Archiv für August 2024

Lieblings-Microblogging-Posts August 2024

Samstag, 31. August 2024

Sollte mir diesmal zu viel Tiefgang oder gar Ernst reingeruscht sein, bitte ich um Nachsicht.

Erstmal mein Zuhause Mastodon:

Die Ernte von Bluesky:

Und auf Threads gab’s auch Schönes:

Journal Freitag, 30. August 2024 – Anja Reich, Simone

Samstag, 31. August 2024

Recht gut geschlafen, ich hörte Herrn Kaltmamsell irgendwann heimkommen.

Ein klarer Morgen, sehr frisch. Ich setzte mich dennoch für meinen Morgenkaffee auf den Balkon.

Blick durchs Glas des Balkonfensters auf den Balon, auf dem Tisch mit Tasse, Laptop, Wasserglas stehen, im Glas spiegelt sich eine Stehlampe, vor dem Balkon wir der Himmel gerade ein wenig hell

Irgendwann setzte sich Herr Kaltmamsell zu mir (sehr ungewöhnlich am Morgen) und begann: “Änderungen der Pläne. Alles gut, aber schlechte Nachrichten, aber alles gut.” Die schlechte Nachricht war die von einem häuslichen Unfall seiner Mutter; zum Glück in seiner Anwesenheit, er konnte sich kümmern, ins Krankenhaus mitfahren etc.

Marsch in die Arbeit durch Morgenfrische, im Büro schlüpfte ich gleich mal in meine Wolljacke. Beim Sortieren der gestrigen Süddeutschen das erst Highlight des Tages.

Titelseite SZ-Magazin: Eine alte dicke Frau in Blumen-Bikini sitzt auf einem Korbstuhl und blickt keck selbstbewusst in die Kamera

Ich feier das Foto und diesen Blick SO!
Ja, meine Herrschaften, so sieht der Körper einer alten Frau aus. Die genauso ein Anrecht auf Strand mit Sonne und Wind auf der Haut hat wie alle anderen. Und die sich genauso wenig Ihre Gedanken und Urteile dazu anhören muss wie eine junge.

Der Artikel dazu ist gut, aber auch ein wenig traurig. Gut, weil Autorin Barbara Bachmann nicht auf Teufel komm raus etwas Besonderes reinzuspitzt, keine kuschlige Dorfgemeinschaft auf Capri konstruiert, sondern die Frauen halt so normal und individuell darstellt, wie sie wahrscheinlich sind. Traurig, weil klar wird: Altsein ist nicht wirklich die ultimative Party, einsam kann man auch in kleinen Communitys sein.

Meine bezahlte Geschäftigkeit begann mit Erleichterung, weil sich das Arbeits-Problem des Vorabends gelöst hatte (durch mein Anschieben), ging weiter mit Freude, weil ich das nächste Problem, das mir telefonisch durchgestellt wurde, auch lösen konnte.

Im Büro war es weiterhin Strickjacken-kalt, ich wärmte mich auf dem Weg zu meinem Mittagscappuccino im Westend auf.

Auf einer tiefen, niedrigen Fensterbank eine Cappuccinotasse, ein ausgestrecktes Bein mit dunkelblau-weißem Rock und roter Sandale, darin Fuß mit rot lackierten Zehennägeln, vorm Fenster deckt jemand Tische ein, im Hintergrund sonnige Altbauten

(Ich sitze nur so komisch da, um meine gestrige Kleidung und Schuhe mit aufs Foto zu bekommen.)

Brotzeit zu Mittag: Restliche Kartoffeln vom Vorabend, Melone, Trauben. Wie befürchtet: Ich fühlte mich sehr voll (schaffte das Pumpernickelbrot mit Butter nicht, dass noch im Kühlschrank lag), doch zweieinhalb Stunden später knurrte mir schon wieder der Magen. Jetzt ging Pumpernickel nicht mehr, wenn er mir beim Yoga nicht hochkommen sollte. Blöderweise war mir auch noch schwindelig, das nahm mir einiges von der Freude auf den Feierabend.

Nach pünktlichem Arbeitsende gemütliches Spazieren zu Einkäufen in Drogeriemarkt und Vollcorner, daheim Yoga-Gymnastik, eine ruhige Folge – die mich allerdings weiterhin die Folgen des Unterschenkelkrampfs rechts beim Schwimmen am Mittwochnachmittag spüren ließ, auf den letzten 100 Metern hatte mich diese Veranlagung doch noch eingeholt. Auf den Alkohol zur Wochenend-Entspannung freute ich mich sehr, ich mischte uns den ersehnten Aperol Spritz.

