Archiv für Februar 2018

Journal Dienstag, 13. Februar 2018 – Die ersten heimischem Hamburger

Mittwoch, 14. Februar 2018

Wecker auf 7 Uhr gestellt, um mich schon mal aufs 6-Uhr-Wecken am Mittwoch vorzubereiten. Aber gestern hatte ich noch frei, und weil er schon um 7 begann, hatte ich schön viel vom Tag.

Die ersten Stunden davon verbrachte ich im Wohnzimmer am Laptop bloggend. Hin und wieder guckte ich raus auf die kleine Tierschau: Ein ungewohnter Vogelruf verriet mir einen Stieglitz in der Kastanie vorm Balkon, kurz darauf sah ich dort ein dunkelbraunes Eichhörnchen mit ganz langen Winterohren. Eine Amsel schimpfte so lange durch die geschlossene Balkontür, bis ich ihr Rosinen aufs Sims legte. Die Süddeutsche (Papier) gelesen.

Nach dem Frühstück am späten Vormittag lockte mich das Wetter zu einem Spaziergang in der nicht zu kalten Sonne. Auf dem Südfriedhof sah ich Buchfinken – aber keine Eichhörnchen, für die ich Erdnüsse dabei hatte.

Zurück daheim Adrian Mole ausgelesen. Und gleich danach Elena Ferrante, My brilliant friend angefangen (ich hatte die englische statt der deutschen Übersetzung gekauft, weil das E-Book hier nur ein Drittel kostete).

Nachdem jetzt klar ist, wann Herr Kaltmamsell dieses Jahr Urlaub nehmen kann, nämlich weiterhin nur in den Schulferien, buchten wir unseren gemeinsamen Urlaub 2018: Wir werden in Irland den Wicklow Way wandern und anschließend Dublin anschauen. Weitere Reisen plane ich ohne Herrn Kaltmamsell: Eine Woche ums Bachmannpreislesen in Klagenfurth sowie zwei Wochen Oktoberfestflucht, Ziel noch offen.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Hamburger, weil es aus der Kauf ne Kuh-Lieferung Patties in der Gefriere gab. Die Brötchen dazu hatte ich gebacken und war auch mit nur 24 Stunden Gehen sehr zufrieden. Ich bin völlige Hamburger-Ignorantin, mir ist eigentlich ein Fleischpflanzerl lieber; aber mit diesen Buns und mit viel geschmolzenem Käse schmeckten sie sehr gut.

An mehreren Stellen dachten Menschen darüber nach, was sie sich dieses Jahr zur Fastenzeit antun wollen: Es klingt alles sehr kompliziert, dafür meist komplett unreligiös. Mein regelmäßig geäußerter Vorschlag, sich bis Ostern einfach einmal am Tag mit einem Hammer auf den Daumen zu hauen und damit auf Schmerzfreiheit zu verzichten, wurde bislang nirgends aufgegegriffen. Ich scheine die einzige hier mit Begabung zum Thinken outside the Box zu sein.

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Stevan Paul schreibt einem Abgesang auf ein deutsches Traditionsgericht, von dem ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal hörte:
“Abschied von den Grauen Erbsen – ein deutsches Traditionsgericht verschwindet”.

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Sascha Lobo beobachtet im Web einen Rückzug ins Private:
“Wir tippen im Dunklen”.

via @alexmazkeit

Meine These: Es findet ein großer digitaler Rückzug ins Private statt. Das Private ist immerhin nicht politisch – auf die Weise, wie “Politik” in öffentlichen sozialen Medien so absurd anstrengend sein kann. Öffentlichkeit hat sich für die meisten Menschen offenbar nicht als wertvoll erwiesen.

Das deckt sich mit meiner Beobachtung, dass Jugendliche ihre Online-Kompetenz damit belegen, was sie alles nicht öffentlich schreiben und wie geschickt sie für Unsichtbarkeit sorgen. Und es könnte die Verwunderung der Medien über die “Goldenen Blogger” erklären, weil wir hier genau das Gegenteil tun und öffentlich schreiben.

Journal Montag, 12. Februar 2018 – #12von12

Dienstag, 13. Februar 2018

Gestern hatte ich Rosenmontags-frei, also kann ich mich mal wieder an #12von12 beteiligen.

