—they make more money, get more bylines, spend more time on camera, and are quoted far more often than women.” Again, there’s plenty of data on this. Several analyses show that in news stories, male voices outnumber female ones, typically by a factor of three

Im Originalartikel ist jedes Detail dieser Aussagen mit Belegen verlinkt.
Also versucht Yong gegenzuarbeiten.

Crucially, I tracked how I was doing in a simple spreadsheet. I can’t overstate the importance of that: It is a vaccine against self-delusion. It prevents me from wrongly believing that all is well. I’ve been doing this for two years now.

(…)

For the first year, I also tracked the number of people whom I asked for an interview, to check if I was actually contacting men and women in equal numbers and simply receiving a skewed set of replies. That wasn’t the case: In early 2016, women accounted for just 30 percent of people whom I contacted. As the year went on, I found that I would need to contact around 1.3 men to get one male quote, and around 1.6 women to get one female one.

Er betont allerdings:

Finding diverse sources, and tracking them, takes time, but not that much time.

die Kaltmamsell

Journal Mittwoch, 7. Februar 2018 – So richtig Schnee

Donnerstag, 8. Februar 2018 um 6:51

Gestern war in München der erste richtige Schneetag: Hellgraues Schneelicht den ganzen Tag, und ab dem frühen Nachmittag scheite es dann auch leicht in kleinen Flocken. Dazu war es frostig, ich fror im Büro – was ungewöhnlich ist: Ich bin seit Jahrzehnten gewohnt, dass mein Büroarbeitsplatz wärmer ist als meine Wohnung und besitze gar keine wirklich warme Bürokleidung.

Nach Feierabend spazierte ich zum Sport, über den Schnee mit rutschigen Schuhen und viel Körperspannung, um nicht auf die Schnauze zu Fallen.

Zum ersten Mal Langhanteltraining Hot Iron in neuer Umgebung. Anderer, viel größerer Raum (darin Steinsäulen mit die Jugenstilverzierungen unterm Kapitel), andere Ausrüstung, größter Unterschied aber: Mit! Männern! Und zwar über ein breites Altersspektrum hinweg. Das führte unter anderem dazu, dass die Vorturnerin uns mit “Leute” ansprach (gewohnt bin ich “Ladies!”) und bei den Gewichtempfehlungen für die Übungen zwischen Männern und Frauen unterschied.

Es war eine Anfängerstunde, also kam ich gut mit, allerdings quälte mich schon beim Aufwärmen die LWS mit Hüftschmerzen. Die Vorturnerin überzog, ich kam erst um dreiviertel neun heim. Da bleibt ja gar kein Feierabend.

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Reden wir über Geld. Zum Beispiel mit einer jungen Lehrstuhlinhaberin an einer europäischen Uni.

die Kaltmamsell

Journal Dienstag, 6. Februar 2018 – Evidenz für Weltuntergang durch Technik

Mittwoch, 7. Februar 2018 um 6:34

Ein weiterer frostiger Tag mit Sonne dazwischen.
Zu Mittag am Schreibtisch Kartoffelsalat, nachmittags Banane mit Hüttenkäse, damit ich auf der Einkaufsrunde nach Feierabend nicht hungere und am End’ Blödsinn kaufe.

Leichte und veschiedene Muskelkater von Sport am Sonntag und Montag, ich akzeptiere nach Monaten, dass die LWS-bedingten Hüftschmerzen sich erst mal dauerhaft eingerichtet haben (so lange ich nur alle paar Wochen eine Ibu brauche, damit sie mich nicht vom Schlafen abhalten, kann ich damit leben).

Am Wochenende hatte ich angekündigt, das Weißkraut aus Ernteanteil zu einem Krautstrudel aus Österreich vegetarisch zu verarbeiten – wie so oft war es dann doch Herr Kaltmamsell, der sich tatsächlich aufraffte.