Auf einem Balkontisch zwei große Stilgläser mit hell-oranger Flüssigkeit und Strohalmen, orange Markise herabgelassen, auf der die Sonne Schatten zeichnet

Und er hatte sofort die medikamentöse Wirkung, die ich erhofft hatte. (Lebensverkürzung kann mich ja nicht schrecken.) Auf dem Balkon saß es sich wunderbar in warmer Luft. Die kürzeren Tage verhindern auch heiße Nächte, ich öffnete schon bald nach Sonnenuntergang die Fenster.

Früheres Abendessen, weil ich jetzt echt Hunger hatte: Herr Kaltmamsell verwandelte die Ernteanteil-Aubergine in wunderbare Spaghetti Norma. Zum Nachtisch gab es Haselnusseis.

Besonders früh ins Bett zum Lesen (zum einen wegen Alkohol-Müdigkeit, zum anderen darf man ja am Wochenende so früh ins Bett, wie man will). Dort Anja Reich, Simone ausgelesen. Ich fand das Buch bis zuletzt sehr gut, auch wenn es mich in meinem jetzigen Zustand eher runterzog.

Kein Roman, sondern eine reale Geschichte, persönliche Erinnerung, journalistische Recherche: 25 Jahre nach deren Suizid forscht Anja Reich ihrer Freundin Simone nach, die sie Mitte der 1980er noch im DDR-Berlin als Schwester ihres Freunds André kennenlernte. Reich ist erfahrene Journalistin und wendet ihr Handwerkszeug an, doch sie reflektiert sich auch persönlich und ihre Verbindung zu Simone. Basis ihrer Recherche ist Simones Nachlass: Sie hat von Jugend an Tagebuch geführt, Simones Eltern überlassen Anja Reich alle Unterlagen, die sie ohnehin gerade entsorgen wollten. Reich spricht mit Simones damaligen Freunden, Liebhabern, mit ihrer Familie in Tschechien und Deutschland, zitiert aus Simone Aufzeichnungen. Doch sie geht auch ihren eigenen Schuldgefühlen und ihrer eigenen Trauer nach, spricht mit Expert*innen für psychische Erkrankungen und Suizid, recherchiert aber auch Hintergründe der gesellschaftlichen Dynamik nach dem Mauerfall in Ostdeutschland.

Das Ergebnis ist ein Geschichtsbuch, das an konkreten Beispielen, auch dem ihres eigenen Lebens, ein klein wenig nachvollziehbar macht, welche existenzielle Erschütterung das Verschwinden der DDR für fast alle ihre Bewohnenden war: Keine der bisherigen Regeln, Verlässlichkeiten und Aussichten galten mehr, hart erkämpfte Errungenschaften waren nichts mehr wert, vielleicht sogar man selbst nicht. Das macht Reich gleichzeitig journalistisch professionell und persönlich nahbar; sie zielt nicht auf Effekte, sondern auf Erkenntnis. Und transportiert sehr viel weitere Information, unter anderem Strukturen der Kinderbetreuung in der DDR (-> Wochenkrippen), am Beispiel von Simones Mutter Dana und ihrer Familie die Lebensläufe von tschechischen Einwanderern in die DDR oder den Ausnahme-Alltag in Berlin nach dem Mauerfall.

Journal Donnerstag, 29. August 2024 – Draußen nochmal Sommerhitze

Freitag, 30. August 2024

Mit ruhigerem Gemüt aufgewacht und den Tag begonnen. Marsch ins Büro durch einen frischen und wolkenlosen Hochsommermorgen, die Straßen und Wege immer noch Sommerferien-leer.

Diesmal hielt ich es im Büro 45 Minuten mit nackten Füßen aus, bevor ich wieder zu den Wollsocken griff. Für einen Botengang in den 16. Stock zog ich sie zwar wieder aus, ging die Treppen aber zum Aufwärmen zu Fuß.

Für Mittagscappuccino nur schnell zu Nachbars – nein, eigentlich nicht schnell: Ich schlenderte, um mich in der Sonne aufzuwärmen.
Zur Brotzeit gab es Apfel, Zwetschgen, Trauben, Pumpernickel mit Butter.

Ruhiger Arbeitsnachmittag, bis ich kurz vor Feierabend eine Umplanung flugs umsetzen musste.

Ich weiß, dass Deutschland unter der Sommerhitze leidet, doch ich kam wieder mit derart klammen Händen und Füßen aus meinem Kühlschrank-Büro, dass ich die erste Hälfte meines Heimwegs gezielt in die Sonne legte. Fürs Ernteanteil-Abholen war diese Woche ich zuständig, weil Herr Kaltmamsell wieder in Familiendingen unterwegs war: Bis ich die Kiste heimgetragen hatte, fing ich gerade mal ein bisschen mit Schwitzen an.