Noch in den Schlumpfklamotten nach dem Aufstehen, doch die Tasche fürs Schwimmen zu meinen Füßen ist bereits gepackt.

Umbaustatus im U-Bahnhof Sendlinger Tor: Schon vor Monaten wurden die Fotoautomaten entfernt, mit denen ich fast monatlich mein Altern festhielt. Ich muss endlich mal nach Ersatz suchen, damit die Lücke nicht zu groß wird.

Ich nahm gemütlich die U-Bahn hinaus zum Olympiabad statt heldisch auf dem Fahrrad dem Frost zu widerstehen.

Nahezu ungestörtes Schwimmen im Trainingsbecken – die Schwimmhalle selbst wird erst ab Mai wieder nutzbar sein.

Mit der Straßenbahn zum Café Puck, ich frühstückte einen New York BLT.

Beim Zeitunglesen freute ich mich besonders über die Lokalspitze von Stephan Handel im München-Teil.

Auf dem Heimweg stieg ich für ein paar Besorgungen am Marienhof aus.

Münchner Rosenmontagsentfesselung auf dem Marienplatz.

Daheim brach ich in Häuslichkeiten aus: Teig für Hamburger-Buns fürs dienstägliche Abendessen angesetzt (statt 48 werden sie halt nur 24 Stunden im Kühlschrank gehen können),

Topfpalme beschnitten, auf dass sie wiederauferstehen möge.

Im Schlafzimmer eine größere Aktion: Seit meine lieben Eltern mich Weihnachten 2011 mit einem Baldachin für mein Bett beschenkt hatten, war dieser nie gewaschen worden. Sie können sich vorstellen, wie viel Staub sich seither darauf gesammelt hat? Gestern nahm ich ihn mit Hilfe einer Leiter und von Herrn Kaltmamsell endlich ab, stellte fest, dass er mit Stecknadeln gerafft war, schüttelte ihn auf dem Balkon erst mal aus (ohne vorher die Windrichtung zu prüfen, so profitierten auch mein schwarzes Strickkleid und meine Haare von sechs Jahren Staub) und legte ihn zusammen. Reinigung im Wollwaschprogramm folgt dieser Tage.

Dafür wusch ich eine Ladung dunkler Wäsche und dekorierte das Wohnzimmer damit.

Nachtmahl: Herr Kaltmamsell hatte Karotten und Kartoffeln aus Ernteanteil zu einer Suppe mit Ingwer und Kokosmilch verarbeitet. Danach gab’s noch Reste der Salate vom Vorabend.

Journal Sonntag, 11. Februar 2018 – Eine einzige Rote Bete

Montag, 12. Februar 2018

Frau Kaltmamsell, wie kommt Ihr Blog Vorspeisenplatte mit all dem Ruhm und Traffic durch den Award “Goldener Blogger” zurecht?

Och, es ist erwartungsgemäß genau so gelaufen, wie ich das bereits bei Verlinkung auf großen Portalen wie Spiegel online erlebt habe: Ein großer Aussschlag, nach einer Woche Zurückpegeln auf die vorherige Besucherzahl. Ich freue mich über jeden und jede davon.

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Nachdem auch meine zweite Lieblingsringelstrumpfhose löchrig war, machte ich mich ans Reparieren. Nicht nur würde mich überhaupt schmerzen, ein Kleidungsstück wegen eines solch geringen Schadens wegwerfen zu müssen. Ich mag diese Strumpfhosen auch besonders gerne und wüsste nicht, woher ich Ersatz bekäme.

Ich bin sehr froh, dass ich wenigstens ein bisschen mit Nadel und Faden umgehen kann – und so Lieblingsstücke retten.

Isarlaufrunde gestern von Odeonsplatz bis Unterföhrung und zurück bis Tivoli. Es war anstrengend, unter anderem wegen des rutschigen Untergrunds, aber ich sah einen Graureiher auf einer Kiesbank, eventuell daneben einen Kormoran.

Nach Duschen und Frühstück verarbeitete ich die eine Rote Bete, die vergangene Woche im Ernteanteil war.

Sie ergab eine Schüssel klassischen Rote-Bete-Salat nach Österreich vegetarisch und ein Portion Rote-Bete-Püree nach einem Rezept aus Ottolenghis Jerusalem (letzteres geriet mir ein wenig zu scharf).

