Archiv für März 2022

Journal Donnerstag, 3. März 2022 – Frühlingsblumen, fortgesetzte Pandemie, Vorsicht vor Kriegsgeschichten

Freitag, 4. März 2022

Eher unruhige Nacht mit seltsamen Träumen, in einem war Christine Lagarde eine meiner Chefinnen.

Auf dem Weg in die Arbeit Frühlingsblumen in Vorgärten – sogar mit Schlüsselblumen.

Im Büro weitere, durchaus verzweifelte Anläufe, Probleme mit dem neuen IT-System zu lösen oder zumindest einen Work-around zu finden.

Mittags restlichen Chicoree-Orangen-Salat vom Vorabend, ein Laugenzöpferl.

Nachrichten von der Körper-Front: Derzeit kämpfe ich mit einer Herpesbläschen-Attacke von seit Jahrzehnten unbekannter Vehemenz. Sie begann blöderweise am Dienstag auf der Wanderung: Zwar habe ich als Fieberbläschen-Veteranin Handtasche, Büroschublade und die Hausapotheke daheim jederzeit mit der antiviralen Creme bestückt, nicht aber meine Wander-Ausrüstung. Also konnte ich sie nicht umgehend anwenden, sondern erst einige Stunden später. Seither breiten sich die Bläschen am Mundwinkel trotz kontinuierlicher Creme-Anwendung aus – und schmerzen überraschend heftig. Außerdem bilde ich mir ein, auch sonst nicht wirklich fit zu sein.

Wichtiger für Nachwelt (womit ich eigentlich immer mein späteres Ich meine): Die Corona-Pandemie tobt unvermindert, München vermeldete gestern eine 7-Tage-Inzidenz von 1156 – diese Größenordnung war noch vor wenigen Monaten komplett unvorstellbar.

Dennoch haben die Bundesländer die schrittweise, aber recht schnelle Aufhebung der meisten Pandemiemaßnahmen beschlossen. Wir sind nicht etwa in der ersehnten endemischen Phase gelandet, sondern haben als Gesellschaft akzeptiert, dass man jetzt halt Covid-19 bekommt, früher oder später. Mit wahrscheinlich schlimmen Folgen für Ungeimpfte, sehr wahrscheinlich nicht so schlimmen, wenn man gründlich geimpft ist. Mit dem Risiko von Long Covid, das dem chronischen Erschöpfungssyndrom ähnelt und bislang nicht heilbar ist (deswegen übrigens der Rat, einen positiven Schnelltest unbedingt durch PCR-Test bestätigen zu lassen, damit man im Fall von Long Covid den Zusammenhang mit der Infektion belegen kann).

Unerfreulicher Nachmittag in der Arbeit, der eine oder andere Erfolg wäre mal wieder schön.

Den Heimweg ging ich wieder direkt – und erlebte eine brennende Theresienwiese.

Daheim Yoga (anstrengende Folge 27 von Move, die mache ich nochmal) (vielleicht war sie ja nur wegen allgemeinen Kränklichkeitsgefühls anstrengend), dann probierte ich frisch gelieferte Kleidung an: Passte und stand mir fast alles, nur ein Sommerkleid muss ich wegen überraschender Sackigkeit zurückschicken, ein anderes Sommerkleid aber sieht noch besser aus, als ich es mir vorgestellt hatte. Eine Hose bügelte ich gleich, um sie am Freitag zu tragen.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Ofenkartoffeln (Ernteanteil Vorwoche – wir hatten uns beide daran erinnert, dass Jacket Potatoes zur Zeit unserer Auslandsstudienjahre Anfang der 1990er in UK sehr angesagt waren und zum Standard Fast Food gehörten) mit Käse, Soja-Hack mit weißen Bohnen, Sauerrahm, dazu machte ich den Ernteanteil-Ruccola an. Gut! Abschließend wieder viel Süßigkeiten.