Wäsche aufgehängt, ein paar Bankdinge erledigt, eine sehr sportliche Runde Yoga-Gymnastik geturnt – diese sogar selbsttätig verlängert, weil mir noch nach Dehnen war.

Abendessen wieder einzeln, weil Herr Kaltmamsell siehe oben. Ich machte mir einen Salat aus Teilen des frisch geholten Ernteanteils: Tomaten, Gurke, winziger Kopfsalat mit Haselnussmusdressing. Das Mus brauchte ich dabei auf und schrieb es gleich wieder auf die Einkaufsliste, obwohl selten verwendet, denn: Oh Mann schmeckte das Dressing gut. Und der Freiland-Kopfsalat. Zum Sattwerden kochte ich mir ein paar Ernteanteil-Kartoffeln und aß sie mit Butter.

Nach der Tagesschau ging ich nochmal raus auf einen Abendspaziergang in letzter Dämmerung (so früh wird es schon wieder dunkel), an der Idee hatte ich mich den ganzen Tag schon festgehalten.

Hohe Fontänen eines Springbrunnens unter Baum im Abendlicht, im Hintergrund städtische Altbauten

Nächster Schritt der hundertjährigen Baustelle U-Bahnhof Sendlinger Tor abgeschlossen: Man kann den Platz von Nußbaumstraße zu Sonnenstraße wieder zu Fuß kreuzen, und zwar bequemer als vor Umbau.

Fassade eines sachlichen Bürogebäudes aus den 1950ern, großes buntes Fassadenbild, im Erdgeschoß altmodische Geschäfte, über dem Gebäude Nachthimmel

Maxburgstraße, da komme ich sehr selten hin.

Fast eine Stunde bummelte ich in samtig-warmer Luft durch die Fußgängerzonen, guckte Schaufenster und Tourist*innen, genoss den Großstadt-Sommernacht-Geruch. Und versagte bei der Bitte um Auskunft eines Passanten: Zigarettenautomaten habe ich seit über 20 Jahren wirklich nicht mehr im Blick.

Zurück daheim gab’s zum Nachtisch Honigmelone, auch zwei Wochen nach Kauf nicht wirklich reif, aber wenigstens mit ein wenig Geschmack (bei Melonen wurde das Konzept “reif” im Handel hierzulande schon vor Jahren aufgegeben).

Eher spät ins Bett zum Lesen, die Fenster gegen die Draußenwärme lieber noch geschlossen.

§

Blessings counten, auf geht’s.
Derzeit bekomme ich mit, wie viele Frauen in den Wechseljahren an der Hormonersatztherapie scheitern: Keine Dosierung finden, mit der sie sich wohlfühlen, oder unter massiven Nebenwirkungen leiden. Anscheinend hatte ein ein. mal Glück mit den Hormonen. Meine Pubertät beutelte mich ziemlich, hormonelle Verhütung (Pille, Drei-Monats-Spritze) erzeugte bei mir so heftige Nebenwirkungen, dass ich sie bleiben ließ. Und die Wechseljahre schubsten mich in das eine Drittel Frauen, das massiv unter der hormonellen Umstellung leidet, mein Hirn verschaltete sich völlig und bereitete mir unter anderem bis zu drei Glut-Attacken pro Stunde und über viele Monate Nächte, in denen mehr als eine Stunde Schlaf am Stück zwischen zweimal Knallwach bereits Glücksgefühle erzeugte. Doch die Hormonersatztherapie (Östrogen als Gel, Progesteron als Kapsel) schlug innerhalb weniger Wochen an, nur beim Gel justierte ich die von der Gyn empfohlene Dosierung ein wenig nach oben. Thema vorerst abgehakt. Nicht nur ein. mal Glück gehabt mit den Hormonen, sondern auch ein. mal schlimme körperliche Beschwerden im Handumdrehen abgestellt. Danke Forschung, danke Pharma. (Und nein: Das bedeutet nicht, dass Frauen, die nicht mit Hormonersatztherapie zurechtkommen oder sie für sich ablehnen, irgendwas falsch machen. Nur zur Sicherheit festgehalten.)

§

Apropos Reproduktionsorgane.

Warum autoritär-populistische Parteien etwas gegen die Legalisierung von Abtreibungen haben, wo sie mit ihrem Gebärzwang-Feldzug bereits erfolgreich sind und wie hoch die Gefahr in Deutschland ist – rollt das Verfassungblog auf:
“Reproductive Backsliding”.

