Archiv für Februar 2012

Journal Mittwoch, 15. Februar 2012 – Liebesgrüße vom Dienstleister

Donnerstag, 16. Februar 2012

Auf dem Büroplatz ein rotsamtenes Päckchen vom Druckdienstleister: „Eine kleine Überraschung zum Valentinstag!“, darunter der Name meines Ansprechpartners. Ich war bereits am Erröten (und am hektischem Suchen in meinem Gedächtnis, wie der nochmal ausgesehen hatte, damals vor anderthalb Jahren, als wir uns das eine Mal persönlich begegnet waren – und wie ich mich um Himmels Willen verhalten haben könnte, dass es solch eine Reaktion auslöste), da sah ich, dass drei Kolleginnen das gleiche Päckchen auf dem Tisch liegen hatten.

Einerseits bin ich jetzt verwirrt. Andererseits freue ich mich jetzt auf Muttertag.

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Mittagessen in der ebenerdigen Kantine mit Aussicht auf einen Kleinlaster, der vor der Glasfassade im Scheetreiben in einer Schneewehe feststeckte – und uns selbstverständlich bis zum letzten Bissen beschäftigte: Geschichten über eigenes Steckebleiben, warum ein Citroen 2CV auch “Eisschneider” heißt, ob Fußmatten den Reifen unterzulegen wirklich hilft oder ein moderner Mythos ist.

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Gründe, das Web zu lieben, Nr. 6683:
Der twitternde Astronaut André Kuipers. (SCHEISSE, ICH KANN LIVE KURZNACHRICHTEN EINES MENSCHEN LESEN, DER GERADE IM ALL RUMFLIEGT!!!)

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Oh, dieser Crosstrainer im FitnessAbnehmstudio musste SO lange auf mich warten, er wollte mich gar nicht mehr herunterlassen. Blick durch die Fenster auf die fetten Schneeflocken im Dunkeln und strampeln, strampeln, strampeln – bis die Stirn glatt wurde, die Schultern sanken, das Hirn sanft kicherte.

Journal Dienstag, 14. Februar 2012 – Internetschnipsel

Mittwoch, 15. Februar 2012

Wer ist eigentlich diese glückliche Valentine, von der den ganzen Tag so viel die Rede war?

(Übrigens: 5 Great Love Stories That Weren’t Really All That Great)
via @kscheib

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Es besteht die Gefahr, dass Sie jetzt und im Fortlaufenden Zeugen einer geradezu Eat, Pray, Travel, Be-Julia-Roberts-artigen Lebensveränderungsphase inklusive Selbstfindung werden. Tja, tough. (Vielleicht habe ich ja auch nur einen Gehirntumor.)

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All die Begabungen, mit denen ich als Kind unter Druck gesetzt wurde: Gott hat dich reich beschenkt, also hast du die Pflicht, etwas daraus zu machen. Meine Vernunft muckte zwar schon früh auf, dass ein Geschenk ja wohl keines ist, wenn es zu etwas verpflichtet. Bei meiner Musikalität habe ich sogar geschafft, sie einfach brachliegen zu lassen – ich weiß von ihr, habe sie als Jugendliche im Chor und Orchester angewendet (mit einem kleinen Dreh erklärt sie sogar, warum ich so wenig Musik höre: Die Wahrnehmung von Musik kostet mich zu viel Energie), tue aber nichts damit. Wäre schön, wenn das daraus resultierende leicht schlechte Gewissen endlich verflöge.

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Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich die Aschenbrödel-Prinz-Nummer irgendwann mit einem HACH! bekreischen würde (es geht nur um die ersten 45 Sekunden):

(Wir sind zwar mehr als glücklich, dass dieses Jahr Billy Crystal die Oscar-Verleihung moderiert. Doch ansonsten habe ich inzwischen Colin Firth unter Sandra Bullock auf meine Wunschliste für Oscar-Moderatoren gesetzt – beide glänzen auf jeder Award-Zeremonie mit umwerfendem Witz und sympathischer Schlagfertigkeit.)

