Archiv für November 2021

Journal Montag, 15. November 2021 – Montag mit Schulung

Dienstag, 16. November 2021

Auf dem Weg in die Arbeit sah ich in der morgendlichen nebligen Novemberdüsternis auf der Theresienwiese, dass eine weitere Fläche an der Test-/Impfstation überdacht wird, ich nehme an für die Schlange an der Impfstelle.

Den größten Teil des Arbeitstages in einer Schulung verbracht, die mir viele Einsichten und Beruhigung zur anstehenden großen Umstellung brachte. In einer Pause holte ich mir einen Booster-Termin für nächsten Montag auf der Theresienwiese: Während aus anderen bayerischen Gegenden berichtet wird, dass Dritt-Impf-Willige an Impfzentren, auch mit Termin übers Impfportal, auch hochbetagt, trotz Aufforderung der Bayerischen Regierung an alle zum Drittimpfen, letztlich vor Ort abgewiesen werden, wenn ihnen auch nur wenige Tage zur Stiko-empfohlenen 6-Monats-Frist fehlen – habe ich aus München noch von keinem einzigen Fall gehört oder gelesen. Das macht mir Hoffnung.

Zu Mittag gab es Rote-Bete-Salat und Granatapfel. Sowie neue Corona-Rekordzahlen aus der Süddeutschen.

Hätten Sie sich das vor einem Jahr vorstellen können? Na gut, mir fehlte ja sogar die Vorstellungskraft, dass in dem Land, in dem der wirkungsvollste Covid-19-Impfstoff entwickelt wurde, mit Abstand nicht die nötige und locker mögliche Impfquote für eine Verhinderung dieser Zahlen erreicht würde.

Nach Mittag zunächst mehr Schulung, dann Abarbeiten von Listen und Besprechungen. Es wurde ziemlich spät, ich verwarf Einkaufs- und Yogapläne.

Kalter Heimweg, ich werde mich von meinem Ledermantel für die Saison verabschieden müssen und auf Wintermantel wechseln.

Daheim machte ich zum Nachtmahl Radicchio-Salat (Ernteanteil) mit Blauschimmelkäse und Walnüssen, vorher gab es zum Wärmen den Rest der Lammquitten vom Vorabend. Nachtisch Gewürzkuchen und Schokolade.

Herr Kaltmamsell fand beim Rumschalten im Fernsehen Das Mädchen mit dem Perlenohrring von 2004, und ich blieb hängen. Der Film hatte mich seinerzeit umgeworfen, hier hatte ich den Filmkomponisten Alexandre Desplat für mich entdeckt (der später für die Musik zu Grand Budapest Hotel und Shape of Water Oscars gewonnen hat, auch wenn die meiner Ansicht nicht an die von Girl with a pearl earring heranreicht), und Scarlett Johansson dominiert den Film derart, dass ich Colin ForthFirth darin bereits völlig vergessen hatte.

Journal Sonntag, 14. November 2021 – Lamm-Quitten nach Müllunglück

Montag, 15. November 2021

Wirklich lang geschlafen (also bis ACHT!). Das war dem späten Zu-Bett-Gehen eigentlich angemessen, doch meist klappt das nicht.

Vormittags buk ich Raumduft Gewürzkuchen, der Jahreszeit angemessen.

Ich hatte Lust auf Bewegung, doch das Wetter war ausgesprochen unfreundlich: Regnerisch und kalt. Also packte ich Sportsachen und ging im Verein ein Stündchen auf den Crosstrainer, interessante Musik aus dem Familienmix der Bruderfamilie auf den Ohren. Die Sporthalle unter mir war leer und bot keine interessanten Einblicke, ich hatte trotzdem Spaß und schwitzte ordentlich.

Zurück daheim ausführliche Körperpflege, dann entkernte ich für Frühstück und Montagsbrotzeit zwei Granatäpfel. Als ich den Müllbeutel mit unter anderem den Abfällen des Granatapfels zum Wegwerfen aus dem Eimer hob – riss er. Das ist mir original noch nie passiert.

Was für eine Sauerei. Ich hätte gerne ein paar Minuten durchdringend gebrüllt. Hatte ich erwähnt, wie unpraktisch dieser klein gemusterte Küchenboden ist? Spätestens gestern hätte ich es beim Auffegen des verstreuten Kaffeesatzes von einer Woche gemerkt. Es hat gute Gründe, dass Großdieselschiffsmotoren in hellen Farben lackiert sind (ich habe sogar welche in Weiß gesehen, und eine große Kreuzfahrt-Reederei bestellt sie immer in Kanarienvogel-Gelb): Man sieht Leckagen sofort und kann so die Ursache gleich beheben. Küchenböden seien hiermit die Schiffsmotor-Lackierung der Wohnung!
(Später beim Kochen lustiges Suchen eines Würfelchens Zwiebel, das mir vom Schneidebrett gesprungen und auf dem Boden sofort unsichtbar geworden war. GRRRRR!)

