Archiv für Juni 2007

Madrid ansonsten

Dienstag, 5. Juni 2007

Fünf Ü-Wagen mit Satellitenschüssel auf dem Dach vor unserem Hotel, ein beachtliches Aufgebot an Polizei inklusive Frau mit Schnüffelhund (allesamt seriös aber gut gelaunt) – das kommt davon, wenn man gegenüber vom Außenministerium untergekommen ist. Wir konnten nicht einschätzen, wie besonders dieser Zirkus war, hatten auch kein Problem, uns frei zu bewegen. Abends dann die Nachricht im Fernsehen, dass Frau Rice da war, die US-amerikanische Außenministerin. Unser Pensionsfenster wäre ein Logenplatz gewesen. Das nächste Mal dann.

Madrid hat sich beachtlich gemacht. Bei bisherigen Besuchen war mir die Altstadt immer ausgesprochen überschaubar vorgekommen – mittlerweile weiß ich, dass sich das nur auf den damals sehenswerten Teil bezog. Mittlerweile ist die gesamte Altstadt sehr liebevoll renoviert.

Wie gut die Luft in Madrid geworden ist! Früher habe ich hier abends immer dunkelgrau gerotzt, das ist vorbei.

Chorizo a la Sidra kann dann doch sehr fein sein – wenn er nicht bröslig im Apfelwein rumschwimmt, sondern beim Braten lediglich damit abgelöscht wurde.

Ob schlechte Akkordeonspieler sich eigentlich dessen bewusst sind, welche Glücksgefühle sie zu erzeugen im Stande sind – einfach, indem sie aufhören und weitergehen? (Gedanke im Retiro über einem großen Krug Horchata.)

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Die Plaza Santa Ana (um den Anschein zu erwecken, wir hätten mords einen im Nachtleben drauf gemacht und seien nicht etwa jeden Abend gegen zwölf im Bett gelegen).

Madrid und spanischer Café

Dienstag, 5. Juni 2007

Dass spanischer Café deutlich anders schmeckt als italienischer, hatte ich ja schon lange behauptet. Jetzt weiß ich nicht nur, dass ich mir das keineswegs eingebildet habe, sondern auch, woher dieser andere Geschmack kommt.

In Madrid ging ich in einen großen Ableger der örtlichen Kaffeerösterei Pozo und fragte einen Herrn mit gestutztem Bart und roter Schürze, ob er mir wohl die Unterschiede der verschiedenen Produkte seines Sortiments erklären könne. Das tat er dann auch mit Leidenschaft. In Spanien wird unterschieden zwischen tueste naturál, also einfacher Röstung, und tueste torrefacto, das ist Röstung mit Zucker. Der mitgeröstete Zucker, so führte der Herr in Schürze aus, mache den Café kräftiger und dunkler, aber auch säurehaltiger. Er demonstrierte den Effekt mit einer Kaffeebohne tueste torrefacto, indem er seine Handfläche anfeuchtete und die Bohne daran rieb: Sie färbte dunkelbraun. Die Bohne tueste naturál färbte nicht. Die verschiedenen Sorten des Sortiments Pozo bestanden aus verschiedenen Mischungsverhältnissen der beiden Röstarten. Ich nahm mir vier davon mit und werde daheim testen.

Auf meine Frage bestätigte der Herr auch, dass nur die Spanier die Röstung mit Zucker anwenden – halt, verbesserte er sich, auch die Portugiesen machten das. Allerdings, und hier hob er die Augenbraue, verwendeten die Portugiesen dafür keine feinen Arabica-Bohnen, sondern die minderwertigen Robusta.

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Madrid erlaufen

Samstag, 2. Juni 2007

Am liebsten jogge ich Flüsse entlang; in Madrid wäre also der Manzanares nächstliegend gewesen. Doch obwohl mein Vater als Kind in den wenigen Wassern des Manzanares seine ersten Schwimmversuche gemacht hat (erfolglos, er musste vor dem Ertrinken gerettet werden), konnte ich mich mit dem Gedanken an einen Lauf zwischen betoniertem Flussbett und Stadtautobahn nicht anfreunden. Nahm ich also statt dessen den Parque del buen retiro, in Madrid kurz „Retiro“ genannt. Etwas unterschätzt hatte ich die Größe: Eine große Runde reichte inklusive Anlauf und Rücklauf vom und zum Hotel für eine gute Stunde.

Da gibt es Tauben und Spatzen und Stare und Amseln und viele andere Jogger, fast ausschließlich männlicher Natur, am Stamm einer eher kümmerlichen Palme saß ein Buntspecht. Der Retiro ist ein wunderbares Beispiel für den Wandel in Madrid. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Besuche dort mit Familie in den 70ern, als der Park verkommen war und ungepflegt. Jetzt ist er ein echtes Juwel, mit vielen schönen Kinderspielplätzen, einem eigenen Hundebereich (dass die Madrilenen einst brav mit schwarzen Tütchen den Kot ihrer Hunde einsammeln und in spezielle Kübel am Wegesrand werfen würden, hätte ich mir nicht träumen lassen – überhaupt sind die Straßen der Madrider Innenstadt deutlich weniger mit Hundescheiße beschmutzt als die Münchens oder gar Berlins), Baumbeschilderung, Gärtnerei…

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Morgens um acht schlafen die Tauben noch.

