Aufgewacht mit benommendem Kopfweh, das migränoide Züge hatte, für die geplante Runde Crosstrainer ging es mir zu schlecht. Ich ließ alles sehr langsam angehen.
Wohnung aufgeräumt – mittlerweile habe ich mich dreingefunden, dass ich das unsystematisch assoziativ mache und nicht Zimmer für Zimmer: Wenn ich abschließend alle Zimmer checke, ist ja dann doch alles nötige geräumt. Mit Herrn Kaltmamsell Wohnung geputzt: Nach vier Wochen ohne Putzmänner war sie wirklich ungemütlich geworden, und eine ungemütliche Wohnung wollten wir unseren abendlichen Gästen nicht antun. Diesmal also im Gegensatz zur reinen Schmutzbegrenzung vor Weihnachten so richtig: Staubwischen überall, Möbelpolitur wo angebracht (habe ich erst von unseren Putzmännern gelernt), Bad, Klo, Küche putzen, Staubsaugen. Na gut, um Bodenwischen haben wir uns auch diesmal gedrückt.
Dabei wurde ich dankbarer als eh schon sehr für die Arbeit der beiden Putzherren. Allerdings kam ich ihnen auch auf ihre Abkürzungen (u.a. die obersten beiden Bücherregale – aber wahrscheinlich reicht es tatsächlich, wenn dort nur alle paar Jahre gewischt wird).
Duschen und Anziehen für eine Einkaufsrunde. Im Samsonite-Laden holte ich dabei die neuen Rollen für meinen größten Koffer ab. Bestellt hatte ich nur Ersatz für die eine kaputte, doch als die Angestellte merkte, dass die Kofferseite nicht notiert worden war, kaufte ich kurzerhand alle viere, die geliefert worden waren: Nach zehn Jahren kann man dem sonst rundum neuwertigen Koffer ja einen Satz neuer Rollen gönnen (wenn eine 12,50 Euro kostet, das Koffermodell aber derzeit 470 Euro). Die beiden ausgesprochen zuvorkommenden Verkäuferinnen beteuerten zwar, die Rollen samt Gehäuse seien ganz einfach auszuwechseln (“Wenn’s sogar ICH schaffe, haha…” – ich schluckte mal wieder eine feministische Intervention runter.), doch ich könne auch je-der-zeit mit dem Koffer kommen, dann werde das im Laden für mich erledigt.
Pft, wie schwer konnte das sein? War es dann auch nicht – weil ich ein Set Torx-Schlüssel besitze, mit dem mein Vater vor einigen Jahren den ohnehin super bestückten Werkzeugkasten ergänzt hatte, den ich von ihm zum Auszug von daheim bekam (danke Papa!). Anstrengen musste ich mich dennoch, denn der Winkel zum Ansetzen des Schlüssels für vier mal vier Schrauben in den Ecken des Koffers war sehr ungemütlich. Wie eine der beiden Verkäuferinnen geraten hatte, hob ich die drei nicht-kaputten Rollen auf: “Wenn Sie mal schnell eine auswechseln müssen.”
Den weiteren Nachmittag verbrachte ich mit Lesen und Vorbereitungen des Abends. Nämlich: Herr Kaltmamsell besitzt ein Kochbuch Kochvergnügen wie noch nie von Gräfe und Unzer aus den 70ern (von seinen Eltern übernommen), in dem die Kategorien zum Beispiel heißen “Für schicke Abendessen”, “Braten mit Tradition”, “Spaß beim Flambieren” und das Rezepte für so wunderbare Gerichte enthält wie “Zungenschärfer”, “Knabberkeulchen”, “Grillmasters gefüllte Kissen”, “Rumpsteak Mirabeau”, “Auberginensalat ‘antique'”, “Westfälisches Blindhuhn”, “Bromberger Hirschfilet”, “Schnippelkuchenpfanne”, “Hillibilly-Heidelbeertoast”.
Nachdem ich mich eines Abends mit Herrn Kaltmamsell darüber beömmelt hatte, kam ich auf die Idee, zu einem 70er-Abendessen mit solchen Gerichten einzuladen. Und das war gestern.
Zuvor natürlich Ananasbowle – mein Bowleset ist aus der Aussteuer einer Freundin übernommen, die wir auch eingeladen hatten.
Herr Kaltmamsell stellte das Menü zusammen und bastelte Menükarten:
Ich sorgte für Getränke: Ananasbowle, als Weißwein fränkischen Bocksbeutel Silvaner Juliusspital, als Rotwein einen Chianti la spinosa Riserva – in meiner Familie war zwar der klassische Weißwein in den 70ern Kellergeister, der Standard-Rotwein Edler von Mornag, doch keines von beidem wollte ich den Gästen und uns antun. Und sowohl Bocksbeutel als auch Chianti hatten es auch in den 70ern auf die Münchner Tische geschafft. Auch die Grießnockerl und der Nachtisch waren von mir.
Es wurde ein vergnügter Abend: Wir bekamen Blumen, Bier und Liköre mitgebracht, die Bowle ging schnell weg, und nichts an dem Menü schmeckte grässlich (Herr Kaltmamsell betonte, ich hätte ihn erst kurz vor abschließender Menüentscheidung informiert, dass Wohlgeschmack ein Entscheidungskriterium sein müsse). Die größte positive Überraschung war für mich die Romanoff-Torte: Hackfleisch, Speck und Blätterteig können, richtig zubereitet, eine sehr gute Kombination sein.
Fotos habe ich dann doch viel zu wenige gemacht, weil ich mit Bewirten und Spaßhaben beschäftigt war.
Die meisten der Vorspeisenhäppchen beim Warten auf ihren Einsatz.
Romanoff-Torte mit Endivien- und Gurkensalat.
Es wurde spät, ich ging ins Bett mit der Vorfreude auf den Morgen, da zwei Gäste über Nacht blieben.
§
Autorin und Kuratorin Mahret Ifeoma Kupka schreibt ausführlich über die Rolle ihrer dunklen Hautfarbe für ihr Deutschsein (und nimmt unter anderem die Aussage von Weißen auseinander, sie sähen ja keine Hautfarben, das sei für sie keine Wahrnehmungskategorie).
“Identitäten (6/7)
Farbe bekennen”.
via @buschheuer
Es ist wahnsinnig frustrierend, die eigene Lebensrealität immer als exotischen, komplexen Sonderfall gespiegelt zu bekommen.
(…)
Die Schublade „Schwarz“ ist selbstgeschaffen. Sie beschreibt keine Hautfarbe, sondern ist eine politische Selbstbezeichnung. „Schwarz“ beschreibt nicht ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten „ethnischen Gruppe“, sondern eint vor allem Menschen, die die Erfahrung teilen, auf eine bestimmte Art und Weise gesellschaftlich wahrgenommen zu werden.