Archiv für Februar 2023

Journal Dienstag, 7. Februar 2023 – Morgens Hektik, abends Lindy Hop

Mittwoch, 8. Februar 2023

Das Weckerklingeln beendete auch gestern einen sehr interessanten Traum, dessen Fortgang spannend gewesen wäre (welchen, vergaß ich allerdings sofort). Beim Fensterschließen erfreute mich ein klarer Morgenhimmel, der langsam ins Sonnige hell wurde.

Morgenkaffee servierte ich einem weiterhin hustenden und röchelnden Herrn Kaltmamsell, der die Gelegenheit zum Krankseindürfen im Sabbatical für meinen Geschmack etwas zu ausgiebig nutzt (der Ärmste).

Frost mit ein paar deutlichen Graden unter Null, aber bereits um halb acht schon richtig schön hell. Es soll jetzt ein paar Tage sonnig bleiben (und kalt), ich freue mich darauf.

In der Arbeit verursachte der erste Blick ins Postfach ein paar Stunden Hektik: Alles anders bei einer Besprechung, für die ich bis dahin nur um eine Raumbuchung und Einladungsversenden gebeten worden war. Von jetzt auf gleich musste ich drumrum eine Menge organisieren und war sehr froh, dass ich so früh schon interne Dienstleister um Hilfe bitten konnte. Zum Abreagieren meiner Aufregung nahm ich zweimal in den 15. Stock die Treppen. Dann fliegender Wechsel zu eigenen Besprechungen und Jobs, erst nach elf kam ich wieder an meinen Rechner. Leider werde ich mit steigender Zahl von Berufsjahren kein Stück routinierter und gelassener bei solchen überraschenden Änderungen und Verantwortungen.

ABER! Kreuzschmerzen so gut wie weg.

Zu Mittag gab es Apfel, süßen gekochten Buchweizen-Bulgur mit Sojajoghurt (ich hatte keine Buchweizengrütze bekommen, der Bulgur daraus sah ebenfalls einfach geschrotet aus, kochte sich dann auch wie Grütze), eine rosa Grapefruit (filetiert im Glas mitgenommen).

Der Nachmittag brachte ruhigere Arbeit, das Büro blieb auch nach Verschwinden der Sonne ums Hauseck warm.

Feierabend gar nicht mal so pünktlich, dennoch im Hellen nach Hause gegangen.

Ich schob daheim noch eine Folge Yoga ein (anstrengend und gut, die mache ich nochmal), dann ging es zur nächsten Runde Lindy Hop: Der Block B der Anfängerkurse konzentriert sich auf 8-count (was ich schon für Wörter kenne!), also Grundschritt auf acht Schläge. Diesmal waren noch mehr einzelne Follwer im Kurs, also setzte ich beim Durchwechseln noch öfter aus. Aber ich lernte etwas, freute mich schon aufs Üben mit Herrn Kaltmamsell.

Auf dem Heimweg am klaren Nachthimmel deutlich das Sternbild des Orion, schön.

Das Nachtmahl, das Herr Kaltmamsell daheim servierte, gehört zu meinen Lieblingsspeisen: Tortellini in brodo (die Teigware aus dem Kühlregal). Nachtisch Schokolade.

§

(Caveat: Ich halte die Dominanz der Privatauto-gestützten Mobilität für gesamtgesellschaftlich schädlich, das dürften regelmäßigen Blogleser*innen seit Jahren wissen. Mir ist bewusst, dass ich Informationen auf der Basis dieser Grundhaltung filtere, mir Artikel wie der unten also deutlicher auffallen als die Gegenposition. Informieren Sie sich über die Gegenposition bitte an anderen Stellen, das hier ist ja kein Journalismus.)

“Cars are rewiring our brains to ignore all the bad stuff about driving”.

A lot of us suffer from a malady called “car brain” — though Ian Walker, a professor of environmental psychology at Swansea University in Wales, prefers to call it “motonormativity.” This is the term coined by Walker and his team to describe the “cultural inability to think objectively and dispassionately” about how we use cars.

