Archiv für November 2006

Auf meinem Weg in die Arbeit (40): Lokführerin, fast

Donnerstag, 30. November 2006

ice_cockpit.jpg

Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so weit vorn überhaupt Sitze gibt – und wüsste es auch heute nicht, hätte mich eine Reservierung nicht dorthin gebracht. (München-Köln mit Umsteigen in Mannheim, am nächsten Tag Köln-München direkt, jeweils auf die Sekunde pünktlich. Ist ja auch normal, wird bloß nie erwähnt.)

Minutenmenschen

Donnerstag, 30. November 2006

Der Mega-Nerd, klapperdürr, weißer enger Rolli, Blutflecken auf dem Rollkragen, die bereits braun sind. Aber ganz sicher Blutflecken: Seine hohlen Wangen und das Kinn sind übersät mit Rasierschnitten, die sich auch über den sichtbaren Teil des Hühnerhalses ausbreiten. Früh-ältlich, natürlich mit schütteren blonden Haarflusen und einer dickglasigen Nickelbrille. Nach einem „Hallo“ sagt er erst mal gar nichts, schiebt nur einen bunten Tintenstrahl-Ausdruck seines Lebenslaufs über den Stehtisch in meine Richtung.

Die große, sehr schlanke Frau mit russischem Namen auf dem Schild am Revers, chinesischen Gesichtszügen, von Stirn bis Kinn und von Ohr zu Ohr voller Sommersprossen, schwarzer Pagenkopf.

Der Jungmann, zu dem mir während des Gesprächs unaufhörlich das Attribut smarmy* durch den Kopf geht, dessen Freundlichkeit eine unerschütterliche Selbstüberzeugtheit enthält, die ich hauptsächlich von religiösen Fanatikern kenne. Und – bingo! – er kommt von der einen bayrischen Wirtschaftsfakultät, woher ich ihn bereits nach den ersten Worten vermute.

Der schratartig vollverhaarte Nicht-mehr-so-jung-Mann in hellgrünem Dreiteiler, der nach kurzer und konfuser Einleitung A0-große selbsterstellte Poster ausrollt. Dessen Arme zu kurz sind, um sie mir ganz vor die Nase zu halten, und der deshalb zum Ausbreiten auf den Hallenboden ausweicht.

Ein fröhlicher Inder, der seit seiner Jugend davon geträumt hat, genau hier zu sein, genau dieses Gespräch zu führen. Und der genau der ist, von dem mein Arbeitgeber träumt. Wir wollen vor lauter gegenseitiger Begeisterung schier nicht auseinander gehen.

(Zum ersten Mal als echtes Standpersonal auf einer Messe. Sieben Stunden – zwei Unterbrechungen zum Wassertrinken – nur mit erhobener Stimme geredet, alle paar Minuten mit einem anderen unbekannten Menschen. Die bestialischen Halsschmerzen am Abend kamen glücklichereweise nur von einer offensichtlich falschen Sprechtechnik, nicht von einem Infekt.)

*nein, ich weiß keine deutsche Entsprechung, die auch noch exakt nach dem klingt, was sie bezeichnet

Novembersonntag

Sonntag, 26. November 2006

novembermittag.jpg

Mittagssonne beim Joggen.

Nachmittags in der Antikensammlung, eine bereichernde Führung zur Ausstellung „Mythos Troia“ erwischt. Bereichernd unter anderem, weil ich einen winzigen Einblick in den aktuellen Stand der Homer-Forschung bekam.
Der hübsche blonde Primaner an der Seite seiner Mutter ist allerdings wohl hiermit für die Antike verloren: Immer wieder versuchte er, mit Fragen an den führenden Altphilologen Details des Troia-Films zu verifizieren – und der Fachmann bot ihm lediglich Textkenntnis der Illias an. Historisch, so musste er ihn enttäuschen, habe es diesen Krieg gar nicht gegeben; nicht mal mit der Bronzezeit, in der sie vorgeblich angesiedelt ist, habe die Geschichte irgendwas zu tun.
(Auf dem Bild die heute dicht besessene Glyptothek, gegenüber der verschatteten Antikensammlung.)

glyptothek.jpg

Diätterror – die Serie (13): Nix gwieß woaß ma net

Samstag, 25. November 2006

Wieder ein ausführlicher Artikel, der meine Hoffnung nährt, der Ernährungs- und Diätterror unserer Gesellschaft könnte endlich Genuss und Entspannung weichen: “Einfach essen” in der Zeit. Gegen die Erfüllung meiner Hoffnung spricht die Konsequenz der einzigen drei belegbaren Ernährungsweisheiten:

»Esst weniger. Bewegt euch mehr. Und esst reichlich Obst und Gemüse.« Damit lassen sich keine Diätbücher verkaufen. Im Gegenteil, es macht die meisten davon überflüssig.

via brainfarts

ältere Folgen Diätterror (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12)