Oder ich mache ein Food-Blog-Stöckchen daraus, wie ein Kommentar auf instagram vorschlug? Leert eure Müllbeutel auf den Boden und machte ein Foto davon? Neue Karriere als Müllfluencerin?

Nach einer halben Stunde Fegen und Putzen inklusive Fege- und Putzgeräteputzen setzte ich mich um drei endlich zum Frühstücken. Es gab eine Semmel vom Vortag mit Ziegenkäse und Quittengelee, außerdem Granatapfel mit Joghurt und Mohn.

Das Tageslicht gab bereits wenig später auf und entschied sich für Abenddämmerung. Es gab Zeiten in meinem Leben, in denen gesellige Frühstücke dauerten, bis es dunkel wurde. Das war aber anders.

Ich hatte Rote Bete aus Ernteanteil gekocht, jetzt machte ich daraus einen Salat mit Joghurt, Kreuzkümmel und frischem Koriander: Brotzeit für mindestens Montag. Außerdem kuvertierte ich den Gewürzkuchen. Herr Kaltmamsell kam von einem Kinobesuch heim.

Eigentlich hatte ich geplant zu bügeln, der Berg ist über die vergangenen Wochen ganz schön gewachsen. Aber dann wäre ich nicht zum Lesen der Wochenendzeitung gekommen, bevor ich mit dem Kochen des Abendessens beginnen wollte. Ich setzte Prioritäten: Bügeln verschoben, Zeitung gelesen.

Ans Kochen machte ich mich zusammen mit Herrn Kaltmamsell: Es sollte Lammhack mit Quitten nach Ottolenghi geben, diesmal habe ich das Rezept aufgeschrieben.

Im Original werden Quittenhälften mit dem Lammhack gefüllt, doch es ist sehr mühsam, die harten Quittenhälften auszuhöhlen, und es bringt geschmacklich nichts. So schmeckte es auch gestern ausgezeichnet. Nachtisch Gewürzkuchen.

Beim Internetlesen ließen wir im Fernsehen Black Panther laufen, die Afro-Hightech-Ästhetik des Films haut mich immer noch um.

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In puncto Impfpflicht war ich bislang unschlüssig, konnte Nutzen und Schaden nicht einordnen. Mai Thi Nguyen-Kim hat mich davon überzeugt, dass sie deutlich mehr bringen würde.

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https://youtu.be/KEggd1S9_9Y

“Torwarte nützen nix, denn bei 99% der Tore war ein Torwart da,” nehme ich mir als Beispiel mit für die Irrationalität von “Impfen nützt nichts, denn man kann sich trotzdem infizieren”.

Journal Samstag, 13. November 2021 – Grünkernabend im Münchner Osten, Beifang aus dem Internetz

Sonntag, 14. November 2021

Gut geschlafen, sogar lang. Aufgewacht in einen nebligen Morgen.

Beim Papierwegwerfen nach dem Herbstmarkierern Lärche und Hainbuche gesehen, von der neuen Wohnung aus habe ich sie ja nicht mehr automatisch im Blick.

Aus dem nebligen Tag wurde ein bewölkter, ab Nachmittag mit Regen. Ich hatte keine Lust aufs Radeln und nahm zu meiner Schwimmrunde ins Dantebad die Straßenbahn: Dort 2G-Regelung, mein Impf-Zertifikat wurde sehr genau geprüft. Dennoch war das Becken rege beschwommen, zum Glück trotz fast durchgehendem Spielzeuggebrauchs kooperativer Umgang. Ich kraulte gemütlich meine 3000 Meter, unter anderem mit Nachdenken, ob die Schwimmbäder wohl wieder schließen werden müssen (die Corona-Inzidenz in Deutschland hat am siebten Tag in Folge neuen Höchststand, in Bayern haben wir es auf 497 geschafft). Und ob ich vielleicht doch mal vor der Arbeit gehe? Wenn ich um sieben zur Öffnung am Bad bin, müsste ich es mit Beschränkung auf 2000 Meter bis 9 Uhr ins Büro schaffen.

Zurück nach Hause nahm ich einen Umweg über Schwabing: Ich ließ mich mit der Tram zum Hohenzollernplatz fahren, spazierte von dort über Kaffee- und Semmelkauf zum Stachus, um im Kaufhaus Socken und Strümpfe zu kaufen, erst dann heim.

Weil Herr Kaltmamsell bis heute vom frisch gepressten Granatapfelsaft damals in Tel Aviv schwärmt, presste ich zum ersten Mal einen Granatapfel aus. Ich fand heraus, dass sich eine Zitruspresse dafür nur bedingt eignet. Ja, es gibt Granatapfelpressen – doch für den seltenen Einsatz schaffen wir uns sicher kein neues Gerät in der Küche an (für das ja auch vereinbarungsgemäß ein anderes raus müsste).

