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Freitag, 30. September 2022

Journal Donnerstag, 29. September 2022 – San Sebastián 14: Aquarium und feine, liebevolle baskische Küche

Freitag, 30. September 2022

Aufgewacht nach unguten Träumen (gemeinerweise hatten sich die schlechten Nachrichten aus der Arbeit dort eingeschlichen).

Wie angekündigt regnete es morgens heftig. Plan war, nach dem Bloggen dennoch eine Laufrunde einzulegen, war ja nur Wasser. Tatsächlich schreckte mich die intensive Greislichkeit des Draußens ab: Ich verschob die Laufrunde auf einen regenärmeren Tag, schwenkte um auf eine Runde Yoga.

Sonstiger Regenplan war ein Besuch den hiesigen Aquariums. Vorher machten wir einen Abstecher auf einen café con leche, dabei griff ich mir mal die ausgelegte Regionalzeitung El diario vasco. Auch hier hat sich der Begriff “violencia machista” für häusliche Gewalt gegen Frauen eingebürgert, den ich abends in den Fernsehnachrichten gehört hatte. Ein aktueller Femizid hat zu Demos von hunderten Nachbar*innen des Opfers geführt, die Regionalzeitung berichtete doppelseitig und versuchte Analysen – in Spanien ist man ganz offensichtlich weit über die Phase hinaus, in der Medien solche Gewalttaten als “Beziehungstragödie” bezeichnen.

Durch heftigen Regen spazierten wir zum Aquarium am Rand der großen Bucht von San Sebastián. Es herrschte reger Betrieb, an solch einem Schlecht-Wetter-Tag waren nicht nur wir auf diesen Zeitvertreib gekommen.

Der offizielle Rundgang (um dessen Einhaltung mehrfach mit Durchsagen beten wurde – ich nehme an zur kontrollierteren Verteilung der Besucher) begann in der obersten der drei Ebenen. Leider verpassten wir dadurch eine der drei Fischfütterungen pro Woche, denn die war in der untersten, wir hätten gleich bei Öffnung des Aquariums um 11 Uhr da sein müssen.

Wir sahen in einer zeitgemäßen, gut geführten und erzählten Weise die Geschichte der örtlichen Schifffahrt anhand von Modellen, erfuhren viel über die hiesige Fischerei (besonders rührend: die Ausstattung der letzten mobilen anchoas-Verkäuferin von San Sebastián, verstorben 2012, war neben einem Foto von ihr und Beschreibung ihrer Tätigkeit ausgestellt), über Piraten versus Freibeuter1, über verschiedene heutige Fischereitechniken mit Darstellung an Modellen inklusive ihrer Umweltverträglichkeit, über Meeresbiologie, alles mit interessanten Exponaten.

Zuletzt die riesigen Aquarien, davon das größte bestückt mit genau den Fischen, die es draußen vor den Mauern im Atlantik gibt – und mit einem begehbaren Tunnel.

Bild: Herr Kaltmamsell.

Unsere besonderen Freunde auch im Tierpark Hellabrunn: Die Röhrenaale.

Blick durch ein Fenster in die verregnete Bucht Ondarreta.

Auf Rückweg im Laden von Torrons Vicens eingekehrt (Turrones und Schokolade), Eskalation war erwartbar, der Gesamtbetrag reichte, dass ich einen Mandelnougat-Turrón dazugeschenkt bekam.

In der Ferienwohnung Frühstück um drei: Apfel, Brot mit Butter und mit Nocilla (nacheinander), Mandelnougat-Turrón (überraschend wenig süß).

Dann übte ich wieder für den kommenden Winter in München: Bei nassen 15 Grad Außentemperatur und nicht startbarer Heizung saß ich in zwei Paar Socken und zwei Pullovern unter einer, dann zwei dicken Decken auf dem Sofa und las Zeitung auf meinem Laptop auf dem Schoß, der dort zusätzlich heizte; so richtig warm war mir nicht.

Fürs Nachtmahl hatte ich auf eine Empfehlung hin einen Tisch im Bodegón Alejandro reserviert – und diese Empfehlung stellte sich als Volltreffer heraus: Ein liebevoll eingerichtetes Lokal, regionale, saisonale Zutaten, baskische Küche zeitgemäß umgesetzt – und das alles so aufmerksam, freundlich, mit vielen liebevollen Details, dass ich mich warm umarmt fühlte. Inklusive uns allerdings praktisch ausschließlich nicht-spanischsprechende Gäste; vielleicht kommt diese Art Küche, die ja auch ich präferiere, bei den Hiesigen einfach nicht an. Am Preis kann es eher nicht liegen: Wir zahlten etwa die Hälfte von dem, was ein solcher Abend in München kosten würde.

Wir entschieden uns für das Degustationsmenü mit Weinbegleitung.

Gruß aus der Küche war ein wirklich guter Gazpacho mit Körnerbrot-Chips.

Drei “Pintxos”: Rechts Selleriebrühe mit Herzmuschel – ganz hervorragend; auf dem Teller herrlich gewürzte Sardinen auf gerösteter Paprika, oben Taschenkrebs-Fleisch mit Pilpil-Schaum. Im Glas dazu ein Txakoli Hirutza, der vor allem zum Fischgeschmack hervorragend passte.

