Eine Erdgeschoßwohnung im ältesten Viertel Münchens soll renoviert werden. Die Baupläne weisen einen stillgelegten Kamin aus, der den Innenarchitekten im Wege steht. Als die Bauarbeiter an einem sonnigen Frühherbstmorgen Ende September die Kaminmauern aufbrechen, machen sie einen grausigen Fund (diese Formulierung darf auf keinen Fall verändert werden und muss später so in allen Inhaltsangaben auftauchen: „machen sie einen grausigen Fund“): Ihnen fällt ein mumifiziertes Skelett entgegen.
Die Gerichtsmedizin schätzt anhand der Indizien, dass die, wie sich herausstellt männliche, Leiche dort seit mindestens zehn Jahren gesteckt haben muss. Es gibt „keine Spuren von Gewalteinwirkung“ (muss im Dialog so auftauchen), die Reste von Nägeln und Zähnen belegen, dass der Mann noch gelebt hat und dort unten verhungert und verdurstet ist. Die Spurensicherer finden am Boden des Kamins verwitterte Reste von Kleidung; die Ränder der Fetzen sind symptomatisch für ein Zerreißen. Sie machen sich daran herauszufinden, wer der Mann war und ob er versehentlich in den Kamin gestürzt ist oder gestoßen wurde. An der Innenseite der Kaminmauern finden sie ganz oben Gewebereste.
Die Spur führt zu einem Münchener, der zehn Jahre zuvor nach dem Oktoberfest vermisst gemeldet worden war. Stück für Stück setzen die Ermittler diese Geschichte zusammen, die sich damals an einem der letzten Septembertage zugetragen hat:
Ein 27-Jähriger hatte an einem Mittwochabend zunächst mit einem befreundeten Pärchen das Oktoberfest besucht. Gegen 21 Uhr verabschiedete er sich von ihnen, zog noch durch diverse Lokale. Etwa um 2 Uhr beschloss er, sich den langen Nachhauseweg zu seiner Wohnung im Münchner Osten zu ersparen und stattdessen bei dem befreundeten Paar im Münchener Tal zu übernachten. Als ihm dort allerdings niemand öffnete, kam der junge Mann, recht alkoholisiert, auf die Idee, über ein offenes Fenster des Nachbargebäudes auf das Dach zu klettern, um von dort in die Dachgeschoßwohnung der Freunde einzusteigen. Er gelangte bis ganz oben aufs Dach und machte sich auf den Weg zum Nachbarhaus.
Als er dabei über eine vermeintliche Mauer steigen wollte, entpuppte sich diese als stillgelegter Kamin, und er stürzte hinein. Anfangs konnte er sich im oberen Bereich noch halten, aber dann verließen ihn die Kräfte. Er rutschte den 60 mal 40 Zentimeter engen und 28 Meter tiefen Schacht nach unten. Dort stand er dann, in qualvoller Enge, mit den Armen nach oben, die Kleidung zerfetzt und die Haut schwer geschürft. Seine Hilferufe bleiben ungehört.
Darf von mir aus auch einer der nächsten München-Tatorte werden, der Plot wäre viel besser und oktoberfestnäher als der Versuch vergangenen Sonntag.
(Na gut, klänge für ein TV-Drehbuch vielleicht zu weit hergeholt. Ist aber letzte Woche in Echt passiert – glücklicherweise bis auf das Ende: Ein Hausmeister hörte den Kapitaldeppen, die Feuerwehr hat ihn rausgeholt. Die ganze Geschichte inklusive Bilder von der Rettung bei der Süddeutschen Zeitung.)