Zum Frühstück gab es Semmeln mit Ziegenkäse und Marmelade, später die Kerne eines weiteren herrlichen Granatapfels. Da wir abends bei Freunden zum Essen eingeladen waren, testeten wir uns nachmittag selbst auf Infektion (ja, nicht ganz zuverlässig, aber besser als nichts).

Draußen regnete es inzwischen, die Düsternis machte ab drei künstliches Licht nötig.

Raus zu den Freunden im Münchner Osten nahmen wir wieder die Tram. Angekündigt war ein Grünkern-Menü: Der Gastgeber stammt aus dem Bauland, dem wichtigsten deutschen Anbaugebiet von Grünkern, die Gastgeberin hatte sich durch ein lokales Grünkern-Kochbuch gearbeitet. So gab es erst mal Grünkernsalat mit Rettich, einen mit Karotten und Schafskäse, Grünkernbutter mit selbst gebackenem Brot (enthielt ein Grünkern-Kochstück). Warmer Hauptgang war ein Grünkernauflauf mit Schinken, zum Nachtisch knabberten wir Grünkern-Lebkuchen. Alles sehr unterschiedlich, abwechlungsreich und durchwegs schmackhaft. Dazu gab es unter anderem Wein aus einem Flutpaket Ahrtal, ich durfte mir eine Cuvée aussuchen. Abschließend ein sensationeller Nussbrand von AltEnderle.

Ich genoss den Abend in Geselligkeit sehr, andere Perspektiven, andere Einblicke, andere Leben. Wir ließen uns spät von der Straßenbahn heimschaukeln.

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Viola Priesemann ist Physikerin, Wissenschaftlerin, und ihre Expertise in Ausbreitungsdynamik in neuronalen Netzen macht ihre mathematischen Berechnungen zur Ausbreitung der COVID-19-Pandemie extrem wertvoll. In einem Twitter-Thread fasst sie die momentane Lage einfach und verständlich zusammen, beginnt mit einer Korrektur von verantwortungslosen Behauptungen des FDP-Chefs Christian Lindner.

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Peter Dabrock ist Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von 2012 bis 2020 war er Mitglied des Deutschen Ethikrates, von 2016 bis 2020 dessen Vorsitzender. Hier sein Essay zu:
“‘Tyrannei der Ungeimpften’? Zugespitzt, aber ethisch richtig!”

Es ist – in der kantischen Tradition formuliert – folgendes ethisch geboten: eine starke moralische Pflicht, etwas zu tun, wenn der Aufwand dafür gering, der Nutzen für einen selbst und mittelbar auch für andere und die Gesellschaft als ganze hoch ist, bei Unterlassen die Wirkung dieser Handlung nachlässt, vergleichbar effektive und effiziente Alternativen nicht vorliegen und zugleich das Risiko der Selbstschädigung gering ist.

All das, was die Jurist:innen unter das Stichwort „Verhältnismäßigkeit“ packen, ist beim Impfen erfüllt. Wie die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx immer wieder einschärft: Impfen ist eine persönliche Entscheidung, aber keine Privatsache, denn die Konsequenzen der Nichtimpfung sind in der Gesellschaft erheblich – das fängt bei einem selbst oder als Angehörige von Risikopatienten an, geht über die in diesem Maße unnötige Belegung von Intensivbetten und dadurch nötige Verschiebung anderer wichtiger Operationen wie Bypass-Legung oder Krebs-OPs und reicht bis hin zu den – von vielen Impfverweigerern wie selbstverständlich verlangten – Übernahme der Kosten von Bürger:innentests. Von den anderen psychischen und sozialen Kollateralschäden, etwa im Bereich der Entwicklung von jungen Menschen durch noch immer andauernde Beeinträchtigung der Bildung und Freizeitaktivitäten oder des betreuten Lebens in Einrichtungen, ganz zu schweigen.

(…)

Alle, die Montgomery Spaltung vorwerfen, müssen sich fragen: Wer spaltet die Gesellschaft? Diejenigen, die andere schädigen und unsolidarisch auf ihre „Freiheit“ pochen, oder der, der auf die Schädigung hinweist?

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Versuch einer soziologischen Erklärung im österreichischen Standard, Interview mit dem Soziologen Oliver Nachtwey:
“Warum ist die Impfquote in deutschsprachigen Ländern niedriger als in Westeuropa?”

In Deutschland sind die größten Biokonzerne wie Demeter anthroposophische Netzwerke. Dort gibt es immer diesen spirituellen Mehrwert in den Produkten. Es geht in diesen Strömungen vor allem um eine Form von Ganzheitlichkeit, Selbstverwirklichung und Körpersouveränität. Und das Impfen wird nun als autoritärer Eingriff des Staates wahrgenommen. Die Tragik ist: Mit “My Body my Choice” wird etwa ein wichtiger Slogan der Frauenrechtsbewegung vereinnahmt. Im Grunde geht es um radikalen Individualismus. Und Impfen als solidarischer Akt wird dann nicht wahrgenommen.