Ei mit Emmentalersauce – wunderbarer Ei-Geschmack. Dazu ein roter Txakoli Ilun – besonders spannend, weil jung und aus der hiesigen autochthonen Traube Hondarrabi beltza, hätte ich blind sehr wahrscheinlich nicht in Spanien verortet.

Bonito mit karamelisierten Zwiebeln und roter Paprika, sehr gut.

Das Fleisch wurde mit einem besonderen Zusatzmesser serviert: Archäologen haben Steinzeittechniken angewendet, um es aus Feuerstein zu reproduzieren. Ich folgte der Einladung, die Schweineschulter damit zu schneiden – ging mit Hilfe der (viel, viel später erfundenen) Gabel tatsächlich. Der Wein dazu war ein Ysios Tempranillo, Spezialabfüllung fürs Restaurant aus der Magnumflasche.

Erster Nachtisch: Feigen in Mandelsuppe – sehr fein, endlich erfüllte mir jemand meinen Dessertwunsch “gutes Obst!”. Dazu gab es ein Likörglas voll vom Haus aromatisierten Wein, nämlich mit Orangenschalen und Koriandersamen, gleich mal zum Nachbasteln gemerkt.

Zweiter Nachtisch: Torrija (hier ein armer Ritter aus Brioche) mit gebrannt-karamelisierter Oberfläche und ein herrliche süß-salziges Frischkäse-Eis.

Zum Café erbaten wir Brandy – der sehr großzügig eingeschenkt kam (ich erinnere mich ja noch an Zeiten, in denen in Spanien am Tisch eingeschenkt wurde – bis der Gast Stopp sagte; ich hätte deutlich vorher gestoppt).

Dazu stellte die bezaubernde Bedienung dieses Kästchen auf den Tisch: “Una sorpresa.” In den Schubladen Gebäck.

Das war ein rundum Herz und sonstige Sinne erfrischender Abend, wir spazierten vergnügt (und betrunken) heim.

  1. Darüber wusste ich Einiges aus jugendlicher Lektüre eines entsprechenden Geschichte mit Pfiff-Hefts – wie über so manche anderes historisches Thema, es ist ganz erstaunlich, wie viel daraus bei mir hängengeblieben ist, wirklich gut angelegtes Geld meiner Eltern. []

Journal Mittwoch, 28. September 2022 – San Sebastián 13: Wie ich einmal zu einem Gemälde fuhr

Donnerstag, 29. September 2022

Gestern versuchte ich, eines der wichtigsten Gemälde meiner Kindheit und Jugend in Echt zu sehen: „Mujeres de Sepúlveda“ von Ignacio Zuloaga. Ich wurde mit seinem Anblick groß, weil meine Mutter eine Postkarten-Reproduktion gerahmt an der Wand hatte, und den titelgebenden Ort kannte ich von Urlauben, weil meine spanische Oma von dort stammt. Mich hatte immer der Gegensatz der realistisch gemalten, starren alten Frauen im Vordergrund (der stechende Blick der rechten Frau auf die Betrachterin!) und der eigentümlichen Kleidung einerseits mit dem naiv-schematisch gemalten Ort im Hintergrund fasziniert – der dann doch ganz eindeutig und korrekt Sepúlveda zeigt. Auf der Terasse rechts steht bis heute das Lokal La Violeta, in den 1980ern eine Disco, in der ich legendäre Nächte verbrachte.

Irgendwann fand ich anhand eines Kunstbands heraus, dass das (mit 213 x 182 cm überraschend großformatige) Original nicht etwa in einem Museum hängt, sondern im Rathaus von Irún, der baskischen Grenzstadt. Entmutigend, da kommt man ja nie vorbei.

Außer man macht ein paar Jahrzehnte nach dieser Erkenntnis 17 Kilometer davon entfernt Urlaub, in San Sebastián.

Vorrecherche ergab: Ja, es hängt in der Pinacoteca des Ayuntamientos von Irún – wieder, denn 2021 wurde es für eine Zuloaga-Ausstellung an Estland verliehen. Was ich der Website des Irúner Rathauses allerdings nicht entnehmen konnte, war die Besichtigungsmöglichkeit. Aber ist ja wirklich nicht weit, gestern war zudem grausliches Wetter angekündigt: Wir fuhren einfach mal hin.

Der Regionalzug fuhr an einem Bahnhöfchen direkt hinter unserem Ferienwohnhaus ab; dass wir 25 Minuten darauf warten mussten, lag an der gründlichen Unzuverlässigkeit aller Online-Quellen für Abfahrtzeiten.

In Irún spazierten wir zum Ayuntamiento:

Nachfrage beim freundlichen Herrn an der Security-Schleuse (an seiner Uniform stand “Policía”) ergab: Eine Besichtigung der Ausstellungsräume (es gibt eine Sammlung baskischer Kunst) ist eigentlich nur an Samstagen im Sommer möglich – aber während er das sagte, stand er bereits auf, “um mal nachzusehen”. Ich erklärte ihm, um welches Gemälde es mir eigentlich ging, dass meine Familie aus Sepúlveda kommt, dass ich mit der Postkarte davon aufgewachsen bin.