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Die New York Times beschreibt an konkreten Beispielen, wie im Ukraine-Krieg auch offizielle Stellen Helden- und Opfergeschichten durch belegbar falsche Informationen erzählen:
“Fact and Mythmaking Blend in Ukraine’s Information War”.

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Ilya Lozovsky übersetzt in einem Twitter-Thread eine Online-Sendung des russischen Bildungsministeriums für Kinder – zur Erklärung des Ukraine-Kriegs. (Hier seine zusätzliche Analyse und sein Faktencheck).

Journal Mittwoch, 2. März 2022 – Ereignisloser Arbeitstag

Donnerstag, 3. März 2022

Die Nacht war ok, aufgewacht vor Weckerklingeln.

Der Tag startete wieder sonnig und knackig kalt, bewölkte sich bis zum Abend aber.

Im Büro traf ich auf die befürchtete Welle, weil viele meiner internen Schnittstellen die Betriebsferien Montag/Dienstag nicht freigenommen hatten, manche auch das Wochenende durchgearbeitet. Bis Mittag sah ich langsam Land.

Mittagessen war Karottensalat mit viel Koriander (uns fiel kein weiterer Einsatz in den nächsten Tagen ein, also kam der ganze kleine Bund rein) und Grapefruit.

Der Nachmittag war ebenfalls voll, ich beendete ihn spät und erschöpft.

Mir fiel absolut nichts einzukaufen ein, also ging ich nach Feierabend direkt nach Hause.

Eine Maschine Wäsche gefüllt und eingeschaltet, eine interessante Runde Yoga geturnt. Währenddessen gingen in München Zehntausende auf die Demo auf dem Königsplatz gegen den russischen Angriff auf die Ukraine.

Insgesamt waren für die Veranstaltung 17 Rednerinnen und Redner angekündigt, darunter die Generalkonsuln der Ukraine und der USA sowie Vertreter aller weiterer Parteien – außer der AfD.

Fürs Abendessen hatte ich mich zuständig gemacht. Am Vorabend hatte ich schon mal den Teig für ligurische Focaccia al formaggio zubereitet – und morgens festgestellt, dass das keine gute Idee war: Einiges des vielen eingearbeiteten Olivenöls war wieder ausgetreten. (Habe ich im Rezept festgehalten.)

Verarbeiten ließ sich der Teig zum Glück trotzdem gut, wurde aber beim Backen nicht so blättrig-mürbe wie gewohnt. Als Käse verwendete ich das letzte Stück Weichkäse aus dem über Crowdfarming erworbenen Paket Ziegenkäse von Aubagueta (derzeit kann man dort übrigens wieder einkaufen).

Dazu machte ich Chicoree-Orangen-Salat, der besonders gut schmeckte. Nachtisch viele Süßigkeiten.

Journal Dienstag, 1. März 2022 – Wandern auf dem Echinger Heidepfad, bayerischer Reis

Mittwoch, 2. März 2022

Es war der letzte Ferientag für mich, ich hatte mir dafür einen Wandertag mit Herrn Kaltmamsell gewünscht und einen Streckenvorschlag von ihm, mit möglichst wenig Schatten. Das Wetter war weiter herrlichst sonnig, aber auch weiterhin kalt.

Nach einer recht erholsamen Nacht vertändelte ich den Vormittag, erledigte Lebensmitteleinkäufe für die nächsten Tage. Erst gegen elf verließen wir das Haus Richtung Stachus, um eine S-Bahn nach Eching zu nehmen. Herr Kaltmamsell hatte als Wanderung den Heidepfad am nördlichen Rand der Münchner Schotterebene ausgesucht, durch Echinger Lohe, Garchinger Heide und Mallerthofer Holz.

Diesmal trug ich Jeans, Wollpulli, gefütterten Janker zu Mütze, Schal und Handschuhen, auch die Wanderschuhe waren auf Warmhalten ausgerichtet. Das klappte gut, auch die Sonnenbrille konnte ich gut brauchen.