(…)

Ich würde eher sagen, dass die Wissenschaftlichkeit einer Gesellschaft eine “Unterseite” produziert hat. Also ein Bedürfnis, der spirituellen Obdachlosigkeit zu entkommen. Wir sehen bei den Corona-Protesten ja viele Menschen, die hochqualifiziert sind. Da haben viele einen Universitätsabschluss. Denen fehlt es eigentlich nicht an Bildung. Sie hätten die Fähigkeit, wissenschaftliche Expertisen zu sehen. Was sie aber haben, ist eine starke Autoritätsskepsis. Und gleichzeitig trauen sich diese Menschen zu, aufgrund ihrer teils hohen Bildung, Wissenschaft selbst zu beurteilen.

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Maren Kroyman, “Die Matheleugnerin”.

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https://youtu.be/iGTyy3CR4fA

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Isländischer Humor gefällt mir. (Dennoch ein Reiseziel auf ca. Platz 336 meiner Wunschliste – ich freue mich aber ungeheuer, wenn anderen hinreisen und davon erzählen und Bilder zeigen!)

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https://youtu.be/enMwwQy_noI

Journal Freitag, 12. November 2021 – Wochenendeinläuten mit gutem Essen und Trinken

Samstag, 13. November 2021

Früh aufgewacht in einen Nebeltag. Double-take beim Kreuzen der Theresienwiese:

Die Ränder der beiden rechten Container verrieten bei näherer Betrachtung, dass sie höchstwahrscheinlich einst ebenso blau waren wie der linke.

Arbeit wie durch Gallert: Ich war erschöpft von der Arbeitswoche und wechselte zwischen meinen Aufgaben immer mit Verzögerung. Die Corona-Inzidenz stieg am fünften Tag in Folge auf immer neuen Rekordhöhen, das wirkte sich mit Bremsverzögerung auf auch berufliche Termine aus, die meine Jobs kreuzen. In meiner persönlichen Umgebung häufen sich die Quarantäne-Fälle und Risiko-Warnungen auf der Corona-Warn-App.

Das mittägliche Zeitunglesen ging schnell: Ich ertrage die Katastrophen der Welt und daheim gerade nicht, meine Neugier ist wegen Überforderung temporär versiegt. Ich aß ein Butterbrot aus Selbstgebackenem und eine Birne, die zehn Tage nach Kauf herrlich nachgereift und saftig war.

Der Tag wurde nie richtig hell, ich beendete mühsam ein paar Arbeitsdinge, die mir einen leichteren Start in die nächste Woche ermöglichen.

Auf dem Heimweg Einkäufe bei Vollcorner (Brotzeit) und Süpermarket Verdi (Nachtmahl und Wochenendpläne).

Daheim wartete eine frisch gebrachte Crowdfarming-Kiste Granatäpfel auf mich, diesmal die gewohnte Sorte der Hauptsaison: Darin ein Brieflein mit der Information, dass heftige Regenfälle die Ernte beschleunigt haben, sonst hätten die Früchte zu viel Wasser aufgenommen und die Haut wäre geplatzt. So seien sie also nicht ganz frisch geerntet in die Kiste gekommen. Genau solche Details interessieren mich. Und noch bewahre ich mir die Vorstellung, dass dieses Interesse beiderseitig ist: Dass die Leute auf der Finca wirklich möchten, dasss ich das wisse. Mich erinnert das an die nützlichen Hintergrundinfos und Gebrauchsanweisungen, mit denen meine Schwägerin mir früher Äpfel aus dem Familiengarten übergab: Diese Sorte noch mindestens zwei Wochen liegenlassen, jene gleich essen, die dritte am besten zu Kuchen verarbeiten, die weitere zu Mus.

Telefonat mit meiner Mutter: Eltern haben Terminen für Booster-Impfung, der Christkindlmarkt in Ingolstadt wurde bereits abgesagt (München hält noch daran fest), ich spann die Idee, auf unserem Balkon eine Infektions-sichere Christkindlmarkt-Simulation mit Glühwein, Jagertee und selbst gebratener Rengschburger spezial zu veranstalten.

Fürs Nachtmahl putzte ich schöne rote Artischocken. Während sie kochten, machte ich als Aperitif Whiskey Sour mit Bourbon und Meyer Lemons – der Drink schmeckt mir derzeit ausgesprochen gut (ist leider sehr unfotogen, Aussehen am ehesten Spülwasser).