Zum Abendbrot gesellte sich ein Waldorfsalat, den Herr Kaltmamsell aus Sellerie und Äpfeln des Ernteanteils bereitet hatte.

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Dieser Werbefilm macht in meinem Internet Furore: Eine Neuauflage der Four Yorkshiremen, nur dass sich darin junge Londoner darin übertreffen, wie hart es ist, ihren Sport auszuüben. Lustig und gepackt voller Infos über die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und Gegebenheiten in London (Englischlehrerinnen aufgemerkt) (wenn Landeskunde überhaupt noch Teil des Englischunterrichts heutzutage ist).

https://youtu.be/n0j_CX1S2es

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In Chrismon, dem besten Kundenmagazin deutscher Sprache, stand wieder eine ganz ausgezeichnete Reportage: Gerhard Trabert ist Arzt und behandelt Obdachlose und Arme in Mainz.
“Er schaut nicht weg”.

Du bist deines Glückes Schmied – Trabert wusste früh: „Das ist Unsinn.“

Journal Samstag, 10. Februar 2018 – Schokoladenkuchen und Lasagne

Sonntag, 11. Februar 2018

Erster von vier freien Tagen. Nach unruhiger Nacht wachte ich mit bösem Kopfweh auf, das mir unter anderem die Lust auf Sport nahm.

Doch so hatte ich noch Zeit für ein gemütliches Gespräch mit dem Übernachtungsgast und für eine mittägliche Einkaufsrunde mit Herrn Kaltmamsell. Unter anderem besorgten wir Zutaten für den Double Chocolate Bundt Cake with Chocolate Glaze, den ich bei David Lebovitz gesehen hatte. Etwas verwundert war ich über die dortige Diskussion zu Methoden gewesen, mit denen man das Festkleben von Rührkuchen in der Napfform verhindert: Im deutschsprachigen Kulturkreis würde ich Napfkuchen als den Standardkuchen ansehen, so dass das Buttern der Form zu den ersten Handgriffen gehört, die die Anfängerin lernt – bei besonderer Gefahr wird zusätzlich gemehlt oder gebröselt. Da es sich beim gestrigen Schokoladenkuchen um einen besonders zarten handeln sollte, mehlte ich; Semmelbrösel erzeugen eine äußere Knusprigkeit, die ich hier nicht haben wollte.

Zum Abendbrot hatte ich mir etwas wünschen dürfen (als wenn Herr Kaltmamsell nicht ohnehin immer auf meine Wünsche einginge): Ich hatte Lust auf klassische Lasagne al forno gehabt. Die mache ich eigentlich immer nach Gefühl (Bolo, Bechamel, Mozarellawürfel, Parmesan, Nudelplatten), Herr Kaltmamsell aber hatte gründlich recherchiert und orientierte sich am Rezept im Guardian, das Hühnerleber und viel Bechamel, aber keine Mozarella vorsieht. Dazu machte ich aus Ernteanteil-Zuckerhut einen Salat.

(Geständnis: Ich habe am Sättigungsregler gedreht, weil das Original etwas unappetitlich farblos war.) Das Ergebnis schmeckte gut, doch ich bevorzuge die Fruchtigkeit von deutlicheren Tomaten und vermisste die Käsefäden.

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Heimat – meine erste Assoziation ist dieses Wort im Mund der Mitglieder von Vertriebenenverbänden. Spürt man Heimat vielleicht vor allem, wenn man sich nicht dort und dann befindet? Als Vermissen?

Nicht erst seit der Koalitionsvertrag “Heimat” als Teil einer Ministeriumszuständigkeit vorsieht, wird wieder öffentlich darüber nachgedacht und diskutiert. Was wohl niemand übersehen kann: Es gibt keinen unbefangenen Umgang mit dem Begriff. Wie vergiftet er ist, beschreibt Juna auf ihrem Blog Irgendwie jüdisch:
“Heimat?”

