Archiv für Oktober 2021
Journal Samstag, 30. Oktober 2021 – Schrubb- und Schwimmfreuden
Sonntag, 31. Oktober 2021Der Nachtschlaf fühlte sich unruhiger an, als er gewesen sein kann: Beim Nachzählen war ich nur drei Mal wach geworden und immer gleich wieder eingeschlafen.
St. Matthäus zeigte sich nebelverhangen.
Erst mal Häuslichkeiten: Bett abziehen, Bettwäschewaschen, Geschirrspüler anschalten (am Vorabend vergessen). Der Tag brach an zu Nebel, doch das Licht verriet dahinter blauen Himmel und Sonnnenschein.
Nach Bloggen über Morgenkaffee und Nachlesen der nächtlichen Twitter-Timeline kam er auch raus, der Sonnenschein. Darin machte der nächste Punkt meiner Häuslichkeiten fast schon Spaß: Ich befreite Balkonteppich und Balkon von Laub und Dreck, die edlen Balkonmöbel wurden mit der Bürste und Seifenwasser geschrubbt (wundervolle Geruchskombination Holz und Grüne Seife). Das ist ja die vom Hersteller empfohlene Pflegemethode, der ein ein Täschchen mit Flüssigseife und Bürste (sowie Schleifpapier und Schwamm) beilegte – und nach dem Trocknen des Holzes war ich völlig begeistert, dass das wirklich funktioniert: Die Witterungsflecken vom Regen waren weg. Zwar blieb das ungleichmäßige Ausbleichen durch die Sonne, aber das begrüßt der Hersteller in der Spielanleitung explizit und nennt es Patina.
Aufs Schwimmen im Dantebad freute ich mich ganz besonders, auch das Hinradeln im kühlen Sonnenschein war ein Genuss. Wieder kraulte ich im Soach-warmen Wasser ohne Frieren – das kostet aber regulär auch 8,60 Euro Eintritt statt der 5,30 Euro fürs Olympiabad. Die Bahnen waren um die Mittagszeit übersichtlich genutzt, das Schwimmen machte im neuen, angemessen sitzenden Badeanzug tatsächlich mehr Spaß.
Eigentlich hätte ich Lust auf die ganzen 3.000 Meter vor kaputter Hüfte gehabt, doch bei der Runde zu 2.600 Metern krampfte mein linker Unterschenkel samt Fuß und Zehen auf eine originelle, noch nie erlebte Weise. Dann halt nicht, ich war erst mal beschäftigt, aus diesem Krampf rauszukommen.
Auf dem Heimweg hielt ich bei einem Supermarkt: Lebensmittel-Einkäufe fürs Abendessen. Einen Bäcker für meine Frühstückssemmeln fand ich auf meiner Route überraschend schwer: Ein Ihle hatte schon um 14 Uhr geschlossen (laut Schild “wegen des erneuten Lockdowns” – kurzzeitig erschrak ich, ob mir beim Tagesschau-Gucken am Vorabend etwas entgangen war), ich musste dann doch einen Umweg radeln.
Zu Hause räumte ich Sporttasche und Geschirrspüler aus, bezog mein Bett, dann gab’s zum Frühstück Semmeln und Trauben.
Am Nachmittag hatte ich in der Gesamtplanung Raum für einen Herbstspaziergang in selten spazierten Gegenden Münchens gesehen, doch der Himmel zog immer weiter zu – meine Sehnsucht nach weiterem Draußen versiegte.
Ich war so im Häuslichkeitsschwung, dass ich gleich noch eine Runde bügelte. Dabei hörte ich das Radio Eins “Ferngespräch” von Holger Klein mit Paris-Korrespondentin Sabine Wachs und erfuhr viel Interessantes über die aktuelle Lage in Frankreich. Der Podcast reichte auch noch für das Flicken eines Paars schwarzer Häkelstrümpfe: Löcher im unverstärkten Zehen-Bereich.
Zum Abendessen kochte ich so richtig auf – um was Gutes essen zu können, um zu testen, ob ich es nach Jahren der Rundum-Bekochung durch Herrn Kaltmamsell überhaupt noch kann, und um LINSEN! zu bekommen:
“Kartoffeln in scharfen Sahnelinsen mit Spinat und Pfefferbeißern”.
