Journal Mittwoch, 1. Dezember 2021 – Keine Twitterlieblinge und Beifang aus dem Internetz

Donnerstag, 2. Dezember 2021 um 6:39

Die eigentlich ganz ordentliche Nacht endete leider schon um fünf.

Der Sturm hatte sich gelegt, es war gemischtwolkig mit Regenschauern. Auf dem Weg in die Arbeit spürte ich deutlich die zusätzlichen Grade Temperatur, keinerlei Glättegefahr. Zwischen Verkehrsmuseum und Bavariapark kamen mir zwei Menschen entgegen, einer eher Kind, einer erwachsen, die Jingle Bells sangen, leidenschaftlich und durch Schnaufer zerhackt (“Jingle bells – schnauf – jingle bells – schnauf – jingle aalll the way”). Das war schön. Fast hätte ich behauptet, singende Menschen auf Wegen und Straßen fände ich immer schön, aber dann fielen mir Fußballfans ein.

In der Arbeit unangenehme Jobs nach Grad der Unangenehmheit abgearbeitet, von “na ja, mach ich halt fertig” über “dann nehme ich mich halt mal zusammen” bis “das kann ich doch sicher bis morgen warten”.

Erst beim mittäglichen Twitterlesen gemerkt, dass ich die Twitterlieblinge für November vergessen habe, gründlich komplett.
No na, dann wird das zum Dezemberende halt eine Doppelfolge.
Interessant an meiner internationalen Twitter-Timeline: Wie in D und Ö Corona dominiert und in UK und USA – alles andere.

Mittagessen war nochmal Pumpernickel mit Frischkäse und viele Orangen – ich fürchte, die könnten mir im Gegensatz zu Granatäpfeln mal über werden, zumal Herr Kaltmamsell davon nur wenige übernimmt.

Möglicherweise hat mich das Turnschuhtragen endgültig gekriegt: Ich gehe ja eh gern zu Fuß, und zwar schnell, und jetzt genieße ich es so sehr, das in wirklich bequemen, federnden Schuhen zu tun! Dabei versuche ich, die aus Yoga erlernte Haltung des Stapelns (stacking) zu übernehmen: head over heart, heart over pelvis, also den Kopf senkrecht über dem Herzen zu platzieren, das Herz über dem Becken – das Bild hilft mir beim aufrechten Gang (nicht metaphorisch) mehr als das vom Faden am Kopf, der mich hochziehen soll. Sonst neige ich nämlich dazu, mit vorgerecktem Kopf und eher schräg zu gehen.

Auf dem Heimweg war der Sturm zurückgekehrt, wenn auch nicht so heftig wie am Dienstag. Einkäufe beim Vollcorner.

Zu Hause gleich mal Yoga, wieder die Folge vom Dienstag. Wenn ich, wie meist, eine neue Folge zweimal durchturne, fühlt sie sich durchaus verschieden an.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch ein Wirsing-Linsen-Curry aus Sebastian Dickhauts Ich koche gemacht (zugekaufter Wirsing, diesmal waren wir schon am Sonntag mit dem Ernteanteil durch – die Schwarzwurzeln aus dem jüngsten hatten wir allerdings verschenkt). Er war sehr misstrauisch gegenüber den Rosinen gewesen, die laut Rezept neben Mango-Chutney reinkamen, doch sie machten sich gut und waren vor allem für die Textur wichtig. Keine Lust auf Nachtisch.

Früh ins Bett zum Lesen.

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Das Wissenschaftsmagazin Spektrum berichtet über eine Prüfung von Schnelltests auf Zuverlässigkeit – es gibt große Unterschiede:
“Wie sicher sind die Ergebnisse von Schnelltests?”

Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass ich nicht zu meinem üblichen Schnelltest greifen werde, wenn’s drauf ankommt.

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Dass die Bundeszentrale für politische Bildung einen schier bodenlosen Schatz an spannenden und fundierten Untersuchungen und Texten bietet, weiß jede, die mal reingesehen hat – man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Weswegen ich gar nicht erst anfange und umso dankbarer für jeden konkreten Hinweis auf einen Text bin. Zum Beispiel für den Hinweis von @TexasJim1 auf diesen Artikel von 2013:
“Solidarität als Ideologie”.
Durchgespielt werden hier verschiedene Konzepte der Solidarität am Beispiel der Eurokrise.