Der Herr ging mit uns hoch zu den Räumen, öffnete mit seiner Smartcard vorsichtig die Tür zur Sala Capitular, in der der Zuloaga hängt – und schloss sie gleich wieder: Darin werde gerade gearbeitet, ob wir wohl in einer kleinen Weile („un ratito“) wiederkommen könnten? Aber klar! Wir vereinbarten einen ratito von einer Stunde. In dieser tranken wir café con leche am Rathausplatz und machten einen Spaziergang, ich war ziemlich wuschig vor Aufregung.

Als wir zurück ins Rathaus kamen, erwartete Herr Security uns schon. Der Raum, in dem vorher „gearbeitet“ wurde, stellte sich als der große Sitzungssaal des Rathauses heraus, mit holzgedrechselter Zuschauertribüne und allem. Wir bekamen sogar die Beleuchtung des Centerpieces des Saals angeschaltet und durften fotografieren (Beweisfoto für Mama!).

Da ich ja vor allem die Postkarte davon im Gedächtnis habe, kannte ich das untere Drittel des Gemäldes viel weniger. Im Gespräch mit Herrn Security erkannte ich, dass die abgebildeten Frauen einen Überrock als Umhang hochgeschlagen haben, der Unterrock der linken Figur besteht fast nur aus Flicken. Auch eine Überraschung: Das Bild ist deutlich dunkler als die Reproduktionen, die ich kenne. Ob es auch ursprünglich so ganz ohne das berühmte goldene Licht Kastiliens gemalt wurde (Zuloaga war ein großer Fan von El Greco) oder ob es schlicht restaurierungsbedürftig ist, kann ich natürlich nicht beurteilen.

An der gegenüberliegenden Wand hing das offizielle Bild des spanischen Königs Felipe VI., Rathaussaal halt. Herr Security, dem ich immer wieder herzlich dankte, bot sogar an, dass wir noch mehr Zeit mit dem Gemälde verbringen könnten, aber dafür hatte ich nicht die Ruhe. Zum Abschied betonte der Herr, dass wir jederzeit wiederkommen könnten, er oder einer seiner Kollegen am Eingang würden uns hereinlassen. Ich war sehr gerührt von seiner Freundlichkeit und Güte.

Das Gemälde “Mujeres de Sepúlveda” von 1909 ist in Spanien so berühmt, dass es an dem Punkt, von dem aus man diese Ansicht hat, einen Parkplatz „Mirador Zuloaga“ gibt. Ignacio Zuloaga (1870-1945) hat zu meiner Überraschung einen ungemein detailreichen Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia inklusive Forschungsstand bis 2019 und Zuloagas fragwürdige Rolle im frühen Franquismo.

Aber wie kommt das Gemälde nach Irún?

Zuloaga hat es der Stadt gewidmet/vermacht. (Wenn Künstler*innen bei solchen Gesten bitte bedächten, als Bedingung daran zu knüpfen, dass das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird?)

Spaziergang zurück zum Bahnhof mit ein paar Schleifen auf der Suche nach sowas wie Altstadtkern – gibt es nicht wirklich (was zu meinen inneren Bildern des Ortes passt, die vor allem mit Flüchtlingen vorm Nazi-Regime zu tun haben). Am Bahnhof trank ich zur Entspannung nach all der Aufregung ein Bier, Herr Kaltmamsell aß ein Stück Tortilla dazu.

Als wir nach San Sebastián zurückkamen, hatte auch ich richtig Hunger: Nach drei gab es in der Ferienwohnung zum Frühstück Apfel, Butterbrot und Feigen mit Joghurt.

Draußen regnete es lustig. In einer kurzen Pause schoss ich für ein paar Abendbrot-Einkäufe raus. Herr Kaltmamsell kochte nämlich den Rest Linsen vom Einkauf der Vorwoche mit Morcilla und Chorizo, dazu besorgte ich Zwiebel und Karotten. Schmeckte abends sehr gut (LINSEN!), Nachtisch Schokolade.

§

Nicole Diekmann macht sich beunruhigte Gedanken über Regeln/Gesetze für Online-Plattformen, die per Definition nicht an die eines Staats gekoppelt sein können:
“Gibt es guten Hass?”

Journal Dienstag, 27. September 2022 – San Sebastián 12: Ein Stückerl Camino

Mittwoch, 28. September 2022

Eine etwas unruhige Nacht mit unangenehmen Träumen, macht bei all dem guten Schlaf nichts aus.

Wir planten eine weitere Wanderung, auch wenn für den Tag wechselhaftes Wetter angekündigt war: Das bedeutete für gestern wenigstens regenfreie Abschnitte, Mittwoch und vor allem Donnerstag war durchgehender heftiger Regen vorhergesagt.

Den verregneten Vormittag verbrachte ich mit Morgenkaffee, Wäschewaschen, Bloggen, einer Runde Yoga, einem café con leche im vertrauten Bar, Brotzeit- und Desserteinkäufen in der kleinen Eck-Panadería/Pastelería.

Wir vertrauten dem Regenradar und brachen mittags in Wanderausrüstung auf: Wir wollten das Stück Camino Santiago ab San Sebastián westwärts wandern.

Auf der ersten halben Stunde entlang der Concha wurden wir noch angeregnet, dann erst wieder Stunden später auf der zweiten Hälfte der Strecke – völlig ok.