Nur halt mit Lauch aus Ernteanteil statt Spinat (geputzt, gescheibelt und vorher angedünstet), dafür nur eine Zwiebel, sowie mit Ingolstädter Bauernwurscht statt Pfefferbeißer. Schmeckte hervorragend, aber die Wurst braucht es wirklich nicht. Dazu ein Glas Steffen Loose Goldriesling aus Sachsen, der nicht 100-prozentig dazu passte (aber sich auch nicht biss), mir aber sehr gut schmeckte. Als Nachtisch passte nur noch wenig Schokolade hinterher.
Abendunterhaltung: Der Dokumentarfilm Gleis 11 (in der Mediathek nachzusehen), mit dem der junge Regisseur Çağdaş Eren Yüksel einige erste Gastarbeiter-Einwanderer nach Deutschland portraitiert, darunter seine Großmutter Nezihat. Yüksel lässt den alten Menschen Zeit und Raum zum Erzählen, es sind ganz unterschiedliche Geschichten und Leben.
Die Griechin, die ihrem Enkel in der Reithalle das Lied “Hoppereiter” zuruft (“Weißt du noch?”), wie die über 80-jährigen souverän mit dem Smartphone hantieren, die Reue der gebrechlichen Türkin, statt eines Deutschkurses den Nähkurs gewählt zu haben, der Aspekt der Freiheitssuche beim Auswandern, die Befreiung aus der Enge ihrer Heimatdörfer.
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Annette Dittert fasst wieder die politische Entwicklung in UK zusammen:
“Brexit-Chaos: Die Krise, die keine sein darf”.
Seit der lange Schatten der Corona-Pandemie zu weichen beginnt, ist es unübersehbar geworden: Großbritannien befindet sich in einer eskalierenden nationalen Krise. Im ganzen Land fehlen Arbeitskräfte, die sonst die Grundversorgung auf der Insel sichergestellt haben. Die Lage ist so ernst, dass die Regierung jetzt sogar die Armee in Bereitschaft versetzt hat, während der Justizminister offen darüber spekuliert, ob man Häftlinge aus Gefängnissen in die brachliegenden Schlachthäuser schickt, um die drohende Notschlachtung von 150 000 Schweinen zu verhindern.
Die Gründe dafür sind komplex, aber ein Faktor spielt auf jeder Ebene eine entscheidende Rolle: der Brexit, mit dessen Inkrafttreten der freie Zufluss von Arbeitskräften aus der EU seit Anfang des Jahres jäh beendet wurde. Das ist eigentlich wenig überraschend, der ehemalige konservative Premier John Major hatte schon 2016 vor dramatischen Engpässen gewarnt, sollte es zu einem harten Brexit kommen. Überraschend auf den ersten Blick ist eigentlich nur eins: Die jetzige britische Regierung hat beschlossen, in diesem Zusammenhang nicht mehr über den Brexit zu sprechen, und alle machen mit.
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Erklärzeit! Grahame the Drummer führt auf Tiktok an konkreten Beispielen vor, warum Ringo Starr ein genialer Schlagzeuger ist.
via @DonnerBella
Journal Freitag, 29. Oktober 2021 – Lernen über Drogenhandel und Kaufhausabenteuer
Samstag, 30. Oktober 2021Wieder eine Nacht mit vielen Unterbrechungen, aber keine davon lang oder belastend.
Mit dem Rad durch leichte Nebeldüsternis in die Arbeit, ich brauchte es für meinen Schöffinneneinsatz. Auch als ich nach einem Stündchen im Büro zum Amtsgericht radelte, war es neblig und kalt, ich trug meinen alten Ledermantel (vor 20 Jahren ausbeuterisch billig bei H&M gekauft, würde ich schon lange nicht mehr tun, aber jetzt er nunmal da und nützlich, wird also getragen, bis er zerfällt), Mütze, Schal und Handschuhe.
Vor Gericht stand ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, der eingehend verhandelt und beraten wurde; wir kamen erst um 13 Uhr zu einem Urteil. Erste Male: Auf die Frage des Berufsrichters, wie er ohne Erwerbsarbeit seine teure Kokainsucht finanziert habe, antwortete der Angeklagte: “Bitcoin.” Er hatte wohl vor einigen Jahren knapp zwei Bitcoins erworben (er nannte eine Kommazahl), die so viel Ertrag brachten, dass er eine Weile davon leben konnte. Auch sonst erfuhr ich eine Menge Details über Drogenerwerb und -handel heute – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo ist rein technisch schon lang vorbei.