Journal Mittwoch, 28. August 2024 – Innere Schatten

Donnerstag, 29. August 2024

Wow, wie viel innere Schatten passen in einen Morgen. Der noch dazu Sonne und Sommerlicht brachte.

Auf in den Kampf gegen die Bürokälte: Für den Arbeitsweg kurzärmliges Strickkleid und nackte Füße in Sandalen (im Arbeitsrucksack Schwimmzeug für frühen Feierabend), im Büro drüber eine leichte Wolljacke und wirklich dicke Wollsocken.

Füße mit gestrickten Wollsocken in hellen Sandalen auf grauem Büroteppich

Auf Laufstegen hat man diese Kombi ja schon seit vielen Jahren – wenn auch vermutlich nicht aus Schweizer Handarbeit.
(Erinnerungen an Madrid-Urlaube als Kind, als es im August draußen über 40 Grad hatte, die Kaufhäuser der Innenstadt aber so stark runtergekühlt waren, dass die Angestellten Strickjacken und Strümpfe trugen.)

Im Büro war viel zu tun, das lenkte gut von den inneren Schatten ab – bis ich an eine eher hirnlose Tätigkeit kam: Schon zogen sie wieder herauf.

Für meinen Mittagscappuccino ging ich nicht weit (ohne Socken in den Sandalen), erledigte gleich ein paar Apotheken-Besorgungen. Brotzeit mit dem Ziel der leichten und schnellen Verdaulichkeit (weil Schwimmpläne): Apfel, Pfirsich, Buttermilch.

Mein Gemüt verschlickte immer schwärzer, ich setzte große Hoffnungen in die Schwimmrunde. Doch in der U-Bahn zum Dantebad erreichte mich auch noch eine Todesnachricht: kelef ist gestorben, Johanna Minar, eine der ganz frühen Bloggerinnen, Wienerin schon lang in Rente, die Herr Kaltmamsell und ich bei einem Wienbesuch vor vielen Jahren auch persönlich kennenlernten, inklusive ihrem damaligen Hund, groß und weiß, in einem Kaffeehaus. Ich sah die Ankündigung ihrer Beerdigung, die ihre Tochter, im Blog Tante Kitsch, auf Facebook postete. Sie war am 5. August, nach kurzer, schwerer Covid-19-Infektion verstorben. Es war sehr bereichernd, sie gekannt und gelesen zu haben.

Die Nachricht auf Facebook ist nicht öffentlich, doch ich bin sicher, dass Tochter und Verstorbene einverstanden sind, dass ich diesen Teil veröffentliche.

Mechanisch zog ich mich im hochsommerlichen Dantebad um und ließ mich ins recht volle Becken gleiten. Es dauerte einige Bahnen, bis die innig ersehnte Wirkung der sportlichen Bewegung einsetzte. Mir ging es bis zum Ende meiner 3.000 Meter tatsächlich langsam ein wenig besser.

Für mich überraschend: Mein innerer Coach blaffte nicht wie sonst “STELL DICH NICHT SO AN!”, sondern stand mir geradezu gütig zur Seite. Eine Wildsau auf der Schwimmbahn, deren Treten mich immer wieder traf? “Das schaffst du” – also mich nicht vom Schwimmvergnügen abbringen zu lassen. Zustände in der Innendusche, für die das englische Wort mayhem erfunden wurde (alle Duschen besetzt, also angestellt und laut brausend, wartende Schwimmerinnen, mehrere brüllende Kleinstkinder, dreckiger Boden)? “Wird schon, da kommst du durch.” Ebenso als ich auf dem Heimweg schon von Ferne sah, wie voll der angesteuerte Lidl war. Fortschritt, I guess?

Herr Kaltmamsell war in Familiendingen aushäusig, ich machte mir als Abendessen Nudeln mit Joghurtsauce, Tomaten und Basilikumblättern, Nachtisch reichlich Nuss-Nougat-Eiscreme. Schon bald konnte ich Fenster und Türen in den wunderbaren Sommerabend mit seinen berauschenden Düften öffnen, hörte sogar ein wenig Musik.

Vor dem Zu-Bett-Gehen nicht die Cafetera für den Morgenkaffee gefüllt, weil ich nicht wusste, ob Herr Kaltmamsell daheim oder bei Familie übernachten würde, ob ich morgens also die kleine oder die große verwenden würde. Kurz bevor ich das Licht zum Schlafen löschte, hörte ich ihn heimkommen.