(…)

“One of the things you notice if you spend your career trying to get people to drive less is people don’t like driving less,” Walker said in an interview. “We said, well, let’s try and measure this. Let’s just demonstrate the extent to which the population as a whole will make excuses, will give special freedom to the context of driving.”

via @dtfpr

Journal Montag, 6. Februar 2023 – Technikoffener Specht

Dienstag, 7. Februar 2023

Tief und gut geschlafen (wenn andere schlechten Schlaf auf gleichzeitigen Vollmond schieben dürfen, mache ich das jetzt einfach Mal für besonders guten). Als der Wecker klingelte, saß ich im Traum gerade mit Hannah Gadsby in einem Zug der Deutschen Bahn und schirmte sie vor übergriffigen Fans ab, die mit ihr reden und sie anfassen wollten.

Es tagte zu wolkenlosem Himmel und Frost. Herr Kaltmamsell kam noch schlimmer erkältet aus seinem Zimmer als tags zuvor und dauerte mich.

Freude am freitags erworbenen Blumenstrauß (Bestandteile aus dem Supermarkt) – und wie schon oft frage ich mich, warum ich mir diese Freude nicht viel öfter mache.

Kaiser Ludwig vor Fernwärmeerzeugung.

Der Vollmond versank hinterm westlichen Rand der Theresienwiese.

Wie schon in der Woche zuvor begegnete mir auf der Theresienhöhe ein Buntspecht, der mit der Zeit ging: Er nutzte den Schirm einer Straßenlaterne als Resonanzkörper für sein Klopfen (was ich erst hörte, mich dann nach der Quelle umsah). Im Bavariapark aber deutlich hörbar auch traditionsbewusste Spechte an Holz.

Ungemütlicher Arbeitstag, weil die Muskeln um meine Lendenwirbelsäule bis in die Hüfte schmerzten.

Zu Mittag gab es Ernteanteil-Äpfelchen, ein paar Löffel Dhal vom Freitagabend, Blutorangen mit Sojajoghurt. Der Himmel hatte sich leider bewölkt, keine Sonne heizte das Büro mehr. Vormittags war mir mit meinen zwei Shirts unterm Pulli und den ultradicken Wollsocken ZU WARM geworden! Heftiges Ärmelhochschiebing!

Mich dabei ertappt, dass ich genauso über Mastodon maule wie andere, denen ich vorhalte, dass hier eben NICHT Twitter ist: Das furchtbare Erbeben in Syrien und in der Türkei bekam ich nur auf Twitter mit – weil ich dort Leuten folge, die regelmäßig wirklich wichtige News retweeten. Nachrichtenkanälen selbst folge ich auch auf Twitter nicht, weil sie zu 95 Prozent für mich Irrelevantes posten.

Wie angekündigt war es kalt geworden, ich marschierte meinen Heimweg sehr zackig, um nicht zu frieren. Daheim eine Runde Yoga mit Kraftübungen, schön.

Als Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Nudeln mit Pastinake (Ernteanteil), Datteltomaten, Rosmarin und Parmesan – wundervoll. Danach Süßigkeiten, unter anderem japanische Mochi, deren Konsistenz ich sehr gern mag.

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Begehrlichkeiten auf Flächen, die durch schmelzende Gletscher freiwerden, regionale Baumaterialien, Photovoltaikpaneele im Einklang mit Bergsilhouetten – Maik Novotny sammelt Antworten auf die Frage:
“Was bedeutet der Klimawandel für die Architektur in den Alpen?”

Journal Sonntag, 5. Februar 2023 – #wmdedgt

Montag, 6. Februar 2023

An jedem 5. eines Monats fragt Frau Brüllen: “Was machst du eigentlich den ganzen Tag?” und sammelt die Antworten unter dem knackigen Hashtag #wmdedgt – für Februar 2023 hier.

Guter Nachtschlaf. Er hätte länger sein dürfen nach diesem weiteren Party-Abend, doch nachdem mich die 7-Uhr-Glocken von St. Matthäus geweckt hatten, schlief ich nicht mehr richtig ein. (Sie läuten nur zur vollen Stunde die Anzahl der Stunden, und das nur zwischen 7 und 22 Uhr.) Ich hatte wenig Alkohol getrunken, katerfreies Aufwachen.

