Archiv für August 2010

Journal Samstag, 21. August 2010

Sonntag, 22. August 2010

Wir ließen ein regnerisches und kühles England zurück. Die Busfahrt von Brighton nach Heathrow bescherte uns die Bekanntschaft mit einem alten Busfahrer, der ganz offensichtlich noch nie etwas von der sprichwörtlichen britischen Freundlichkeit gehört hatte. Er wirkte keineswegs böse, doch diese Art Ruppigkeit, hinter der sich eigentlich Fürsorge verbirgt, kannte ich bislang als typisch bayrisch.

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Ein letztes englisches Sandwich auf dem Flughafen, Pimm’s und Parfum im Auftrag meiner Mutter besorgt.

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Am Nachmittag trafen wir in einem sommerlichen München ein. Nach dem großem Auspacken, Aufräumen und dem Start der ersten Maschine Wäsche überkam mich die große Leere: Was wollte ich jetzt machen? Buch lesen? Ich hatte aber an diesem Tag schon ein Buch zu Ende (Nick Hornby) und ein weiteres ganz weggelesen (Ana Maria Matute, Nachts weinen die Soldaten – na ja). Auf Internetlesen hatte ich keine Lust. Der Mitbewohner bot Spaziergang an. Ich horchte in mich: Nein, nicht attraktiv. Schreiben – ja darauf hatte ich Lust, Schreiben und Alkohol. Also einen Highball mit totem Ginger Ale (Flasche seit einer Woche offen im Kühlschrank) eingeschenkt und über Nick Hornbys Complete Polysyllabic Spree geschrieben. Nachzulesen beim Common Reader.

Journal Brighton, Freitag, 20. August 2010

Sonntag, 22. August 2010

Den letzten Tag in Brighton verbrachten wir mit Gammeln. Erst mal im Bett, dann an Rechner und Buch, bevor wir zum besten Kaffee der Stadt spazierten.

Dort verabschiedete sich gerade eine große Gruppe sehr junger Leute aus anscheinend aller Herren Länder voneinander, und ein nicht so junger Mann bat den Begleiter, ein Foto von ihnen allen zu machen. Woraufhin ein Mädchen aus der Gruppe dem Begleiter auch ihre Kamera mit derselben Bitte hinhielt. Dann ein weiteres Mädchen. Dann noch eines – schließlich standen sechs Fotoapparate auf unserem Kaffeehaustischchen, die der Begleiter gewissenhaft nach und nach abarbeitete. Selbstverständlich fotografierte ich ihn dabei.

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Mittagessen nochmal im Food for Friends: Gestapelte Kräuterpolenta mit mediterranem Ragout, Schafskäse und Pistazienpesto für mich, der Begleiter hatte den Curry Platter.

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Dann Einkauf von Fudge, Bratwürsten (für das Samstagsabendessen in München) und englischem Käse in North Laine. Letzter Punkt von der Einkaufsliste: Backpulver (gibt es hier in praktischen und sehr billigen großen Dosen). Bei dieser Gelegenheit fotografierte ich das Zuckerregal, das mich schon einmal ob seiner Vielfalt hat in Tränen ausbrechen lassen. 2004 hatte ich 14 Zuckersorten aufgelistet, mittlerweile gibt es von den meisten eine zusätzliche Diversifizierung in organic und Fairtrade. Die künstlichen Süßungsmittel rechts oben sind natürlich nicht mitgezählt. (Bildmontage: Mitbewohner)

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Für den Abend hatten wir einen Tisch im Restaurant Graze reserviert. Wir waren zufällig daran vorbeigekommen und an der Speisenkarte mit einem hochinteressanten Tasting Menu samt begleitenden Weinen hängen geblieben. Wir aßen und tranken vorzüglich (Leitungswasser – „Brighton’s Finest“ – wurde uns, wie schon am Vorabend in The Meadow, ungefragt angeboten – München, lesen Sie das?):

Suppe aus weißen Zwiebeln und Mandeln (Fino Fernando de Castilla, Jerez)

Terrine aus gepökelter Schweinshaxe und Ente (Grauburgunder Villa Wolf, Pfalz)
Erbsen- und Holunderblütenmousse (Weißburgunder Rene Mure, Elsass)