Im Bett wieder mal begonnen, einen alten Bekannten wiederzulesen (so komme ich natürlich zu nichts, wenn ich wiederlese statt all die spannenden Bücher neu zu lesen, die ich auf Stapeln und Listen habe): Sue Townsend, The Secret Diary of Adrian Mole aged 13 3/4. Mich gleich wieder an der wunderbaren indirekten Charakterisierung und Informationsvermittlung durch die komplett unzuverlässige Erzählinstanz gefreut.

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Evidenz – das Zauberwort für Leute wie mich, die zwar genauso gerne rummeinen wie alle anderen, bei Klagen über Untergang der Zivilisation durch Technik und damit verbundenen Aufrufen zu Protest oder Gegenwehr gerne erst mal für die benannten Missstände Belege sähen, die sie dann “handfest” nennen.

Deshalb freute mich Andrea Dieners FAZ-Artikel zu einer Tagung über deutsche Schreibschulen, “Irgendwie radikal, politisch und rebellisch soll es halt schon sein” (online nur gegen €):

Von 1995 an, also seit Eröffnung des deutschen Literaturinstituts in Leipzig, geistert die Befürchtung durch die Feuilletons, eine Schreibausbildung forme eine typische Ästhetik und befördere vor allem Autoren, die nichts selbst erlebt hätten.

(…)

Die Forschungslage dazu ist erstaunlicherweise dünn bis nicht vorhanden, die Feuilletondebatten dazu sind umso meinungsstärker.

Und deshalb freut mich der Hinweis von @kathrinpassig auf einen Artikel in Wired über “Tech Addiction”:
“It’s Time For a Serious Talk About the Science of Tech ‘Addiction'”.

Kurzfassung:

What you’re missing, he says, is the only thing that matters: direct evidence.

Die interessante Analogie, die hier zu Arbeitszwecken gewählt wird:

Of course, we’ve been here before. Anxieties over technology’s impact on society are as old as society itself; video games, television, radio, the telegraph, even the written word—they were all, at one time, scapegoats or harbingers of humanity’s cognitive, creative, emotional, and cultural dissolution. But the apprehension over smartphones, apps, and seductive algorithms is different. So different, in fact, that our treatment of past technologies fails to be instructive.

A better analogy is our modern love-hate relationship with food. When grappling with the promises and pitfalls of our digital devices, it helps to understand the similarities between our technological diets and our literal ones.

Denn selbstverständlich gibt es ja Essstörungen – doch wir würden niemanden als essgestört bezeichnen, weil sie mehrfach am Tag ganz dringend Nahrung haben wollen.

Die Datenlage zur angeblich zerstörerischen Wirkung von Kommunikationstechnik und daraus abgeleitete Kausalitäten sind nämlich mehr als wacklig, z.B. die viel verbreitete Beobachtung, Social Media mache Jugendliche depressiv.

“I have the data set they used open in front of me, and I submit to you that, based on that same data set, eating potatoes has the exact same negative effect on depression. That the negative impact of listening to music is 13 times larger than the effect of social media.”

In datasets as large as these, it’s easy for weak correlational signals to emerge from the noise. And a correlation tells us nothing about whether new-media screen time actually causes sadness or depression. Which are the same problems scientists confront in nutritional research, much of which is based on similarly large, observational work. If a population develops diabetes but surveys show they’re eating sugar, drinking alcohol, sipping out of BPA-laden straws, and consuming calories to excess, which dietary variable is to blame? It could just as easily be none or all of the above.

die Kaltmamsell

Journal Montag, 5. Februar 2018 – Neue Sportkultur

Dienstag, 6. Februar 2018 um 6:42

Ein kalter Tag, auf dem Weg in die Arbeit knirschte Frost unter meinen Stiefeln. Doch es schien auch die Sonne und war noch nicht dunkel, als ich um halb sechs zum Sport ging.

Nämlich zur ersten Step-Stunde in neuer Umgebung. Sie war in Ordnung, die Schau stahl der Gymnastikraum aus dem 19. Jahrhundert, in dem sie stattfand. Zuvor hatte ich mich auf einem Crosstrainer warm gestrampelt; er stand auf einer Galerie über der großen Turnhalle, in der gerade interessanter Gruppensport stattfand – könnte ich auch mal mitmachen.