Mein Sonntagswecker.

Erst mal zog ich mein Bett ab, diesmal inklusive Matratzenschutz, weil auch dieser müffelte (die Verbindung von Abneigung gegen Schlafkleidung und überdurchschnittlicher Neigung zu Schwitzen im Schlaf ist unpraktisch), ab in die Waschmaschine. Ich schaltete die Platte unter der wie immer vorabends gefüllten Cafetera an und machte Milchkaffee für Herrn Kaltmamsell und mich, ich brauche gerade das letzte Kilo Emilo-Espressobohnen auf.

Bloggen über Milchkaffee, einem Glas Wasser, einer großen Tasse Roibusch-Tee. Nach dem Wäscheaufhängen las ich noch ein wenig Twitter und Mastodon, kürzte, feilte und lackierte (Nagelhärter, derzeit erfolgreich) meine Fingernägel.

Kurz nach elf war ich fertig für einen Isarlauf. Es war kalt, aber nicht frostig, der Himmel ließ immer wieder ein paar fahle Sonnenstrahlen durch. Ich nahm die Strecke längs durch den Alten Südfriedhof, Kapuzinerstraße zur Wittelsbacherbrücke, auf dem östlichen Isardamm nach Thalkirchen, auf dieser Seite bis ein Stück hinter die Brücke Maria Einsiedel. Rückweg über Flauchersteg und Westseite der Isar. Alle Wege waren ziemlich voller Spaziervolk, ich nahm soweit es ging abgelegene Routen.

Südlich der Marienklausenbrücke.

Diesmal dauerte es deutlich über eine halbe Stunde, bis ich in einen entspannten Laufrhythmus und damit genussvolle Bewegung kam, dafür hielt der Körper die fast 100 Minuten bis zum Ende schmerzfrei durch. An diesem Ende stand ein Einkehrschwung in den Bäcker Wimmer an der Westermühlstraße: Herr Kaltmamsell hatte Krapfen bestellt, diesen Fasching im Sabbatical würde er ja keine im Lehrerzimmer bekommen. Ich sichtete das Angebot und wählte vier verschiedene aus, die ich mir jeweils mit Herrn Kaltmamsell teilen würde.

Daheim heiße Dusche, danach hatte ich erst mal Lust auf guten deutschen Filterkaffee und ließ mir von Herrn Kaltmamsell einen aufbrühen (klare Aufgabenregelung in dieser Ehe: Cafetera ich, Kaffeefilter er) – den ich sehr genoss.

Frühstück waren um zwei erst Mal restliche Rote Bete mit Erdnusssauce, dann vier halbe Krapfen: ein klassischer G’staubter (Aprikosenmarmelade), einer mit Hagebuttenmarmelade, ein Vanillekrapfen (hmja, ob ich je nochmal meinen Liebling aus der Augsburger Bäckerei Wolf bekomme?), ein neumodischer, doppelt so langer “Gourmetkrapfen” der Sorte Germknödel (ok). Das Wetter versuchte nochmal ein paar Schneeflocken.

Wochenend-Süddeutsche aufgelesen, dann folgten Tüchtigkeiten: Bügeln, Bettbeziehen, Flugbuchung für den Großfamilienurlaub – die bequemste An- und Abreise ist für meine Eltern per Flugzeug, ich begleite sie dabei für meinen eigenen Seelenfrieden (Live-Buchung mit Mutter am Telefonhörer). Die Bruderfamilie reist zu fünft im Familienauto, Herr Kaltmamsell reist selbstständig per Bahn und vermutlich mit ein paar Tagen Aufenthalt davor woanders. Dann den nicht montierbaren Sofafuß nochmal fotografiert (ich hatte den Materialfehler beim Händler gemeldet, der hatte umgehend Nachforschungen beim Hersteller angekündigt, nach ein paar Tagen kamen Detail-Rückfragen), Lindy Hop geübt (neue Figur Circle, falls Ihnen das was sagt).