Kräuter-Zitronen-Risotto (Sauvignon Touraine, Loire)

Krabbensalat mit Apfel-Ruccola-Vichyssoise und Kokosnussschaum (Riesling Tamar Ridge, Tasmanien)
Makrelen-Sashimi, Algen und Calamari-Tempura (Gewürztraminer Enate, Aragón)

Gewürzter Schweinebauch, Kartoffelpüree, Essigbirnen, knuspriges Schweineohr (Sangiovese Pikes, Clare Valley)
Geschmorte Rinderzunge und -backe, Petersilienpesto (Zinfandel Ravenswood, Sonoma)

Kalte Pfirsich-Safran-Suppe mit Joghurteis (Oloroso Fernando de Castilla, Jerez)

Schokoladen-Brownie, weißes Schokoladenmousse, Baleys-Eis (Muscat John Cambell, Rutherglen)

Alles war sehr gut, der Krabbensalat und der Schweinbauch für mich sogar echte Highlights. Auch unter den Weinen war eine Entdeckung: Der spanische Gewürztraminer von Enate. Er gehörte eigentlich zum Makrelen-Sashimi des Begleiters, doch den musste ich probieren – ein ganzes Rosenbouqet in der Nase und auf der Zunge.

Journal Brighton, Donnerstag, 19. August 2010

Freitag, 20. August 2010

Zu Regengeräuschen erwacht, die nach dem Fertigmachen zum Laufen bereits verstummt waren. Vorsichtshalber schlüpfte ich in meine Regenjacke und setzte eine Schirmmütze auf, die mir Regen von der Brille fern hält. Doch wieder blieb ich trocken – zumindest äußerlich, denn diese „Windbreaker“ genannten Regenjacken sind in Wirklichkeit Schwitzkästen.

Die Aussichten auf dem Undercliff Walk waren zauberhaft.

An der Brighton Marina gibt es einen riesigen Asda-Supermarkt. An einem der überdachten Einkaufswagen-Sammelplätze auf dem dortigen Parkplatz traf ich wieder auf fünf Stare: Sie lungerten – wie schon bei jedem vorherigen Passieren dieses Unterstandes – am geschütztesten Punkt auf den Einkaufswagen herum. Sicher nicht der schlechteste Wohnplatz.

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Wir sahen uns ausgiebig in Hove um, das sich dann doch erheblich weiter nach Westen zieht, als ich vermutet hatte. Sehr später Morgenkaffee wurde der in einem französisch daherkommenden Café: Der dünnste Cappuccino meiner Kaffeelaufbahn. Wir stellten fest, dass Hove auf die klassischen Sommerurlauber ausgerichtet ist, mit billigen Speiseangeboten, möglichst vielen Sitzgelegenheiten draußen und Läden, die Strandutensilien verkaufen.

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Für den Weg ins Zentrum Brightons nahmen wir erstmals den Bus. Ich hakte bei Marks & Spencers den vorletzten Punkt meiner Einkaufsliste ab: Strümpfe. Sind hier hochwertig und sehr günstig.

Mittagessen zu spanischer Zeit gab es in einem indischen Lokal, das wir bereits seit unseren Anfangszeiten in Brighton besuchen: Bombay Aloo bietet vegetarisches Buffet für wenig Geld, das war seinerzeit eine sehr attraktive Kombination. Die Gerichte waren noch exakt die gleichen. Sie schmeckten gut, nach zahlreichen Erlebnissen in anderen indischen Restaurants aber nicht mehr so aufregend wie noch vor acht Jahren.

Gleich ums Eck wurde in einer umgewidmeten Kirche, die jetzt die Galerie Fabrica ist, Kunst ausgestellt: Den großen Raum füllte eine filigrane, riesige Konstruktion. Ich geriet in eine Umfrage. An sowas beteilige ich mich bereitwillig, da ich selbst regelmäßig Umfragen beauftrage und gestalte und deshalb neugierig bin, wie andere das machen. Am interessantesten war die Frage, in welchem Sektor ich berufstätig sei: Industrie oder verarbeitendes Gewerbe waren nicht unter den ankreuzelbaren Möglichkeiten – diese Zeiten sind in England wohl endgültig vorbei. Dabei gehörte ein Resultat dieser Vergangenheit zu den interessantesten Details der Galerie.