Als ich zurück ins Büro radelte, war der Nebel weg und hatte einem weiteren hell leuchtenden Herbsttag Platz gemacht.
Am Schreibtisch spätes erstes Essen des Tages, selbst mir Hungerkünstlerin war schon recht flau: Apfel, Tomaten, Pumpernickel mit Butter – aber für eine Pause war keine Zeit, deshalb ohne Zeitunglesen. Nach einer Besprechung per Video-Konferenz aß ich noch Mandarinen und Trauben. Ein paar erfreuliche Telefonate und fruchtbare Besprechungen, dann war ich insgesamt so geschafft, dass ich nur noch hirnlose manuelle Tätigkeiten abarbeitete.
Start ins Strohsingle-Wochenende (Herr Kaltmamsell war am Nachmittag zum mehrtägigen Rollenspiel verreist und tötete außerirdische Monster) mit Einkäufen, die jede Frauenzeitschrift unter “Shopping” verbucht hätte: Ich besorgte im Kaufhaus dann doch ein passendes Set Unterwäsche, einen Schwimmanzug, in dem ich nicht schwamm (hm, ich muss mal wieder an meinen Wortspielen arbeiten), Sporthandschuhe, bunte Strumpfhosen, ein paar Lebensmittel (gemischte Schokonüsse von der Schokonussbar). In den entsprechenden Abteilungen war wenig los, ich konnte entspannend viel Abstand zu anderen halten. Damit habe ich hoffentlich vorerst alle Live-Einkäufe erledigt, die Fußgängerzone war schon wieder zu voll. Ich werde mich wohl wieder nur mit FFP2-Maske dort bewegen und trauere schon jetzt um einen weiteren (für mich) ausgefallenen Christkindlmarkt.
Für den BH brauchte ich Beratung, durch die Figurveränderung kenne ich meine Größe nicht mehr. Ich erklärte der Verkäuferin meines Alters (ich habe erkannt, dass Menschen, die ich auf “ein paar Jahre älter als ich” schätze, meist einfach so alt sind wie ich) mein Hilfebedürfnis explizit mit Gewichtsverlust, ich müsse bei BH-Größe leider ganz von vorn anfangen. Die Dame verhalf mir tatsächlich zu einem passenden Set, doch was mag sie nur veranlasst haben mich zu trösten, mein schlaffes Gewebe und mein “Bäuchlein” seien nicht so schlimm, sie habe das doch auch – ich hatte meinen Körper außer dem Hinweis auf Gewichtverlust nicht kommentiert. Oder warum sie eine Wir-immer-noch-schlanken-und-ansehnlichen-älteren Frauen-Verschwesterung versuchte. Es war auf jeden Fall unangenehm. Ich weiß schon, warum ich seit Teenagerjahren auf beleibte Wäscheverkäuferinnen setze – gemäß meinen Vorurteilen können sich im Gegensatz zu ihnen idealfigurige Verkäuferinnen nur in einen winzigen Teil ihrer Kundschaft hineinversetzen. (Große Vermissung der Lieblingswäscheverkäuferin.)
Fast hätte ich dann beim Badeanzugkauf ein Schnäppchen für 9 Euro gemacht: Das Modell war zwar Urschrei-neongelb, doch es passte, und für neun Euro konnte ich die Farbe verschmerzen. Nur dass die Kasse dafür fast 50 Euro berechnete: Ich erhob Einspruch und verwies auf das eindeutig bedruckte Preisschild, der herbeigeholte Vorgesetzte aber meinte, das sei ein Nike, der koste niemals nur 9 Euro und der Preis im System stimme. Also musste ich nochmal in die Umkleide zum Durchprobieren, es wurde dann ein unauffälliger Sport-Badeanzug für reduzierte 25 Euro.
Zu Hause kochte ich mir Abendessen: Ernteanteil-Rosenkohl mit Knoblauch, frischer Chilli, Salzzitrone – und mit Grünkern, den ich nach vielen, vielen Jahren mal wieder gekauft hatte, mich meiner Körndl-Phase vor über 30 Jahren entsinnend. Merken: Uneingeweichter Grünkern braucht mehr als 40 Minuten Kochzeit, er war noch arg bissfest. Nachtisch zu viele Schokonüsse.
Früh müde ins Bett mit Vorfreude aufs lange Wochenende.