Beginn unseres Stücks Camino de Santiago am Fuß des Monte Igueldo. Mir fiel ein, dass mein Vater vor 20 Jahren hier gegangen sein musste, als er kurz nach seiner Pensionierung mit zwei Freunden den Jakobsweg ab der französischen Seite der Pyrenäen bis Santiago de Compostela gewandert war – er erzählt bis heute von seinen Erlebnissen, und ich höre sie immer wieder gerne.

Die Wanderung war gut zu machen und bereitete Vergnügen; für knapp 19 Kilometer brauchten wir mit einer Brotzeitpause fünf Stunden. Wir bekamen einiges an Tieren geboten: Im heftigen Wind an der Küste Greifvögel zwischen den Möwen, einen riesigen mit hellbrauner Oberseite sahen wir direkt vor uns aus einer Wiese starten (sicher kein Milan – vielleicht sogar ein Adler?), Falken, Schwalben, Krähen, Spatzen, Grasmücke, Kühe, Pferde, Schafe. Zudem sahen wir besonders viele Obstbäume mit Früchten: Ich weiß jetzt, wie Kaki- und Kiwibaum aussehen, dazu kamen vertraute Apfel-, Esskastanien-, Pfirsichbäume, auch einen Weingarten passierten wir. Was es in dem schlechten Wetter nicht gab: Weite Aussichten in die Berge, da alles von Wolken und Regen verschleiert war. Dann wiederum: Kaum andere Wanderer, wir begegneten genau zwei (der Ausrüstung nach echte Jakobsweg-Pilger*innen).

Meine Zufriedenheit mit der neuen Wanderhose ist mittlerweile leider getrübt: Die Einstecktaschen fürs Smartphone sind seitlich so weit unten angebracht, das sich das Gerät zu weit runterleiert – und beim Gehen außen unangenehm ans Knie dotzt. Ich hielt mein Smartphone deshalb die meiste Zeit lieber in der Hand.

Blick zurück auf den Monte Igueldo.

Kiwis am Baum.

Kühe auf Weide und Herr Kaltmamsell pointing at things.

Meine Brotzeit um halb drei nach einem köstlichen Apfel vom Samstagsmarkt: ein lazo, Blätterteiggebäck mit ordentlich Aprikosenmarmelade drauf.

Bankerl hat man ja leider nicht am Camino, wir waren froh um zwei trockene Steine, auf die wir uns setzen konnten.

Wir kamen an Unmengen Esskastanien vorbei – die mich in dieser Dichte auf dem Weg an Tribbles erinnerten (und die sehr spitze Stacheln haben, wie ich beim Versuch merkte, eine in die Hand zu nehmen).

Lange Abschnitte des Wegs waren sehr matschig, definitiv keine Tour für Turnschuhe.

Laut unserem Wanderführer eine Straße aus dem Mittelalter.

In unserem Zielort Orio kamen wir auf den Punkt genau zur Abfahrt des Regionalzugs zurück nach San Sebastián an. (Sonst hätten wir halt eine halbe Stunde warten müssen.)

Auf dem Heimweg zu unserer Ferienwohnung hielt ich an der Casa del café an, um Vorräte für hier aufzufüllen und mich auch gleich für daheim einzudecken, nämlich mit dem für Spanien typischen torrefacto, was hier mit Zucker gerösteter Kaffee ist. Ich bekam bei der Gelegenheit den Tipp, ihn nicht allein zu mahlen, da der Zucker die Mühle verkleben könne.

Fürs Abendessen steuerten wir eine empfohlene Bodega an – die aus allen Nähten vor Touristen platzte, keine Aussicht auf einen Sitzplatz oder überhaupt geruhsames Essen. Statt dessen gingen wir in das Lokal, in dem wir unseren Morgenkaffee trinken, und bekamen zu einem Glas Txakoli anständige Raciones Ensaladilla rusa, Calamares fritos und richtig gute Albóndigas (über die Kartoffeln sehen wir mal hinweg).

In der Ferienwohnung wartete als Dessert eine weitere tarta de queso auf uns, diese aus der Panadería/Pastelería vom Morgen: eine interessante Kombination von Sahnigkeit und leicht. Favorit ist weiterhin die Version vom Markt.

Journal Montag, 26. September 2022 – San Sebastián 11: Essen im Schulrestaurant des Basque Culinary Center

Dienstag, 27. September 2022

Wegen Tagesprogramm vorsichtshalber den Wecker gestellt, der mich um halb acht auch wirklich weckte.

Denn vor dem Hauptprogrammpunkt des Tages wollte ich noch genügend Zeit zum Bloggen und Joggen haben (“Blogg&Jogg” als Titel für eine Veranstaltung schützen lassen?).

Der Himmel sah bedrohlich düster aus, doch der Regenradar zeigte erst mittags Niederschläge an.

Der Lauf entlang der Concha war dann auch ganz herrlich und zum Teil sonnig. Bei niedrigster Ebbe traute ich mich erstmals statt den Tunnel zur Bucht Ondarreta den Weg untenrum über Strand und Felsen zu nehmen, der nur bei Ebbe passierbar ist.

Letzter Check an der Bushaltestelle vorm Haus nach Abfahrtszeiten des Busses, der uns zum Mittagessen bringen sollte – Erkenntnis, dass das so nicht stimmen konnte: Laut Plan würde der Bus anderthalb Stunden und viele Umwege für eine Strecke brauchen, die Google als eine gute Stunde Fußweg anzeigte. Ich gab auf und bat Herrn Kaltmamsell um eine neue Recherche von Null: Wie kommen wir zum Basque Culinary Center, sodass wir unsere Restaurant-Reservierung um 13.45 Uhr wahrnehmen können? Er fand über die Routenplanung von Google Maps innerhalb kürzester Zeit eine bessere Busverbindung.