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Den Rest des Nachmittags verbrachten wir auf dem Palace Pier: Karussels und Leute ansehen, Aussichten genießen, Seeluft atmen, auf einer wind- und sonnengeschützen Bank sitzen und lesen (ich amüsiere mich derzeit mit Nick Hornbys The Complete Polysillabic Spree – The Diary of an Ocasionally Exasperated But Ever Hopeful Reader).

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Zu Abend aßen wir in Hove. Das Lokal, das wir uns eigentlich ausgesucht hatten, schloss bereits zweieinhalb Stunden vor der ausgehängten Zeit, also gingen wir schräg gegenüber in The Meadow. Das Restaurant konzentriert sich auf Einheimisches (die Monatskarte zählt alle Lieferanten im Kleingedruckten auf), und so aßen wir ganz hervorragend und frisch: Der Begleiter hatte „Pressed ham hock with capers & gherkins, homemade piccalilli“ zur Vorspeise, ich „English garden pea & feta crush with marjoram & lemon, cumin snap bread“ – wunderbar sommerlich. Als Hauptgang gab es für den Begleiter Ente mit Kartoffelpüree und Bohnen, für mich „Rye Bay Thornback Skate, brown shrimp, capers, sea purslane & local pak choi“, also Rochenflügel – ein ungemein userfreundlicher Fisch, dessen Fleisch sich von den ganz langen und dichten Gräten leicht abziehen lässt. Er schmeckte vorzüglich. Auf der Karte war auch englischer Wein aus Sussex angeboten, doch die freundliche und aufmerksame Bedienung („I know, I shouldn‘t say that.“) riet uns ab: Es gebe deutlich bessere auf der Karte. Wir einigten uns auf einen kastilischen Verdejo.

Journal Brighton, Mittwoch, 18. August 2010

Donnerstag, 19. August 2010

Nachdem ich am Vorabend die anderthalb Stunden Joggen plus vier Stunden Wanderung tatsächlich in Knochen und Muskeln gespürt hatte, gab ich mir für Mittwoch sportfrei. Statt dessen schlief ich aus (fast bis acht!) bloggte, las Internet und Buch – mit Blick aufs sonnenbeschienene Meer.

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Auf dem Weg zum Morgenkaffee im Red Roasters trieben wir uns wieder auf der Strandpromenade herum, einschließlich Besichtigung des Penny Arcade Museums. Der Begleiter hatte 1990 noch einige der musealen Amüsierautomaten in den Hallen des Palace Pier erlebt.

Junge Frauen, denen man durch Kurbeln (blätternde Fotos) bei ihren Badeproblemen zusehen kann – musste ich unbedingt machen.

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Nach Cappuccino an Buch ging es ans ernsthafte Einkaufen: Der Begleiter brauchte eine Jacke, die gingen wir suchen. Und kamen sogar mit zwei Jacken heraus. Der Begleiter kauft ähnlich ungern Kleidung wie ich, nur dass ich seit ein paar Jahren auf Bestellkataloge ausgewichen bin und sehr selten noch das klassische Bekleidungskaufen benötige. Mein Liebesdienst besteht also darin, den Begleiter entweder ein bis zwei Mal zu erinnern („Morgen könntest du dir doch eine neue Jeans kaufen!“) oder ihn zu begleiten. Ich marschiere voran in den einen oder anderen Laden (mehr als drei waren noch nie nötig), zupfe das eine oder andere Stück aus Regalen und von Ständern und heiße ihn anprobieren. Was passt und gut aussieht, wird gekauft. Diesmal muss ich den Herrn allerdings noch in München zum Schneider schleifen, auf dass dieser die Ärmel kürzt.

