Archiv für Januar 2020

Journal Mittwoch, 15. Januar 2020 – Knives Out

Donnerstag, 16. Januar 2020

Endlich mal gut geschlafen, davon fast sechs Stunden am Stück – doch der Wecker klingelte zu früh, ich hatte noch nicht genug Schlaf nachgeholt.

Noch ein sonniger Tag, beim frühnachmittäglichen Hofgang war es herrlich warm. Mittags Waldorfsalat und zwei Mandarinen.

Nach der Arbeit radelte ich direkt nach Hause, um vor dem Kinobesuch mit Herrn Kaltmamsell noch etwas essen zu können: Es gab Bagels aus dem Tiefkühlschrank mit Frischkäse, Schnittlauch, getrockneten Tomaten oder Räucherlachs.

Wir hatten Plätze (Karten gibt es ja dort bei Onlinekauf nicht mehr) im Cinema für Knives Out, auf den ich mich seit dem ersten Trailer gefreut hatte und der – im Gegensatz zu Last Christmas, auf den ich mich auch sehr gefreut hatte – sehr positiv besprochen wurde. (Sofia Glasl analysiert für die Süddeutsche die Rolle der Kostüme für die Charakterzeichnung: “Der Mörder ist immer…”)

Ergebnis: Ja, allerliebst und herzerfrischend. Neben mir ertönte während des Abspanns das Urteil, das ich auch schon häufig gelesen habe: “Endlich mal ein guter Film.” Knives Out nimmt sich ein scheinbar durchgespieltes Genre vor, den klassischen Who done it nach Agatha Christie, und variiert – gerade genug, dass alle Anklänge an berühmte Vorbilder da sind (u.a. das Setting, die Kameraeinstellungen, das Personal) und ergänzt um genug Neugier erzeugendes Neues. Der Film beginnt mit der Entdeckung des Toten und erzählt von dort in angenehmem Tempo und in sorgsamer Struktur weiter. Das Drehbuch hat viele schöne Einfälle, ohne den Film zu überfrachten. Allein schon die Idee, einen Charakter einzubauen, der nicht lügen kann: Pflegerin Marta muss sich übergeben, wenn sie lügt. Wunderschön, was der Film damit macht.

Oder der Privatdedektiv Benoit Blanc (gnihihi), den Daniel Craig mit einem völlig absurden Akzent spielt – was soll das bitte gewesen sein? Irgendwann fällt “Kentucky”, doch ich habe den Verdacht, der Akzent war einfach erfunden. Was hat die deutsche Synchronisation wohl daraus gemacht?

Klassisch wieder der Aufbau: Mehrmals im Film glaubt der Zuschauer zu wissen, was wirklich geschah, doch erst im großen Showdown enthüllt der Privatdetektiv (natürlich im großen Wohnzimmer des Hauses) alle Details und Zusammenhänge. Sehr schön auch die Maske: Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind deutlich überschminkt (so faltig ist die wundervolle Jamie Lee Curtis wirklich noch nicht) und wirken dadurch ein wenig wie Comiczeichnungen.

Auch Herr Kaltmamsell hatte sich amüsiert, beschwingte U-Bahn-Fahrt nach Hause.

Journal Dienstag, 14. Januar 2020 – Sonnenwärme

Mittwoch, 15. Januar 2020

Früher Wecker, um eine Runde Sport einlegen zu können. Die Nacht bis dahin war überdurchschnittlich (für mich) ruhig.

Das Ganzkörper-Krafttraining nach Fitnessblender verlief so lala – gleich im Anschluss und im Lauf des Tages wiesen Schmerzen darauf hin, dass es vielleicht keine gut Idee war. Andererseits sind der Verlauf meiner Schmerzen und meine Tagesform derart erratisch, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit was auch immer wahrscheinlich nur konstruiert ist.

Dienstag ist in der Arbeit Meeting-Tag, ich erwähnte es schon mal, erst ab Mittag saß ich dauerhaft am Schreibtisch.

Mittags Wirsingeintopf vom Vorabend, in der Mikrowelle aufgewärmt.

Draußen schien die Sonne, wie schon in den vorhergehenden Wintern ließ ich nur die Innenrollos herunter, damit sie mein Büro wärmen konnte.