Journal Donnerstag, 28. Oktober 2021 – Mit Volldampf in die vierte Welle
Freitag, 29. Oktober 2021Nachts oft aufgewacht, aber zum Glück jedesmal schnell wieder eingeschlafen.
Morgennebel verdüsterte den Weg in die Arbeit, dazwischen leuchtete mich das Licht der jetzt schon sehr lichten und hellgelben Ahörner und Linden an.
Tumultöser Vormittag in der Arbeit.
Mittags Apfel sowie Sahnequark mit Joghurt.
Nachmittags interessante Info-Veranstaltung und weiter viel Arbeit. Draußen strahlte jetzt die Sonne, Herbstlicht ist wirklich wundervoll.
Auf dem Heimweg größere Einkäufe im Vollkorner: Das lange Allerheiligenwochenende werde ich wieder ohne Herrn Kaltmamsell verbringen, der mit Freunden von ganz ganz früher Monster tötet (Rollenspiel Call of Cthulhu, Pen and Paper), ich deckte mich mit Lebensmitteln ein.
Zu Hause Yoga, dann verarbeitete ich den größten Teil der riesigen Ernteanteil-Endivie zu Abendessen: Salat mit Tahini-Dressing und Ei. Danach gab es Eiscreme und Schokolade.
Mit Bedauern meldete ich mich doch nicht an zur Generalversammlung des Kartoffelkombinats in Präsenz: Die hohen Corona-Infektionszahlen haben ohnehin zur Streichung der geselligen Teile geführt (gemeinsames Mittagessen vom Buffet mit Mitgebrachtem), zu FFP2-Pflicht und 3G, außerdem ermöglichen die bereits eingegangenen Anmeldungen gerade mal so den Sicherheitsabstand. Es scheint mir klug, mich mal wieder vorsichtiger als vorgeschrieben zu verhalten – auch wenn’s mir wirkich, wirklich zum Hals raushängt. Die Entwicklung der Infektionszahlen und die der schweren Fälle (gute Darstellung bei tagesschau.de) lässt keinen anderen Schluss zu.
Gestrige Süddeutsche Zeitung. Dazu am Nachmittag die niederschmetternde Nachricht:
“Viele Nichtgeimpfte wollen sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen lassen”.
Fast neun von zehn Nichtgeimpften in Deutschland wollen sich einer Umfrage zufolge auch in den kommenden acht Wochen eher nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen lassen. Auf keinen Fall vor haben dies laut einer online veröffentlichten Forsa-Erhebung im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) 65 Prozent. 23 Prozent sagen eher nein.
Und da klar ist: Unsere Körper machen in dieser Pandemie alle SARS-CoV-2 durch, entweder in Form einer Impfung oder einer Infektion, steht uns also ein weiterer schlimmer Winter bevor – in dem die Zahl einsatzfähiger Intensivbetten von etwa 12.000 auf derzeit circa 9.000 gesunken ist, weil zum ohnehin drückenden Pflegemangel in der Pandemie viele Pflegekräfte gegangen sind. Diese Nachricht ist nicht nur für die besonders schweren Fälle von Covid-19 schlimm, sondern für alle, die ein Intensivbett brauchen, ob nach einer OP, einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einem schweren Unfall.
Da die Forsa-Umfrage belegt, dass Impf-Unwillige durch Fakten nicht zu überzeugen sind (sie sind alle seit Monaten bekannt und werden offensichtlich nicht angenommen), nur der eine Punkt: Sie meinen, Ihr Immunsystem sei so klasse, dass es mit SARS-CoV-2 locker fertig werde und Sie höchstens Grippe-Symptome bekommen? Ihr Immunsystem kennt dieses Virus nicht, ob klasse oder nicht. Auf den Intensivstationen liegen oft genug junge, fitte, bislang gesunde Menschen, deren hervorragendes Immunsystem SARS-CoV-2 freundlich durchgewunken hatte, weil nicht als Bedrohung erkannt.
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Jajaja, ich weiß: Superamerikanisch, melodramatisch, yaddayadda. Aber wenn’s wirkt.
Don’t chose extinction.
https://youtu.be/VaTgTiUhEJg
Journal Mittwoch, 27. Oktober 2021 – Nymphenlücke und Abend im Schmock
Donnerstag, 28. Oktober 2021Ereignisarmer Morgen, ich beschloss, nach dem energischen Strampeln am Vorabend den sonst täglichen Bank- und Seitstütz ausfallen zu lassen.