Als Yoga-Folge war mir gestern die Entspannungsrunde genau recht, sie war angenehm.

Zum Nachtmahl servierte (der leider noch kränklichere) Herr Kaltmamsell Reste vom Freitagabend: Chicken Tikka mit frischem Reis, Tahini-Tarte. Dann noch ein wenig Schokolade.

Die Wohnung Putzmann-fertig zu machen, ging gestern schnell, da sie noch von der Freitageinladung überdurchschnittlich aufgeräumt war.

Journal Samstag, 4. Februar 2023 – Grünes Fest, Mick Herron, Slow Horses

Sonntag, 5. Februar 2023

Ausgeschlafen, leicht verkatert aufgewacht. Letzteres hatte ich vorhergesehen und keine Sportpläne gemacht. Erst mal baute ich mit Herrn Kaltmamsell die Wohnung von der Dinner Party am Vorabend zum größten Teil rück, währenddessen lief eine Maschine Wäsche.

Über Morgenkaffee gebloggt, Wäsche aufgehängt. Für das Mitbringessen zur abendlichen Einladung (an diesem Wochenende ging’s zu, als hätte ich ein Sozialleben) Pellkartoffeln gekocht, dazu den kürzlich gebraucht erworbenen Schnellkochtopf ausprobiert.

Das klappte gleich mal nicht: Die in der Anleitung angegebenen 8 Minuten Kochzeit ergaben rohe Kartoffeln. Herr Kaltmamsell, der schon mehr mit diesem Dampfkochtopf gearbeitet hatte, führte eine zweite Runde durch: gekochte Kartoffeln. Ich werde lernen müssen. Und wenn es nur ist, dass sich Druckgaren bei Kartoffeln nicht lohnt, weil sich die Garzeit von den sonstigen 20 Minuten nur auf zwölf reduziert.

Während die Kartoffeln ausdämpften und abkühlten, turnte ich Yoga: Im 30-Tage-Programm wäre eine Entspannungsfolge drangewesen, das wollte ich gestern als einzige Bewegungsmöglichkeit wirklich nicht. Ich wiederholte stattdessen die vorherige Folge.

Kartoffeln pellen und scheibeln, sie ergaben mit Salz und Sahne Rahmkartoffelsalat.

Geduscht und gekleidet ging ich raus auf eine Einkaufsrunde zur Schwanthalerhöhe (kühl, einige freundliche Flecken am Himmel), brachte unter anderem Semmeln mit. Die gab es gegen zwei zum Frühstück, außerdem Rote Bete und Tahini-Tarte vom Vorabend.

Das machte mich schläfrig genug für eine kleine Siesta. Den Rest des Nachmittags verbrachte ich mit Internetlesen, außerdem las ich Mick Herron, Slow Horses aus.

Abends waren Herr Kaltmamsell und ich zu einem Fest mit Motto “Warten aufs Grün” in Neuhausen eingeladen. Ich hatte online ein Peter-Pan-Kostüm bestellt und war schon wieder auf “Lieferzeit 3-5 Werktage” reingefallen: Als am Tag nach der Bestellung der Aussand gemeldet wurde, lag der Anliefertermin 2-3 Wochen später. Also lieh ich mir von Herrn Kaltmamsell sein Superhelden-Hemd, das prominent den (grünen) Hulk zeigt. Der Herr kleidete sich in ein grünes Hemd unter Weste und Hosenträgerhose, setzte eine Kappe auf und sah im Ergebnis irisch aus (grüne Insel).

Auf dem Fest allgemeines Erinnern an seinen Vorläufer vor drei Jahren: Es war damals für alle die letzte Geselligkeit vor den erst selbst gewählten, dann vorgeschriebenen Corona-Beschränkungen gewesen.

Mein Abendessen vom Buffet: Nudelsalat, Rahmkartoffelsalat, frisches Gemüse, Käse. Es gab auch Süßigkeiten in grüner Verpackung, davon nahm ich mir Nachtisch.