Journal Freitag, 9. Februar 2018 – Deborah Feldman, Unorthodox / Freundinnenbesuch

Samstag, 10. Februar 2018

Gestern traf sich unsere kleine Leserunde, um über Deborah Feldmans Unorthodox zu sprechen; eine Mitleserin hatte die Autorin auch kürzlich bei einer Podiumsdiskussion erlebt. Ich war diesmal besonders auf die Urteile und Leseerlebnisse der anderen gespannt, um sie mit meiner sehr gemischten Sicht abzugleichen. Denn ich hatte durch diese Autobiografie zwar viel über die Ideologie und Ursprünge der Hassidim gelernt, auch über die oft haarsträubenden Details der konkreten beschriebenen Spielart. Und ich erkannte das Muster, das sie mit allen radikalreligiösen Sekten und Esoteriken verbindet: Je absurder der Glauben, je weiter weg von Ratio und sonstigem gesellschaftlichem Konsens, desto inniger und richtiger fühlt er sich für die Mitglieder der Gemeinschaft an.

Doch, und jetzt kommt das große Aber: Ich fühlte mich beim Lesen unwohl. Feldman schreibt ja nicht nur intime Details über sich selbst, sondern entblößt bis ins Intimste andere Menschen von Verwandten bis Ehepartner – echte Menschen, die sich nicht wehren konnten. Das ist in meinen Augen unanständig und gemein. Ihre eigene Befreiung ist durchaus interessant und sei ihr unbenommen; schließlich zeigt sich Deborah Feldman überzeugt, dass sie von Kindesbeinen an nicht wirklich dazu passte. Doch dass sie die Privatsphäre so vieler anderer Menschen für ihre Geschichte ausschlachtet, kann ich nicht gut heißen.

Gleichzeitig hatte ich ständig ein Gegenbeispiel im Hinterkopf, wie man die Mechanismen einer hassidischen Gemeinschaft interessant vermitteln kann, ohne jemanden zu bloß zu stellen: Naomi Aldermans Disobedience fiktionialisiert und literarisiert das Thema. Der Roman spielt im Norden Londons unter den dortigen ultraorthodoxen Juden und erzählt die Geschichte einer Rabbinertochter, die einst ausbrach und nun anlässlich des Todes ihres Vaters zurück kommt.

In unserer Leserunde hatten fast alle Feldmans Buch mit ähnlichem Unbehagen gelesen wie ich. Es wurde auch Kritik laut über die große Selbstzentriertheit der Autorin, die sich auf Kosten aller anderen Beschriebenen in möglichst gutem Licht darstelle. Nur eine Mitleserin stand ganz auf Feldmans Seite und fand ihre öffentliche Rache nachvollziehbar und berechtigt.

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Sonst ein ruhiger Arbeitstag, auf dem frostigen Heimweg ging ich im Westend bei einem Laden mit Feinkost und Wein aus Griechenland vorbei, um für den Abend Weißwein zu besorgen. Es wurde ein Nykteri aus Santorini (mineralisch, etwas Holz), der gut zu den beiden Currys passte (Palak Paneer, Auberginen-Kichererbsen-Tomaten-Curry), die wir servierten. Dass daheim beim Mantelablegen die Tasche mit den Einkäufen vom Fenstersims fiel und eine der drei Weinflaschen darin zerbrach, hätte es allerdings nicht gebraucht. (Herr Kaltmamsell hörte mein verzweifeltes “NEIN!”, eilte herbei, schickte mich sofort weg von der Unglücksstelle – “Geh kochen” – und kümmerte sich um die Sauerei.)

Der Übernachtungsbesuch kam erst nachts von seinem Münchenbesuchsanlass zurück, hatte aber schon vorher für herzhaftes Gelächter und für Freude gesorgt. Wir hatten die Freundin darauf hinweisen müssen, dass derzeit das Wasser in unserer Dusch-/Badewanne sehr langsam abläuft (Rohrfrei hatte nichts verbessert) – wir aber noch keine Zeit gefunden hatten, den Spengler kommen zu lassen. Bei meiner Heimkehr lag dieser Zettel im Wohnzimmer:

Große Liebe für diese Freundin. Genau so erlebe ich sie, seit wir uns im ersten Semester kennenlernten: Hinschauen, zupacken, machen – und gleichzeitig genau abschätzen, bei wem sie wie weit gehen kann. Und nachts brachte sie dann auch noch neue Zahnbürsten als Geschenk mit. DARF WIEDERKOMMEN! (*winkt*)

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Interview mit Alexander Gerst, der Anfang Juni zum zweiten Mal zur Internationalen Raumstation ISS fliegt:
“‘Und dann ist es wirklich schön, die Milchstraße zu sehen'”.