Erster Gang also Artischocken mit leichter (= plus Joghurt) Knoblauchmajo. Wein dazu nordspanischer Marisa Albariño. Die Artischocken waren besonders aromatisch, der Wein passte aber besser zum Hauptgang: Herr Kaltmamsell hatte auf meine Bitte Risotto gemacht, dazu Lauch aus Ernteanteil und zugekaufte Kräuterseitlinge verwendet, mit eigens gekochter Hühnerbrühe aufgegossen (im Kaufhof am Marienplatz gibt es echte Suppenhühner!).

Als Nachtisch stellte ich wieder die Süßigkeitenbox auf den Tisch.

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Mehr solidarische Landwirtschaft rund um München: In Baierbrunn ist eine neue Genossenschaft in Gründung.

Journal Donnerstag, 11. November 2021 – Etwas bequemeres Homeoffice

Freitag, 12. November 2021

Vor Weckerklingeln ein paar Stunden ganz tiefer Schlaf, ich wurde in die Orientierungslosigkeit geklingelt.

Homeoffice, statt Arbeitsweg gab’s daheim die nächste Einheit Yoga True mit Adriene, eine halbe Stunde wunderbares ausführliches Dehnen – die kommt auf die Merkliste.

Längeres Aufbauen des Arbeitsplatzes (erste Berufsanrufe noch währenddessen, ich hatte meinen Apparat auf mein Privat-Handy umgeleitet). Als ich mich endlich daran setzen konnte, fühlte ich mich gleich viel wohler als am kleinen Laptop. (Und fotografieren darf ich ihn auch, ohne dass mir eine Abmahnung droht!)

Über den Tag zwickte dann aber immer wieder meine Lendenwirbelsäule ob der unergonomischen Haltung, ich stand regelmäßig auf und ging ein paar Schritte.

Zweiter Tag Online-Konferenz, die Konzentration auf die Vorträge gelang mir deutlich besser.
Draußen schien energisch die Sonne, ich musste die Rollläden immer wieder nachjustieren.

Müllrausbringen am Vormittag ergab: Das Draußen roch sehr frostig. (Segen des Homeoffice. Und “Müllrausbringen” heißt alles außer Restmüll, für den haben wir auch in der neuen Wohnung einen Müllschlucker, Ultra-Luxus.)

Für die Mittagspause der Konferenz machte ich mir Mango mit Dickmilch und schnitt eine dicke Scheibe vom selbstgebackenen Brot. Essen mit Zeitungslektüre am Küchentisch, damit ich den Arbeitsplatz nicht wegräumen musste.

Nochmal Herbstbuntheit vorm Fenster.

Nach Ende der Konferenz war noch einige Arbeit, doch ich hatte mir eine Karotte für den Feierabend vor die Nase gehängt: Crosstrainerstrampeln im Verein (2G, und ich hatte mittags einen Schnelltest gemacht). Ich zog mich daheim komplett um, damit ich die doch recht bevölkerten Umkleiden meiden konnte.

Das Strampeln in der großen Halle genoss ich sehr mit Musik des Spotify-Familienmix’ auf den Ohren. Langeweilig fand ich nur die Musikstücke, die Spotify auf meine eigenen Musikangaben ausrichtete (da muss ich nachbessern): Die kannte ich ja schon. Ich ließ die Musik auf dem Heimweg weiterlaufen, weil gerade ein ganzer Schwung schmissig Lateinamerikanisches kam.

Nachtmahl war der erste Feldsalat der Saison aus Ernteanteil (klassisches Dressing mit Zitronensaft und Kürbiskernöl) sowie reichlich Käse – darunter auch der jüngste der Ziegenkäselieferung aus Spanien: sehr mild, ausgesprochen kompatibel mit Quittengelee. Nachtisch Schokolade.

Im Fernsehen lief nach quer die Aufzeichnung der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises 2021. Mich interessierte der Nachwuchspreis an Eva Karl Faltermeier (sympathisch) und der Kabarettpreis an Django Asül.

§

Sehr gute Folge Quarks:
“Schwangerschaftsabbruch: Was Ärzte nicht sagen dürfen”.
Darin einige sehr nützliche Infos zu Rechtslage in Deutschland und zur Biologie.

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https://youtu.be/-sg83BalRrs

§

Herr Goncourt mit Gedanken über und Fotos von dem Heimatdorf seines italienischen Vaters:
“[Terræ]”

Journal Mittwoch, 10. November 2021 – Online-Konferenz und Ziegenlieferung

Donnerstag, 11. November 2021

Sehr gut geschlafen, noch vor Weckerklingeln aufgewacht; erst im Büro erinnerte mich Kopfdumpfheit an weniger Schlaf und den rauschenden Vorabend.

Der Morgen daheim war ein wenig angestrengt, da ich mit mehr Druck als sonst bloggte, üblicherweise habe ich den Post ja bereits am Vorabend fast fertiggeschrieben.

Aber: Morgenrot hinter St. Matthäus in der Note Cassis (mit meinen Mitteln leider nicht fotografierbar).