Noch vor Mitternacht verabschiedeten wir uns, Herr Kaltmamsell war kränklich (drei Jahre zuvor war er richtig krank gewesen und gar nicht erst mitgekommen).

Wunderschönes Treppenhaus vor Gastgeberwohnung, das meine Träume schon mal eingebaut haben.

§

Mick Herron, Slow Horses

Ein vergnüglicher Geheimdienstroman um Angestellte des britischen MI5, also des Inlands-Pendants zum Auslandsgeheimdienst MI6. Diese speziellen haben etwas so gründlich verbockt, dass sie im Dienst untragbar sind – doch aus irgendeinem Grund, bei jedem und jeder ein anderer, muss man sie weiterbeschäftigen und sammelt sie an einem Standort in London: Slough House (daraus abgeleitet ihr Spitzname Slow Horses). Wo sie sich und einander gründlich auf die Nerven fallen, auch als sich eine Möglichkeit auftut, doch nochmal an einen echten Einsatz zu kommen.

Mir gefiel die Englischheit der Szenerie: Nach der Beschreibung von zwei, drei Details in Slough House wusste ich bereits, wie es darin roch (Teppich im Treppenhaus!), ich erkannte zudem Pubs und Cafés wieder (heftige Vermissung und Sehnsucht nach England – aber ich bin immer noch beleidigt). Außerdem empfand ich den Realismus vieler Aspekte als angenehm: In den ersten beiden Dritteln des Buchs machen die Protagonost*innenProtagonist*innen ihren Geheimdienstjob wie wir unsere: Nichts läuft jemals ganz glatt, man verschusselt etwas und verstolpert sich, nie greift irgendwas perfekt ineinander, ständig muss man nachbessern, damit der Job überhaupt erledigt ist. Im letzten Teil steigert sich die Protagonistentruppe allerdings zu Höchstform – das empfand ich als ein bisschen enttäuschend konventionell, andererseits ist die Handlung dann so spannend, dass der Fokus auf Tempo und Fortgang liegt.

Sprachlich bleibt Herron im Genre – allerdings mit dem zeitgenössischen Dreh Ironie und Selbstreflexion, ohne den Genre heute albern wirkt: Zum Beispiel sind viele Dialoge hard boiled und auf Pointe geschrieben, doch die Pointensetzerin freut sich über den Treffer (oder ärgert sich, wenn ihr nicht rechtzeitig einer eingefallen ist). Und wir bekommen durchaus neben nahezu realistischen auch Genre-Figuren: Unter anderem den dicken, ekligen, ausgemusterten Haudegen, dem alles egal scheint, doch der sich selbst aus scheinbar unentrinnbaren Zwickmühlen befreit / die Intrigen spinnende, Fäden ziehende Karriere-Chefin / das gewissenlose Kabinettsmitglied aus der Oberschicht (“PJ”, ganz deutlich nach Boris Johnson gezeichnet).

Journal Freitag, 3. Februar 2023 – Ein 18. Geburtstag, eine Dinner Party

Samstag, 4. Februar 2023

Vor Weckerklingeln aufgewacht, aber nahe genug dran, dass ich aufstand – ich hatte ja noch was vor.

Nämlich die Abendeinladung des Herrn Kaltmamsell zu unterstützen: Ich würde erst kurz nach den Gästen dazustoßen, also deckte ich schon jetzt den Tisch und stellte alles bereit, was sich bereitstellen ließ, machte die Wohnung gästefein (Platz an der Garderobe schaffen, rumfliegende Kleidungsstücke aufräumen, Tagesdecke über mein Bett, Papiernester und Bügelwäsche verstecken, ein paar dekorative Schnittblumen hatte ich schon am Vortag besorgt und aufgestellt).

So kam ich 20 Minuten später los als sonst – und marschierte durch eine andere Welt in die Arbeit: Andere Menschen auf der Straße und der Theresienweise, anderes Licht.

Zu Mittag gab es Ernteanteil-Äpfel, Quark mit Joghurt.

