Journal Montag, 27. Juni 2022 – Zwei Striche im Haus

Dienstag, 28. Juni 2022 um 6:30

Das war gestern ein recht breites Spektrum von Gefühlen.

Ich stand mit Herrn Kaltmamsell auf, setzte mich zum Morgenkaffee auf den Balkon in milde Luft und gratulierte mir zur ausgezeichneten Idee, den Montag nach Bachmannpreis frei zu nehmen.

Wie von der Gynäkologin mit Nachdruck empfohlen, messe ich seit Start der Hormonersatztherapie alle paar Tage meinen (vor ein paar Jahren als deutlich zu hoch diagnostizierten – erbliche Belastung – und medikamentös eingestellten) Blutdruck. Mit dem Ergebnis, dass er seit diesem Start zu niedrig ist. Gestern ergab die Messung den neuen Tiefstwert 90/61 – das könnte die aktuellen Schwindelphasen erklären, ich setze den Blutdrucksenker jetzt erst mal ab.

Herr Kaltmamsell verließ das Haus um acht in die Arbeit, eine Stunde später setzte ich mich an diesem herrlichen Sommermorgen aufs Rad und fuhr an die Isar zu einer Laufrunde. Wegen der weiteren Pläne für den Tag beschränkte ich mich auf 80 Minuten – und weil ich dann doch einsehen muss, dass mir deutlich längere Läufe nicht gut tun (immer Wadenschmerzen, die sich auf die Folgetage erstrecken). Keinerlei Beschwerden, nur ganz wenige andere Menschen, sommerlichstes Sommerlicht.

Beim Laufen verarbeitete ich die jüngsten Erlebnisse, fühlte mich heiter und gelassen, hatte so viele Ideen, dass ich sie als Sprachmemos aufnahm. Seltene Erfahrung, die ich umarmte und festhielt: Mir ging’s richtig und rundum gut.

Als ich beim Zurückkommen die Wohnungstür öffnete, stutzte ich: Sie war nicht verschlossen, hatte ich das vergessen? Die Erklärung: Herr Kaltmamsell war vorzeitig aus der Arbeit heimgekommen. Nachdem sein nahezu täglicher Selbsttest am Morgen daheim negativ gewesen war, hatte der in der Schule zwei Striche angezeigt. Zwei Mal.

Ich war natürlich erschrocken und besorgt, plante vernünftig mit Herrn Kaltmamsell die nächsten Schritte. Solange er noch keine Symptome hatte, würde er also zu Fuß zur nächsten PCR-Teststelle gehen, ich würde für den Putzmann einen Zettel an die dann geschlossene Tür von Herrn Kaltmamsells Zimmer hängen. Mein Tagesprogramm würde ich weiterverfolgen, da es mich ja aus der potenziell infektiösen Wohnung fern hielt. Selbst konnte ich selbst dann noch nicht infektiös sein, wenn Herr Kaltmamsell mich in der gemeinsamen Zeit seit dem Abend zuvor angesteckt hätte.

Nach einer kurzen Dusche packte ich wie geplant mein Badezeug vor, ging dann zum ersten Mammographie-Termin meines Lebens. Ich hatte ihn über Doctolib gebucht – und das System hatte mich seither insgesamt FÜNF Mal daran erinnert, davon einmal per SMS und viermal mit E-Mails des Betreffs “Wichtige Informationen zu Ihrem Termin”, die keinerlei Informationen enthielten, mich aber jedes Mal Buchstabe für Buchstabe der Mail danach suchen ließen. Das ist nicht gut gemacht.

In der Praxis gab es längere Wartezeiten (die gefasste Mitarbeiterin an der Theke entschuldigte das mit “Personalausfall” – genau die von Expert*innen prognostizierte Folge der politisch ignorierten, dennoch weiter grassierenden Corona-Pandemia), die Untersuchung selbst war ok: Ich war sehr angetan von der Angestellten, die alles daran genau erklärte und mit meinen Brüsten sowie dem dranhängenden nackten Körper sehr sorgsam umging. Wie erwartet kein Befund, ich war ja auch nur auf das Drängen meiner Gynäkologin hier, für mich gilt: Keine Beschwerden, keine Auffälligkeiten -> kein Arztbesuch. Ausnahme Dentalmedizin.

Auf dem Weg nach Hause besorgte ich endlich mal ein moderneres Fieberthermometer, in der Hoffnung, dass niemand im Hause Kaltmamsell es brauchen würde.

Draußen war es so heiß, dass sogar die Münchner*innen nur die Schattenseite der Sendlinger Straße nutzten.