Ich fühlte mich müde und flügellahm, war froh, vor mich hin arbeiten zu können. Im letzten Abendrosa nahm ich mit dem Rad einen kleinen Umweg über Bavariapark und Theresienwiese, um ein wenig Luft und Weite zu bekommen, vermisste sehr meinen früheren Fußmarsch nach Hause.

Nach Hause kam ich verhältnismäßig früh. Ich hatte als Bookmark noch eine arte-Doku offen und sah sie an: Über den Stand der Forschung 2017 zu Faszien und ihre Rolle für Rückenschmerzen. Durchaus interessant, wenn man über den raunenden Tonfall und das ständige “Rätsel” und “Geheimnis” weghören kann. (Auch mag ich es nicht, wenn Forschungsergebnisse sehr stark mit den forschenden Personen verknüpft werden, gebt mir lieber grafische Darstellungen von Versuchsaufbau und Zusammenhängen – aber das mag Berufskrankheit sein.)

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https://youtu.be/RPzqjy0rCHY

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell die Sellerieknolle aus Ernteanteil zu Waldorfsalat verarbeitet und servierte ihn an getoasteten Sandwiches aus dem Sandwichtoaster. Sehr gut. Nachtisch war neben Schokolade der selbst gemachte Eierlikör, den Gäste am Samstag mitgebracht hatten.

Sehr früh ins Bett weil totmüde.

Journal Montag, 13. Januar 2020 – Wahlhilfehektik

Dienstag, 14. Januar 2020

Wie schön es wohl sein wird, wieder ganze Nächte so richtig zu schlafen, ohne Schmerzen. Aber halt noch nicht jetzt. (Ich hatte es erst mal wieder ohne Ibu versucht, nach einer Stunde Schmerzstöhnerei aufgegeben.)

Früh in der Arbeit, gleich losgeackert.
Mittags eine rote Paprika, Käse und eine Körnersemmel, nachmittags Trockenaprikosen und Schokolade.

Mittags im Lokalteil der Süddeutschen über Wahlhelfende bei der anstehenden Kommunalwahl gelesen. Es wurde auch erwähnt, dass im Brief mit der Berufung ja der Hinweis auf die Schulungen gestanden habe – huch! Ich hatte den Berufungsbrief nicht bis zum Ende gelesen und erwartet, dass ich noch eine eigene Einladung zur Schulung bekommen würde. Abends rief ich daheim hektisch die Website mit den Terminen auf: Jetzt gab es keine Wochenendeschulungen mehr, ich werde mir einen Tag frei nehmen müssen. Macht nichts, am einzig möglichen Tag habe ich noch drei weitere private Termine, ein Urlaubstag erspart mir jetzt Hektik.

Auf dem Heimweg von der Arbeit beim Supermarkt vorbeigeradelt, Obst und Süßigkeiten gekauft.

Zum Nachtmahl kochte Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil-Wirsing, -Karotten, – Kartoffeln sowie gekochten Rindfleisch vom Wochenende einen Eintopf, ich steuerte die Einbrenn bei.

Früh ins Bett, weil ich sehr müde war. Erstes Kapitel von Bov Bjergs Serpentinen, ich erinnerte mich an sein Vorlesen einer Variante dieses Textes in Klagenfurt vor zwei Jahren – auch an die ungemütlichen Schatten, die zwei Details darin auf die gesamte Geschichte werfen.

§

Wie Thomas Wiegold geht es mir auch oft: Ich kann kaum glauben, wie der technische Fortschritt meine Berufswelt verändert hat, seit ich 1986 mein Zeitungsvolontariat und damit mein Berufsleben antrat.
“Januar 2020
Die Zukunft ist schon da, es fällt nur nicht auf”.

§

Eine bedrückende Erscheinung unserer Gesellschaft: Fast jeder Vierte aller Beschäftigten in Deutschland arbeitet zu Niedriglöhnen. (Das ist übrigens der Teil des Arbeitslebens, der mir immer in den – gerne auch visionären – Diskussionen über “die Zukunft der Arbeit” fehlt.) Ein Report von Monitor:
“Arm trotz Arbeit: Reinigungskräfte zum Niedrigstlohn”.