Interessant, wie oft Gerst die zwischenmenschliche Komponente betont, wie wichtig es ist, dass die Mitglieder einander wirklich verstehen und wissen, was der oder die andere meint. Zudem die Antwort auf eine Frage, die auch ich mir gestellt habe: Geht man sich auf der ISS nicht zwangsläufig irgendwann auf die Nerven?

Bei meinem letzten Flug gab es wirklich keine Situation, wo wir uns irgendwie richtig angenervt hätten. Das liegt daran, dass wir als Kollegen nicht einfach nur zusammengewürfelt werden. Wir trainieren so lange in den krassesten Situationen, beim Winter Survivaltraining, bei -30 Grad etwa, wo man ohne Schlafsack, ohne Zelt nachts draußen im Schnee sitzt. Da kommen diese Sachen vorher raus. Man lernt sich kennen und weiß, wo der andere vielleicht ein bisschen was für sich braucht. Und dann kommt noch das große Volumen der Raumstation dazu. Die ist ja fast so groß wie eine Boeing 747 – und man ist zu sechst da. Das heißt, es passiert tatsächlich öfter mal, dass man einen halben oder ganzen Tag in irgendeinem Modul arbeitet und fast niemanden sieht. Und da haben wir uns immer wieder auch mal so auf einen Kaffee getroffen, einfach nur, um mal wieder mit den Kollegen zu reden. Relativ wenige Aufgaben macht man zu zweit, und dadurch ist es wirklich schön, wenn man sich sieht.

Sich in einer Raumstation auf einen Kaffee treffen – neues Coolness-Level.

(Beim Lesen habe ich immer mein inneres kreischendes Fangirl im Hinterkopf – das stört tatsächlich manchmal ein bisschen die Konzentration.)

§

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann im Gespräch:
“Mensch und Arbeit
‘Wir binden alles an Lohnarbeit'”

Man könnte das ja auch so sehen, dass wir so besessen sind vom Paradigma der industriellen Arbeit, dass für uns Dinge nur dann einen Wert haben, oder besser gesagt Tätigkeiten nur dann einen Wert haben, wenn ich sie als Arbeit auffasse.

(…)

Es ist doch paradox, obwohl schon so viel automatisiert wird und in naher Zukunft noch automatisiert werden wird, dass wir nicht das Gefühl haben, wunderbar, da gibt es endlich Maschinen, die uns die Arbeit abnehmen. Ganz im Gegenteil. Wir haben größte Sorge, dass die uns nicht die Arbeit abnehmen, sondern uns die Arbeitsplätze wegnehmen, und da ist insgesamt, was die Rahmenbedingungen unserer Arbeitsorganisation betrifft, offensichtlich etwas schiefgelaufen.

Daran denke ich ja schon länger herum, zum Beispiel an dem Umstand, dass aller technischer Fortschritt keineswegs dazugeführt hat, dass wir weniger Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden. Notfalls erfinden wir Tätigkeiten und Berufsbilder, um einen Platz im Arbeitsleben zu finden, an dem wir Überstunden machen können.

Tatsächlich gelingt es mir, mich immer weniger über meine Erwerbsarbeit zu definieren. Erst kürzlich winkte ich wieder in einem angeregten Gespräch auf die Frage “Und was machst du beruflich?” ab: “Ach, Sekretärin.” Womit ich auf keinen Fall diese Tätigkeit abwerten will, sondern lediglich signalisiere, dass sie in meinem Leben keine bedeutende Rolle spielt und ich nicht weiter darauf eingehen werde.
Dummerweise hindert mich dieser Fortschritt nicht daran, mich dieser Erwerbstätigkeit sehr verpflichtet zu fühlen; zum Beispiel habe ich bis heute ein schlechtes Gewissen, wenn ich zuweilen andere Belange priorisiere.

Journal Donnerstag, 8.9. Februar 2018 – Müde im Schnee

Freitag, 9. Februar 2018

Erschlagen und sterbensmüde aufgewacht: Trotz Ibu hatten mich die Hüft- und Beinschmerzen über weite Teile der Nacht vom Schlafen abgehalten. Ich hatte bald ein paar Decken gestapelt, um meine Beine in LWS-entlastende Stufenlage zu bringen – was tatsächlich schnell die Schmerzen beseitigte, doch in dieser Haltung kann ich halt nicht schlafen. Also verbrachte ich die Nacht abwechselnd zwischen Stufenlage, bis ich schmerzfrei war, und Seitenlage fürs Schlafen, bis mich Schmerzen aufweckten.
Wird auch wieder besser.