Daheim gab ich das Fieberthermometer ab, schulterte meine Badesachen, dann radelte ich zum schönsten Freibad, das ich kenne: zum Naturbad Maria Einsiedel (oder laut Kindermund zum Einzelbad). Wo ich bereits deutlich länger als Corona nicht mehr gewesen war.

Zweimal ließ ich mich den Eiskanal runtertreiben (den ich deutlich kälter in Erinnerung hatte) – es war herrlich. Frühstück um halb drei: Ein Laugenzöpferl, Hüttenkäse. Dösen in der Sonne, Zeitunglesen, es war sehr schön.

Auf dem Heimweg kaufte ich im Supermarkt Lebensmittel ein, die Herr Kaltmamsell auf die Einkaufsliste geschrieben hatte – und was mir noch für eine eventuelle Doppelisolation einfiel (der Patient war immer noch symptomfrei, wir kommunizierten miteinander per Twitter-Direct Message).

Zu Hause ausgiebige Körperpflege, als Abendessen buk ich Kaiserschmarrn, servierte mit Zwetschgenkompott und mit Apfelmus. Die Portion für Herrn Kaltmamsell richtete ich auf unserem Tablett an (wir haben sogar eines!) und stellte sie ihm vors Zimmer.

Wäscheaufhängen, Kücheräumen, ich hatte sogar noch Platz für Nachtisch in Form von Kirschen.

Draußen hatte der Himmel zugezogen, als ich zu Bett ging, brach das bereits für nachmittags angekündigte Gewitter los.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Journal Montag, 27. Juni 2022 – Zwei Striche im Haus“

  1. Die Toni meint:

    Alles Gute für Herrn Kaltmamsell!

    Als jemand, der im März eine Brust verloren hat, kann ich bei dieser einen Sache nur zum Gegenteil raten. Der Tumor saß so tief, dass ich ihn nicht hätte tasten können. Nur dadurch, dass er früh entdeckt wurde, blieb mir Schlimmeres wie zB Chemotherapie erspart und meine Perspektive ist gut. Ich hatte bei der Untersuchung auch nichts erwartet, das war nur Routine.

    Jetzt gerade bin ich in Reha und hier sind jede Menge Frauen, die nichts erwartet hatten bei der Untersuchung. Aber jede 8. Frau bekommt statistisch Brustkrebs.

    Und dann kann früh dran sein einfach entscheidend sein.

  2. Mo meint:

    Herrn Kaltmamsell einen glimpflichen Verlauf ohne Folgen und alles Gute für euch beide!

  3. Berit meint:

    Nun, krank ist er ja (noch) nicht, aber ich wünsche trotzdem gute Besserung und vor allem keine Ansteckung.

  4. PaulineM meint:

    Gute Besserung/Symptomfreien Verlauf für Herrn Kaltmamsell und möge der zweite Strich an Ihnen vorübergehen.

    Zum Thema Mammographie: Ich hatte vor 7 Jahren Brustkrebs, der bei der Routine-Mammographie entdeckt wurde. Vorher keinerlei Symptome, kein Ertasten möglich. Wegen der frühen Erkennung keine Amputation, keine Chemotherapie, lediglich Tumor entfernt, Bestrahlung und einige Jahre ein Medikament. An Die Toni – gute Besserung und viel Glück!

  5. Hiwwelhubber meint:

    herje, was für nachrichten – alles gute!
    aber in der schule dürfte es leider früher oder später jeden treffen?

    ich soll nun nach 4 monaten warten und einem abgesatzen termin morgen meine kleine routine-op bekommen – luft anhalten, dasses klapt.

    aber neiiiiin, keine klinik und keine praxis in unserem land ist ja überlastet *dampfablass*
    gibts eigentlich eine twittergruppe, die darüber – also über dieses öfentlich tot eschwiegene prolem – redet?

  6. casino meint:

    so ein mist, ich wünsche einen schnellen und symptomarmen weg zur einstrichigkeit! erfahrungsgemäß kann das mit der isolation und den geschlossenen zimmertüren gut funktionieren, ich habe mich mit positivem sohn im haus nicht angesteckt. alles gute ihnen beiden!

  7. Cora meint:

    Ernstgemeinte Frage: gibt es in Bayern nicht auch das Brustkrebs Screening für Frauen Ü50 alle zwei Jahre?

    „Keine Beschwerden, keine Auffälligkeiten empfinde ich als etwas vermessen. Oft empfinde ich manche Vorsorge durchaus als etwas übertrieben, in dem Fall aber nicht.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Ja, Cora, gibt es:
    https://letmegooglethat.com/?q=Brustkrebs+screening+bayern

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