Exterm früher Feierabend kurz nach Kernzeitende: Ich war auf Kaffeeundkuchen zu einem 18. Geburtstag eingeladen. (Erstaunlich, wie stramm sich die Arbeit organisieren lässt, wenn sie ein so klares Ende hat.) Zugzeiten gab es nur mit Ankunft eine halbe Stunde zu früh oder zu spät: Ich entschied mich für zu früh, so würde ich noch eine Weile im Weg stehen können.

U-Bahn zum Hauptbahnhof, Regionalbahn nach Ingolstadt Audi.

Holledau im Februar.

Vom Bahnhof spazierte ich nach Etting, Wetter düster, windig, mild mit ständiger Regendrohung.

Zu dem 18. Geburtstag waren auch ferne Verwandte angereist, außerdem kamen nahe Verwandte, Freunde der Familie – das Wohnzimmer war reichlich gefüllt. Ich bedauerte, diese Gelegenheit nicht für mehr Updates nutzen zu können, schließlich kannte ich alle Gäste, hatte einige davon schon lang nicht mehr gesehen. Aber ich hatte ja einen weiteren Party-Termin.

Meine Eltern fuhren mich im Regen zum Bahnhof Ingolstadt Nord (auch sie waren nochmal verabredet), Regionalbahn zurück nach München.

Als ich nach Hause kam, waren Herrn Kaltmamsells Gäste eingetroffen und wurden gerade durch unsere Wohnung geführt. Einige seiner Kolleg*innen kannte ich schon, manche davon bereits lang, manche lernte ich jetzt kennen. Es wurde ein sehr schöner und interessanter Abend in angenehmster Gesellschaft, mit naheliegenden Gesprächsthemen wie Personal- und Nachwuchsmangel an Gymnasien, Wandel der Medienerziehung in den vergangenen Jahren, weniger naheliegenden wie Landverteilung unter Dorfkindern in der Nachkriegszeit, soziolinguistischer Betrachtung von Smalltalk. Und mit Köstlichkeiten.

Herr Kaltmamsell reichte als Aperitiv Prosecco mit selbstgemachtem Waldmeistersirup. Zur Vorspeise gab es Kürbispolenta mit Rosmarin-Chilli-Öl, danach Chicken Tikka, Gelbes Dhal, Rote-Bete mit Erdnussauce, Reis. Und zum Nachtisch Schokoladen-Tahini-Tarte. Ich glaube, es wurde allseits eine gute Zeit gehabt.

Nach Verabschiedung der Gäste deutlich nach Mitternacht räumten wir noch ein wenig, sodass zumindest eine Spülmaschine voll wurde; für Gesamtaufräumen war ich zu betrunken und müde.

Journal Donnerstag, 2. Februar 2023 – Windig und nass ohne weitere Ereignisse

Freitag, 3. Februar 2023

Eine Stunde zu früh aufgewacht, bis Weckerklingeln unbezahlt Arbeitsprobleme gewälzt, Lösungen gefunden, mit der resultierenden Jobliste in die Arbeit marschiert (düster, windig, Regenspritzer), die ich in der ersten Stunde am Schreibtisch zum großen Teil abarbeitete. Das schlaflose Wälzen hatte mich außerdem auf zusätzliche Arbeitsprobleme gebracht, deren Lösung recherchierte ich anschließend, zum größten Teil erfolgreich.

Das Wetter blieb konsequent düster und windig, ich ließ die letzte Möglichkeit auf einen Emilo-Cappuccino sausen und blieb im Haus. Mittagessen: Mango mit Joghurt und gemischten Körndln.

Über den Tag trank ich viel heißes Ingwerwasser, ich hollte alles aus den Scheiben raus.

Seltener Anfall von Nachmittagshunger UND -appetit: Genau dafür habe ich Flapjacks in der Büroschublade, einer davon musste dran glauben.

Nach Feierabend Heimweg durch Wind und ein paar Regentropfen und über eine Runde Einkäufe fürs Abendessen und für den Freitag, an dem Herr Kaltmamsell einen Schwung Kolleg*innen zum Essen eingeladen hat. Wegen Letzterem zu Hause auch erst Mal Wohnungräumen und Bügeln, ansonsten werde ich ihm wegen Arbeit und einer Familieneinladung am Nachmittag bei den Vorbereitungen nicht helfen können.