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Ausführliches Dim Sum-Essen zu Mittag. Der Begleiter hatte mal in der Bostoner Chinatown Dim Sum bekommen und schwärmt seither. Ein entsprechendes Angebot hatten wir am China Garden angeschlagen gesehen, selbstverständlich nur als Lunch. Und so bestellten wir

– kurz frittierte Dampfnudeln mit Dip aus süßer Kondensmilch

– gedämpfte Teigtaschen mit Jakobsmuschelfüllung

– Ochsenkutteln mit Chilli

– gebratene Teigtaschen mit Schweinefleischfüllung

– Spareribs

– Reis mit Hühnerfleisch in Lotusblatt gedämpft – mein Favorit, weil das Lotusblatt für ein wundervoll duftiges Aroma sorgte und der Reis klebrig-cremig war.

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Nach einem Stündchen Ausruhen im Apartment machten wir uns zur North Laine auf und durchstreiften sie gründlich: Meine Mutter hatte mir beim dortigen Schreiner eine Holzapplikation aufgetragen, die sie letztes Jahr gesehen zu haben glaubte (gab es nicht in genau dieser Ausfertigung, aber ich bekam eine Visitenkarte mit Website, auf der viele Varianten zu sehen sind.) Im gigantischen Antique-Laden Bric a Brac gibt es immer etwas zu sehen, und im Fudge-Laden kaufte ich so umfangreich ein, dass mir der Ladenbesitzer Rabatt gab.

Rumsitzen, Lesen und Biertrinken im Pub, bevor der Hunger fürs Abendessen reichte. Wir stillten ihn bei Wagamama – ich freute mich über die Extraportion Gemüse.

Für den Begleiter gegrillte Calamari, Raw Salad für mich.

Kokossuppe mit paniertem Tofu für mich, Hühnchen-Ramen für den Herrn.

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Moment. DAS HIER war Jamie Lee Curtis, die Frau mit dem zweitschönsten Busen nach einer früheren Regensburger Freundin, im Alter von 44 echt und unretouchiert? Ich bin fast 43 und schlagartig bereit anzunehmen, dass mein durchaus welker, gepolsteter und ältlicher Körper gar nicht so schlecht beisammen ist. Bitte, liebe Hollywoodschönheiten, bitte macht viel, viel öfter solche Aktionen!

Journal Brighton, Dienstag, 17. August 2010

Mittwoch, 18. August 2010

Bilder wieder am Ende des Textes.

Beruhigend: Brighton hat nicht vergessen, wie man regnet.

Am Morgen war der Himmel bedeckt, der Boden nass, die Luft kühl. Meine Laufrunde hinaus auf den Undercliff Walk überstand ich allerdings trocken.

Ich denke immer noch über Ankes wiederholte Fatshionista-Postings nach. Denn es stimmt ja: Sackartige Kleidung in Tarnfarben lässt keine Dicke dünner erscheinen. Möglicherweise erwartet die Gesellschaft von Dicken inklusive ihnen selbst eine Art Büßergewand: Wenn Dicke schon durch ihr reines Dasein eine Beleidigung darstellen, haben Sie sich zumindest dessen bewusst zu sein und bitteschön bis ins Mark dafür zu schämen. Was sie ja tatsächlich eh fast immer tun. Enge Kleidung, bunte und laute Kleidung, tiefe Ausschnitte, nackte Arme, und das auch noch mit fröhlicher Ausstrahlung – das bedeutet ja wohl, dass die Dicke sich nicht nur weigert, sich zu schämen, sondern sich am End keineswegs nichts sehnlicher wünscht, als dünn zu werden. Das rüttelt an einer der Grundfesten der Gesellschaft. (Sie sollten mein inneres boshaftes Grinsen sehen, wenn die dicke und schon immer sehr sportliche Kollegin von ihren Radtouren, früheren Reitausflügen und fast täglichen Joggingrunden am Morgen erzählt – und dem Gegenüber das Gesicht herunterfällt.)

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Wir beschlossen, dass ein grauer Tag genau das richtige Wanderwetter bietet. Morgencappuccino im Costa’s am Churchill Square, Sandwichs von Marks & Spencer’s zum Frühstück im Zug nach Glynde.