Dieses Basque Culinary Center hatte ich bei der Urlaubsvorbereitung entdeckt, als ich nach den baskischen Männerkochclubs suchte, von denen ich schon viel gehört hatte. Etwas versteckt stieß ich auf das Restaurant der Studierenden, in dem auch Externe essen können, Reservierungsmöglichkeit immer am Anfang des Monats. Und so guckte ich Anfang September täglich danach, doch immer hieß es, das Restaurant sei noch in den Ferien. Erst als ich vergangene Woche hier in San Sebastián nachsah, war der Reservierungslink aktiv. Es gibt nur Mittagstermine, das Restaurant ist ja Teil des Unterrichts.

Das mit der Busverbindung war relevant, weil das Basque Culinary Center ziemlich weit draußen im Süden von San Sebastián in einem Technologiepark liegt: Dort passt es mit seinem akademischen und Forschungsanspruch auch hin.

Das Gebäude aus dem Jahr 2011 macht was her (sieht aber wie so viele zeitgenössischen Bauten nach wenigen Jahren an einigen Stellen bereits renovierungsbedürftig aus). Die englische Wikipedia bietet weitere Hintergrundinformationen zur Einrichtung.

Von hinten.

Von vorne. Ich musste an der Information einen jungen Mann in Laborkittel nach dem Weg fragen, um zum Restaurant zu finden.

Wir wurden an unseren Platz gebracht, unsere Bedienung stellte sich vor. Und dann aßen wir interessant und gut – am gefesselsten aber war ich von all den jungen Leuten um uns rum, von den Student*innen. Ich versuchte nicht zu sehr zu starren, hätte aber am liebsten von allen den persönlichen Hintergrund erfahren.
(Wenn die Anblicke gestern repräsentativ waren, sind flächendeckende Tätowierungen und viele Piercings bei ambitionierten Nachwuchsköchen aus der Mode gekommen. Allerdings bot Herr Kaltmamsell die Erklärung an, dass Männer mit Körperschmuck die Stationen des Kochenlernens markieren und Tätowierungen folglich erst bei älteren Köchen voll ausgebildet sind.)

Die Speisekarte war über QR-Code aufs Handy zu holen, aus Vor-, Haupt, und Nachspeise suchten wir uns jeweils eine aus – und wurden gebeten, möglichst nicht das Gleiche wie die Begleitung zu wählen.

Als Wein ließen wir uns einen Txakoli empfehlen, einen Itsasmendi 7: Frisch, viel Säure, Zitrusnoten, mit ein wenig Luft aber noch viel mehr.

(Ich habe Herrn Kaltmamsell bereits um Verzeihung für die Veröffentlichung dieser unvorteilhaften Aufnahme von ihm gebeten – aber es ist die einzige, die den Restaurant-Raum zeigt.)
Aperitivo waren für uns beide: Entenpastete (gleich mal mein Favorit), sowie Blumenkohl und Karotten in Sahnesauce mit ein wenig roter Paprika.

Als Vorspeise hatte Herr Kaltmamsell Reis mit Schnecken und Lamm bestellt, er wurde mit Minzschaum serviert. Ich hatte Linsen mit Bacalao. Wir konnten aus dreierlei Brot dazu wählen: Brioche, traditionelles Bauernbrot (das nahm ich: wirklich guter Weizensauerteig) und Vollkorn.

Hauptspeise: Bei mir gegrillte Lachsforelle mit Fenchel (sehr gut, nur die Haut etwas widerspenstig fest), bei Herrn Kaltmamsell gegrilltes Rind (Lende?) mit Kartoffelgratin und gegrilltem Chicoree.

Als Dessert hatte ich Baba al ron (bei dem mir Rum und Saftigkeit etwas fehlten) mit Pfirsich und – zweiter Favorit des Menüs – Schafsmilcheis. Herr Kaltmamsell hatte ein Apfeldessert bestellt: Apfeleis, Apfelkaltschale, Apfelstücke.

Zum abschließenden Café gab es Pralinen, ganz hervorragend. Zur Rechnung wurden wir gebeten, auf der QR-Code-verlinkten Site einen Fragebogen auszufüllen, als Feedback für die Studierenden, die gekocht hatten und im Service geübt. Zur Ausbildung gehört ja auch der Umgang mit den Gästen inklusive Smalltalk (ich kenne das von der Friseurausbildung), und so hatte der eine freundlich mit uns gescherzt, die andere sich erkundigt, woher wir kommen – gut gemacht!

Und ein schönes Klo hat’s da auch.

Wir verließen den Ort ausgesprochen vergnügt, ich kann das Erlebnis empfehlen.

Zurück in der Stadtmitte gingen wir auf ein paar Einkäufe in den Supermarkt, Urlaub in der Ferienwohnung machen auch Aufstocken von Kaffee, Klopapier, Küchenrolle nötig. Beim Feigenkauf in einem Obstladen wurde ich von der Besitzerin sowohl mit cariño als auch mit reina tituliert, die Liste ist abgehakt, ich kann beruhigt heimfahren.