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Nach dem morbiden Charme des verfallenden Retiro meiner Kindheitsurlaube muss man schon sehr suchen.

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Dieses apfelmümmelnde Kaninchen entdeckte ich hingegen per Zufall. (Ein frei herumlaufendes Kaninchen im Retiro. Glaubt mir daheim kein Mensch.)

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Ich erinnere mich noch gut, dass mich der Palacio de cristal vom ersten Anblick an verzauberte – auch wenn er damals nicht viel mehr als ein Haufen Eisenschrott mit zerbrochenem Glas dazwischen war. Bei jedem Anruf der spanischen Verwandtschaft erkundigte ich mich, was aus ihm geworden sei. Seit vielen Jahren ist er jetzt das Schmuckstück des Retiro.

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Im Retiro gibt es nicht nur Kinderspielplätze, sondern auch Seniorenspielplätze. Links radelnde Damen, dahinter eine Apparatur zur Kräftigung der Arme, rechts steigt der alte Herr über Stangen. (Auch das glaubt mir daheim niemand.)

Madrid erwachsen

Freitag, 1. Juni 2007

(Das mit den Umlauten geht manchmal, dann wieder nicht, weil ich manche Texte in diesem Internet-Café direkt schreibe, manche schon im Mobilrechner auf dem Hotelzimmer geschrieben habe und dann nur hier herein kopiere.)

Erwachsensein bringt zum einen mit sich, dass man bei Durst tatsächlich keine stark zuckerhaltigen Getränke haben möchte (als Kind hielt man Erwachsene tendenziell für doof, die einem in solch einer Situation die Cola vorenthalten wollten, weil man angeblich davon noch mehr Durst bekomme).

Zum anderen bedeutet Erwachsensein, dass man für die erste Mahlzeit nach dem Frühstück um halb sechs abends einfach in eine Madrider Konditorei gehen und ein Kilo feinste Pasteles kaufen kann, diese dann auf dem Hotelzimmer mit Appetit vertilgen. Auch wenn die Erwachsenen früher Recht hatten mit ihrer Warnung, davon könne einem schlecht werden.

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Madrid mit gutem Essen

Freitag, 1. Juni 2007

Na also, geht doch.

Ich behauptete ja schon auf den ersten Blick, dass die wirklich reizende Maître d’ nicht als Frau auf die Welt gekommen war. In ihrer Gestik und Mimik sowie zusammen mit ihrer sichtbaren phillippinischen Abstammung erinnerte sie mich zu sehr an den Hausangestellten, mit dem Chandlers Vater durchgebrannt war. Aber darum ging es sowas von gar nicht.

Auf der Suche nach der spanischen einheimischen Kueche von Heute hatten wir uns am Mittwoch zum Abendessen ein Restaurant herausgesucht, in dem sich laut dem Madrid-Blog Top Madrid seit seiner Eroeffnung die Madrilenen um Tische balgen: La Finca de Susana. Mein Gedankengang war: Das Essen hier finden die Madrilenen also derart gut, dass sie dafuer Schlange stehen. Und tatsaechlich: Schon einiges vor der eigentlichen spanischen Abendessenszeit (22 Uhr und spaeter) war der grosse Raum gesteckt voll. Wir bekamen einen Tisch fuer etwas spaeter versprochen und drehten bis dahin noch eine Runde in der Innenstadt.

Das Warten lohnte sich tatsechlich. Nach drei Gaengen mit Wein aus Madrid vermelde ich hiermit, dass der Madrilene genug Geschmack hat zu wissen, wofuer er gerne Schlange steht. Als Vorspeise hatte der Begleiter eine Fischsuppe, eine Schuessel voll dunkler, saemiger Suppe, in der bissfeste Calamarestuecke schwammen, darauf Scheibchen Weissbrot mit Knoblauchschaum. Ich hatte gruenen Spargel, mit frischem Lachs und Brie ueberbacken – eine geschmacklich schoene Zusammenstellung (dass man ab einer gewissen Dicke auch gruenen Spargel schaelen sollte, das kriegen wir schon noch). Die koestlichen Hauptgerichte: Traditioneller kastilischer Lammbraten (Cordero asado) fuer den Begleiter, konfierte Entenkeule mit Pflaumen und Couscous fuer mich – beides sehr zart und aromatisch. Die Desserts waren eher fad (ein bisschen Eis, Schokocreme und Obst auf grossem Teller drapiert und mit blumigem Namen versehen).

Der Tempranillo-Wein aus der hiesigen Gegend war schlicht und ehrlich, passt schon. In der Weinkarte hatten mich die Preise irritiert. Aufgefuehrt waren lediglich die Bezeichnungen der Weine sowie Preise zwischen 5 und 12 Euro. Aber fuer welche Einheit? Wenn das der Preis fuers Glas war, ueberstieg er sogar Muenchener Standard. Aber eine Flasche Wein im Restaurant konnte doch unmoeglich so wenig kosten. Konnte sie, das waren tatsaechlich Flaschenpreise. Von wegen Preise: Als Leute, die sonst in Muenchen Essen gehen, kamen uns Traenen der Ruehrung, als wir die Rechnung sahen. Fuer drei Gaenge, Wein, Wasser, Espresso und das alles fuer zwei Personen zahlten wir knapp 50 Euro.