Der kleine Ort Glynde sieht urenglisch aus, verfügt über eine ungewöhnliche Kirche, das adlige Anwesen Glynde Place und zauberhafte Häuser. Nach einer ausführlichen Besichtigung machten wir uns auf eine kleine Wandertour über Hügel und durch Täler, vorbei an Kühen und Schafen, durch turnstiles und zwei Wäldchen. An einem sahen wir Fasane, erst ein paar Damen, dann einen unkoordiniert herumrennenden Herrn. Ob er wohl vergessen hatte, dass er fliegen kann? Nach etwa 30 Metern im Schweinsgalopp hielt er verdutzt an einem Weidezaun, um dann beizudrehen und daran entlang weiterzurennen.

Dann überlegte sich das Wetter doch, dass es bisschen regnen könnte. Es stieg ein mit dem, was der Begleiter und ich bei unserem durchregneten Brightonaufenthalt vor drei Jahren „Gischt“ nannten, einem ganz feinen Sprühregen mit ordentlich Wind. Macht eigentlich nichts, nur dass Brillenträger wie der Begleiter und ich schnell nichts mehr sehen.

Der Weg, den wir einem zehn Jahre alten Wanderbuch entnahmen, führte uns auch ausgeschildert quer über den Golfplatz von Lewes. Ich hatte Angst, dass mich jeden Moment ein Golfball treffen könnte, doch bei diesem Wetter begegneten wir nur einem einzigen aktiven Grüppchen, und dieses winkte uns freundlich vorbei. Am Rand des Golfplatzes legte ich eine Brombeerbrotzeit ein: Ich hatte im Vorbeigehen einige Brombeergestrüppe auf die Qualität ihrer Früchte getestet, und diese waren mit Abstand die besten – das nutzte ich aus.

Dafür, dass die South Downs immer mit sanft rollenden Hügeln gleichgesetzt werden, ging es ganz schön steil aufwärts und abwärts. Gegen Ende unserer Vier-Stunden-Wanderung (ich scheue mich eigentlich, so kurze Runden, die man auch noch problemlos mit festen Straßenschuhen gehen kann, Wanderung zu nennen) musste die Gischt allerdings echtem Regen weichen. Die Gischt hatte meine Jacke bereits so durchgefeuchtelt, dass die eingesteckte Regenjacke auch nichts mehr gebracht hätte. Die letzte Stunde marschierten wir also mit schlechter Sicht und konzentriertem Blick auf den Meter Boden vor unseren Füßen.

Vor dem Zug zurück nach Brighton war in Bahnhofsnähe noch Zeit für ein köstliches Half Pint Bitter im örtlichen Pub.

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Zurück in Brighton kauften wir beim im Vorjahr entdeckten Brighton Sausage Co. Bratwürste fürs Abendbrot: Klassische Cumberland, Lamm mit Knoblauch, Schwein mit Erbsen, Rind mit Meerrettich & Senf.

Auf dem Heimweg bogen wir zu einem ausführlichen Supermarktbesuch ab. Wieder stand ich weinend vor den 20 sehr verschiedenen Sorten Zucker, von denen es bei uns höchsten fünf gibt. Für das Abendessen packten wir Brot und Bier ein.

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Die Würste briet ich in der eisernen Grillpfanne: Sie war von den vieren im Küchenschrank die einzige mit wirklich flachem Boden. Was nützen auf einem Elektroherd unebene Pfannen?

Romantischstes Abendessen am großen Wohnzimmerfenster mit Blick aufs Meer – ich weiß nicht, wann ich das zum letzten Mal hatte. Sicher noch nie hatte ich das inklusive Zurückgucken: Das Apartment liegt im Erdgeschoß, da wirft man als Passant schon auch mal einen interessierten Blick hinein.

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Östlicher Teil der Brighton Seafront auf meinem Lauf.

Das malerische Örtchen Glynde.

Kann jemand helfen, diesen Baum zu bestimmen? Höhe und Blätter wie eine Rosskastanie, aber ganz andere Früchte.

Haus im Tudor-Stil. Und in England sind die Gebäude gerne mal so alt wie ihr Stil.

Die Pfarreikirche von Glynde.

Glynde von oben.

Zwei Beispiele für die Wanderwege in den South Downs – kurz bevor die Gischt einsetzte.

Das malzige, schokoladige Bier zu den Bratwürsten.