§

Ganz unabhängig von kelefs Aufruf: Einen Termin zur Covid-19-Auffrischungsimpfung geschossen! Es war Herr Kaltmamsell, dessen Recherchen endlich Erfolg hatten, denn das war gar nicht einfach: Anfang des Jahres verweigerte mir meine Hausarztpraxis die Impfung mit der Begründung fehlender Empfehlung der STIKO – und mir fiel nicht rechtzeitig ein, dass ich ja zu den von der STIKO definierten Risikogruppen gehöre. Dann stiegen die Infektionszahlen, es wurde eine neue Virus-Variante identifiziert, die von den bisherigen Impfstoffen nicht wirklich erfasst wird, außerdem prasselten links und rechts die Erkrankungsmeldungen, ich wollte immer dringender bittegerne neues IMPF!

Suchen über Doctolib zeigten zwar impfende Arztpraxen in München an, doch das System erlaubte nur Terminbuchungen für deren Fachgebiete (z.B. “Schaufensterkrankheit”), nicht einfach fürs Impfen. Herr Kaltmamsell und ich suchen ohnehin seit einer Weile eine neue Hausarztpraxis, hatten bereits die eine oder andere in Fußweite und ohne Homöopathie eingekreist: Doch auf Herrn Kaltmamsells Anfrage hieß es, dort würde nicht gegen Covid-19 geimpft, “zu geringe Nachfrage” (den Impfstoff gibt es leider weiterhin nur in 6er-Dosen). Doch gestern Morgen schrieb mich der Herr an: “Praxis gefunden, die coronaimpft!” mit Link. Und tatsächlich hatte ich mich schnell bis zu einem Termin durchgeklickt. So kriege ich sogar noch vor meinem Urlaub diesen Zusatzschutz! (Wir wissen ja, dass die Impfung Infektionsrisiko und Risiko eines schweren Verlaufs zwar deutlich verringert, aber keinen 100-prozentigen Schutz garantiert. Zumindest das möchte ich aber wirklich gerne.)

Journal Dienstag, 27. August 2024 – Zwiebeln gegen Bürokälte und andere Arbeitskleidung

Mittwoch, 28. August 2024

Durchgeschlafen! Das gibt’s bei mir nur alle paar Jahre. Na ja fast, durchgeschlafen bis 45 Minuten vor Weckerklingeln, aber das lasse ich gelten. Und ich schlief dann nochmal bis Wecker ein.

Gezieltes Frier-Verhindern mit Zwiebel-System.

Frau mit kurzen weißen Haaren fotografiert sich in großem Spiegel, trägt weiße Jeans, gelben Pulli mit drunter T-Shirt, drüber grauen Woll-Janker

T-Shirt unter Pulli unter Wolljanker, dicke Socken in Turnschuhen. Doch schon wieder unterlief mir ein Denkfehler: Für draußen und den Weg in die Arbeit war die dicke Kleidung ja unnötig; ich schwitzte ganz schön, während die Passant*innen zu einem Drittel in kurzen Ärmeln unterwegs waren.

Aber nicht mal eine Stunde nach Arbeitsstart schlüpfte ich zurück in meinen Wolljanker. (Rundblick bei einer Besprechung in Präsenz: Wollpulli, Jacket.)

Mein vorabendlicher Back-Einsatz, so stellte sich heraus, wäre nicht nötig gewesen: Fehlende Listeneintrag-Disziplin.

Ich kam trotzdem raus auf einen Mittagscappuccino.

Cappuccino auf einem Brett an der Wand, das auf ein Fenster zuläuft, an dem ein Bub von hinten zu sehen ist

Das Kind am Fenster las ein Asterix-Heft, the kids are alright.

Mittlerweile herrschten draußen sonnige T-Shirt-Temperaturen, erst zurück im Büro brauchte ich meinen Pulli.

Zum späten Mittagessen gab es zwei riesige Pfirsiche und eine Scheibe Ziegenrolle, diese besonders gut und aromatisch.

Der Arbeitsnachmittag gestaltete sich etwas durcheinander, Erfolgserlebnis, als eine Software-Funktion, die seit über einer Woche zickt, bei einem anderem Vorgang problemlos durchlief. Das kleine Glück der Bürostute. Es ging so zu, dass ich erst um vier das erste Mal dazu kam, zum namibischen Wasserloch zu gucken (das ist meine medizinische Augenentspannung, man soll ja bei der Computer-Arbeit hin und wieder aus dem Fenster gucken – niemand hat mir gesagt, welches Fenster).

Später Feierabend. Für den Heimweg steckte ich Pulli und Jacke weg, draußen war es warm geworden. Dennoch schlechte Laune. Einkäufe beim Vollcorner.

Daheim Yoga-Gymnastik. Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl den Ernteanteil-Chinakohl als unser Standard-Gericht mit Bandnudeln und Räucherlachs. Nachtisch Schokolade. Die kommenden Tage werden von Familienbesuchen auf Herrn Kaltmamsells Seite bestimmt, wir müssen flexibel planen.

