Archiv für November 2006

Frequently Asked Questions

Dienstag, 21. November 2006

(Weils wohl Zeit dafür ist.)

Warum heißt diese Website Vorspeisenplatte?
1. Weil ich das Wort so schön fand und die Domain www.vorspeisenplatte.de überraschenderweise noch zu haben war.
2. Weil das Blog auch eine Ecke mit Rezepten haben sollte.
3. Weil mein Blog genau das ist: Eine Plattform für die Veröffentlichung von Appetithäppchen; nur in ganz seltenen Ausnahmen gibt es hier ausführlich aufbereitete und umfassende Hauptspeisen.

Wieso nennst du dich „die Kaltmamsell“?
Weil mein Blog Vorspeisenplatte heißt. Diese wird traditionell serviert von einer Kaltmamsell.

Wen interessiert denn schon, was du hier schreibst?
Meine Leserinnen und Leser. Wer sich langweilt, kommt nicht wieder. Hoffentlich. Bitte.

Ich möchte dein Blog gern verlinken. Darf ich?
Nur zu, das hier ist das Internet: Links brauchen keine Erlaubnis, auch wenn nicht mal das Fraunhofer Institut das weiß.

Ich möchte für eine Stadtzeitung auch so ein Blog auf die Beine stellen. Hilfst du mir?
Nö.

Ich weiß, wer du in Wirklichkeit bist und wo du arbeitest. Habe ich dich jetzt in der Hand?
Mein Arbeitgeber und mein direkter Vorgesetzter wissen von der Vorspeisenplatte und können hier mitlesen. Ich müsste mich also eher vor Ihnen fürchten, wenn Sie mich auf der Hochzeit meines jüngsten Schwagers erlebt hätten.

Warum bloggst du dann unter Pseudonym?
Ich möchte meine berufliche und meine bloggende Rolle auseinander halten.

Hast du denn nichts Besseres mit deiner Zeit anzufangen?
Nein, eigentlich nicht. Andere Leute bauen den Eifelturm mit Streichhölzern nach. Oder sie fernsehen.

Ich möchte auch gern bloggen. Welchen Anbieter empfiehlst du mir?
Davon verstehe ich nichts. Ich bin hier mit eigener Domain und selbst gemietetem Webspace unterwegs, mein Blogheinzelmännchen hat mir WordPress angepasst.
Vielleicht finden Sie hier und hier nützliche Tipps.

(Das mit dem “frequently” ist gelogen, die meisten dieser Fragen wurden mir höchstens ein, zwei Mal gestellt. Aber so machen wir PR-Schicksen das halt: Wenn wir etwas anbringen wollen, tun wir einfach so, als hätte uns jemand gefragt.)

Yver, vous n’estes qu’un vilain

Montag, 20. November 2006

Wir haben 20. November. Zu dieser Zeit im Jahr und wohnhaft in Zentraleuropa will ich nicht nachts vom Fiepen einer Stechmücke geweckt werden (standrechtliche Erschlagung des Insekt heute Morgen gegen 6:57 Uhr, hätt’ ma uns halt evolutionsmäßig a bissl anstrengen müssen, gell). Auch will ich auf keinen Fall im Büro vom Brummen einer grünschlillernden Riesenfliege genervt werden, die sich in die Neonröhre direkt über mir verliebt hat.