Über einem Teil der Theresienwiese Morgennebel (sie ist so groß, dass sie unterschiedliche Mikroklimen hat), der mir erst mal durch die Nebel-Lichtkegel vor Fahrrädern auffiel.
Hier wären ein paar Nymphen im Bild recht gewesen, doch die wohnen natürlich alle in Nymphenburg und müssten als Bayerische Staatsbeamte zur Theresienwiese eigens teilabgeordnet werden.
Wieder tüchtig Arbeit in der Arbeit. Zu Mittag gab es Apfel, Birne, Pumpernickel mit Butter. Der mittelfrühe Feierabend war gestern trotz aktueller Querschüsse nicht verhandelbar: Ich war verabredet.
Dazu marschierte ich ins Schlachthofviertel; zum Glück ließ ich mir von Google Maps eine Route vorschlagen und dadurch darauf hinweisen, dass ich ja hintenrum über die Südspitze der Theresienwiese gehen konnte, so dauerte der Weg deutlich kürzer, als ich geschätzt hatte. Wir trafen uns am neuen Volkstheater im Schmock. Corona-Einlasskontrolle war bereits im Innenhof aufgebaut für Theater und Restaurant: Erst zum dritten Mal erlebte ich ordnungsgemäßen Scan meines Impf-Zertifikats inklusive Abgleich mit Personalausweis. Im Gegenzug bekam ich ein rotes Bändel ums Handgelenk geklebt; das musste ich am Eingang des Schmock nur noch vorzeigen.
Der großzügige Raum des Restaurants im neuen Volkstheater ist wirklich schön (wie auch, wir waren uns einig, der gesamte Neubau angenehm harmonisch und heimelig ist; fast schon familiäre Funktionalität statt Angebertum), wir freuten uns über die vom alten Schmock vertrauten Plakate, und ich bilde mir sogar ein, dass die Wandlampen dieselben sind.
Meine Verabredung und ich aßen gut; vor mir standen ausführliche nah-östliche Vorspeisen, gegenüber gab es einen Rinderfilet-Gamba-Spieß, dazu hatte ich sogar mitten unter der Woche Lust auf ein Glas Wein und bestellte einen israelischen Gamla Cabernet Sauvignon, der mir ausgezeichnet schmeckte.
Gespräche über berufliche Umstände mit vielen erfreulichen Informationen, aber auch der (wiederholten) Erkenntnis, dass an deutschen Universitäten und in der europäischen Forschungslandschaft byzantinische Verhältnisse herrschen. Es wurde nicht allzu spät, ich spazierte durch langsam aufsteigenden Herbstnebel nach Hause.
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Die Welt braucht gute Nachrichten. Diese hier ist aus München und kommt dem Antrag zuvor, den ich in der jüngsten Bürgerversammlung hätte stellen wollen:
“Stadtrat beschließt mehr Fahrradparkplätze am Hauptbahnhof”.
Journal Dienstag, 26. Oktober 2021 – Familienmusik
Mittwoch, 27. Oktober 2021Vor Weckerklingeln schlagartig glockenwach, dennoch frisch.
Früh los in die Arbeit, ich brauchte Mütze und Handschuhe. In der Arbeit viel solche – eine Besprechung, an der ich nur zu meiner Information teilnahm, nutzte ich für manuelle Tätigkeiten parallel.
Mittagessen: Apfel, Breze, Rest des Chinakohlsalats vom Vorabend. Nachmittags ein großes Stück schwarze Schokolade.
Nachmittags weiter viel Arbeit. Ich machte aber rechtzeitig Schluss, um zur geplanten Zeit mein Sportzeug zu greifen und zum Verein zu marschieren. Mittlerweile ist dort die Renovierung so weit fortgeschritten, dass man den Haupteingang nutzen kann; mal sehen, ob wie angekündigt bis Mitte November die Frauenumkleiden fertig renoviert sind, derzeit nutzen Mädchen und Frauen eine abgetrennte Hälfte der bereits renovierten Herrenumkleide.
Dann das Ereignis des Tages: Ellipsentrainer mit Musik aus dem Spotify-“Family Mix” der Bruderfamilie auf den Ohren, Modus “Gute Laune”. Er startete mit “5 Letras” von Alexis y Fido, das ich nicht kannte (ich kenn ja nix) und das derart perfekt zum Tempo meines Aufwärmens passte, dass ich mit Grinsen losstrampelte – das ich auch so schnell nicht verlor. Ich werde mehr Gelegenheiten für Musikhören finden müssen.