Zeitunglesen in Decken gewickelt.

Abendessen: Apfel, Tomatensalat mit Zwiebeln, Käse mit Feigen und Brot, Schokolade und süße Gummis.
In den Nachrichten dazu: Überflutungen wegen extremer Regenfälle, in der Region Múrcia die stärksten seit den Wetteraufzeichnungen, auf den kanarischen Inseln halten die Regenfälle an.
Die Kampagne zur vierten Anti-Covid19-Impfung hat begonnen, erst mal für die Ü-80-Jährigen, Risikogruppen, Gesundheitspersonal: Spanien hat offensichtlich gewartet, bis ein Impfstoff zugelassen war, der auch Omikron abdeckt. Grippeimpfung empfohlen für alle über fünf Jahren.

§

Kennte ich den aktuellen Moderator nicht, hätte ich natürlich nie von diesem TV-Format erfahren, bin jetzt aber sehr angetan: Im Luxemburger Fernsehen gibt es die Show Generation Art, in der junge Künstler*innen gegeneinander in Challenges antreten und von einer Fachjury bewertet werden, in jeder Folge muss eine*r gehen. In dieser Staffel sind das Fotograf*innen, die erste Folge kann man in der Mediathek sehen:
“Déi éischt Episod mat engem kreativen Challenge”.

(Auf Luxemburgisch, mal ein anderes europäisches Sprachbad.)
Das Format ist sehr zackig und knapp, nichts riecht nach scripted reality, mich hätten oft noch mehr Details und Hintergründe interessiert – welch angenehmer Gegensatz zu all den internationalen Koch-, Back- und Dinnershows im Fernsehen, die ich nie durchhalte, weil sie mir viel zu detailreich, gestellt, und geschwätzig sind.

Journal Sonntag, 25. September 2022 – San Sebastián 10: Baskische Schweinshaxe und Monte Igueldo

Montag, 26. September 2022

Ausgeschlafen aufgewacht.

Langes Bloggen zu Milchkaffee und leichtem Frieren trotz einiger Schichten Kleidung. Vorm Fenster der Ferienwohnung kam vormittags immer wieder ein Regenduscher runter, dann aber beruhigte sich das Wetter, die Sonne schien immer energischer.

Mir war weiter kalt; vor meiner Yoga-Runde wärmte ich mich erst mal mit sportlichem Hopsen auf, um nicht zähneklappernd zu starten. Die anschließende heiße Dusche machte mir dann richtig warm.

Ich ging raus auf einen café con leche mit Herrn Kaltmamsell. Machen wir uns nichts vor: Natürlich fallen wir in diesem Nachbarschafts-Café als Fremde auf. Fürs Mittagessen besorgte ich eine Stange Brot in einer kleinen Panadería, die nur bis zur Siesta-Zeit offen hat (wie in meiner Kindheit alle kleinen Panaderías): Neben der Tür zum Laden hatte ich durch eine offene Tür gesehen, dass direkt dahinter die Backstube liegt, dass hier wirklich selbst gebacken wird.

Das Mittagessen holten wir uns wie geplant zu spanischer Zeit nach zwei: Gleich ums Eck hatten wir Sonntag vor einer Woche gesehen, dass die Leute Schlange standen am Lokal Ama-Lur, weil dort Grillhänhchen, -wachteln (codorniz) und -schweinshaxen (codillo) verauft wurden. Wachteln waren leider schon aus (wir hätten reservieren sollen), wir kauften eine baskische Schweinshaxe.

Sie war nicht frisch vom Grill, deshalb mussten wir sie erst in der Mikrowelle aufwärmen, dann schmeckte sie gut: Anscheinend ein wenig gepökelt, keine Kruste (die Kartoffeln dazu waren aber nix). Nachtisch war restliche tarta de queso.

Sonntägliche Gemütlichkeit mit Lesen, bei dem überraschend schönen Wetter wollten wir aber doch raus: Besteigung des zweiten Bergs von San Sebastián, den westlichsten Monte Igueldo (der mit dem Turm, Vergnügungspark und Hotel auf dem Gipfel).

Unterwegs Nachholen des Solls an Pärchen-Selfies.

Die Flut war gerade am höchsten Punkt, es gab viel zu gucken.

Auf den Igueldo geht zwar auch eine Standseilbahn hoch, doch wir hatten mehr Lust auf Fußweg. Der Stadtplan führte uns in Serpentinen nach oben, wir bekamen solche Ansichten und Ausblicke:

Doch wir gelangten nicht an den Gipfel mit Hotel und parque de atracciones, der Weg war sehr gründlich und energisch gesperrt – wovor weder der Stadtplan noch ein Schild unten gewarnt hatte.

Die Alternative war eine nackige Autostraße, die von unten direkt zum Hotel führt – oder, dafür entschieden wir uns, die Standseilbahn. Also wieder runter.

Es lohnte sich, wie auch immer hochzukommen: Sensationelle Aussicht.

Der parque de atracciones war niedlich, aber durchaus von Familien genutzt.

Hinunter wieder mit dem schönen alten Funicular.

Kachel in der Talstation.

Schöner Spaziergang die Concha entlang zurück in die Wohnung.

Abendessen als Gegengewicht zum Mittagessen eine Schüssel Salat mit Zwiebel und Tomate. Und restlichen Gateau basque / pasteles vascos.