Marsch in die Arbeit durch frostige Luft; im Büro empfing mich Raumduft Quitte: Es hatte eine liebe Lieferung aus dem Team gegeben.

Den weitaus größten Teil des Arbeitstags verbrachte ich in einer Online-Tagung. Eigentlich, denn Konzentration auf Bildschirm-Vorträge ist eh schwierig, und wenn links und rechts Anliegen reinkommen, praktisch unmöglich. Unter anderem musste ich mal schnell zu einer beruflichen Besorgung raus.

Mittagessen: eine sehr dicke Scheibe selbst gebackenes Roggenbrot (das letzte Viertel des Riesenlaibs aus der Gefriere), griechischer Joghurt mit einer Maracuja.

Nachmittags mehr Online-Tagung mit Nebentätigkeiten. Die doppelte Aufmerksamkeit (jajaja ich weiß, amerikanische Wissenschaflerinnen haben herausgefunden, dass Multitasking nicht geht, deswegen argwöhne ich ja bei mir eine leichte, aber hochfunktionale Form von ADHS) kostete mich aber dann doch Kraft. Zudem muss ich mir wohl eingestehen, dass die brutale vierte Welle der Pandemie mir dann doch an die Substanz geht und aufs Gemüt schlägt: Nachdem ich über den Sommer lockerer lassen konnte und Vorsichtsmaßnahmen wie Maske und Abstand einfach Routine waren, muss ich mich jetzt wieder zu aktiver Vorsicht und zu ständigem Abwägen zwingen. Eigentlich habe ich wirklich, wirklich keine Lust mehr und neige echt ehrlich nicht zu doom scrolling, doch ich muss mich überwinden, mir einen faktischen Überblick in Expertenquellen zu verschaffen – denn leider kann ich mich nicht einfach darauf verlassen, dass die zuständigen Behörden mich durch offizielle Regeln schützen. Wieder sehne ich mich nach Winterschlaf, weckt mich im März nach der Welle.

Bei Arbeitsende packte ich nicht nur den Laptop für den Homeoffice-Donnerstag ein, sondern auch genügen Peripherie, um daheim mit einem übrigen Bildschirm von Herrn Kaltmamsell arbeiten zu können.

Ich wusste, dass eine Lieferung von Crowdfarming daheim eingetroffen war, doch ich habe für November vier Bestellungen laufen und konnte nicht ersehen, welche es war.

Ziegenkäsen von Aubagueta aus der katalonischen Provinz Lleida! Optimale Lagerung laut Beipackzettel „eine Höhle mit hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen zwischen 12 oC und 14 o“, „aber wir verstehen, dass es etwas schwierig werden könnte, heutzutage passende Höhlen zu finden“ – als Alternative wird ein luftdichtes Gefäß im Kühlschrank empfohlen. Die verschiedenen Sorten halten sich bis zu fünf Monate, es sollte wirklich einfach sein, die Lieferung nach und nach aufzuessen.

(Sehr niedlich auch die handschriftliche Botschaft, die @FrauBruellen auf ihrer Crowdfunding-Kiste mit Kakis fand. Und wenn das bloß Folge einer Marketing-Anweisung der Crowdfarming-Betreibenden ist, dann ist es zumindest genau das richtige Marketing für die Zielgruppe.)

Eine Runde Yoga, dann servierte Herr Kaltmamsell zum Abendessen den Grünkohl aus Ernteanteil als Chips aus dem Ofen, die restlichen Kartoffeln als Salbei-Bratkartoffeln (Entenfett!) mit Spiegelei.

Im Bett neue Lektüre: William Kotzwinkle, The Fan Man, auf das ich durch die Suche einer Freundin nach einem möglichst skurrilen Buch über Chorgesang hingewiesen wurde. Ist wohl ein Kultbuch aus den 1970ern, interessierte mich sofort.

Im Hinterkopf verarbeitete ich den ganzen Tag über den Abend mit Pigor & Eichhorn. Ich dachte u.a. an das Nörgeln über den Gender-Stern (eine Tonlage, bei der sich meine Aufmerksamkeit inzwischen reflexhaft verabschiedet, vor allem wenn wie am Dienstagabend behauptet wird, jemand wolle ihn vorschreiben – das Strohmann-Argument tauchte bezeichnenderweise in dem roten Faden durch manipulative Argumentationsformen nicht auf) – doch dann mit dem interessanten Aspekt, dass die *innen-Endungen eine verheerende Arbeitsbehinderung beim Reimen darstellt. Das konnte ich nachvollziehen. Außerdem schlugen die beiden eine Alternative vor (und machten damit klar, dass sie das Problem fehlender Repräsentation im generischen Maskulinum sehen): Im Plural das norddeutsche S, also Renters, Zuschauers, Kellners – im Singular Nutzung des neutralen “das”, also das Renter, das Zuschauer, das Kellner. Diesen Vorschlag zogen sie dann auch recht konsequent in den Überleitungen durch (siehste? alle können was ausprobieren! und was die meisten mögen, setzt sich dann durch, so geht Sprache).