Zu Hause schnelles Duschen, denn ich wollte mit Herrn Kaltmamsell nochmal raus: Der Ernteanteil war weggegessen, deshalb planten wir als Nachtmahl aushäusige Pizza (nach dem weiteren gescheiterten Versuch daheim wünschte ich mir sehr eine gute richtige). Das klappte aber nicht: Alle angesteuerten Pizzerien (sowiel alle sonstigen Lokale unterwegs) waren gesteckt voll, ohne Reservierung bekommt man also in der Innenstadt nicht mal mehr eine Pizza (vor allem nicht, wenn die Anzahl der Tische wegen Pandemie-Vorschriften reduziert ist).
Wir kehrten mit knurrenden Mägen zurück, Herr Kaltmamsell kochte uns schnell ein paar Nudeln, zum Sattwerden gab es Süßigkeiten.
§
Schafzüchter und Landwirt der Herzen, James Rebanks,1 hat aktuelle Gedanken zur Zukunft der britischen Landwirtschaft aufgeschrieben. (COP26 ist die UN-Klimakonferenz in Glasgow.)
“Boris Johnson is no green superhero”.
Auch wenn James Rebanks ja gerade betont, dass die Reform der Landwirtschaft entlang der lokalen Gegebenheiten verlaufen muss und dass es kein globales Patentrezept gibt, scheinen mir seine Vorschläge für UK auf einige Regionen der deutschen Landwirtschaft übertragbar.
What we actually need is thoughtful reform of our whole model of food production so farming is more mixed (including livestock and cover crops), more rotational, and with landscape design which is sensitive to the habitats and processes that British flora and fauna need. We need to gradually regulate out of existence some of the worst fossil-fuel-reliant forms of farming and raise the cost of fossil fuels in agriculture. We need to grapple with the power of the cartel of supermarkets. We need to rebuild local food systems, such as local abattoirs and food markets.
There is no such thing as an ideal global diet, Britain has a temperate climate and is brilliant at growing grass and grazing livestock. We can also change our diets to eat more British fruit and vegetables from local small-scale horticulture, as this has a small land-use and is super productive. But when we do these tricky but essential things, we then need to protect a more progressive British system from being undercut by more ecologically destructive systems overseas.
(…)
We need to believe in farmers more, to help them to provide the complex mix of things we really need. The bad news is that the great and the good who attend events like COP26 seem almost completely disinterested in bottom-up changes, lost in a world of virtuous slogans and simplistic ideas. Or, worse, believe in solutions that are already alienating rural and farming people and creating a culture war.
Environmentalism has gone mainstream. That ought to be good news. But in reality, it is being mugged, used, abused and exploited wherever you look. The sad thing is that we have never needed good leadership so badly — yet all we get is a sinister clown blurting out ‘Bring Back Beaver’.
- Großartig, wie er am Montag twitterte, dass er mindestens eine weitere Belted Galloway-Kuh haben will und ihm sofort von einer Landwirtin welche per Filmchen angeboten wurden. Und wie sich die Töchter sofort auf seine Seite schlugen. [↩]
Journal Montag, 25. Oktober 2021 – Nächster Schritt Wohnungseinrichtung
Dienstag, 26. Oktober 2021Angeberhimmel am Morgen.
Die Corona-Infektionszahlen in Deutschland steigen weiter steil. Auch wenn die Intensivstationen dank der allermeist milderen Verläufe bei Geimpften nicht so schnell volllaufen wie in der zweiten Welle vor einem Jahr, gibt jede Infektion dem Virus eine Chance zur Mutation – die wir wirklich, wirklich nicht wollen. Ich werde also wieder regelmäßige Schnelltests machen (mein Arbeitgeber stellt zwei pro Woche), um mich im Infektionsfall möglichst schnell quarantänisieren zu können. Gestern Morgen fing ich schon mal an.
Das neue Strickkleid.
Auf dem Weg in die Arbeit weitere innere Verarbeitung des Klassentreffens letzten Samstag – vielleich melde ich mich mal bei einem oder anderen in München arbeitenden ehemaligen Mitschüler und frage nach Lust auf ein Feierabendbierchen.
Im Büro Emsigkeit, ordentlich was weggeschafft.