Die Dominanz der Rechtskategorie und des Gerechtigkeitsbegriffs lassen den Begriff der Solidarität verblassen, sodass sein Ort im Kontext der Sozialphilosophie und der Politischen Theorie undeutlich geworden ist. Das, wofür sie steht, die freiwillige (nicht zwangsläufig verpflichtende) Bereitschaft, anderen, denen man sich verbunden fühlt und die in Not geraten sind, zu helfen (ohne dass sie ein Recht auf Hilfe hätten), kommt empirisch zwar nach wie vor oft vor und wird entsprechend benannt, aber dieser empirische Gebrauch des Solidaritätsbegriffs bleibt theoretisch gewissermaßen sprachlos.

Dass das nicht nur theoretisch so ist, wurde in den vergangenen Monaten aufs Bitterste deutlich: Die Mehrheit, die in der Pandemie nicht nur die eigene Position sieht, sondern für die Gesellschaft (oder auch nur die Nachbarin) mitdenkt, kann nichts ausrichten gegen die Auswirkungen einer Minderheit, die aus der Perspektive ihres Einzelinteresses den rechtlichen Rahmen ausschöpft. (Anekdotisch fällt mir die offensichtliche Priorität eines Impfverweigerers ein, der sofort nach der Behauptung, die Infektionszahlen des RKI seien erfunden, und noch vor jedem Widerspruch von mir die Nummer und den Wortlaut des Meinungsfreiheitsparagrafen rief sowie: “Meine Meinung, Meinungsfreiheit!”)

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Auf Hinweis von Croco eine halbe Stunde launige Begegnung im U-Boot (das Format kannte ich nicht) mit Marina Weisband gesehen, die ich seit vielen Jahren auf Twitter verfolge, die mich von Anfang an beeindruckte und bei der ich besonders spannend finde, wo sie lernt und Ansichten ändert:
Käpt’ns Dinner Michel Abdollahi trifft Marina Weisband”.

Es geht um Identität von Einwander*innen (oder eben gerade nicht), um Kindheit nach Tschernobyl, um LARP, schwere Krankheit und um Zupacken. Unter anderem.

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Celeste Barber, die wir auf instagram lieben lernten, weil sie mit einem ganz normalen Frauenkörper alberne Model-Posen nachstellt, macht jetzt Werbung für Unterwäsche: Bras N things. Die ich zum einen verlinke, weil ich Celeste gerne beim Rumalbern in schöner Unterwäsche sehe, aber auch weil die Modelle der australischen Marke an ganz normalen Frauen gezeigt werden – das wünsche ich mir ja von allen Online-Kleidungsangeboten, weil ich daran viel besser abschätzen kann, wie das Teil an mir aussehen würde.

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Zwei Jahre COVID in 30 Sekunden (Ton an) (am besten mit Kopfhörern)

via @stedten*hopp

  1. Ja, einer von uns Internetschreiberlingen aus der Ära lustige Nicks. []
die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 1. Dezember 2021 – Keine Twitterlieblinge und Beifang aus dem Internetz“

  1. Christian meint:

    Vielen, viele Dank für den Link zu Michel Abdollahi und Marina Weisband. Das war einde der besten halben Stunden der letzten Monate, die ich da gerade beim Anschauen hatte.

  2. FrauC meint:

    Danke übrigens für den Hinweis auf Sellpy neulich. Ich habe mich dort direkt auch mal umgeschaut und gleich Ersatz für kaputte Hosen gefunden.

  3. UTE Verweyen meint:

    Vielen Dank für den Hinweis auf Celeste! Habe das mal unseren drei normalgewichtigen Töchtern geschickt! Klassefrau!
    Generell lese ich bei Ihnen immer mit Gewinn und meist Vergnügen.Manchmal kriege ich auch richtig Hunger…und etwas Neid auf den Superkochmann
    Grüsse aus dem Norden.

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