Sehr treffend fand ich die Überlegungen zu wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Klimakrise: Verhaltensänderung des oder der Einzelnen (Mülltrennen, Energiesparen, Fleischverzicht etc.) bringt im Vergleich zu Wahlentscheidung gar nichts. So strom-, plastik-, heizungslos und vegan kann kein Mensch leben, dass das eine Wahlentscheidung für eine Partei mit der Verkehrs-, Klima-, Energie- und Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte wettmacht. Bumm.

Ich dachte amüsiert zurück an Pigors Tanzeinlagen (nicht schlecht gesteppt der Herr). Und mir fiel auf, dass die meisten Lieder nicht aus distanzierter Haltung über beobachtete Umstände gesungen werden, sondern mit der Stimme oder aus der Perspektive der Beteiligten. Das machte es bei neuen Nummer immer erst mal spannend, wer da gerade spricht. Und es kann auch sehr gemeinen Texten die Schärfe nehmen, weil sich in die Kritisierten hineinversetzt wird.

Auf YouTubue guckte ich einige von Ihnen in den Kommenateren empfohlene ältere Stücke (danke!). Das hier gefiel mir sehr gut.

Maulende Rentner

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https://youtu.be/2IZ3NkveLlA

Journal Dienstag, 9. November 2021 – Erstes Mal Pigor & Eichhorn

Mittwoch, 10. November 2021

Unruhige Nacht, mal wachte ich von Hitze auf, mal weil ich fror. Slapstick-Note: Mir war eine bestimmte (nicht mal originelle) Formulierung für den aktuellen Blogpost eingefallen, die mein Gehirn krampfhaft festhielt und bei jedem leichten Hochkommen aus tieferem Schlaf wiederholte, damit ich sie BLOSS! NICHT! VERGASS! Werde mir wieder Block und Stift neben’s Bett legen, wie in den Hochstressphasen eines längst vergangenen Arbeitslebens.

Der Himmel über der Innenstadt war klar, auf dem Weg in die Arbeit tauchte ich beim Kreuzen der Theresienwiese in Nebel, der sich auch ums Bürogebäude gelegt hatte.

Dampfender Laubhaufen mit Frostnoten vor Kaiser Ludwig.

Nach Hochfahren meines Arbeitsrechners sah ich die E-Mail vom späten Vorabend, mit der die 3G-Regelung am Arbeitsplatz in meiner Umgebung vorerst eingeführt werden soll. Ich bin gespannt, wie die endgültige Umsetzung aussehen wird. Über den Tag mehrten sich allerdings die Anzeichen, die mir ein deutlich gesteigertes Arbeiten von daheim nahelegten, um Risiko-Kontakte zu reduzieren. Gibt’s künftig halt unter anderem nicht mehr täglich Post für alle in der Abteilung.

Mittags lief ich in die nahe gelegene Praxis des behandelnden Orthopäden, um Überweisungen für die Abschlussuntersuchung Hüft-TEP im Klinikum Garmisch abzuholen sowie eine für die Röntgenaufnahme, die ich mitbringen soll. (Vor dieser Untersuchung Anfang Dezember hätte ich wirklich gerne meine Booster-Impfung.)

Zurück im Büro gab’s zu Mittag eine Breze sowie Quark mit Joghurt – über weiter explodierenden Corona-Infektionszahlen.

Geschäftiger Nachmittag, der nicht zu lange ins Dunkle dauerte, denn ich hatte Kabarettkarten für Herrn Kaltmamsell und mich: Mein Bruder hatte so begeistert von einem Auftritt von Pigor & Eichhorn auf den Ingolstädter Kabaretttagen erzählt, dass ich umgehend Karten für den Münchner Auftritt kaufte – obwohl ich noch nie und nichts von dem Duo gehört hatte. Im Lustspielhaus war ich auch noch nie gewesen, nach 22 Jahren in München wurde es wirklich Zeit.

Der Zuschauerraum des Lustspielhauses ist mit Tischchen und Stühlen bestückt, ich hatte einfach mal Plätze vor der Bühne genommen.

Dass ich uns praktisch in der Bühne platziert hatte, überraschte mich dann doch. Mittlerweile hatte ich außerdem erfahren, dass Pigor & Eichhorn in ihrer Show das Publikum stark einbeziehen und fürchtete mich ernsthaft. (Taten sie dann gar nicht, alles entspannt.)

Wir waren wie erbeten früh im Lustspielhaus, hatten also Zeit für das sorgfältige 2G-Prüfen (Abgleich mit Ausweis, Scan des Zertifikats) und für ein Abendessen aus der Lustspielhaus-Küche (je ein gemischter Mezze-Teller). Der Raum war gut besetzt, aber nicht vollgepackt. Die Show begann pünktlich – und ich erlebte zwei hochinteressante und anregende Stunden mit großartigem Gesang und wunderbarer Begleitung (Sonderpreis für die glaubwürdige Pianospielhaltung bei Jazz).