Zunächst sah die Wanderung arg unidyllisch aus, denn die weite Ebene zwischen Eching, Neufahrn, Freising ist halt einfach platt und bietet sehr wenig, woran sich das Auge festhalten kann – oder was den Blick auf Autobahn, riesige industriell bebaute Felder, auf Kieswerke verhübscht. Mit der Zeit aber merkte ich, dass genau diese Weite Ansichten ermöglicht, die man woanders nicht bekommt: Das fing mit der Entdeckung des Fernsehturms am Horizont an und ging über die Bewunderung der riesigen knallblauen Himmelskuppel bis zur Veränderung des Horizonts in alle Richtungen am Nachmittag, als sie sich ein Federwolkensaum rundum bildete.

Wir lasen interessiert die Infotafeln des Heideflächenvereins, sahen Hügelgräber, freuten uns an der typischen Vegetation des Trockenrasens (die ich auch aus Teilen des Altmühltals kenne), dachten der Information hinterher, dass das Gelände einst ein Truppenübungsplatz gewesen war, weil wir uns an Zeiten erinnerten, als es noch viele solche Truppenübungsplätze um unsere Heimatstädte gab und alljährlich Herbstmanöver.

Sogar Tierwelt war geboten: Neben vielen Rabenkrähen und Saatkrähen auf den Feldern und in der Luft sahen wir mindestens zwei Falken, einen wunderschönen Bussard im Flug über uns, Meisen, Amseln, Rotkehlchen, Gänse auf dem Boden und im Flug, einen Silberreiher – und abschließend einen Fasan auf einem Feld.

Schon auf dem Hinweg vom S-Bahnhof Eching zum Ortsrand hatten wir neben dem Sportplatz einen Stand mit Verkaufsautomat entdeckt: Der Obsthof Knab bot Quinoa und Reis (!) aus der Region an. Auf dem Rückweg kauften wir dort ein.

Um zwei Pause auf einem Baumstamm in der Sonne: Ich frühstückte eine große Breze mit Frischkäse und Schnittlauch vom Rischart, Tee aus der Thermoskanne.

Palmkätzchen – der Fasching ist dieses Jahr wirklich sehr spät.

Brücke am Echinger See, der als Badesee sehr einladend wirkte.

Wir kämpften zwar ein bisschen mit der Bezahlung am Automaten, weil der Vorgang mit Herrn Kaltmamsells Girokarte nicht funktionierte und der Bargeld-Schlitz keinen Geldschein einzog, aber mein Versuch mit Karte klappte dann und die beiden gewünschten Türchen öffneten sich. Also: Bayerischer Quinoa, bayerischer Reis. Nimm dies, Globalisierung.

Das waren dann viereinhalb Stunden für 16 Kilometer, ich fühlte mich ordentlich durchgepustet und durchsonnt.

Zurück daheim Häuslichkeiten: Karottensalat (Ernteanteil) für die Brotzeit kochen, Teig fürs Mittwochs-Abendbrot kneten, Salat fürs Abendbrot anmachen, Käse bereitstellen. Das restliche Abendbrot kochte Herr Kaltmamsell: Sellerieschnitzel aus Ernteanteil.

Zum Nachtisch viel Schokolade.

Journal Rosenmontag, 28. Februar 2022 – Freier Tag mit Sonnenschwimmen, der Ukraine-Krieg schlägt ein

Dienstag, 1. März 2022

Gut geschlafen, aber zu früh aufgewacht, wegen Angst- und Sorgenattacke nicht wieder eingeschlafen.

Vorm Haus wurde die Ankündigung eingelöst, die ich in dem seit Freitagabend geparkten Baugerät gesehen hatte: Nach ein paar Monaten Ruhe wird mal wieder die Straße aufgerissen, laut mobilen Halteverbotsschildern diesmal zumindest nur eine Woche lang.