Auch Umkleide und Duschen sind anders, als ich sie vom Fitnessstudio gewohnt bin: deutlich größer, zwischen den Spinden stehen Bänke mit Kleiderhaken und erinnern mich an den Schulsportunterricht. Klar müssen sie größere Menschenmengen abfertigen, die sich zwischen den verschiedensten Sportarten kreuzen. Zum Beispiel musste ich mich sehr zusammenreißen, die jungen Fechterinnen nicht anzustarren – zum einen finde ich Fechterinnen toll, zum anderen war ich neugierig, aus welchen Details ihre Sportkleidung wohl besteht. Das werde ich durch diskretes Rüberlinsen schon noch herausfinden.

Unerwarteterweise war Herr Kaltmamsell an diesem Abend daheim (kurzfristig abgesagte Verabredung). Zu dem Kartoffelsalat, den ich am Vorabend vorbereitet hatte, hatte er Würschtl mitgebracht.

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Welche verheerende Folgen Tabus haben können – und wie ein Mann in Indien durch die Entwicklung preisgünstiger Monatsbinden Geschichte schrieb. Aus der jetzt ein Film wird:
“India’s sanitary towel hero Pad Man bound for Bollywood glory”.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/-K9ujx8vO_A

via @MlleReadOn

die Kaltmamsell

Journal Sonntag, 4. Februar 2018 – Isarlauf im Schnee und Phantom Thread

Montag, 5. Februar 2018 um 6:35

Aussssgeschlaaaaafennnnn…
Das war schön.

Nach dem Bloggen machte ich mich auf zum Isarlauf, endlich wieder. Es wirbelten kleine Schneeflocken, doch die Luft war nicht frostig. Ich lief zwei Stunden lang, entspannt und nahezu schmerzfrei – Wohltat vor allem für meine Seele, es gab Einiges aus den vergangenen beiden Wochen zu verarbeiten.

Schreck über den vielen Windbruch zwischen Thalkirchen und der Großhesseloher Brücke: So viele gefällte Bäume!

Auf dem Südfriedhof setzten die Krokusse bereits großflächig zum Tanz an.

Am Westermühlbach (pst: der Bach, der sichtbar durchs Glockebachviertel fließt, heißt nicht Glockenbach – Klugscheißermunition, bitte gerne) flächendeckend Winterlinge, mit leicht pikiertem Blick auf den Schnee.

Ich bekam sogar ein bisserl Sonne.
Auf den letzten Metern Semmeln besorgt, daheim gefrühstückt.

Im City-Kino ums Eck Phantom Thread angeschaut. Hm, ein bisschen mehr Geschichte hätte es schon sein dürfen, und so gut Vicky Krieps als Alma besetzt war (weil keine Filmschönheit) und schauspielte: Diese zentrale Figur ist dem Drehbuch praktisch keinen Hintergrund wert. Die interessantere Beziehung ist ohnehin die zwischen der Hauptfigur Reynolds und seiner Schwester Cyril.
Als ich vor ein paar Wochen den ersten Trailer des Films sah, konnte ich schier nicht glauben, dass Uber Method Actor Daniel Day-Lewis ausgerechnet damit seine Laufbahn beenden wollte (andererseits hat er ja auch Last of the Mohicans gemacht, den ich ihm immer noch nicht verzeihe): Die abgenudelte Künstler-und-seine-Muse-Arie? Klar spielt er großartig, kann er ja gar nicht anders – doch tatsächlich hätte mich mehr beeindruckt, wenn er zum Abschied irgendwas ganz Gewöhnliches gespielt hätte, zum Beispiel einen überforderten Familienvater wie George Clooney in The Decendants. Verdacht: Day-Lewis wollte nach Schuhmachen und Metzgern auch noch das Schneiderhandwerk lernen, und Phantom Thread gab ihm den Vorwand dafür.
Schöne orchestrale Musik passend zur Zeit der Handlung von Jonny Greenwood.

Als ich aus dem Kino kam, hatte es nochmal geschneit (und war um halb sechs noch nicht ganz dunkel \o/).