Sehr früh ins Bett zum Lesen, etwas anderes fiel mir nicht ein, um die Zeit bis zum Schlafen totzuschlagen. Vom Nußbaumpark klang Blasmusik herüber, ich wippte unter anderem zu einer Version von “Tijuana Taxi” mit den Zehen.

§

Verkehrsschild Baustelle, darauf die Silhouette eines Mannes mit Schiebermütze, der in einen Haufen schaufelt

Verkehrsschilder als modehistorische Zeitkapseln: Wann trugen Bauarbeiter in Deutschland solche Kappen, Schiebermützen? Ich erinnere mich nicht aus meiner Kindheit. (Auch technikhistorische Zeitkapsel: Eigentlich müsste ein Kleinbagger als Symbol dienen.)

Vor Bäumen ein U-Bahn-Schild, daneben ein Unterführungsschild

Erst in der Woche zuvor hatte ich einen Herrn in Anzug und Hut festgehalten, der auf eine Unterführung am Georg-Freundorfer-Platz hinweist.

Journal Montag, 26. August 2024 – Bürofrieren im August

Dienstag, 27. August 2024

Beim Lüften am Morgen kam es sehr kalt herein, ich hatte mir für den Arbeitstag bereits warme Kleidung rausgelegt.

Kurzer Schreck, als ich den gestrigen Blogpost veröffentlichen wollte: Die Internet-Verbindung war weg. Ich behalf mich mit dem Mobilfunk-Zugang meines Smartphones (böses, böses Handy, an dem ich schon wieder hing).

Erfrischender Weg in die Arbeit, allerdings wurde ich an dessen Ende völlig unangekündigt (!) ordentlich angeregnet.

Den Büro-Vormittag verbrachte ich mit ruhiger Emsigkeit. Dazu gehörte auch, dass ich meinen Kolbenfüller mit schwarzer Tinte nachfüllte, danach hatte ich wieder mal Finger wie Schulkind. Ansonsten wieder großes Bürofrieren, ich hatte nur die Außentemperatur bedacht, nicht aber den Kühlschrank-Charakter meines Arbeitsplatzes. Ich werde dann doch dicke Wärmung dort stationieren müssen für ähnliche Fälle von Vergesslichkeit.

Es regnete immer wieder, für meinen Mittagscappuccino ging ich nur schnell zu Nachbars. Als Brotzeit hatte ich Pumpernickel mit Butter dabei und einen hervorragenden Apfel aus neuer Ernte.

Am Ende des Arbeitstags war ich trotz Baumwollpulli, Jeansjacke und Schnürschuhen völlig durchgefroren, sehnte mich nach einem heißen Vollbad – und war wieder so sauer darüber wie im Winter.

Auf dem Heimweg in leichtem Nieseln besorgte ich Obst, unter anderem Zwetschgen für einen weiteren Kuchen mit Nuss-Mürbteig. An den machte ich mich daheim umgehend, der Kuchen wird mein Beitrag zu einer Arbeits-Geselligkeit am Dienstag.

Nachricht von den Nifften: Sind nach ihrem Madrid-Urlaub wieder daheim.

Nach dem Kuchenbacken war noch Zeit für Yoga-Gymnastik, die ich sehr genoss und die mich schön wärmte. Das Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell schon vorbereitete: Mit Frühlingszwiebeln aus Ernteanteil machte er eines meiner Lieblingsgerichte, nämlich Glasnudelsalat mit Garnelen, frischen Kräutern und Soja-Hack nach Jamie Oliver. Schmeckte hervorragend und besänftigte mich. Nachtisch Schokolade.

Mit den Eisentabletten kam meine sportliche Fitness zurück, aber meine Mundwinkel blieben wund. Vorm Zu-Bett-Gehen ließ ich zum ersten Mal seit Jahren das Zahnseideln weg: Damit lande ich nämlich immer irgendwie im rechten wunden Mundwinkel, ich wollte die Chance auf Heilen vergrößern.

§

Eine Sammlung von Grimms Märchen gehörte zu den ersten Büchern, die ich selbst las, in einer Ausgabe, die mit schönen Holzschnitten von Ludwig Richter illustriert und in keiner Weise für Kinder überarbeitet/vereinfacht war.

Etwa ein Viertel der Wörter verstand ich nicht: Aber das war als Kind für mich normal, ich wusste nicht, wie viele dieser Wörter tatsächlich sehr exotisch und schon lang nicht mehr gebräuchlich waren. Über die folgenden Jahrzehnte erlebte ich immer wieder Momente, in denen ich endlich lernte, was ein Wort (z.B. Oheim) aus meinem Band Grimms Märchen bedeutete.