Journal Sonntag, 12. Januar 2020 – Nach den 70ern

Montag, 13. Januar 2020

Mittelgute Nacht (vor dem Schlafen Ibu), nach sieben blieb ich mit Willenskraft noch liegen und suchte immer neue Positionen, in denen die Schmerzen erträglich waren. Erst kurz vor zehn standen Herr Kaltmamsell und ich auf – um zu entdecken, dass unser Übernachtungsbesuch nicht nur deutlich früher aufgestanden war (ich stehe immer vor dem Besuch auf, das ist ein physikalisches Gesetz!), sondern bereits alles Geschirr vom Vorabend gespült und die Küche aufgeräumt hatte. Meine leicht verkaterte (aber keine Migräne!) und verschlafene Benommenheit vertiefte sich zu handfester Verwirrung. Und dann ging der Besuch auch noch Semmelnholen!

Ausgedehntes Frühstück (für mich nur Milchkaffee wie immer so kurz nach dem Aufstehen) mit viel Informationsaustausch und schönem Beisammensein.

Nachdem der Besuch uns verlassen hatte, bloggte ich über noch einer Tasse Milchkaffee, räumte den Vorabend auf. Gestern reichte der Zustand für eine Runde Crosstrainer. Ich hörte dabei eine ältere Folge von Rice and Shine:
“Gaysian”.

Vorhang auf für Nguyen Thi Hong Anh und Dang Chan Vinh! Die beiden sind Vietdeutsche und leben offen lesbisch bzw. schwul. In der Folge sprechen sie über ihr Coming Out, schwierige Kommunikation mit der Familie und unterschiedliche Erfahrungen in Deutschland und Vietnam.

Wieder war ich sehr angetan von den Einblicken – die beiden thematisieren ihr Coming out in ihren Familien (immer schmerzliche Geschichten) bis hin zum Problem, keine passenden Wörter auf Vietnamesisch für das zu kennen, was sie da eröffneten. (Die Website listet dann auch ein Glossar auf.)

Bei dieser Gelegenheit sah ich, dass Minh Thu Tran und Vanessa Vu ihre Podcast-Folge über die Cap Anamur, die mich letztes Jahr so mitgenommen hat, nochmal komplett auf Vietnamesisch produziert haben – um sie “auch für Betroffene und unsere Elterngeneration zugänglich zu machen”. Wow.
“Thuyền nhân Cap Anamur”.

Bei meinem Frühstück war es dann schon fast vier.

Wäsche gewaschen, Internet und Zeitung gelesen, abends gab es feudale Reste: Endiviensalat, Toast mit Crème fraîche und Forellenkaviar, gekochtes Rindfleisch mit Apfelmeerrettich, eingekochte Birne mit Schokoladensauce.

Journal Samstag, 11. Januar 2020 – Kochvergnügen wie in den 70ern

Sonntag, 12. Januar 2020

Aufgewacht mit benommendem Kopfweh, das migränoide Züge hatte, für die geplante Runde Crosstrainer ging es mir zu schlecht. Ich ließ alles sehr langsam angehen.

Wohnung aufgeräumt – mittlerweile habe ich mich dreingefunden, dass ich das unsystematisch assoziativ mache und nicht Zimmer für Zimmer: Wenn ich abschließend alle Zimmer checke, ist ja dann doch alles nötige geräumt. Mit Herrn Kaltmamsell Wohnung geputzt: Nach vier Wochen ohne Putzmänner war sie wirklich ungemütlich geworden, und eine ungemütliche Wohnung wollten wir unseren abendlichen Gästen nicht antun. Diesmal also im Gegensatz zur reinen Schmutzbegrenzung vor Weihnachten so richtig: Staubwischen überall, Möbelpolitur wo angebracht (habe ich erst von unseren Putzmännern gelernt), Bad, Klo, Küche putzen, Staubsaugen. Na gut, um Bodenwischen haben wir uns auch diesmal gedrückt.

Dabei wurde ich dankbarer als eh schon sehr für die Arbeit der beiden Putzherren. Allerdings kam ich ihnen auch auf ihre Abkürzungen (u.a. die obersten beiden Bücherregale – aber wahrscheinlich reicht es tatsächlich, wenn dort nur alle paar Jahre gewischt wird).