Wochenendreport: 60. Geburtstag, Scoop, Weibergschichtn

Montag, 20. November 2006

Na prima, jetzt reagiere ich auf Ständchen, Einlagen und Spielchen mit Gästebeteiligung bei Feiern zum 60. Geburtstag schon ähnlich allergisch wie bei Hochzeiten. Ein Lehrerkollege des Mitbewohners feierte Samstagabend im hinterstarnbergischen Niemandsland; sonst drücke ich mich um berufliche „Mit-Partner“-Einladungen, da ich diesen konkreten Kollegen aber auch selbst ein bisschen kenne, nahm ich an. Ich hatte im Ohr, dass der Mitbewohner „keine Geschenke und keine Einlagen“ angekündigt hatte, war also richtig entspannt. Nur war der zweite Teil der Ankündigung lediglich eingebildet. Erste selbstgedichtete Liedlein und den gemeinsamen Glückwunsch-Kanon verkraftete ich noch ganz gut, doch dann sollte ich fotografiert werden und eine Seite in einem Fotoalbum gestalten (typische Hochzeitsgast-Anforderung). Ich verweigerte (im Sinne von Sprungpferd vor Hindernis). Mein Unbehagen stieg, als erst ein Gedicht zu Gehör gebracht wurde über Männer, die nur durchs Arschkriechen Karriere machen (wenn auch anmoderiert mit dem Hinweis, der folgende Vortrag passe ja gar nicht zum Jubilar), dann ein Lehrerkollege viele, viele, viele Gstanzl sang, die sich samt und sonders um die auffallend gute Beziehung des Gastgebers zu Frauen, Mädchen, Schülerinnen, Kolleginnen drehten.
Auf der Rückfahrt betonte die uns mitnehmende Mitbewohnerskollegin, wie sehr diese Art des Feierns einem „stumpf Rumsitzen und Essen“ vorzuziehen sei. Ich halte stumpf rumsitzen und essen für gründlich unterbewertet.

Bin immer noch irritiert, dass Scoop mit „Von dem Regisseur von Matchpoint“ verkauft wird. Ist es wirklich schon so weit, dass das das Mainstream-Kinopublikum mit dem Namen Woody Allen nichts mehr anfangen kann? Oder, wahrscheinlicher, hat sich Herr Allen da einen Scherz erlaubt?
So oder so: Feiner Film, eine Krimi-Komödie mit grotesker Allen-Note. Hugh Jackman ist ohne Koteletten zwar kaum wiederzuerkennen, aber nicht weniger lecker (in einer Szene wäre ich wahnsinnig gerne Scarlett Johanssons Hand; wissen Sie, welche ich meine?). Und sehr schön, wie er am Ende des Films schlechtes Schauspielern spielt, sowas mag ich ja immer. Woody Allen ist endlich mal wieder selbst dabei und hat nach Langem (ja?) wieder richtig komische Woody-Allen-Dialoge untergebracht. Dann natürlich Scarlett Johansson, die nicht nur ein in allen Lagen schöner Anblick ist (sogar in den größtenteils unmöglichen Klamotten, die sie in diesem Film tragen muss), sondern sich als hinreißende Komödiantin entpuppt. Meine Lieblingseinstellung: Sondra sitzt recherchierend vor dem Computer, ihr Gesicht groß von vorne, es wird vom Monitor beleuchtet, der sich in ihrer unmodischen Brille spiegelt, sie hat den Mund leicht geöffnet und lässt versunken ihre Zahnspange klappern.

Shooting Star des gestrigen Münchner Bloglesens: Miss M. von Spruced. Der Vorleseneuling aus eigentlich Hamburg stellte sich als große Bereicherung heraus und machte dem Publikum ganz offensichtlich viel Spaß. Ich fand’s eine schöne Veranstaltung, genau das Richtige für Sonntagfrühabend.

Alles übers Putzen

Samstag, 18. November 2006

Genau das brauchte die Welt: Wer sich an Remingtons Putztipps hält, liegt genau richtig. Unter anderem bei:

Vertrauen sie Ihrer Intuition. Ein fester Plan, was wann wie gereinigt oder auch nur umgestellt werden soll, wird todsicher scheitern. Die Unwägbarkeiten sind unüberschaubar, Überraschungen vorprogrammiert und unberechenbar die Zähigkeit der vorgefundenen Verkrustungen. Jede mehr ins Feine gehende Planung muss da versagen, insofern gleicht das Grundreinigen einer Wohnung in seiner Dynamik einem militärischen Gefecht. Man lernt sowas in ewigen Studiengängen, lauscht jahrelang den Erfahrungen der Alten, büffelt bis zum Irrewerden technische Abläufe und Vorschriften, trainiert wie besengt, rüstet sich aus mit dem Ausgeklügelsten, was die dummgenialsten Gehirne der Menschheit ausgebrütet haben und wenn’s dann knallt, steht man fassungslos im Chaos und hat keine Ahnung, wo zuerst drüberwischen. Also beginnen wir mit dem einfachsten Zimmer.