Journal Brighton, Montag, 16. August 2010

Dienstag, 17. August 2010

Weil wir am Sonntag so viel erlebt hatten, hatte ich viel zu bloggen – das füllte die ersten Stunden des Tages. Als Morgengetränk bereitete ich uns café con leche nach Art der kulturlosen spanischen Kaltmamsellfamilienseite: zwei Löffel Instantkaffee (stellte die Apartmentküche) in heißer Milch aufgelöst. Schmeckt auch nicht schlechter als so manches, was man mir in Münchner Cafés als Cappuccino andreht.

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Für Montag hatte ich ein besonderes Abenteuer geplant: Schwimmen durch Brighton. Erst letztes Jahr hatte ich das örtliche Schwimmbad entdeckt – wäre ja auch seltsam, wenn es in einer 140.000-Einwohner-Stadt keine Schwimmmöglichkeit gäbe. Es liegt sehr zentral in der Nähe des Royal Pavillon, allerdings ziemlich versteckt. Und da bis vor kurzem der Bereich davor Baustelle war, war ich nie daran vorbeigekommen.

Der Eintritt kostete 3,60 Pfund, also etwa so viel wie die Schwimmbadnutzung in Berlin. Dafür bekommt man ein weißes Papierbändel ohne Aufschrift. In den Umkleiden (Gruppenkabinen, Rollikabinen, Familienkabinen, Einzelkabinen – nichts davon nach Geschlechtern getrennt) sah ich, dass die Leute sich dieses Bändel um das Handgelenk klebten. Da es keine Schranken für die einzelnen Bereiche gibt (im Obergeschoß ist ein Fitnessstudio eingerichtet) nehme ich an, dass das Personal an den Bändeln die Zugangsberechtigung sieht.

Auch Duschen gab es nur eine für alle. Klar: Mir fiel wieder ein, dass sich der Engländer nie nackich macht, nicht mal in der Sauna. Zumindest hatte es ein paar Einzelduschkabinen.

An der Kasse hatte ich mich erkundigt, wie lange das Schwimmbecken ist: 25 Meter. Umgehend beschloss ich, statt meiner gewohnten 3.000 nur 2.000 Meter zu schwimmen – ich befürchtete, entweder vom ständigen Wenden oder vom Bahnenzählen wuschig zu werden. Eine breite Bahn „slow lane“ war bereits abgetrennt, dazu kam bald eine „medium lane“, in der trotz zunächst dichter Besetzung gut schwimmen war.

Nach überstandenem Abenteuer traf ich mich mit dem Begleiter zum besten Kaffee in der Stadt bei Red Roasters.

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SCHUHE!

So gerne ich Schuhe habe: Schuhekaufen gehört zu den Pflichten, um die ich mich gerne drücke. Lieber trage ich die vorhandenen x-mal zum Schuster. Nun aber begab es sich, dass sich meine dunkelblauen Pumps verabschieden, ich also wirklich welche brauche. Außerdem hatte ich mir eigentlich vorgenommen, auch mal Schuhe zu kaufen, einfach weil sie schön sind und nicht nur, weil sie zu meiner Garderobe passen. Seit zwei Jahren macht mir allerdings die Schuhmode in Deutschland die Umsetzung dieses Vorsatzes schwer: Es scheint bei interessanten Schuhen keine Absatzhöhen zwischen irre hoch (nach kurzer Zeit böse Fußballenschmerzen, tja, das Alter) und brettelflach (Gang eines trächtigen Nashorns plus Fersenschmerzen) zu geben. Zudem hüllen sich die für den Herbst dekorierten Schuhladenschaufenster in München ausschließlich in Schwarz und Grau, mit ein wenig Braun dazwischen. Ich verschob also den Schuhkauf auf den Englandurlaub. Welch hervorragende Idee!

Hier ist dunkelblau eine der dominierenden Schuhfarben, schließlich hieß es in der Modeindustrie schon letztes Jahr, dunkelblau werde das neue Schwarz. Außerdem leuchten aus vielen Schuhläden abgefahren bunte Modelle. Am Sonntag hatte ich mich schon mal ein wenig umgeschaut, jetzt ging es ans Einkaufen. Und dann gab es die beiden Wunschmodelle auch noch in meiner Riesengröße!