Im Bett startete ich meine nächste Lektüre: Die Handlung des oft empfohlenen Patria von Fernando Aramburu, Willi Zurbrüggen (Übers.) begann gleich mal in San Sebastián auf Straßen, die wir gestern entlanggegangen waren.

§

Aus Interviews ging ja bereits hervor, dass Alan Rickmann intelligent, gebildet und wortgewandt war (für einen Weltklasse-Schauspieler durchaus ungewöhnlich – einen britischen vielleicht nicht ganz so, die haben traditionell und bis heute familiären Bildungshintergrund). Jetzt erfuhr ich, dass er auch Tagebuch führte – und der Guardian hat seine Tagebucheinträge zu den Harry-Potter-Drehs zusammengestellt (blöde, reißerische Überschrift):
“Alan Rickman’s secret showbiz diaries: the late actor on Harry Potter, politics and what he really thought of his co-stars”.

Journal Samstag, 24. September 20022 – San Sebastián 9: Markt im Regen, baskische Kultur und Kunst

Sonntag, 25. September 2022

Zu einem Regentag aufgestanden.

Nach Bloggen mit Morgenkaffee (es war eine wirklich gute Idee, die Cafetera zu kaufen) und Internetlesen machte ich mich fertig zu einer Laufrunde. Es regnete zwar immer wieder leicht, und ich hatte zur Schirmmütze keine Laufjacke dafür eingesteckt, doch dann würde ich halt nass.

Ernsthaft angeregnet wurde ich dann nur auf dem ersten Abschnitt – was bei Temperatur knapp unter 20 Grad wirklich nicht schlimm war. Ich machte mir lediglich um mein Smartphone etwas Sorgen, weil ich es mit kurzen Ärmeln nicht schützen konnte (bei langen lasse ich den Ärmel einfach über Hand und Telefon fallen).

Beim Vorbeilaufen sah ich, dass an diesem Samstag keine Marktstände auf der Plaza bei der Kirche San Ignazio aufgestellt waren, wie schade.

“Und was hast du auf Filmfestival in San Sebastián gemacht?”
“Ich bin dreimal morgens über den roten Teppich gejoggt.”
(Gestern Abend wurden die Preise verliehen.)

Folge des schlechten Wetters: Wenig Leute unterwegs, herrlich.

Herr Kaltmamsell recherchierte nach mercadillos in San Sebastián, also Märkten mit Ständen im Gegensatz zu denen in Gebäuden, wurde aber erst fündig, als er der Spur des großartigen Käsekuchens folgte und Verkaufsstellen fand, außerdem auf den Überblick eines Hotels stieß: Die paar Marktstände, die wir am Samstag zuvor an der Kirche San Ignazio gefunden hatten, wandern samstagsweise (“Mercado Itinerante de Productos”): Gestern fand der mercadillo auf der anderen Seite von San Sebastián statt, im Stadtteil Antiguo. Also marschierten wir zackig La Concha entlang eine halbe Stunde dorthin (Markt nur bis 14 Uhr).

Dass ich mit dem Regen bei meinem Lauf Glück hatte, merkte ich, als wir zu Einkäufen aufbrechen wollten: Es schüttete aus Kübeln, wir warteten lieber zehn Minuten.

Ein Schwarm Stehpaddler*innen.

Am Gemüsestand erkannten die Standler mich grinsend wieder, ich bekam einen Salatkopf dazugeschenkt, bat um Tomaten (grüne zum Nachreifen hatte er diesmal keine mitgenommen), milde Zwiebeln. Verabschiedet wurde ich mit “chavala” (in etwa “Burschin”), nahm ich einfach mal als Sympathiebekundung.

Foto: Herr Kaltmamsell.

Am Kuchenstand orderte ich neben tarta de queso auch pastel vasco, ein Viertel klassisch mit Creme gefüllt, ein Viertel mit Schokolade.

Foto: Herr Kaltmamsell.
(Ja, ich hatte die Papiertüte vom letztwöchigen Einkauf dabei.)

Herr Kaltmamsell kaufte Chistorra zum Braten fürs Abendessen.

An einem Stand mit Äpfeln, der die Woche zuvor nicht dabei war, sah ich interessante Sorten. Unter anderem war das Centerpiece ein gigantisches Exemplar mit einer mir unbekannten Apfelform. Auf den deuteten wir als Erstes – und bekamen vom Standler gleich mal eine Wette angeboten: Wenn wir das Gewicht des Apfels korrekt schätzten, bekämen wir ihn geschenkt. Wir schätzten, Standler und seine junge Mitarbeiterin schätzten ebenfalls – die Waage ergab 540 Gramm, der Standler hatte am nächsten gelegen. Auf meine Frage erzählte er, dass es sich um die französische Sorte Jumbo handle, er habe die jungen Bäume zum Einpflanzen selbst aus Frankreich geholt. Die Bäume seien klein und pflegeleicht, trügen riesige Früchte. Er griff hinter sich nach einem weiteren solchen Kawenzmann und schnitt Schnitze zum Probieren runter: Ausgezeichneter Geschmack. Von dem guten Dutzend weiterer Sorten in seinem Angebot kaufte ich dann noch ein Kilo Renetten.

Das war alles sehr aufregend, ich fühle mich bei solchen Transaktionen auf Spanisch alles andere als souverän.