(Definitiv eines der Postings anderer Blogger, die ich sehr, sehr gerne selbst geschrieben hätte.)

Spanischer Moment

Freitag, 17. November 2006

Weil keine Tassen mehr da waren, habe ich für den verlängerten Espresso zu einem Glas gegriffen – schon wurde daraus ein cortado und rief Erinnerungen an Spanien wach. Ab sofort nur noch im Glas.

cortado_1.jpg

(Sie denken dran, meine Damen und Herren, dass Sonntag um 18 Uhr im MC Müller Weibergschichtn gelesen werden? Ich würde mich sehr über Ihr Zuhören freuen. Sollten Sie selbst eine Bloglesung in München auf die Beine stellen, komme ich auch zum Zuhören, ganz bestimmt.)

Auf meinem Weg in die Arbeit (39):
Novembernebel und ICE

Donnerstag, 16. November 2006

Gestern nach langem mal wieder per ICE in die Arbeit und eine nebelverhangene Holledau zum Sonnenaufgang geschenkt bekommen.

novembermorgen_1.jpg

 

novembermorgen_2.jpg

 

novembermorgen_3.jpg

 

novembermorgen_4.jpg

BoBs – Hintergründe

Mittwoch, 15. November 2006

jury_meeting.jpg

Der größte Gewinn, den ich aus den BoBs-Awards der Deutschen Welle gezogen habe, war der Einblick ins Weltbloggertum. Damit wir alle bei der Auszeichnung nationaler Weblogs mitreden konnten, mussten die Jurymitglieder natürlich recht ausführlich erklären und präsentieren. Und schon da war es ein Fest, die verschiedenen Blogkulturen der Sprachen kennen zu lernen.

In blogaktiveren Ländern als Deutschland haben sich zum Beispiel offensichtlich viel mehr Genres etabliert. Wenn Michael über die spätere chinesische Award-Gewinnerin sagt: „First I though it was just another hospital blog“, wird klar, dass Bloggen aus dem Krankenhaus, das bloggende Verarbeiten schwerer Krankheiten, bereits ein Blog-Genre geworden ist.

In Spanien wiederum ist das Bloggen stark journalistisch und akademisch geprägt; wundert mich nicht, auch hinter der zeitgenössischen spanischen Literatur stehen auffallend viele Journalisten / Dozenten / Ex-Journalisten.

Von Anfang an wurde in den Diskussionen der Jury klar, dass es bei den BoBs in erster Linie um den Inhalt der Blogs gehen würde – inklusive Gesamtidee –, um die Einzigartigkeit (ist das eine unique voice?) und um die Qualität der sprachlichen und fachlichen Präsentation. Wir waren uns einig, dass darin die Errungenschaft des Internet-Publizierens besteht: Jeder hat eine Stimme.

Sehr ermutigend fand ich die Reaktion der anderen Jurymitglieder auf meine Präsentation der deutschen Nominierungen: Sie waren sichtlich beeindruckt, je tiefer ich ihnen die Inhalte und das Profil der Kandidaten erklärte. Auch in der deutschen Bloggerei gibt es Qualität, die sich auf internationalem Parkett sehen lassen kann. (Und ich plaudere sicher keine Interna aus, wenn ich verrate, wie sehr die Jury über Lisa Neuns Zeichnungen lachte – das hier war ein echter Renner – und dass sie immer noch mehr sehen wollte. Die holländische Kollegin Marie-José hat eine gleich in ihrem Blog zitiert.)

Der französische Blogaward ging an einen außergewöhnlichen Öko-Aktivisten, nämlich an ein Blog, das die Auswilderung von Bären und Wölfen in den Pyrennäen behandelt. Anscheinend kloppen sich Befürworter und Gegner dieser Aktion in Frankreich aufs Fürchterlichste und sammeln sich hier online. Lustig an der Präsentation durch Gilles war, dass er das Englische bear hartnäckig wie beer aussprach und wir zunächst von einem Partyblog ausgingen.