Duschen und Anziehen für eine Einkaufsrunde. Im Samsonite-Laden holte ich dabei die neuen Rollen für meinen größten Koffer ab. Bestellt hatte ich nur Ersatz für die eine kaputte, doch als die Angestellte merkte, dass die Kofferseite nicht notiert worden war, kaufte ich kurzerhand alle viere, die geliefert worden waren: Nach zehn Jahren kann man dem sonst rundum neuwertigen Koffer ja einen Satz neuer Rollen gönnen (wenn eine 12,50 Euro kostet, das Koffermodell aber derzeit 470 Euro). Die beiden ausgesprochen zuvorkommenden Verkäuferinnen beteuerten zwar, die Rollen samt Gehäuse seien ganz einfach auszuwechseln (“Wenn’s sogar ICH schaffe, haha…” – ich schluckte mal wieder eine feministische Intervention runter.), doch ich könne auch je-der-zeit mit dem Koffer kommen, dann werde das im Laden für mich erledigt.

Pft, wie schwer konnte das sein? War es dann auch nicht – weil ich ein Set Torx-Schlüssel besitze, mit dem mein Vater vor einigen Jahren den ohnehin super bestückten Werkzeugkasten ergänzt hatte, den ich von ihm zum Auszug von daheim bekam (danke Papa!). Anstrengen musste ich mich dennoch, denn der Winkel zum Ansetzen des Schlüssels für vier mal vier Schrauben in den Ecken des Koffers war sehr ungemütlich. Wie eine der beiden Verkäuferinnen geraten hatte, hob ich die drei nicht-kaputten Rollen auf: “Wenn Sie mal schnell eine auswechseln müssen.”

Den weiteren Nachmittag verbrachte ich mit Lesen und Vorbereitungen des Abends. Nämlich: Herr Kaltmamsell besitzt ein Kochbuch Kochvergnügen wie noch nie von Gräfe und Unzer aus den 70ern (von seinen Eltern übernommen), in dem die Kategorien zum Beispiel heißen “Für schicke Abendessen”, “Braten mit Tradition”, “Spaß beim Flambieren” und das Rezepte für so wunderbare Gerichte enthält wie “Zungenschärfer”, “Knabberkeulchen”, “Grillmasters gefüllte Kissen”, “Rumpsteak Mirabeau”, “Auberginensalat ‘antique'”, “Westfälisches Blindhuhn”, “Bromberger Hirschfilet”, “Schnippelkuchenpfanne”, “Hillibilly-Heidelbeertoast”.

Nachdem ich mich eines Abends mit Herrn Kaltmamsell darüber beömmelt hatte, kam ich auf die Idee, zu einem 70er-Abendessen mit solchen Gerichten einzuladen. Und das war gestern.
Zuvor natürlich Ananasbowle – mein Bowleset ist aus der Aussteuer einer Freundin übernommen, die wir auch eingeladen hatten.

Herr Kaltmamsell stellte das Menü zusammen und bastelte Menükarten:

Ich sorgte für Getränke: Ananasbowle, als Weißwein fränkischen Bocksbeutel Silvaner Juliusspital, als Rotwein einen Chianti la spinosa Riserva – in meiner Familie war zwar der klassische Weißwein in den 70ern Kellergeister, der Standard-Rotwein Edler von Mornag, doch keines von beidem wollte ich den Gästen und uns antun. Und sowohl Bocksbeutel als auch Chianti hatten es auch in den 70ern auf die Münchner Tische geschafft. Auch die Grießnockerl und der Nachtisch waren von mir.

Es wurde ein vergnügter Abend: Wir bekamen Blumen, Bier und Liköre mitgebracht, die Bowle ging schnell weg, und nichts an dem Menü schmeckte grässlich (Herr Kaltmamsell betonte, ich hätte ihn erst kurz vor abschließender Menüentscheidung informiert, dass Wohlgeschmack ein Entscheidungskriterium sein müsse). Die größte positive Überraschung war für mich die Romanoff-Torte: Hackfleisch, Speck und Blätterteig können, richtig zubereitet, eine sehr gute Kombination sein.