Im jetzt wieder heftigen Regenguss huschten wir unter unseren Schirmen in ein nahe gelegenes Café auf einen café con leche. Die Dame hinter der Theke begrüßte mich gleich mal als bonita – ich habe hier ohnehin ständig Brighton-Flashbacks, dort wird man als Kund*in ja gerne mal mit “love” angesprochen. (Nein, das würde im Deutschen nicht funktionieren.) Um uns herum war das dominante Smalltalk-Thema das Wetter, dass es so regnerisch und kalt bleiben soll, nächste Woche tendenziell noch schlechter.

Zurück in die Ferienwohnung spazierten wir gemütlicher, gingen auch neugierig nach links oder rechts zum Gucken. Schirm brauchten wir aber für die ganze Strecke, zum Teil kübelte es heftig. Wir kamen entsprechend nass trotz Schirm an.

Ich hängte erst mal Wäsche auf, nach drei gab es Frühstück für mich: Roggenbrot mit Butter, die restlichen Feigen aus Saint Jean de Luz (wunderbar) mit Joghurt.

Trocknend und eingemümmelt in eine Decke gelesen.

Programm für den späteren Nachmittag war das Museo San Telmo, das zum einen baskische Geschichte zeigt, zum anderen eine viel beachtete Sonderausstellung, die Werke der Basken Jorge Oteiza and Eduardo Chillida aus den 1950ern und 1960ern einander gegenüberstellt.

Trocken angekommen.

Wir starteten mit der Sonderausstellung (in der man nicht fotografieren durfte). Unter anderem gelernt:
– Wer in den spanischen 1950ern abstrakte Kunst mit religiösen Themen begann, tat sich einfach mit Reduktion – die christliche Ikonografie war so bekannt und Teil der Kultur, dass ein erkannbares Detail genügte, um verstanden zu werden.
– Zwei Künstler kamen aus komplett unterschiedlichen Absichten und Haltungen (wenn die hochintellektuellen bis verquasten Erklärungen in der Ausstellung zutrafen) zu verwechselbar ähnlicher Kunst.

In der einstigen Klosterkirche sahen wir die Dauerausstellung “Von Kloster zu Museum”: 1932 war das damals schon lange aufgegebene Kloster als Ausstellungsort für die Auftragsarbeiten von José María Sert wiedereröffnet worden, riesige, in den Kirchenraum eingepasste Ölbilder.

Sie alle zeigen Errungenschaften des Baskentums (darin exakt eine Frau: im Bild Hexenprozesse), ich fand dieses unhinterfragte Denkmal für Nationalismus sehr seltsam.

Das obere Stockwerk stellte sich als Heimatmuseum für baskische Geschichte und Traditionen heraus – das wiederum hochinteressant, der Bogen wurde bis zu erfolgreichen baskischen Marken wie die Limonade Kas geschlagen. Gelernt: Frauen gab es in der baskischen Geschichte erst ab ihrer Einforderung des Wahlrechts, vorher ausschließlich Männer.

Wir kamen erst nach acht zurück in die Ferienwohnung, wieder trocken. Abendessen bestand aus Salat mit Tomate, Zwiebel und einer roten Paprika, gebratener Chistorra. Dessert war das lokale Kuchen-Trio.

Die baskischen Kuchen kein Vergleich mit dem Gateau basque aus Saint Jean de Luz (gute Hausmacher-Qualität vs. Spitzen-Patisserie), aber die tarta de queso war auch diesmal exzeptionell.

Dazu guckten wir wieder Fernsehen. Festhaltenswert ist die aktuelle TV-Kampagne der Regierung, die Zukunft nicht immer nur negativ zu sehen und sie sich wieder besser vorzustellen:
#Bastalasdistopías

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https://youtu.be/oqv_P-QU7sA

(Kann ich in keiner Weise einordnen, dazu kenne ich mich in spanischen Regierungs- und Kommunikationsgewohnheiten viel zu wenig aus.)

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Katatonik gibt Einblicke in universitäre, in akademische Welten, die sich dann doch sehr vom Planeten Freie Wirtschaft unterscheiden. (Und mir unter anderem klarer machen, warum in meiner Arbeitsumgebung an der Schnittstelle zwischen beiden Systemen so viele ganz eigene Spannungen entstehen.)
“Wochensprünge”.

Stelle mir jetzt eine Gesprächsrunde aus @Hystri_cidae, katatonik, @adelhaid und @2or8isok vor – alle vier sehr verschiedene Menschen, verschiedene Fachgebiete – aber alle vier Geisteswissenschaftlerinnen und Bewohnerinnen dieser deutschsprachigen Uni-Welt. Dabei wäre ich sehr gern Mäuschen unterm Tisch.

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Es gibt eine Branche, die in dieser Covid19-Pandemie minutiös mitverfolgt, welche Maßnahmen gegen Infektion/Verbreitung am effizientesten sind, und sie beinhart und konsequent umsetzt – nicht aus wissenschaftlichem, sondern aus kaltem kapitalistischen Interesse, weil so richtig viel Geld auf dem Spiel steht. Also eben nicht die Gesundheitsbranche, sondern – die Film- und Fernsehindustrie: Schauspieler*innen dürfen wirklich, wirklich nicht ausfallen. Ein Twitter-Thread mit Details und Beispielen.