Doch wieder Glutattacken, Mist. Schon in der Nacht war ich schwitzend aufgewacht, außerdem habe ich seit ein paar Tagen den Verdacht, dass ich nach langen Monaten ohne Eigengeruchsbelästigung wieder stinke. Diese Klimakteriumsgeschichte verläuft offensichtlich nicht ordentlich linear, ich werde weiterhin mit dem Würgegriff der Hormone rechnen müssen.
Mittagessen war restliches Karottengemüse vom Sonntagabend, Hüttenkäse, Mango.
Die Emsigkeit hielt sich und wurde durch Querschüsse ergänzt. Zur Abwechslung war mir gestern den ganzen Nachmittag ein bissl übel.
Nahezu pünktlicher Feierabend, weil ich mit Herrn Kaltmamsell einen Termin in einem “Showroom” bei uns ums Eck hatte (Firma MYCS – ich profitierte von Berichten über Schrankwandkauf auf Twitter), der uns einen Barschrank bescheren sollte. Dorthin nahm ich aus Geschwindigkeitsgründen die U-Bahn.
In dem Showroom stellten wir uns mithilfe der Frau Möbel (und auf der Basis von Herrn Kaltmamsells Vorarbeiten) flugs den Barschrank zusammen, nachdem wir vor Ort Materialien und Beispiele anschauen konnten. Und wenn wir schon mal da waren, ließ ich mir auch gleich ein Sideboard für mein Schlafzimmer konfigurieren. Den eigentlichen Kauf (inklusive Aufbauservice, keiner von uns beiden frickelt gerne) tätigten wir online von daheim aus, so war die Bezahlung einfacher.
Dann war es immer noch so früh, dass ich mal wieder Zeit und Muße für eine ausführliche Runde Yoga fand.
Abendessen waren Reste vom Sonntagsessen, also Entenfleisch und gebratene Knödelscheiben, dazu machte ich aus Ernteanteil-Chinakohl und -Paprika Salat mit Joghurt-Meerretich-Dressing. Nachtisch Süßigkeiten.
Hochinteressante Abendunterhaltung: Die ARD-Doku “Schalom und Hallo” über 1700 Jahre Judentum in Deutschland (etwas irritierend nur der Kindergärtnerinnen-Tonfall der Erzählerin Susan Sideropoulos). Hier in der Mediathek.
§
In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt Sibylle Anderl über (€):
“Forscher unter Beschuss”.
(Leider keinen Direktlink gefunden, sondern nur einen auf die Archivseite. Wenn Sie den Artikel also online für 3 Euro – ! – lesen wollen, suchen Sie ihn am besten selbst über Autorin und Überschrift.)
Eine Umfrage der Zeitschrift Nature unter öffentlich sichtbaren Wissenschaftlern ergab, dass mehr als zwei Drittel der Befragten im Nachklang ihrer Auftritte negative Erfahrungen gemacht haben.
(…)
Nun könnte man einwenden, das ginge schließlich allen so, die sich heute in der Öffentlichkeit bewegen. Und doch scheint es die Forscher besonders unerwartet zu treffen. Denn zumindest nach überwiegender Selbstauskunft wollen sie neutrale Fakten kommunizieren, statt kontroverse und damit angreifbare Meinungen zu vertreten. Dieses Selbstverständnis der eigenen Neutralität, das bei den meisten Wissenschaftlern zu finden ist, spiegelt sich in einem Wissenschaftssystem, das darauf ausgerichtet ist, persönliche Präferenzen und publizierte Ergebnisse möglichst auseinanderzuhalten: Durch einen strengen anonymen Begutachtungsprozess von Publikationen etwa, durch die Forderung der Reproduzierbarkeit oder auch dadurch, dass eingehende Annahmen und resultierende Unsicherheiten der Forschung ausführlich diskutiert werden müssen. Diese Mechanismen sollen den Einfluss persönlicher Interessen auf publizierte Ergebnisse so klein wie möglich halten. Dass das im Großen und Ganzen auch funktioniert, sieht man daran, dass es zu vielen wissenschaftlichen Fragen einen Konsens unter den Forschern gibt, ohne dass dieser von mutmaßlich dunklen Kräften verordnet werden müsste.
Die Angriffe auf Wissenschaftler zeigen, dass ihnen trotzdem von vielen die Verfolgung eigener Interessen unterstellt wird.
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Der greise und kranke Tony Bennett hat mit Lady Gaga ein zweites Album aufgenommen: Songs von Cole Porter. Ganz wundervoll.
https://youtu.be/xyTa_gJkYwI