via a.more.s

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Den Tag krank daheim verbracht, viel raus auf den Balkon geschaut: Die Blau- und die Kohlmeisen nehmen die aufgehängten Futterknödel rege an – auch gleichzeitig: Angeblich mischen sich diese beiden Meisenarten auf Futterplätzen nie, doch unser Balkon scheint völkerverständigende Wirkung zu haben. Ich stelle ihn gerne für die nächste Nahost-Friedenskonferenz zur Verfügung, gebt bitte rechtzeitig Bescheid, dann kochen wir was Schönes. Auch eine mittlerweile seltene Amsel (siehe Amselsterben) schaute vorbei, hüpfte bis zur Balkontür. Ich fühlte mich umgehend als schlechte Gastgeberin, weil ich dieses Jahr noch keine Rosinen für die Amseln ausgelegt habe. Gleich am Abend nachgeholt.
Ebenfalls gesichtet: einen Kleiber am Meisenknödel (auch hier kopfunter, der Angeber), rückzügelnde Wacholderdrosseln auf Besuch.

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Eine besonders zauberhafte Art der Synästhesie: Mode assoziiert mit Speisen. (via Cool Outfit)

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Frau naekubi hat in ihrem Blog Danger! Bananas ein sauberes Flowchart veröffentlicht, wie man Witze auch im Fasching lustig hält: Eine Einführung für Gag-Schreiber.

Journal Montag, 13. Februar 2012 – Zuspruch

Dienstag, 14. Februar 2012

Bin berührt von dem Zuspruch, den Sie mir über die Kommentare zukommen lassen. Ich scheine mit meinem Verdacht, „ach, wahrscheinlich stelle ich mich bloß an“ fast alleine zu stehen. Denn:

Same same but different – große und kleine Schrecken. Die Dimension spielt letztlich keine Rolle, wenn es uns erwischt, zählt der individuelle Schmerz und nicht der Rest der Welt,

wie die kluge Frau Julie – in komplett anderem Kontext – schreibt. Es wäre zwar ungemein praktisch, wenn es die Lösung für Notsituationen wäre, dass a) andere es noch viel schlimmer haben, wenn nicht sogar wirklich schlimm. Nur ist das halt b) dummerweise keine Lösung, und manchmal ist sogar genau das konsequente Zähnezusammenbeißen wegen a) die Hauptursache für die c) individuelle Not.

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Apropos Liebe. Ich glaube, dass Elternliebe vieles gutmachen kann, in jedem Alter.

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Telefonat mit der Deutschen Rentenversicherung. Nach nur einem Weiterstellen („Oh, da muss ich Sie mit…“) hatte ich eine Ansprechpartnerin, die sich für zuständig erklärte. Sie machte auch nur einen Anlauf, den Irrtum (ich hätte die Zeit zwischen 14 und 18 hauptsächlich mit Arbeitstätigkeit in Großbritannien verbracht) auf mich abzuwälzen: „Dann werden Sie das schon so angegeben haben.“ Als ich sie daraufhin schallend auslachte, gab die Dame sofort klein bei und riet mir, schriftlich auf den Fehler hinzuweisen. Nächste Runde.

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Der beste Oberchef von allen war so aufmerksam und freundlich, eigens aus der noch oberchefigeren Sitzung zu kommen, um eine wichtige Entscheidung weiterzugeben: Weil er wusste, wie sehr diese schnelle Information einigen Menschen das Leben erleichterte. (Er liest übrigens hier mit, Grüße!)

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Die abendliche Leserunde war wegen Krankheit sehr ausgedünnt. All about Lulu von Jonathan Evison gab viel Gesprächsfutter her: Eine gründliche und ungeschönte Darstellung der Westküsten-USA, dabei erzähltechnisch interessante Unterschiede zwischen der Selbstdarstellung des Ich-Erzählers und der Außensicht in Dialogen und Briefen anderer; ungewöhnlich und durchaus aufschlussreich ist professionelles Bodybuilding als Hintergrund der Familiengeschichte. Uneinig waren wir uns, ob die Hauptperson unsympathisch wirkte / wirken sollte. Einig wiederum, dass der Roman in der zweiten Hälfte ziemliche Längen hat. Weil ein Zitat daraus der Handlung voran gestellt ist, kamen wir auch auf Salingers Catcher in the Rye – möchte ich gerne mal wieder lesen um herauszufinden, wie sich meine Wahrnehmung des Buches verändert hat.