In der eigenen Muttersprache tauchen natürlich immer wieder neue Wörter oder Wendungen auf; im wiederholten Kontext wird üblicherweise ihre Bedeutung klar. Gestern aber musste ich aktiv die Bedeutung eines Worts in meiner Muttersprache nachschlagen, weil sie mir auch nach wiederholtem Hören nicht klar werden wollte: Safe. Höre ich seit Jahren immer wieder in Gesprächen junger Leute, und dass es nicht in der englischen Bedeutung vewendet wird, war mir schnell klar. Aber in welcher dann? Hier stieß ich auf eine Erklärung, die zu dem Gehörten passt. Jetzt brauche ich aber noch ein paar Life-Einsätze, bis ich mir auch Einverleibung in meinen aktiven Wortschatz zutraue.

§

Dass Neubauten einer der großen CO2-Emittenden sind, weiß man schon lange, doch bislang hat das kaum Auswirkungen auf die Bau-Industrie. Noch, so kommt es mir vor, schafft es jedes Projekt, das Abriss verhindert, zu einer eigenen großen Reportage – hier haben in Bern BHSF Architekten ein Lager- und ein Bürohaus in ungewöhnliche Wohnbauten verwandelt. Zumindest zeigen diese Einzelprojekte, dass das geht:
“Wohnen im Bürogebäude: Schweizer Architekten recyceln Häuser”.

Das Ziel “Umbauen statt neu bauen” ist aus Klimaschutzgründen heute ins Zentrum der Architektur gerückt, und die Schweiz gilt als Vorreiter dieser Wiederverwertungskultur.

(…)

“Es hat für uns mit ganz normalem Menschenverstand zu tun, dass man etwas, das nicht kaputt ist, nicht wegwirft”, sagt der Architekt.

Journal Sonntag, 25. August 2024 – Return of the Drinnen

Montag, 26. August 2024

Gestern also der angekündigte Regensonntag. Von Fenster zu, damit es nicht heiß reinkommt am Samstag (28 Grad) zu Fenster zu, damit es nicht kalt reinkommt (15 Grad).

Ausgeschlafen, zu meiner Überraschung und Freude hatte das Wetter genug Sommer für Balkonkaffee übrig gelassen. Über die folgenden beiden Stunden, die ich dort saß, wurde es allerdings langsam und spürbar kühler, ich wechselte an den Esstisch drinnen.

Gestern hatte ich eine Laufrunde an der Isar geplant, mein Sonntagsrhythmus (je älter ich werde, desto eingefahrener in diesen Dingen) legte den Start auf etwa 10 Uhr. Der Regenradar, der ja nun auch nicht gerade für Kompromissbereitschaft bekannt ist, legte den Start eines ernsthaften und ausgedehnten Regengebiets auf dieselbe Zeit. Also setzten wir beide stoisch unsere Vorhaben um: Ich nahm in Schirmmütze und Regenjacke die U-Bahn nach Thalkirchen, das Wetter begann bei meinem Verlassen des U-Bahnhofs zu tröpfeln, verstärkte Vorhersage-gemäß den Regen im Lauf meiner 100 Minuten immer weiter – aber nie Spaß-verderbend unangenehm, danke schön.

Lohn der Regenläuferin: Fast keine anderen Leute.

Nebenfluss mit Uferbewachsung unter dunklen Wolken

Tröpfeln in Thalkirchen.

Blick von oben auf Fluss (rechts), Uferwege (Mitte), Nebenfluss (links) mit viel Ufergrün, dunkelgrauer Himmel

Regenwolken über der Großhesseloher Brücke.

Hydrant in hoch und wild gewachsener Wiese

Parkbank mit fehlenden Sitzbrettern und Rückenlehne, darum ein weiß-rotes Plastikband, dahinter Blick aufs Isartal

Bank überm Isartal bei Pullach kaputt!

Teich im Regendunst, am gegenüberliegenden Ufer eine Hütte aus dunklem Holz

Richtig Regen auf dem Rückweg am Hinterbrühler See.

Erst in der zweiten Hälfte lief ich leichter und mit Genuss, davor fühlte sich das Traben ein wenig mühsam an. Abschließend holte ich Frühstückssemmeln beim Zöttl (der mit den guten Laugen-Zöpferln).