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Die lange Geschichte einer Drogenkrankheit, erzählt von dem Fotojournalisten, der in den 1990 Obdachlose fotografierte und eine ikonische Aufnahme machte.
“The search for Jackie Wallace”.

A New Orleans football legend reached the pinnacle of the sport.
Then everything came crashing down.
This is the story of his downfall, redemption – and disapperance.

via @ankegroener

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Hier beschreibt Kathrin Passig am konkreten Beispiel, wie Menschen Computerprobleme lösen, die von kompletten Nullcheckerbunnys wie mir für Expertinnen gehalten werden – weil Dinge nach ihrem Eingreifen funktionieren, die vorher nicht funktionierten.
“Debugging ohne Kapuzenshirt und Ahnung (dafür mit Blasmusikbegleitung)”.

Das deckt sich mit der wiederholten Antwort auf meine lernwillige Frage: “Wie hast du das jetzt gemacht?” Ehrliche Menschen antworten darauf nämlich meist: “Ich habe alle Menüpunkte mal aufgemacht und so lange rumprobiert und rumgeklickt, bis es wieder funktionierte.” (Wobei, wie Anne Schüßler zitiert wird: “Natürlich hilft es, wenn man sich ein bisschen auskennt”.)

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Was man im Marketing über andere Kulturen lernen kann – zum Beispiel wenn Kampagnen überhaupt nicht funktionieren:
“Aiming at China’s Armpits: When Foreign Brands Misfire”.

via @kscheib

die Kaltmamsell

Journal Samstag, 3. Februar 2018 – Nichtengeburtstag und Stadtteilsemiotik

Sonntag, 4. Februar 2018 um 9:25

Wecker gestellt und arbeitsfrüh aufgestanden, weil ich zum Nichtengeburtstag zum Frühstück eingeladen war. Austausch mit Herrn Kaltmamsell über die erste Folge Monaco Franze, die wir uns am Vorabend angesehen hatten: Darin analysieren Franz Münchinger und sein Kollege Kopfeck, wo die junge Frau wohnen könnte, die Franz am Vorabend angesprochen hat. Es ist hochinteressant, welche ihrer Eigenschaften sie welchem Münchner Stadtteil zuordnen, bis sie in ihrer Analyse zur Gewissheit kommen, dass sie am Harras wohnen muss. Umgekehrt überlegt dann die Elli mit ihrer Kollegin, wo wohl der Herr wohnt, der sie angesprochen hat – auch hier hochinteressante Zuordnung von Detailbeobachtungen am Menschen, (deren Fehlinterpretation,) und Münchner Gegend. Ich frage mich, ob alteingesessene Münchnerinnen oder Münchner das heute auch noch könnten oder auch nur versuchten – lesen hier welche mit und können das beantworten?

Abgesehen davon war ich beim Monaco Franze-Schauen ganz begeistert gewesen, wie gut sich die Serie gehalten hatte, von Geschichte und Erzähltechniken über Dialoge bis Schauspielerei.

Auf der Bahnfahrt sah ich dekorativen Schnee in Ackerfurchen, und wenn ich ein Symbol für die Landschaft vorzeigen sollte, die für mich Herkunft/Heimat bedeteutet, würde ich auf Hopfengärten deuten.

Es war ein schönes Geburtstagsfrühstück, die Nichte hatte das Buffet zu ihrem 13. selbst geplant und ihrer Mutter sogar Einkaufslisten bereit gestellt. Es war viel Familie da, dazu kam die Taufpatenfamilie.

Heimfahrt am frühen Nachmittag, das ließ mir genug Zeit zum Bügeln und für die Lektüre von Deborah Feldmans Unorthodox, über das wir in unserer Leserunde sprechen werden.

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Das Propagandaplakat mit Rosie the riveter (“We Can Do It!”) wurde ikonisch. Die New York Times zeichnet detailiert die Suche nach dem Vorbild für das Poster nach – anlässlich ihres Todes.
“Naomi Parker Fraley, the Real Rosie the Riveter, Dies at 96”.

die Kaltmamsell