Nebendiskussion immer wieder: Wie sehr sollte ins Gewicht fallen, ob ein Blogger fürs Bloggen bezahlt wird oder nicht. Da dieses Thema wohl bereits in den vergangenen beiden Jahren zu Problemen geführt hatte, wollte die Deutsche Welle diesmal mit einer eigenen Kategorie „Corporate Blog“ die bezahlten Blogger einsammeln. Doch zum einen wurde das beim Nominieren nicht so verstanden, zum anderen tauchten Berufsblogger trotzdem in den anderen Kategorien auf. Knackpunkt der Diskussion: Ist die Unabhägigkeit der gesuchten unique voice gewährleistet, wenn jemand fürs Bloggen bezahlt wird (weil das zum Beispiel Teil ihres Redakteursjobs bei einem Printmedium oder beim Fernsehen ist)? Wir sind zu keiner endgültigen Antwort gekommen, die Organisatoren von der Deutschen Welle haben sich aber als Hausaufgaben mitgenommen, dies in der nächsten Wettbewerbsrunde zu thematisieren.

Eine wundervolle Entdeckung war für mich der Gewinner aus Brasilien: Ein Radler, der in Wort und Bild gegen die Dominanz der Autos in brasilianischen Großstädten anschreibt, einfach herrlich.

Die Vorstellung der Nominierungen für den Blogwurst Award verlief erwartungsgemäß heiter: So kam Michael beim Vorübersetzen der Fotostories von „Unusual Real Man“ aus dem Kichern gar nicht mehr heraus.
Oder das „Manifestómetro“, das die Spanier vorschlugen: Drei Journalisten haben eine verlässliche Methode entwickelt, die tatsächliche Beteiligung an Demonstrationen herauszufinden, und zwar mit Hilfe von Google Earth und Fotos der Veranstaltung. José Luis und Ignacio versicherten, dass inzwischen praktisch alle Medien auf die Daten des Manifestómetro zurückgreifen.

An der Runde zum Best Corporate Blog blieb mir sehr die Aktion „Story Corps“ des amerikanischen National Public Radio NPR hängen: Ein Aufnahmestudio fährt durchs Land und lässt die Leute ihre Geschichte erzählen. Das Ergebnis kann man sich über die Website anhören (böte sich doch eigentlich auch für den Bayerischen Rundfunk an, nein?). Da schaue / höre ich sicher künftig öfter rein. Das Blog dazu ist allerdings nichts Herausragendes.

Unter den deutschen Blogs, die ich erst durch die Vorschläge kennen gelernt habe, sind ein paar sofort auf meiner Leseliste gelandet, unter anderem das Psychologieblog: Sachkundige und gut aufbereitete Häppchen zu allen möglichen Psychologie-Themen mit Links zum Weiterlesen. Zum Beispiel eine Systematik innerer Konflikte und worin sie eigentlich bestehen (gefällt mir besonders, weil es mir Munition gegen die meiner Meinung nach nicht existente Unterscheidung Kopf- / Bauchentscheidung liefert. Was die Leute dafür halten, sind einfach nur verschiedene Reflexionsgrade innerer Konflikte.)

Insgesamt, und um die Relationen zu bewahren:
„Die Mehrheit der Internet-User nimmt am Blog-Leben ohnehin nicht teil“, schrieb Gero von Radow im März dieses Jahres, und in Deutschland hat sich das seither ganz sicher nicht geändert. Nicht sicher bin ich mir allerdings, ob das so schlimm ist. Was ist gegen eine deutsche Blogwelt einzuwenden, die vom subjektiven story telling als vielschichtiger Wissensvermittlung geprägt ist? Über die menschliche und emotionale Schiene fahren wir dem gegenseitigen Verständnis und damit dem Weltfrieden leichter entgegen als mit reinem Faktensammeln übereinander.