Fotos habe ich dann doch viel zu wenige gemacht, weil ich mit Bewirten und Spaßhaben beschäftigt war.

Die meisten der Vorspeisenhäppchen beim Warten auf ihren Einsatz.

Romanoff-Torte mit Endivien- und Gurkensalat.

Es wurde spät, ich ging ins Bett mit der Vorfreude auf den Morgen, da zwei Gäste über Nacht blieben.

§

Autorin und Kuratorin Mahret Ifeoma Kupka schreibt ausführlich über die Rolle ihrer dunklen Hautfarbe für ihr Deutschsein (und nimmt unter anderem die Aussage von Weißen auseinander, sie sähen ja keine Hautfarben, das sei für sie keine Wahrnehmungskategorie).
“Identitäten (6/7)
Farbe bekennen”.

via @buschheuer

Es ist wahnsinnig frustrierend, die eigene Lebensrealität immer als exotischen, komplexen Sonderfall gespiegelt zu bekommen.

(…)

Die Schublade „Schwarz“ ist selbstgeschaffen. Sie beschreibt keine Hautfarbe, sondern ist eine politische Selbstbezeichnung. „Schwarz“ beschreibt nicht ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten „ethnischen Gruppe“, sondern eint vor allem Menschen, die die Erfahrung teilen, auf eine bestimmte Art und Weise gesellschaftlich wahrgenommen zu werden.

Journal Freitag, 10. Januar 2020 – Leseexemplarfreuden

Samstag, 11. Januar 2020

Win some, lose some: Höllenschmerzen hatten mich vom Einschlafen abgehalten, dank 600 mg Ibu bekam ich wenigstens zwischen zwei und sechs Uhr ein paar Stunden durchgehenden Schlaf.

Ich war früh in der Arbeit, weil es viel zu tun gab. Und so ackerte ich durch, kaum gestört von Querschlägern, mit neuer Klarheit im aktuellen Albtraum-Projekt, die zumindest ein diesmal geordnetes Neuaufsetzen ermöglicht.

Mittags Bircher-Muesli mit Joghurt, nachmittags Apfel und Nüsse.

Beim Heimradeln in sehr milder Luft Abstecher zum Vollcorner, um unter anderem noch mehr Wein für die Samstagabendeinladung zu besorgen.

Daheim erst mal Häuslichkeiten, außerdem erste Schritte zum Nachtisch für Samstag. Große Freude über ein Leseexemplar von Bov Bjergs neuem Roman.

Herr Kaltmamsell sorgte für Nachtmahl, ich für den Gin Tonic zum Aperitiv.

(Wein wurde der Rest einer Flasche Sauvignon Blanc Reichsrat von Buhl.)

§

Wibke Ladwig berät Buchhandlungen und Bibliotheken bei Online-Kommunikationsprojekten. Vor Weihnachten arbeitete sie in einem Buchladen mit. Ihr Blogpost erzählt viel darüber, wie weit vorne der Buchhandel inzwischen wirklich ist:
“Abenteuer Buchhandel: Wie ich meinen alten Beruf nochmal anprobierte”.

§

Jacinta Nandi beschreibt als Zugezogene nach Berlin, wie sich alle Welt außer Deutschen verabredet – und im Gegensatz dazu Deutsche.
“Germans, find a better excuse to be flaky!”

AND I THINK THAT’S BEAUTIFUL!
(Allerdings verstehe ich immer besser, warum meine englischen Freundinnen während meines Studienjahrs in Wales regelmäßig warnen mussten: “Stop being so German!”)