Die grünen sind von Irregular Choice, die blauen von Schuh.

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Mittagessen im unvergleichlichen Food for Friends: ein Croque Monsieur aus Auberginen mit Knoblauch-Kartoffelpüree für den Begleiter, Blattsalate mit Bohnen, Brokkoli, Joghurt und Käse für mich. Pimm’s für beide.

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Einkäufe im Apartment abgeladen, wegen Sommerhitze in ein Sommerkleidchen gewechselt.

Wir spazierten am dicht badebevölkerten Strand zurück in die Brightoner Innenstadt, bummelten vorbei am Royal Pavillon durch die Lanes und North Laine. In Letzterem fielen wir wie jedes Jahr in den Gummibärchen- und Schokoladenladen ein – Sie kennen diese Etablissements, in denen man sich mit Tüte in der Hand aus Behältnissen selbst bedient? Verheerend. Jedesmal wieder.

Ein Pint Cider in einem Pub in North Laine, dazu ein wenig Buchlesen.

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Abendessen sollte in Jamie’s Italian stattfinden, ich wollte gerne herausfinden, wie man dort isst. Das verhinderte eine geschlossene Veranstaltung. Wir gingen also in einen anderen Kettenitaliener gegenüber: Zizzi. Dort gab es einen lachhaft winzigen Vorspeisensalat, dafür aber umwerfend gute Spaghetti pomodoro.

Rückweg vor ersterbendem Sonnenuntergang am Strand entlang in lauem Lüftchen.

Journal Brighton, Sonntag, 15. August 2010

Montag, 16. August 2010

Bilder diesmal am Ende des Eintrags

Sie kennen das vielleicht: Nach einem harten Tag sind Sie angespannt und verärgert, greifen daheim zu dem Alkohol Ihrer Wahl, um möglichst schnell aus dieser Stimmung herauszukommen. Sobald der Alkohol in Ihrem System ankommt, entspannen Sie schlagartig und werden heiter. Diese Wirkung hat Brighton auf mich.

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Morgens Richtung Marina losgelaufen, bereits Bilder von den Ausblicken auf dem Undercliff Walk vor Augen. Doch dann die große Enttäuschung: Am Zugang standen Gitter und Baumaschinen, das Tor war versperrt. Als ich mir die Schilder am Bauzaun genauer ansah, erfuhr ich allerdings, dass lediglich das erste Stück des Undercliff Walks an der Marina wegen Renovierung gesperrt ist. Die ausgeschilderte Umgehung bot mir ganz neue Ansichten, darunter einen kleinen Fischerhafen und einen Panoramablick auf die feine Mädchenschule Roedean.

Mir gingen Ideen für eine Auswanderung nach Brighton durch den Kopf: Eine Tcherman Bakery eröffnen, in der Apfelstrudel und Amerikaner verkauft werden, Mohngebäck, Rohrnudeln, Schwarzwälder-Kirsch-Torte, Linzer Torte etc., zu Weihnachten Lebkuchen, Stollen und Plätzchen. Es gäbe einen kleinen Café-Bereich, in dem eventuell auch Mehlspeisen wie Kaiserschmarrn und Dampfnudeln serviert würden. Als stundenweise Aushilfsbedienungen nähmen wir deutsche Erasmus-Studenten und -Studentinnen, die wir per Aushang an der Uni suchen, „strong accent preferred“. Realistischer wäre es natürlich, schon jetzt mit dem Sparen auf einen Alterswohnsitz in Brighton zu beginnen.

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Morgenkaffee in einem netten Café. Wir mäanderten durch den Teil von Hove, der nicht direkt am Meer liegt. Angezogen von einer auffallenden Typo auf einem Schild entdeckten wir den architektonisch hochinteressanten Wohnblock Furze Croft, der sehr nach 20er/30er-Jahren aussah: Dreiflügelig mit großen, kleinteiligen weißen Metallfenstern, von denen einige durch gebogenes Glas Bay Windows imitierten. Tatsächlich handelt es sich um ein Art-Deco-Gebäude aus den 30ern. Dann sahen wir, dass hinter diesem Furze Croft ein Park beginnt, von dem wir noch nie gehört hatten: St. Ann’s Well Park. In dem wir Plakaten entnahmen, dass dort gestern ab Mittag ein Stadtteilfest angesetzt war, einschließlich Hundeschau. Das nahmen wir uns sofort vor.