Dazwischen eine flotte Runde Yoga, nicht wirklich Ruhe bringend. Nachtmahl bereitete ich arbeitsteilig mit Herrn Kaltmamsell zu: Feldsalat aus Ernteanteil, dazu hatte ich Champignons und karamellisierte Pecannüsse besorgt, Herr Kaltmamsell briet Butternusskürbiswürfel.

Schmeckte sehr gut.
Nachtisch reichlich fiese Süßigkeiten, die mir beim Einkaufen in den Korb gesprungen waren.

Früh ins Bett zum Lesen: Meine aktuelle Lektüre, Mick Herrons Slow Horses, bereitet mir Vergnügen, obwohl es sich um einen Geheimdienstroman handelt und mir John le Carré zu diesem Genre das Kraut gründlich ausgeschüttet hatte (klassische Spionage = alberne Männereitelkeiten). Aber das Set-up ist einfach herrlich und wunderbar britisch: Es geht um Geheimdienstangestellte, die etwas so gründlich verbockt haben, dass sie im Dienst untragbar sind – doch aus irgendeinem Grund, bei jedem und jeder ein anderer, muss man sie weiterbeschäftigen und sammelt sie an einem Standort. Wo sie sich und einander gründlich auf die Nerven fallen, auch als sich eine Möglichkeit auftut, doch nochmal an einen echten Einsatz zu kommen.

Journal Mittwoch, 1. Februar 2023 – Lebensabzweigungen, Selbstoptimierung, #Lindwurmessen bei Thang Long

Donnerstag, 2. Februar 2023

Kurz vor Weckerklingeln aufgewacht, blöderweise aber von einem Angst-Schub.

Januar rum. Diesmal war mir von Anfang an bewusst, dass das der längste Monat des Jahres ist, und ich litt nicht darunter. Aber die Rückkehr aus der Schweiz am 2. Januar fühlte sich gestern an, als hätte sie in einer anderen Jahreszeit stattgefunden.

Heftiger Wind. Schon auf dem Weg in die Arbeit fegte er beißend über die Theresienwiese, doch als ich vormittags beruflich auf die Straße musste, machte ich ungewollt erst mal einen ordentlichen Schritt zur Seite.

Mittagessen: Eine Portion Avocado-Gurken-Eiersalat vom Vorabend, ein Laugenzöpferl.

Nachmittags zackige Arbeit unter Einsatz von einiger menschlicher Energie, bereits weit vor Arbeitsende fühlte ich mich durch und durch erledigt und knochenweh. (Was meine Mutter in meiner Kindheit und Jugend mit “Wachstumsschmerzen” erklärte. Wenn man wie ich 55 ist, handelt es sich folglich um Schrumpfungsschmerzen?)

Nach Feierabend ging ich direkt nach Hause, turnte dort erstmal eine kurze Runde Yoga (eher meh). Dann zog ich mit Herrn Kaltmamsell zur nächsten Folge #Lindwurmessen:1 Der dritte von drei Schnellimbissen an der Kreuzung Poccistraße war dran.

Das Thang Long ist ein Asialaden mit einem Küchen-Kabuff (links) und ein paar Tischen, jeder freie Quadratzentimeter Wand und Fenster wird als bebilderte Speisekarte genutzt. Schon bei den letzten beiden Malen Vorbeispazieren hatten wir Gäste darin gesehen, gestern aß an einem großen Tisch eine fröhliche Gruppe junger Leute.