Den gestrigen freien Rosenmontag wollte ich zum Schwimmen nutzen. Vom wolkenlosen Himmel schien die Sonne, doch es war um den Gefrierpunkt kalt. Mit dicker Mütze und dicken Handschuhen radelte ich ins Dantebad, schwamm schöne 3.300 Meter in der Knallsonne. Erst im letzten Drittel tauchten auch Kampfschwimmer auf der Bahn auf, bis dahin war ich zwar die einzige, die mehr als wenige Bahnen ohne Schwimmflügerl oder sonstige Hilfsmittel schwamm, doch man arrangierte sich gut.

Zum Frühstücken radelte ich rüber ins Café Puck, es gab einen Bagel New York BLT zu Cappuccino und Apfelschorle. Zeitung gelesen. Und da erwischte es mich: Meine Gefühlswelt oder mein emotionales Begreifen reagiert auf Großes ja fast immer mit Verzögerung. Diesmal brauchte es vier Tage, bis dort der Ukraine-Krieg einschlug.

Die Friedenszeit, die sich in den vergangenen 35 Jahren meines Lebens entwickelt und sich seit Perestroika und dem Ende des kalten Krieges immer weiter verstärkt hatte, die ein fester Bestandteil meines Lebensgefühls war, die zuletzt am ehesten durch islamistischen Terrorismus gefährdet wurde – diese Friedenszeit ist vorbei. Das wurde mir schlagartig beim Lesen der Seite Drei von Daniel Brössler klar, aus der der Ausschnitt oben stammt (€).
“Schreckliche neue Welt”.

Beendet wurde diese Illusion nicht durch Cyber, nicht durch etwas völlig Neues – sondern ganz altmodisch durch einen konventionellen Angriffskrieg wie ich ihn aus Geschichtsbüchern, aus Schulbüchern kenne. Meine emotionale Reaktion ist (noch?) nicht Angst, sondern Trauer. Ich möchte weinen über den Verlust des Glaubens an eine grundsätzlich friedliche, friedenswillige Zukunft, weinen über die Schrecken und die Angst, die über die Menschen in der Ukraine herfallen.

Noch steht Europa, steht der allergrößte Teil der internationalen Staatengemeinschaft zusammen. Doch die noch nicht überwundene Corona-Pandemie hat mich gelehrt, dass diese Solidarität nur ein erster Impuls als Reaktion auf den Schreck über die Katastrophe ist. Leider kann ich nicht anders, als auch diesmal Kleinlichkeit, Partikularinteressen und Egoismen als zwangsläufige nächste Schritte vorauszusehen.

Erst durch ihr schlagartiges Verschwinden wird mir die Gewissheit bewusst, in echten Friedenszeiten zu leben, in einer grundsätzlichen Sicherheit, die eine Beschäftigung mit den zentralen Zukunftsproblemen der Welt erlaubte, mit Klimawandel, Armut, Krankheiten. Offensichtlich eine lächerlich naive Illusion.

Das Wetter blieb herrlich, ich ging zu einem Spaziergang rüber in den Englischen Garten. Während mir dort kalt war und ich möglichst zackig ging, sah ich die anderen Spazierenden mit baren Häuptern und ohne Handschuhe, sogar auf Decken auf den Wiesen liegend – wacker.

Eisbach, an dessen Ende gesurft wurde.

Kurz vor Daheim freute ich mich an den Krokanten in allen Farben im Nußbaumpark.

Zu Hause ging ich meine Twitter-Timeline sorgfältig durch und schaltete zur Aufregungs-Minimierung Retweets von allen ab, die offensichtlich ungeprüfte Ukraine-Meldungen retweeten. (Herr Kaltmamsell hilft seiner Stabilität derzeit, indem er nicht mal Fernsehnachrichten guckt.)

Über heißem Tee stellte ich die Lieblingstweets des Monats zusammen, telefonierte ein Stündchen mit meinem Bruder (auch ohne Ukraine-Krieg genug Themen).

Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell die Reste von Samstagabend: Mufflonbraten mit Sauce, die Spätzle als Kässpatzen. Dann gab es reichlich (ein bisschen zu viel?) Süßigkeiten.