via @annalist

Journal Donnerstag, 9. Januar 2020 – Ich gehe Hüfte und Toni Morrison, Beloved

Freitag, 10. Januar 2020

“Sie gehen Hüfte!” rief mir Dr. Orth 2 hinterher, als ich den Untersuchungsraum verließ, in dem endlich mal systematisch und gründlich abgewogen/untersucht wurde, ob meine Beschwerden nun von LWS oder Hüfte verursacht werden. Auch er hatte angesichts der Röntgenaufnahme eine Hüftarthrose erst mal als Ursache ausgeschlossen und hatte sich auf Ischias konzentriert (mit dem Hinweis, dass auch eine Kombination von Bandscheibe/Nerv und Hüftgelenk in Betracht kam). Dr. Orth 2 fragte dann viel (u.a. nein, kein Kribbeln, nein keine Taubheit, ja, Wegsacken des Beins seit Jahren – zum ersten Mal ein Arzt, der mit diesem Phänomen vertraut ist). Und er ultraschallte die Hüfte, inklusive gesunder Seite zum Vergleich – siehe da, endlich etwas Neues: eine laut ihm deutliche Entzündung in der schmerzenden Hüfte. Also ordnete Herr Doktor (gibt es überhaupt Orthopädinnen?) ein MRT der Hüfte an. Sportliche Bewegung darf ich aber weiterhin: “Alles, was nicht schmerzt.”

Es hob meine knapp vor Resignation stehende Stimmung deutlich, dass sich eine Ursache abzeichnet. Und dass die abschließende Beobachtung des Arzts endlich bestätigt, wovon ich seit einigen Monaten und vor Jahren ursprünglich überzeugt bin und war: Es ist die Hüfte.

Arbeit in der Arbeit, gestern musste ich gegen Sonne die Jalousien zuziehen. Das und die milde Luft beim frühnachmittäglichen Hofgang informierten mich: Das Wetter war schön. Mittags Orange und Birne mit Käse, nachmittags eine Hand voll Nüsse sowie ein paar getrockenete Aprikosen.

Früher Feierabend für Reha-Sport. Die Gruppengymnastik arbeitete mit Flexibar und ein paar anschließenden Bein-Übungen, meine Runde durch die Geräte dauerte etwas länger, weil ich auf einige warten musste (auch im Reha-Zentrum Vorsatzsportlerinnen?) und die Karten-Technik zickte.

Weiterer Termin des Tages: Ich radelte zum Treffen unserer Leserunde, wir hatten Toni Morrison, Beloved gelesen. Zu Gemüselasagne gab es in Untergiesing Gespräch darüber, auch wenn nur die Hälfte der Runde den Roman ganz gelesen hatte.

Ich hatte Beloved als anstrengend empfunden und war nur langsam voran gekommen, hatte ihn aber von der ersten Seite an als die Mühe wert gesehen. Der Roman dreht sich um Sethe, die nach dem amerikanischen Bürgerkrieg hochschwanger aus der Sklaverei flieht. Die Nicht-Linearität der Geschichte gleicht strukturell einem Traum, wozu auch die zahlreichen nicht-realistischen Elemente passen – sehr nah am magic realism der Veröffentlichungszeit 1991. Doch wo ich den südamerikanischen magic realism seinerzeit bald über hatte, weil er zu Beliebigkeit führte, ist dieses Element hier ein passendes Werkzeug: Erzählt werden die zahllosen und unendlichen Grauen der Sklaverei von der Verschleppung über das Gehaltenwerden wie Vieh bis zu alltäglicher Folter und Unterdrückung – das Ausmaß und die Dominanz im Leben so erdrückend, dass ein Ertragen und auch Erzählen nur durch Ausweichmanöver des Bewusstseins möglich sind. In dieser Welt gibt es Geister und magische Geschehnisse, für die Leserin ist die Abgrenzung zum Realen fast unmöglich; doch wo die Entmenschlichung und Brutalität von Sklaverei möglich sind, gelten ja vielleich auch andere Naturgesetze nicht.

Die vielen Details, die sich zum Bild dieser Zeit zusammensetzen, machten mir klar, wie zerstörerisch für Individuen und die Gesellschaft es war, ihnen durch diese konkrete Form der Versklavung Wurzeln, Geschichte, Tradition, Familie, Verbindungen unmöglich zu machen. Dass dies die US-amerikanische Gesellschaft bis heute in fast alle Bereiche hinein prägt und die Stellung der PoC dort von allen anderen Gegenden der Welt unterscheidet. Das Trauma der Sklaverei ist in den USA so tief, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie sich eine Gesellschaft je davon erholen soll.

Weltliteratur in Form und Inhalt, deshalb Leseempfehlung mit der Versicherung, dass sich die Mühe wirklich lohnt.