Journal Sonntag, 12. Februar 2012 – Gleißen

Montag, 13. Februar 2012

Für den Isarlauf zum Glück an die Sonnenbrille gedacht – Sonne plus Schnee können schmerzhaft glänzen.

Ein Schwarm Kanadagänse landete schreiend im Englischen Garten – rauschender Tropfen für rauschender Tropfen – am japanischen Teehaus. Ein paar Mal Spechtklopfen. Ein großer Schwarm Rabenkrähen – auch sehr laut.

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Nachmittag bei meinen Eltern. Auf der Fahrt erleichtert festgestellt, dass Fool on the Hill von Matt Ruff immer noch einzigartig und wundervoll ist.

Journal Samstag, 11. Februar 2012 – Lamm

Sonntag, 12. Februar 2012

Nach schwerer Nacht viel zu früh aufgewacht.

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Schwimmen im Dantebad. Die 50 Meter, die ich im Freien zwischen Gebäude und Schwimmbecken barfuß und im Badeanzug zurücklegen musste, waren durchaus bemerkenswert (GAAAAAAHHHH!). Auch und gerade im nassen Badeanzug. Als Lohn gab es ausgesprochen genussvolle 3.000 Meter im bacherlwarmen Wasser. Schwimmflügerlschwimmerquote auf der Schwimmerbahn 50 Prozent.

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Fünfstundenlamm im schönsten Bräter der Welt zubereitet und in den Ofen geschoben. Während des Garens Tinker, Taylor, Soldier, Spy gesehen, in den eher unterkühlten Museumslichtspielen. Gefiel mir gut: Die Handlung fand ich nebensächlich, schaute aber gerne der Ausstattung, der Inszenierung, den Schauspielern zu.

Nachts fast vergessen, das abends gegangene Brot (erstmals mit Brotgewürzen!) in den Ofen zu schieben. Entsprechend spät ins Bett gekommen.

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Kann es sein, dass ich seit 15 Jahren nichts anderes tue, als dem dauerschimpfenden Vater der 12-jährigen Kaltmamsell zu beweisen, dass ich nicht faul und schlampig bin? (Was mein Vater seit etwa 25 Jahren nicht mehr behauptet.) Und deshalb nicht dazu komme zu überlegen, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen will? Dass ich immer noch nicht über den Schmerz hinweg komme, dass der Vater der achtjährigen, der zehnjährigen, der 13-jährigen Kaltmamsell nicht die Tochter bekommen hat, die er sich wünschte? Dass ich mit dem Blick dieses Vaters von früher alles als unwert, mangelhaft und ungenügend ansehe, was ich leiste? Deshalb selbst offizielle Auszeichnungen als irrtümliche Einschätzung oder Ergebnis sachfremder Hintergedanken einsortiere?
Aber das wäre doch für eine 44-jährige erwachsene Frau mehr als lächerlich.

Journal Freitag, 10. Februar 2012 – Berlinale und Pinot Noir

Samstag, 11. Februar 2012

Die Berlinale war sehr lange etwas weit Entferntes für mich – interessierte mich auch nicht so arg. Das änderte sich, wie so vieles, durch Blogs: Seit letztem Jahr berichten mir echte Menschen davon im Web, Menschen die ich kenne und deren ganz subjektive Sicht mich interessiert. Das begann 2011 mit den Blogpostings von Frau Julie für die Leipziger Volkszeitung und geht heuer zusätzlich weiter mit Maike Hank (mit der ich ja praktisch schon im Blogsandkasten gespielt habe) für Der Freitag. Wenn Sie also auch das Gefühl haben wollen, direkt in der Berlinale zu sitzen, lesen Sie
Frau Julie aus Berlin
und
Maike aus Berlin

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Arbeit. Ein Tag ohne unangenehme Überraschungen.

(Übrigens, nur zur Sicherheit und zur Ehrenrettung meines Arbeitgebers: Diesen meinen Job kann man ganz gewiss auch machen, ohne sich zu zermürben, an den tausend Details und Widerständen wahnsinnig zu werden und in existenzielle Krisen zu geraten. Nur kann ich das halt nicht.)

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Die Kälte ist nicht mehr so schlimm. Zum einen sind die Temperaturen in den einstelligen Minusbereich gestiegen, zum anderen habe ich mich halt gewöhnt. Hin und wieder schneite es ein paar Flocken.