Bond ohne James

Freitag, 24. November 2006

Ich habe bisher alle Bond-Darsteller mitgespielt. Der einzig wahre ist selbstverständlich Sean Connery (nein, dazu darf nicht halt jeder seine eigene Meinung haben!). Aber ich habe Roger Moore akzeptiert, obwohl sein teigiger Körper mich immer Schweißfüße bei ihm vermuten hat lassen, obwohl ich ihm den Lebemann abnahm, das Athletentum nicht im geringsten. (Meine spanische Tante Luci schwärmte für ihn und sprach seinen Namen konsequent spanisch „Rocher More“ aus.)
Den Herrn Lazenby kenne ich nur aus dem Augenwinkel, doch er sieht britisch, elegant, clever und sportlich aus, kann zudem gute Umgangsformen simulieren – gekauft. Timothy Dalton habe ich ebenfalls gutwillig hingenommen: Ein James Bond mit augenscheinlich chronischen Magenschmerzen, von mir aus. Als Romanleserin bin ich in suspension of disbelief geübt.
Beim Wechsel zu Pierce Brosnan kam endlich wieder echte Freude auf: Der hatte nicht nur keine Magenschmerzen, sondern zudem eine unzerstörbare Fönfrisur und genaus das Quäntchen Lässigkeit, das ein Bond unbedingt braucht.

Aber jetzt? Daniel Craig? DANIEL CRAIG? Dieser Automechaniker-Typ? Ein weißrussischer Automechaniker soll so tun, als kenne er sich mit Brandys und Weinen aus, mit Frauen, Bartok und Stochastik? Neeeee, das hab ich ihm nicht eine Sekunde abgenommen.

Casino Royal ist trotzdem ein sehr schöner Bond-Film geworden, allein schon wegen der vielen Poker-Szenen (für meinen Geschmack hätte die Kamera allerdings gerne länger auf den offenen Karten bleiben können, so zum Mitdenken). Großer Respekt fürs Drehbuch, weil nicht ein Royal Flush dabei war (wenn sonst in Filmen gepokert wird, hat der Gewinner immer einen Royal Flush). Wenn Sie Bond-Filme mögen, schaun Sie Ihn sich an: Es ist unglaublich, was diesmal wieder alles kaputt gemacht wird; der Showdown war mir ein hörbares „Boah!“ wert (sorry, netter alter Herr neben mir).

Nachtrag: Für die Grönerin haben sie offensichtlich extra einen ganz anderen Bond-Film gedreht und nur ihr gezeigt. Vor allem haben sie eigens für sie einen anderen Hauptdarsteller verwendet. (Unsterbliche Bloggerinnen-Fehden gingen schon wegen weit weniger Wichtigem in die Geschichte ein.)

Nachtrag zu „Hilflosigkeit ist sexy“

Donnerstag, 23. November 2006

Sie dachten vielleicht, ich mache Spaß, als ich hier schrieb, ich hätte mich in Hilflosigkeit coachen lassen. Tatsächlich war ich nur meiner Zeit voraus. In Russland gibt es nun Kurse in „Bitchology“, denn: „A smart woman gets what she wants by pretending to be weak.

So kommen wir Frauen ans Ziel unserer aller Träume, nämlich: “Great sex, money and a man who looks after you.”
(Widerspruch, meine Damen, ist völlig zwecklos. Damit würden Sie nur beweisen, dass es Ihnen an Weiblichkeit gebricht.)

Via feministing

Heute schon gelernt

Mittwoch, 22. November 2006

(Und es ist noch nicht mal drei!)

An einem November-Mittwoch kurz vor fünf in der Früh sitzen in den öffentlichen Verkehrsmitteln Münchens erheblich mehr abgeerntete Nachschwärmer als verschlafene Frühschichtler. Vielleicht macht das die Großstadt aus: In den drei Provinzstädten, in denen ich gewohnt habe, war’s andersrum. (Raten Sie mal, zu welcher Gruppe ich Naturspießerin-is-my-middle-name gehörte.)

Die Computer-Hotline bekommt montags etwa 30 % mehr Anrufe als an den anderen Wochentagen, weil User übers Wochenende gerne mal ihr Passwort vergessen.

Für die Fotoapparat-Beschaffung gibt’s einen Workflow.

Die Frau, die vor 20 Jahren meinen Namen trug und regelmäßig ohne große Probleme um 5 Uhr zur Radio-Frühschicht antrat, ist mir völlig fremd (manchmal habe ich vorher sogar noch bei der Polizei-Leitstelle vorbeigeschaut, um mir die Vorkommnisse der Nacht persönlich abzuholen!).

Wenn sich Landeier, die wahrscheinlich mit 15 ein Mofa hatten, mit 16 ein Moped und mit 18 ein Auto, ein Bürogebäude aussuchen, kann das schon mal 45 Fußminuten von der nächsten S-Bahn-Station weg liegen.