Sie begannen allerdings mit kurzem Gruseln, weil gleich in der ersten Nummer “Kabarett” ungeschminkte schonungslose Wahrheiten angekündigt wurden, was unironisch klang und gerade in den jüngsten Jahren meist “Man wird doch wohl noch sagen dürfen”-Blödsinn einleitet. Doch meine innerlich hochgezogenen Schultern entspannten sich nach und nach.

Roter Faden der Show: Rhetorische Muster von der Antike bis in heutige Talkshows, immer wieder wurden neue aufgegriffen, erklärt, kabarettistisch vorgeführt. Sonstige Highlights: Ein liebevolles Lied über Klimakterium (von einem Mann habe ich das ganz sicher noch nie gehört), “Du kannst doch nicht in Rente gehn” in leidenschaftlichem Konstantin-Wecker-Modus (oh ja, die Text-Versatzstücke habe ich alle schon mal gehört) – Weiteres hätte ich mitschreiben müssen, wie ich jetzt feststelle, denn Details des Programms Volume X sind noch nicht online, auch Aufnahmen gibt es erst ab nächsten März. Es war auf jeden Fall sehr schön, ich empfehle das Programm.

Lieblingsreim des Abends: Willhelm Tell auf Musical.

Die Rückfahrt mit der U-Bahn zog sich: Nachts wird ja weiterhin an der Strecke rumgebaut, das heißt Pendelverkehr. Wir warteten eine ganze Weile an der Münchner Freiheit und mussten am Odeonsplatz umsteigen.

Über eine Stunde später als sonst ins Bett, so sehen rauschende Nächte aus.

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Wie immer, wenn es bei uns pandemisch schlecht läuft und woanders gut, schauen wir nach woanders, in diesem Fall ein Blick des ARD-Weltspiegels Richtung Spanien (und die Spanier*innen können ausgesprochen renitent sein, Sie erinnern sich vielleicht an die Proteste 2011/2012):
“Spanien: Erfolgreiche Impfkampagne”.

“Uasap” <3<3<3

(Allerdings überzeugen mich die Erklärungsansätze des Beitrags nicht recht. Aufklärung gegen Bedenken und Falschannahmen gab es auch hierzulande reichlich. Und auch in Deutschland starben viele Menschen in Pflege-Einrichtungen an Corona – vielleicht hat das in Spanien mit seinen deutlich engeren Familienbanden mehr Menschen wirklich erschüttert?)

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Sascha Lobo macht sich darüber Gedanken, wann Gefühle in der Politik Entscheidungskriterien sein sollten und wann nicht.
“Die falschistische Gefahr”.

Wenn Regierende irrationale Ängste zur Basis ihrer Entscheidungen machen, kann aus grobem Unfug eine gefährliche Realität werden.

(…)

Falschismus ist, wenn man ihn wie eine Zwiebel Schicht um Schicht abschält, natürlich nicht neu. Eine Keimzelle des aktuellen Falschismus könnte – wie auch anders – im »Dritten Reich« liegen, zumindest indirekt. Als die jüdische Philosophin Hannah Arendt 1949 nach Deutschland zurückkommt, um nach ihrer Flucht vor den Nazis das Land zu analysieren, schreibt sie: »Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.« Diese von Arendt beschriebene Selbsttäuschung funktioniert nur, wenn man die Grenzen zwischen Tatsachen und Meinungen einreißt. Im Umkehrschluss behandelt man dann nicht nur Tatsachen wie Meinungen, sondern sieht in Meinungen plötzlich auch Fakten. Zumindest herbeigefühlte Fakten.

(…)

Und trotzdem ist es gefährlich, überall Falschismus zu wittern, wo es um Gefühle, Ängste oder Irrationalitäten geht. Gefühle, erst recht massenhaft empfundene, können durchaus legitime und sinnvolle Entscheidungskriterien sein. Für Ängste gilt das ebenso – es gibt Ängste, die sich nicht einfach mit einem Pfund Rationalität wegargumentieren lassen und sogar Basis politischer Entscheidungen sein müssen.

Das macht Falschismus zu einer komplexeren Angelegenheit, als Aktivisten aller Art glauben. Bezogen auf Ängste erkennt man das an den Fragen, die das eigene politische Lager betreffen. Für Linke: Warum soll man die Angst vor Atomenergie und grüner Gentechnik unbedingt ernst nehmen, die oft vorhandene Angst vor Multikulti aber nicht? Für Konservative: Warum soll die Angst vor strukturellem Rassismus übertrieben sein, aber der Angst vor geschlechtergerechter Sprache muss mit sprachpolizeilichen Verboten begegnet werden?