Arbeitsweg durch Schnee und leichten Schneefall.

Den lustigen Muskelkater, der sich über den Tag vor allem im Bereich der Leisten entwickelte, führte ich auf die Anstrengung der rutschigen Arbeitswege zurück.

Auf dem Heimweg reichlich für Abendeinladung am Freitag eingekauft und heimgeschleppt. Zu Hause Vorbereitungen für Freitagabend, zum Abendessen Feldsalat aus Ernteanteil mit gekochten Eiern und gebratenen Champignons und Walnüssen. Gekruscht und geräumt, bis nachts Übernachtungsbesuch kam.

§

Ein Wissenschaftsjournalist des Atlantic, Ed Yong, macht Ernst:
“I Spent Two Years Trying to Fix the Gender Imbalance in My Stories”.

via @fraeulein_tessa

Women in science face a gauntlet of well-documented systemic biases. They face long-standing stereotypes about their intelligence and scientific acumen. They need better college grades to get the same prestige as equally skilled men, they receive less mentoring, they’re rated as less competent and less employable than equally qualified men, they’re less likely to be invited to give talks, they earn less than their male peers, and they have to deal with significant levels of harassment and abuse.

Gender biases are also entrenched in the media, where, in the words of the sociologist Gaye Tuchman, women are being “symbolically annihilated.” As Adrienne noted in her piece, “both in newsrooms and in news articles, men are leaders—they make more money, get more bylines, spend more time on camera, and are quoted far more often than women.” Again, there’s plenty of data on this. Several analyses show that in news stories, male voices outnumber female ones, typically by a factor of three

Im Originalartikel ist jedes Detail dieser Aussagen mit Belegen verlinkt.
Also versucht Yong gegenzuarbeiten.

Crucially, I tracked how I was doing in a simple spreadsheet. I can’t overstate the importance of that: It is a vaccine against self-delusion. It prevents me from wrongly believing that all is well. I’ve been doing this for two years now.

(…)

For the first year, I also tracked the number of people whom I asked for an interview, to check if I was actually contacting men and women in equal numbers and simply receiving a skewed set of replies. That wasn’t the case: In early 2016, women accounted for just 30 percent of people whom I contacted. As the year went on, I found that I would need to contact around 1.3 men to get one male quote, and around 1.6 women to get one female one.

Er betont allerdings:

Finding diverse sources, and tracking them, takes time, but not that much time.

Journal Mittwoch, 7. Februar 2018 – So richtig Schnee

Donnerstag, 8. Februar 2018

Gestern war in München der erste richtige Schneetag: Hellgraues Schneelicht den ganzen Tag, und ab dem frühen Nachmittag scheite es dann auch leicht in kleinen Flocken. Dazu war es frostig, ich fror im Büro – was ungewöhnlich ist: Ich bin seit Jahrzehnten gewohnt, dass mein Büroarbeitsplatz wärmer ist als meine Wohnung und besitze gar keine wirklich warme Bürokleidung.

Nach Feierabend spazierte ich zum Sport, über den Schnee mit rutschigen Schuhen und viel Körperspannung, um nicht auf die Schnauze zu Fallen.

Zum ersten Mal Langhanteltraining Hot Iron in neuer Umgebung. Anderer, viel größerer Raum (darin Steinsäulen mit die Jugenstilverzierungen unterm Kapitel), andere Ausrüstung, größter Unterschied aber: Mit! Männern! Und zwar über ein breites Altersspektrum hinweg. Das führte unter anderem dazu, dass die Vorturnerin uns mit “Leute” ansprach (gewohnt bin ich “Ladies!”) und bei den Gewichtempfehlungen für die Übungen zwischen Männern und Frauen unterschied.

Es war eine Anfängerstunde, also kam ich gut mit, allerdings quälte mich schon beim Aufwärmen die LWS mit Hüftschmerzen. Die Vorturnerin überzog, ich kam erst um dreiviertel neun heim. Da bleibt ja gar kein Feierabend.

§

Reden wir über Geld. Zum Beispiel mit einer jungen Lehrstuhlinhaberin an einer europäischen Uni.