Erst mal aber gab es Sunday Roast in der Farm Tavern. Sie war mir sofort sympathisch wegen des Carrom-Brettes an der Wand – nicht dass ich in meiner Jugend je Carrom gespielt hätte, aber im Bürgertreff meiner Geburtsstadt hatte man das in meinen Kollegstufenjahren sehr, und mein bester Freund war ein echter Meister. Was ich dem Reisebegleiter (Spielespieler) auf sein verwundertes „Woher kennst DU Carrom?“ erzählte.

Der Sunday Roast war ausgezeichnet: Ich hatte lokales Lamm aus den South Downs, der Begleiter Rind, beide bekamen wir dazu Yorkshire Pudding, Ofenkartoffeln und Pastinaken-Chips sowie fünferlei Gemüse (Brokkoli, Karotten, nelkenlastiges Blaukraut, Rübenmus, Blumenkohl) und Gravy. Zu meinem Lamm servierte man natürlich Mint Sauce. Sunday Roast im Pub ist in den letzten Jahren gerade bei jungen Leuten wieder sehr beliebt geworden. Ich fragte mich, ob das mit Sonntagsbraten im Wirtshaus in München auch funktionieren würde – wenn das eine oder andere besonders angesagte Brunch-Lokal statt dessen „Sonntagsbraten wie bei Mutti – nur ohne Mutti“ anböte?

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Das Stadtteilfest im Park war herzerfrischend: Wegen der Hundeschau auf der zentralen Wiese waren sehr viele solche anwesend, zu meiner Überraschung hörte man sie aber praktisch nicht. Die Wauzis in allen Formen und Größen waren natürlich angeleint und allesamt gelassen aufmerksam. Die Atmosphäre war rundum angenehm, die Leute hatten Picknicks dabei. Die ebenfalls zahlreichen Kinder wurden mit Urzeittöpfern und Schminken unterhalten, in einem Eck hatten Angestellte des Brighton umgebenden South Downs National Park ein kleines Gehege mit Schafen aufgebaut, die gestreichelt werden konnten und zu denen Infotafeln über den Nutzen von Weideschafen aufgestellt waren. An Ständen wurde Selbstgemachtes verkauft, ich holte mir Orange Curd mit Cointreau, Brombeergelee und Crab Apple (Leo übersetzt Holzapfel) Jelly.

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Wir schlenderten zum größten Kino in Brighton, unter anderem vorbei an der neuen Synagoge (mal nach der alten in Brighton sehen, die letztes Jahr hinter Baugerüsten verborgen war) und einem Hare-Krishna-Zenter, auf dessen Gartenmäuerchen Äpfel lagen, dabei ein Zettel, sie seien schmackhaft und aus eigenem Anbau, man möge sich einfach bedienen.

Im Kino gab’s The Sorcerer’s Apprentice: In lustig ertrage ich Nicolas Cage ganz gut, die Geschichte hatte einige Highlights, der Begleiter erklärte mir die Anspielungen auf Fantasia (eine der gähnendsten Lücken in meiner Filmbildung).

Dann waren wir schon wieder hungrig (die Seeluft!) und aßen im Strandrestaurant Due South eine Vorspeisenplatte namens Picknick.

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Ruhiger Abend im Apartment mit Lesen und Fernsehen.

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Der Zugang zum Undercliff Walk – versperrt.

Fischerhafen in Brighton Marina.

Undercliff Walk unter Rodean.

Art-Deco-Entdeckung.

Sunday Roast in Farm Tavern.

Brunswick Stadtteilfest in St. Ann’s Well Park.

Meine Beute.

Picknick im Due South. Links oben in den Gläschen Whelks, dann im Uhrzeigersinn geräucherte Hähnchenbrust, eingelegte Oliven, Blattsalate, geräucherter Wolfsbarsch, gebratenes Gemüse, Ententerrine, dazu ausgezeichnetes Weizenbrot, für den Begleiter ein Ginger Beer, für mich Ale.