Ich stapfte (die einzige Gangart, die in meinen Schneestiefeln möglich ist) zur Hofbräumühle, weil ich Roggenschrot brauchte. Den es zwar eigentlich gerade nicht gab, doch die freundliche alte Dame hinter der Theke bot mir an, einfach ein Kilo Roggen frisch zu schroten. Ich nahm gleich auch noch Brotgewürz mit.

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Der Mitbewohner hatte schon wieder gekocht, und zwar etwas so Verlockendes, dass meine Appetitlosigkeit des Tages (ich hatte an der Käsetheke des Basitsch ein Probiererl abgelehnt, weil mir allein der Anblick den Magen umdrehte) nicht dagegen ankam: Italienische Dim-Sum-Dampfnudeln.

Dazu probierte ich einen weiteren Pinot Noir, diesmal von da, wo Frau… äh… Mutti wohnt.
Ich bilde mir ein, langsam auf das spezifisch Pinot-Noirische zu kommen: Rauch, Wacholder und Pfeffer ohne Wucht. (Warum praktisch alle St. Antony-Weine leicht moussieren, auch die nicht so jungen, würde ich gerne mit dem Winzer diskutieren.) Mal weiter trinken.

Journal Donnerstag, 9. Februar 2012 – Rom und eine alternative Jugend

Freitag, 10. Februar 2012

Bitte schauen Sie sich unbedingt die sensationelle Hande, aka vinoroma an, wie sie den Menschen von CNN Rom zeigt (klick auf Bild).


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Interessanter wird’s nicht. Korrekturgelesen (mich mit der Aussicht motiviert, dass es das allerallerletzte Mal ist, dass ich diese 200 Seiten lese), Abteilungsbesprechung mit Bekanntgabe der Zukunft, Ergebnisse meiner Korrektur und des professionellen Korrektors besprochen, Ergebnisse dieser Besprechung dem Dienstleister durchgegeben.

Und dann war es schon wieder zu spät für Sport (das ist es bei mir allerdings schon um 19 Uhr, da ich keine Lust habe, erst zum Schlafengehen nach Hause zu kommen). Sporttasche wieder ungenutzt heimgetragen, zumindest noch eine Lammkeule für das geplante Samstagsschmorlamm eingekauft.

Obwohl auch der Mitbewohner lange und heftig arbeiten musste, schaffte er es, ein Linsengericht zuzubereiten in der einen Stunde, die er früher als ich heim kam.

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Mal wieder Post von der Deutschen Rentenversicherung. Wie vermutlich die meisten Adressaten war ich beim Eingang der ersten Formulare reichlich verschreckt gewesen, da dieses Amt von mir hauptsächlich die Unterlagen haben wollte, die ich bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich genau bei dieser Deutschen Rentenversicherung vermutet hatte. Aus irgendeinem Grund habe ich die vielen Durchgänge dieses Spaßes bislang ohne einen einzigen Behördenbesuch geschafft. (Wenn ich auch beim Lesen von Frau Nessys Erfahrungen vermute, dass mir etwas entgangen ist.) Gelernt habe ich in diesen Jahren, dass ich zurecht jeden verdammten Lohnzettel meines Leben aufgehoben hatte: Die Deutsche Rentenversicherung wusste von vier Jahren meiner fest angestellten Erwerbstätigkeit nichts. Außerdem glaubte es mir nicht ohne Weiteres, dass ich die beiden Jahre vor meinem Abitur 1986 zur Schule gegangen war.

Zunächst war ich also gestern erleichtert, weil diesmal keine Formulare beilagen. Dann sah ich die 17 Seiten des Schreibens („Rentenauskunft – kein Rentenbescheid“) durch – und stellte fest, dass die Deutsche Rentenversicherung, Abteilung Internationale Aufgaben und Beratungsdienst, eine ganz andere Erinnerung an meine Jugend hat als ich. Auf Seite 13, „Versicherungsverlauf zur Rentenauskunft“, heißt es, dass ich mich zwischen 1983 und 1986 (also im Alter zwischen 14 und 18) insgesamt 24 Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten habe. Das ich zum erstem Mal mit 19 betrat, bei einer Chorreise nach Schottland. Oh dear. Dann werde ich wohl mal bei diesem Servicetelefon anrufen.