Nach ein paar Gyoza mit Kimchi-Füllung (ok) gab es ein Banh Mi mit Satefleisch und Erdnusssauce für Herrn Kaltmamsell, anständiges Pho Hanoi für mich. Unter Neonlicht, zwischen Regalen und Kasse. In einer Welt, in der Lokale damit werben „instagramable“ zu sein, hatte uns das #Lindwurmessen zum exakten Gegenteil geführt. Die Getränke nahmen wir uns aus dem Kühlschrank: ein Aloe-vera- und ein Roasted-Coconut-Drink (letzterer wirklich abgefahren). Insgesamt ein originelles Lokal, inklusive Personal fast schon Filmkulisse (die Durchreiche zur Küche besteht aus einem sehr tiefen Brett; da das abgestellte schmutzige Geschirr der Gäste meist für die Köchin von innen unerreichbar ist, angelt sie mit einem zurechtgebogenen Draht danach).

Zu Hause die gewohnten Süßigkeiten zum Nachtisch.

§

Jawls beantwortet in seinem Blog Leser*innenfragen. Diesmal:

Nehmen wir mal an, es gäbe Paralleluniversen und in einem anderen wärest Du an irgendeiner Stelle anders abgebogen. Wie wäre Dein Leben dort realistischerweise verlaufen? (keine Idealwunschvorstellungsbeschreibung)

Das ist eine spannende Frage.

Mir fallen zwei Momente ein, an denen eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (alle anderen Lebensentscheidung waren im Entscheidungsmoment alternativlos, z.B. Abbruch Promotion 1999, Aufgeben von Karriere 2012), die mein Leben in ein Paralleluniversum geführt hätten. (Und die mich aussehen lassen wie jemand, aus der eigentlich etwas hätte werden können. Ich habe da die Omma in Billy Elliot vor Augen: “I could have been a professional dancer!”)

1. Wie ich kein Radio-Star wurde
Am Ende des Rundfunk-Teils beim Ingolstädter Privatsender Radio IN meines Zeitungs- und Rundfunk-Volontariats, ich war 20, machte mir der Chef von Radio IN das Angebot, mein Volontariat abzukürzen und gleich als Angestellte bei diesem Radiosender einzusteigen, er halte mich für eine große Radio-Begabung. Ich lehnte ab.
(Viele Gründe, in diesem konkreten Moment vor allem der Umstand, dass der Mann bis zu diesem Angebot nur auf mir herumgehackt hatte, nie auch nur ein Detail gelobt, mir das Arbeiten dort so unangenehm gemacht hatte, dass ich die Tage bis zum Wechsel zurück in die Zeitungsredaktion runterzählte. Außerdem wollte ich nach dem Volontariat ja noch studieren.)
Mehrere Kolleg*innen aus dem Sender landeten später beim Bayrischen Rundfunk – woraus ich zwingend schließe, dass ich bei gegenteiliger Entscheidung im Radio ganz! groß! rausgekommen wäre.

2. Wie ich keine Professorin wurde
Am Ende meines Magister-Grundstudiums an der Uni Augsburg bot mir ein Gastprofessor von der Emory University, Atlanta, an, mit ihm nach Atlanta zu gehen und bei ihm zu promovieren; die Zwischenprüfung gehe dort als Graduation durch. Ich hatte in zwei seiner Proseminare Hausarbeiten verfasst, die sich seiner Meinung nach zu Dissertationen erweitern ließen. Ich sagte ab, weil ich a) von dem Angebot komplett überfordert war, b) gerade ein Stipendium des Lehrstuhls für Englische Literaturwissenschaft für ein Auslandsstudienjahr im walisischen Swansea bekommen hatte.
Sonst lebte ich jetzt in den USA – mehr Paralleluniversum kann ich mir nicht vorstellen.
(Möglicherweise wäre ich bei gegenteiliger Entscheidung durch diesen Professor allerdings nicht ganz groß rausgekommen.)

§

@dasnuf hat Kluges zu der Meldung gebloggt, dass auch Marie (Aufräumkönigin) Kondo mit drei Kindern das Thema Aufräumen anders sieht:
“Does it spark toy? Kids: Yes”

Den zentralen Satz daraus hat sie auf meinen Wunsch als wiederverwendbares inspirational quote ausgekoppelt (danke!).

  1. Wir futtern uns nacheinander durch alle Lokale an der Südseite der Lindwurmstraße von Sendlinger Tor westwärts bis Stemmerhof, dann an der Nordseite wieder zurück. []