Eines davon gab es kurz vor zwei zum Frühstück mit Tomate, außerdem Pfirsich mit Joghurt und Leinsamenschrot. In Socken, langen Ärmeln, Hosenbeinen, Strickjacke las ich die Wochenend-Süddeutsche. Ich empfehle das Buch zwei über die Frankfurter Drogenszene, warum sie in den vergangenen Jahren so schlimm geworden ist und wer welche Ideen zur Abhilfe hat. Gianna Niewel schreibt angenehm wertungsfrei, hat mit vielen Menschen vor Ort gesprochen, auch mit einigen Drogenabhängigen, um die es ja geht (€):
“Hilfe!”

Eine Runde Bügeln, fast genug für diese arte-Doku, die ich seit Wochen als offenen Tab im Browser hatte:
“Menopause – Frauen berichten”.
Genauer gesagt: Französische Frauen berichten, das ist meiner Meinung nach sehr deutlich. Dennoch fand ich die verschiedenen persönlichen Perspektiven spannend – die sich alle von meinen Erfahrungen unterschieden. Wichtig aber: Dass wir darüber sprechen, dass die weiblichen Wechseljahre endlich aus dem Tabu rauskommen, das sie umgibt. Ich sehe in den vergangenen Jahren deutliche Anzeichen dafür, jetzt aber bitte nicht nachlassen.

Es regnete einfach durch.

Ich stoppe ja nicht mit (wer stoppt schon den Zeitaufwand für ein Hobby mit?), aber gerade als ich dachte, bis Yoga-Gymnastik könnte ich ja noch ein Stündchen Roman lesen, fiel mir ein, dass ich erst noch die Fotos vom Isarlauf runterladen, benamsen, für den Blogpost bearbeiten könnte – und dann war vor Yoga-Gymnastik gar keine Zeit mehr für Romanlesen. No na, andere Leute gucken Serien.

Yoga-Gymnastik war wohltuend und anstrengend. Fürs Nachtmahl sorgte wieder Herr Kaltmamsell: Er kochte ein Lamm-Curry auf der Basis einer geschenkten Gewürzmischung. War gut, war mir nur ein wenig zu scharf, so dass ich das Lamm gar nicht richtig schmeckte – und ich mag Lammgeschmack sehr gern.

Beim Abräumen rief Herr Kaltmamsell erschrocken nach mir: Eine überraschend große Heuschrecke hatte sich ins Wohnzimmer verirrt. Mit koordiniertem Einsatz, Schüsseln und Zeitung fingen wir sie ein und setzten sie auf die Balkonbrüstung.

Auf einer Balkonbrüstung eine Tonschale Wasser, daneben eine grüne Heuschrecke

Nachtisch Zwetschgenkuchen und Schokolade. Auf arte lief einer meiner Allzeit-Lieblingsfilme: Gattaca.

Im Bett beim Lesen beschlossen, Miranda July, All Fours nach einem Viertel abzubrechen: So ein Schmarrn. Die Grundidee hätte schon lustig sein können: Eine Künstlerin/Autorin in Los Angeles mit Mann und Kindern beschließt, eine Reise nach New York mit dem Auto anzutreten, kommt aber nicht mal aus ihrer Heimatstadt raus und mietet sich in einem Hotel ein, lässt ihr Zimmer für 20.000 Doller neu dekorieren, empfindet eine Obsession für einen Mietauto-Angestellten. Doch alles daran wird derart ausufernd bis in jedes noch so unnötige Detail beschrieben, jede noch so kleine Empfindung wird unter die Selbstreflexions-Lupe genommen, Formulierungen wiederholen sich ständig – nichts daran interessierte mich, glaubte ich auch nur. Weg damit, es gibt Dutzende anderer Bücher, die ich lieber lesen möchte. Ich lud ein weiteres von meiner Wunschliste herunter: Anja Reich, Simone. Der Anfang las sich schon so fesselnd, dass ich das Licht später löschte, als ich geplant hatte.

§

Herzbruch hat erfahren, dass sich Lars Klingbeil in Chicago auf dem Parteitag der US-Demokraten Inspiratation für den SPD-Bundestagswahlkampf geholt hat und malt sich die Umsetzung aus.

Das ist fachlich fundiert und komisch – allerdings gehen emotional mitreißende Politik-Veranstaltungen mit charismatischen Politiker*innen komplett an meinen persönlichen Emotionen vorbei: Ich grusle mich, denn mir fällt sofort die prä-demokratische deutsche Vergangenheit ein, in der das mit dem charismatischen Mitreißen sehr gut und mit verheerenden Auswirkungen auf große Teile der Menschheit funktioniert hat. Ich stehe auf sachliche Politiker*innen und Inhalts-orientierte Politik, lassen mich ob dieser Oxymoren aber gerne auslachen und weiß, dass auch die Forschung Wahlentscheidungen zu nahezu 100 Prozent auf nicht-sachlicher Basis nachweist.